Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 320/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]               
{T 0/2}
                             
9C_320/2014, 9C_336/2014

Urteil vom 29. Januar 2015

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Pfiffner,
Gerichtsschreiber R. Widmer.

Verfahrensbeteiligte
9C_320/2014
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Adelrich Friedli,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle des Kantons Thurgau, Rechts- und Einsprachedienst,
St. Gallerstrasse 13, 8500 Frauenfeld,
Beschwerdegegnerin,

und

9C_336/2014
IV-Stelle des Kantons Thurgau, Rechts- und Einsprachedienst,
St. Gallerstrasse 13, 8500 Frauenfeld,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Adelrich Friedli,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerden gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau
vom 26. März 2014.

Sachverhalt:

A. 
Die 1963 geborene A.________ bezog wegen der Folgen einer Querschnittlähmung
gemäss Verfügung der IV-Stelle des Kantons Thurgau vom 16. Januar 2004 bei
einem Invaliditätsgrad von 58 % seit 1. März 2002 eine halbe Invalidenrente.
Nach Durchführung einer Revision bestätigte die IV-Stelle mit Mitteilung vom 8.
September 2004 diese Rentenausrichtung. Im Rahmen eines im Oktober 2007
eingeleiteten Revisionsverfahrens hielt A.________ auf dem Fragebogen fest, sie
sei bei der B.________ AG erwerbstätig, was von der Arbeitgeberfirma am 15.
Oktober 2007 bestätigt wurde. Den Lohn bezifferte die B.________ AG für ein
Pensum von 16,8 Stunden pro Woche mit Fr. 5'391.- (1. Oktober bis 31. Dezember
2004), Fr. 26'337.- (2005) und Fr. 28'366.- (2006). Die IV-Stelle legte den
Invaliditätsgrad neu fest. Mit Verfügung vom 4. Juli 2008 setzte sie die bisher
ausbezahlte halbe Rente per 1. Oktober 2004 auf eine Viertelsrente herab;
rückwirkend auf den 31. Dezember 2005 hob sie die Invalidenrente auf. Mit einer
weiteren Verfügung vom 7. Juli 2008 forderte das Amt für AHV und IV des Kantons
Thurgau von der Versicherten einen Betrag von Fr. 25'677.- für im Zeitraum ab
1. Oktober 2004 bis Ende November 2007 zu viel bezahlte
Invalidenrentenleistungen zurück.
Nachdem A.________ beide Verfügungen beschwerdeweise angefochten hatte, hob die
IV-Stelle mit Verfügung vom 15. September 2008 die Verfügung vom 7. Juli 2008
betreffend Rückforderung pendente lite wiedererwägungsweise auf. Im Entscheid
vom 26. November 2008 stellte das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau fest,
die Rückforderungsverfügung vom 4. (recte: 7.) Juli 2008 sei nicht von der
IV-Stelle, sondern von der Ausgleichskasse des Kantons Thurgau erlassen worden.
Dieser Verwaltungsakt sei mittels Einsprache anzufechten. Mangels eines
Einspracheentscheides fehle es an einem Anfechtungsgegenstand, weshalb in
diesem Punkt auf die Beschwerde nicht einzutreten sei. In Bezug auf die
Aufhebung der Invalidenrente wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde ab. Auf
die hiegegen erhobene Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten trat
das Bundesgericht mit Urteil vom 1. April 2009 nicht ein. Mit Verfügung vom 19.
Januar 2009 forderte das Amt für AHV und IV des Kantons Thurgau von der
Versicherten erneut einen Betrag von Fr. 25'677.- zurück, wogegen A.________
wiederum Beschwerde führte. Mit Entscheid vom 15. Juli 2009 trat das
Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau darauf nicht ein. Es stellte fest, die
Verfügung sei von der Ausgleichskasse und nicht von der IV-Stelle erlassen
worden. Entsprechend wies es die Beschwerde zur Entgegennahme als Einsprache an
die Ausgleichskasse zurück. Da diese nicht zuständig sei, habe sie die Sache an
die IV-Stelle weiterzuleiten, welche über die Rückerstattung zu verfügen habe.
Mit Einspracheentscheid vom 22. August 2013 hob die Ausgleichskasse ihre
Verfügung vom 19. Januar 2009 auf und leitete die Sache an die IV-Stelle
weiter. Diese verpflichtete A.________ mit Verfügung vom 7. November 2013 zur
Rückerstattung der vom Oktober 2004 bis Juli 2007 zu viel bezogenen
Invalidenrenten im Gesamtbetrag von Fr. 25'677.-.

