Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 308/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
9C_308/2014        
{T 0/2}

Urteil vom 19. Mai 2015

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichterin Pfiffner, Bundesrichter Parrino,
Gerichtsschreiberin Keel Baumann.

Verfahrensbeteiligte
IV-Stelle des Kantons St. Gallen,
Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt lic. oec. Hermann Grosser,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 3. März 2014.

Sachverhalt:

A.

A.a. A.________, geb. 1953, leidet seit 1974 an fortschreitender Multipler
Sklerose. Die Invalidenversicherung sprach ihr verschiedene Hilfsmittel, eine
ganze Invalidenrente sowie eine Hilflosenentschädigung für Hilflosigkeit
schweren Grades zu. Im April 2010 stellte die Versicherte bei der IV-Stelle des
Kantons St. Gallen ein Begehren um Übernahme der Kosten für den Umbau eines
Fahrzeuges VW Caddy Life Automat im Umfang von Fr. 50'001.70, wobei
insbesondere der Einbau eines Rollstuhllifts, einer elektrischen Heckklappe mit
Fernbedienung, ein 6-Weg-Fahrsitzunterbau mit orthopädischem Fahrersitz
"Recaro" sowie eine Standheizung vorgesehen war (Offerte der Firma B.________
GmbH vom 1. April 2010 über den Betrag von Fr. 50'001.70). Das
Hilfsmittel-Zentrum SAHB erachtete die Positionen "Recaro-Sitz" und
"Standheizung" für unnötig, schlug aber zusätzlich eine Kostenbeteiligung für
das Automatikgetriebe in der Höhe von Fr. 1'300.- vor (Total: Fr. 41'902.85).
Mit Verfügung vom 2. November 2010 sprach die IV-Stelle A.________ eine
Kostenbeteiligung von Fr. 25'000.- zu.

Die von der Versicherten dagegen erhobene Beschwerde hiess das angerufene
Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen teilweise gut; es wies die Sache
zur weiteren Abklärung an die IV-Stelle zurück. Dabei ordnete es an, es sei -
nebst der Fahreignung - zu prüfen, wie die Fortbewegung der Versicherten
konkret ausgestaltet, insbesondere inwieweit eine selbständige Fortbewegung
tatsächlich und aus medizinischer Sicht möglich sei, oder ob die Versicherte
von vornherein - trotz eines zur selbständigen Benützung umgebauten Fahrzeugs -
auf Dritthilfe angewiesen sei. Zusätzlich sei die medizinische Notwendigkeit
eines Recaro-Sitzes sowie einer Standheizung abzuklären, ebenso seien die
zeitliche Nutzung des Fahrzeugs und die Möglichkeit der Versicherten, die
Fahrzeugscheiben mit mechanischen oder chemischen Mitteln selber zu enteisen,
zu prüfen (Entscheid vom 30. Juni 2011).

Die IV-Stelle holte beim Hausarzt der Versicherten, Dr. med. C.________,
Facharzt für Allgemeinmedizin, eine Stellungnahme (erstattet am 15. August
2011) ein. Sie nahm den Bericht über die amtsärztliche Untersuchung der
Fahrtauglichkeit vom 19. September 2011 zu den Akten und informierte sich bei
der Versicherten über die Benützung des Fahrzeuges (Aktennotiz zu
Telefongespräch vom 18. Oktober 2011). Am 30. November 2011 nahm RAD-Arzt Dr.
med. D.________ Stellung.
Die IV-Stelle führte das Vorbescheidverfahren durch und sprach der Versicherten
mit Verfügung vom 16. Februar 2012 (unverändert) einen Kostenbeitrag von Fr.
25'000.- zu.

A.b. Am 23. November 2012 gelangte A.________ erneut an die IV-Stelle. Sie
machte eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes geltend (vermehrte
Schmerzen im rechten, bislang noch funktionsfähigen Arm) und ersuchte um
Übernahme der Kosten für die wegen des Kraftverlusts erforderliche Verringerung
der Servolenkung des Autos in der Höhe von Fr. 2'862.-. Die IV-Stelle wies das
Leistungsgesuch ab mit der Begründung, der Kostenrahmen von Fr. 25'000.- sei
bereits ausgeschöpft (Verfügung vom 12. Dezember 2012).

B. 
A.________ liess gegen beide Verfügungen je separat (am 22. März 2012 und am
30. Januar 2013) Beschwerde erheben und deren Aufhebung beantragen. Es seien
ihr die gesamten Umbaukosten in der Höhe von Fr. 44'150.- (gemäss korrigierter
Eingabe vom 8. Mai 2012) und Fr. 2'862.- zu erstatten. Das angerufene
Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen vereinigte die beiden Verfahren. Es
hiess die Beschwerde gegen die Verfügung vom 16. Februar 2012 teilweise und
diejenige gegen die Verfügung vom 12. Dezember 2012 vollumfänglich gut und
verpflichtete die IV-Stelle, die Kosten für das beantragte Hilfsmittel
(Fahrzeugumbau) in der Höhe von Fr. 43'258.45 zu übernehmen (Entscheid vom 3.
März 2014).

C. 
Die IV-Stelle führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit
dem Rechtsbegehren, der kantonale Entscheid sei aufzuheben; ihre Verfügungen
vom 16. Februar und 12. Dezember 2012 seien zu bestätigen.

Die Versicherte schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für
Sozialversicherungen (BSV) verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzung gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt
hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes
wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder
auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2
BGG; vgl. auch Art. 97 Abs. 1 BGG).