B. 
A.________ liess Beschwerde führen mit dem Antrag, die Rückforderungsverfügung
vom 7. November 2013 sei aufzuheben. Mit Entscheid vom 26. März 2014 setzte das
Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau die Rückforderung in teilweiser
Gutheissung der Beschwerde auf Fr. 13'737.- herab.

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Rechtsbegehren, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei
festzustellen, dass kein Rückforderungsanspruch der IV-Stelle besteht.
Die IV-Stelle und das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) verzichten auf
eine Vernehmlassung.

D. 
Die IV-Stelle reicht ebenfalls Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten ein. Sie beantragt, der vorinstanzliche Entscheid sei
aufzuheben.
A.________ und das BSV verzichten auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.

1.1. Da den beiden Beschwerden derselbe Sachverhalt zugrunde liegt, sich die
gleichen Rechtsfragen stellen, die Rechtsmittel den nämlichen vorinstanzlichen
Entscheid betreffen und die gleichen Parteien beteiligt sind, rechtfertigt es
sich, die beiden Verfahren zu vereinigen und in einem einzigen Urteil zu
erledigen (vgl. BGE 128 V 124 E. 1 S. 126).

1.2. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung
des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann
die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2.

2.1. Gemäss Art. 25 Abs. 1 Satz 1 ATSG sind unrechtmässig bezogene Leistungen
der Invalidenversicherung zurückzuerstatten. Der Rückforderungsanspruch
erlischt mit dem Ablauf eines Jahres, nachdem die Versicherungseinrichtung
davon Kenntnis erhalten hat, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Jahren
nach der Entrichtung der einzelnen Leistung (Art. 25 Abs. 2 Satz 1 ATSG).

2.2. Bei den Fristen nach Art. 25 Abs. 2 ATSG handelt es sich um von Amtes
wegen zu berücksichtigende Verwirkungsfristen (BGE 138 V 74 E. 4.1 S. 77 mit
Hinweisen). Diese sind rechtsprechungsgemäss gewahrt, wenn vor Ablauf der
massgebenden Frist eine Rückerstattungsverfügung ergeht (SVR 2004 ALV Nr. 5 S.
13, C 17/03 E. 4.3.2 mit Hinweisen; UELI KIESER, ATSG-Kommentar, 2. Auflage
2009 N. 43 zu Art. 25). Wurde die Rückforderung einmal frist- und formgerecht
geltend gemacht, ist die Frist zu ihrer Festsetzung ein für alle Mal gewahrt,
und zwar selbst dann, wenn die entsprechende Verfügung nachträglich aufgehoben
und durch eine inhaltlich berichtigte neue ersetzt werden muss. Das spätere
rechtliche Schicksal der Rückerstattungsverfügung spielt demnach keine Rolle.
In solchen Fällen stellt sich die Frage der Verwirkung erst wieder bei der
Vollstreckung, nachdem die Rückerstattungsforderung rechtskräftig geworden ist
(SVR 1997 ALV Nr. 84 S. 255, C 68/96 E. 2c aa). Für die Vollstreckung
rechtskräftig festgesetzter Rückforderungen gilt eine fünfjährige
Verwirkungsfrist (SVR 2007 IV Nr. 6 S. 21, I 721/05 E. 2.3; Urteil 8C_152/2013
vom 28. Oktober 2013 E. 2.3).

3. 
Streitig und zu prüfen ist, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die
Versicherte der IV-Stelle zu Unrecht bezogene Leistungen zurückzuerstatten hat.

3.1. Die Vorinstanz hielt mit Bezug auf den Ablauf der relativen einjährigen
Verwirkungsfrist ausgehend vom Urteil 9C_399/2013 vom 30. November 2013 E. 3.1,
wonach bei Anfechtung einer Verfügung der IV-Stelle über den materiellen
Bestand des Leistungsanspruchs die einjährige Frist mit dem Eintritt der
Rechtskraft des kantonalen Beschwerdeentscheides zu laufen beginnt, fest, im
vorliegenden Fall habe die Frist mit dem Eingang des Urteils des Bundesgerichts
vom 1. April 2009 bei der IV-Stelle am 23. April 2009 zu laufen begonnen. Die
IV-Stelle habe erst zu diesem Zeitpunkt die erforderliche Kenntnis über den
feststehenden Rückforderungstatbestand gehabt. Die Frist habe am 23. April 2010
geendet. Die hier angefochtene Rückerstattungsverfügung sei erst am 7. November
2013 und damit verspätet ergangen. Rechtzeitig erlassen worden sei die
Verfügung vom 19. Januar 2009, wobei fraglich sei, ob damit die Rückforderung
formgerecht geltend gemacht wurde. Obwohl von der unzuständigen Amtsstelle
erlassen, könne diese Verfügung nicht als nichtig betrachtet werden. Vielmehr
sei trotz sachlicher Unzuständigkeit zum Verfügungserlass (Ausgleichskasse
statt IV-Stelle) von formgerechter Rückforderung auszugehen, da diese in
Verfügungsform ergangen sei und von der Ausgleichskasse, die ebenfalls Teil des
Amtes für AHV und IV bildet, erlassen wurde. Die Rückforderung der während des
Zeitraums vom 1. Oktober 2004 bis 30. November 2007 zu Unrecht ausgerichteten
Leistungen der Invalidenversicherung sei damit nicht verwirkt.

3.2. Die Beschwerdeführerin wendet ein, die Verfügung vom 19. Januar 2009 habe
entgegen der Ansicht der Vorinstanz keinen fristwahrenden Charakter. Sie sei
von der unzuständigen Behörde erlassen worden und könne daher nicht als
formgerecht im Sinne des Urteils 8C_152/2013 vom 28. Oktober 2013 bezeichnet
werden, zumal sie die IV-spezifischen Voraussetzungen (Meldepflichtverletzung)
nicht geprüft und überdies eine falsche Rechtsmittelbelehrung enthalten habe.
Die Vorinstanz habe die Verfügung vom 19. Januar 2009 im Entscheid vom 15. Juli
2009 als nichtig eingestuft. Davon habe die Versicherte ausgehen dürfen, sodass
sie nach Vorliegen des Urteils des Bundesgerichts vom 1. April 2009 betreffend
rückwirkende Leistungseinstellung und des kantonalen Entscheides vom 15. Juli
2009 allenfalls noch bis zum 23. April 2010 mit einer gültigen
Rückforderungsverfügung rechnen musste. Eine solche Verfügung sei innert dieser
Frist nicht mehr ergangen.

4.

4.1. Fehlerhafte Verwaltungsakte sind in der Regel nicht nichtig, sondern bloss
anfechtbar, und sie erwachsen dementsprechend durch Nichtanfechtung in
Rechtskraft. Nichtigkeit der Verfügung oder des Entscheids tritt nach ständiger
bundesgerichtlicher Rechtsprechung ein, wenn:
a) der ihnen anhaftende Mangel besonders schwer ist,
b) er offensichtlich oder zumindest leicht erkennbar ist und
c) zudem die Rechtssicherheit durch die Annahme der Nichtigkeit nicht ernsthaft
gefährdet wird.
Als Nichtigkeitsgründe fallen vorab funktionelle und sachliche Unzuständigkeit
der entscheidenden Behörde sowie krasse Verfahrensfehler in Betracht.
Inhaltliche Mängel einer Verfügung oder eines Entscheids führen nur
ausnahmsweise zur Nichtigkeit (vgl. BGE 138 II 501 E. 3.1 S. 503 f., 137 I 273
E. 3.1 S. 275, 137 III 217 E. 2.4.3 S. 225, 136 II 489 E. 3.3 S. 495; Urteile
2C_596/2012 vom 19. März 2013 und 2C_657/2014 vom 12. November 2014).
Nichtigkeit ist nur in Ausnahmefällen anzunehmen, wenn die Verfügung
gravierende Mängel aufweist (SVR 2009 AHV Nr. 1 S. 1 E. 2.1, 9C_333/2007).

4.2. Die Verfügung vom 19. Januar 2009, mit welcher das Amt für AHV und IV von
der Beschwerdeführerin Invalidenrentenbetreffnisse im Betrag von Fr. 25'677.-
zurückforderte, wurde laut Feststellung der Vorinstanz nicht durch die
zuständige IV-Stelle, sondern durch die Ausgleichskasse erlassen. Damit wurde
die Rückforderung zwar durch eine sachlich unzuständige Amtsstelle verfügt.
Dies führt unter den vorliegenden Umständen jedoch nicht zur Nichtigkeit, liegt
doch kein besonders schwerer Mangel vor; denn bei der Ausgleichskasse handelt
es sich um die Behörde, die seinerzeit zusammen mit der IV-Stelle das Amt für
AHV und IV des Kantons Thurgau (heute Sozialversicherungszentrum Thurgau)
gebildet hat. Diese beiden Amtsstellen präsentierten sich als einheitliches
Gebilde, und es war für Dritte nicht nur nicht offensichtlich, sondern
praktisch kaum erkennbar, dass unter dem gleichen Namen Amt für AHV und IV an
nämlicher Adresse unterschiedliche Verwaltungseinheiten tätig waren. Zu
beachten gilt es sodann auch, dass die Verfügung selbst von einem
Sachbearbeiter des Amtes für AHV und IV, Leistungen/Renten, unterzeichnet ist,
womit die von der Vorinstanz festgestellte sachliche Unzuständigkeit ebenfalls
für Drittpersonen nicht ersichtlich war. Anders als im Fall der Verfügung einer
mit der Sache in keiner Weise befassten Behörde, z.B. des kantonalen
Raumplanungsamtes oder des kommunalen Bauamtes, handelt es sich bei der
Ausgleichskasse um eine Amtsstelle, die sich mit ähnlichen Aufgaben (Renten,
Hilflosenentschädigungen usw.) in einem verwandten Sozialversicherungszweig zu
befassen hat. Die Voraussetzungen, unter denen die Rechtsprechung Nichtigkeit
annimmt, sind hier nicht gegeben. Da die Rückforderungsverfügung vom 19. Januar
2009 nicht als nichtig zu betrachten ist, wurde mit deren Erlass die einjährige
Verwirkungsfrist gewahrt, wie das kantonale Gericht zu Recht ausführt. Ebenso
wurde mit der Verfügung vom 19. Januar 2009 die absolute fünfjährige
Verwirkungsfrist gewahrt.

5.

5.1. Hinsichtlich der in Art. 31 Abs. 1 ATSG und Art. 77 IVV statuierten
Meldepflicht, wonach jede wesentliche Änderung in den für eine Leistung
massgebenden Verhältnissen zu melden ist, führte das kantonale Gericht aus, die
Versicherte habe die am 1. Oktober 2004 erfolgte Aufnahme ihrer
Erwerbstätigkeit bei der B.________ AG der IV-Stelle erst auf dem
Revisionsfragebogen vom 24. Oktober 2007 mitgeteilt. Dass bereits früher eine
Meldung erfolgte, gehe aus den Akten nicht hervor. Indessen sei die
Erwerbsaufnahme bereits aus dem IK-Auszug vom 25. September 2006, der
gleichentags bei der IV-Stelle eintraf, ersichtlich gewesen. Ab Oktober 2006
sei die Meldepflichtverletzung nicht mehr kausal für den unrechtmässigen
Leistungsbezug gewesen. Die Rückforderung sei daher um den ab Oktober 2006 bis
November 2007 geltend gemachten Betrag von Fr. 11'940.- zu reduzieren. Die
Rückforderung belaufe sich damit noch auf Fr. 13'737.-.

5.2. Die Versicherte macht für den Fall, dass keine Verwirkung der
Rückforderung angenommen werde, geltend, dass die IV-Stelle nochmals angehalten
werden müsse, sich mit ihren Einwänden zur Frage der Meldepflichtverletzung zu
befassen. Dies sei bis anhin entgegen der Anordnung im vorinstanzlichen
Entscheid vom 15. Juli 2009 unterlassen worden.

5.3. Die IV-Stelle ihrerseits bringt beschwerdeweise zur Hauptsache vor, die
Vorinstanz habe Bundesrecht verletzt, indem sie bei der Beurteilung der
Beschwerde vom 19. November 2013 nochmals die Meldepflichtverletzung prüfte,
obwohl darüber in der Verfügung der IV-Stelle vom 4. Juli 2008 rechtskräftig
entschieden worden sei. Damit habe das kantonale Gericht Art. 77 IVV in
Verbindung mit Art. 88bis Abs. 2 lit. b IVV verletzt.

5.4. Versicherte und IV-Stelle bringen nicht vor, die Vorinstanz habe den
rechtserheblichen Sachverhalt betreffend die Mitteilung der Arbeitsaufnahme
durch die Versicherte offensichtlich unrichtig festgestellt (E. 1.2 hievor).
Ebenso wenig liegen eine Verletzung des rechtlichen Gehörs oder eine
unvollständige Sachverhaltsabklärung vor, wenn das kantonale Gericht keine
zusätzlichen Abklärungen zur Frage getroffen hat, wann die Versicherte die
Erwerbsaufnahme der IV-Stelle gemeldet hat. Vielmehr durfte die Vorinstanz
ungeachtet der Vorbringen der Versicherten, die sich in durch nichts belegten
Behauptungen erschöpfen, in antizipierter Beweiswürdigung von Aktenergänzungen
absehen, steht doch aufgrund des angefochtenen Entscheides fest, dass die
Versicherte auf dem Revisionsfragebogen vom 24. Oktober 2007 die Aufnahme der
Erwerbstätigkeit mitgeteilt hat und sich in den Akten kein früheres Datum für
eine entsprechende Bekanntgabe des Arbeitsbeginns ermitteln lässt.

5.5.

5.5.1. Die IV-Stelle wendet schliesslich ein, sie habe über die
Meldepflichtverletzung bereits in der Verfügung vom 4. Juli 2008 rechtskräftig
entschieden, weshalb die nochmalige Prüfung dieser Frage durch die Vorinstanz
Bundesrecht verletze. Im Beschwerdeverfahren betreffend die
Rückforderungsverfügung hätten nur noch AHV-spezifische Gesichtspunkte wie die
Berechnung der Höhe des Rückforderungsbetrages geprüft werden dürfen. Der
Umstand, dass die Vorinstanz sich mit der fraglichen Meldepflichtverletzung in
den früheren Verfahren nicht materiell auseinandergesetzt hat, sei nicht
relevant. Da eine res iudicata vorgelegen habe, hätte die Vorinstanz die
Rückforderung nicht um Fr. 11'940.- reduzieren dürfen.

5.5.2. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Mit Verfügung vom 4. Juli
2008 setzte die IV-Stelle die laufende Invalidenrente per 1. Oktober 2004 auf
eine halbe Rente herab und hob sie rückwirkend auf den 31. Dezember 2005 auf.
Eine Prüfung der Meldepflichtverletzung wurde nicht vorgenommen. Am 7. Juli
2008 erging die Rückforderungsverfügung der Ausgleichskasse des Kantons Thurgau
über Fr. 25'677.-, eine Prüfung der Meldepflichtverletzung unterblieb wiederum.
Auf die hiegegen eingereichte Beschwerde trat das Verwaltungsgericht in der
Folge mit Entscheid vom 26. November 2008 nicht ein, weil gegen Verfügungen der
Ausgleichskasse die Einsprache offen stehe; mangels Einspracheentscheids fehle
es an einem Anfechtungsgegenstand. Von einer rechtskräftigen Beurteilung der
Meldepflichtverletzung kann unter diesen Umständen nicht gesprochen werden. Es
liegt keine res iudicata vor, welche einer Prüfung der Meldepflichtverletzung
im vorliegenden Verfahren entgegenstünde. Die Vorinstanz hat die Rückforderung
um Fr. 11'940.- reduziert mit der Begründung, die IV-Stelle hätte bereits
aufgrund des IK-Auszugs vom 25. September 2006, der gleichentags bei ihr
einging, erkennen müssen, dass die Versicherte bei der B.________ AG eine
Erwerbstätigkeit aufgenommen hatte, sodass die Meldepflichtverletzung ab
Oktober 2006 nicht mehr kausal für den unrechtmässigen Rentenbezug war. Diese
fehlende Kausalität rechtfertigt die Herabsetzung der von der Verwaltung
verfügten Rückforderung um den von der IV-Stelle von Oktober 2006 bis November
2007 geltend gemachten Betrag (BGE 118 V 214 E. 3b S. 219 ff.; Urteil 8C_119/
2009 vom 27. Juli 2009 E. 3).

6. Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten den
unterliegenden Beschwerdeführern je zur Hälfte aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1
Satz 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Verfahren 9C_320/2014 und 9C_336/2014 werden vereinigt.

2. 
Die Beschwerden werden abgewiesen.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.- werden den Beschwerdeführerinnen je zur
Hälfte auferlegt.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und
dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 29. Januar 2015
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Der Gerichtsschreiber: Widmer

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