2.

2.1. Gemäss Art. 21 Abs. 1 Satz 1 IVG haben Versicherte im Rahmen einer vom
Bundesrat aufzustellenden Liste Anspruch auf jene Hilfsmittel, deren sie für
die Ausübung der Erwerbstätigkeit oder der Tätigkeit im Aufgabenbereich, zur
Erhaltung oder Verbesserung der Erwerbsfähigkeit, für die Schulung, die Aus-
und Weiterbildung oder zum Zwecke der funktionellen Angewöhnung bedürfen. Nach
Abs. 2 derselben Bestimmung haben Versicherte, die infolge ihrer Invalidität
für die Fortbewegung, für die Herstellung des Kontaktes mit der Umwelt oder für
die Selbstsorge kostspieliger Geräte bedürfen, im Rahmen einer vom Bundesrat
aufzustellenden Liste ohne Rücksicht auf die Erwerbsfähigkeit Anspruch auf
solche Hilfsmittel. Als Hilfsmittel gelten laut Ziff. 10.05 Anhang HVI auch die
invaliditätsbedingten Abänderungen von Motorfahrzeugen.

2.2. Im Kreisschreiben über die Abgabe von Hilfsmitteln durch die
Invalidenversicherung (KHMI; gültig ab 1. Januar 2008; Stand 1. Juli 2011) ist
vorgesehen, dass die Abänderungen an einem Motorfahrzeug einfach und
zweckmässig sein müssen; bei Unklarheiten ist eine neutrale Fachstelle (SAHB)
beizuziehen (Rz. 10.05.3 KHMI). Bei Abänderungskosten von mehr als Fr. 25'000.-
kann in der Regel nicht mehr von einer einfachen und zweckmässigen Versorgung
ausgegangen werden, weshalb eine spezielle Begründung erforderlich ist (Rz.
10.05.4 KHMI).

2.3. Als Verwaltungsweisung richtet sich das Kreisschreiben zwar vorab an die
Vollzugsorgane und ist für Gerichte nicht verbindlich. Diese berücksichtigen es
aber bei ihrer Entscheidung, sofern es eine dem Einzelfall angepasste und
gerecht werdende Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zulässt.
Das Gericht weicht also nicht ohne triftigen Grund von Verwaltungsweisungen ab,
wenn diese eine überzeugende Konkretisierung der rechtlichen Vorgaben
darstellen. Insofern wird dem Bestreben der Verwaltung, durch interne Weisungen
eine rechtsgleiche Gesetzesanwendung zu gewährleisten, Rechnung getragen (BGE
138 V 50 E. 4.1 S. 54; 133 V 346 E. 5.4.2 S. 352 mit Hinweisen).

3.

3.1. In Nachachtung des Entscheides des kantonalen Versicherungsgerichts vom
30. Juni 2011 klärte die IV-Stelle die Eingliederungswirksamkeit der
beantragten Massnahme weiter ab, insbesondere die Fahreignung der Versicherten,
die konkrete Fortbewegung, vor allem die Möglichkeit des selbständigen
Einsatzes des Fahrzeugs in tatsächlicher und medizinischer Hinsicht, die
medizinische Notwendigkeit des Recaro-Sitzes und der Standheizung sowie den
zeitlichen Einsatz des Fahrzeuges.

Gestützt auf die von der IV-Stelle eingeholten Informationen (Berichte des
Amtsarztes Dr. med. E.________, Allgemeine Medizin, vom 19. September 2011 und
des Hausarztes Dr. med. C.________ vom 15. August 2011 [mit Hinweis auf den
Bericht des PD Dr. med. F.________, Leitender Arzt, Facharzt Neurologie, Klinik
G.________, vom 1. September 2010] sowie die Aktennotiz über die Befragung der
Versicherten vom 18. Oktober 2011) stellte die Vorinstanz fest, die Versicherte
sei nach wie vor in der Lage, das Auto ohne Dritthilfe zu benützen und kleinere
Einkäufe sowie Arzt- oder Therapiebesuche selbständig vorzunehmen.

Die Vorinstanz erwog, mit dem beantragten Umbau könne somit das gesetzlich
anerkannte Eingliederungsziel der Erhaltung der selbständigen Fortbewegung zur
Selbstsorge, die Möglichkeit, selbständig mit der Umwelt in Kontakt zu treten
und am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, erreicht werden und damit sei die
Eingliederungswirksamkeit erstellt. Es müsse geprüft werden, ob der Umbau
einfach und zweckmässig sei. Hinsichtlich des Einbaus einer Standheizung und
eines Recaro-Sitzes sei sie zu verneinen. Der Einbau eines Rollstuhlliftes sei
unabdinglich, weil sonst die Unabhängigkeit der Versicherten stark
beeinträchtigt werde und den gesamten Umbau für die Versicherte als
Selbstfahrerin eher überflüssig werden lasse. Der Rollstuhllift scheine
zweckmässig, da ohne ihn für Ein- und Ausstieg sowie Ein- und Ausladen des
Rollstuhles am Start- und Zielort jeweils eine Hilfsperson anwesend sein
müsste. Auch die erneute Einstellung der Servolenkung sei erforderlich und
geeignet, die selbständige Benutzung des Autos zu ermöglichen; sie sei immer
noch einfach und zweckmässig. Der Umbau könne damit im Umfang, wie er von der
Fachstelle SAHB berechnet worden sei, als eingliederungswirksam und zweckmässig
betrachtet werden. Der Gesamtbetrag belaufe sich - nach Abzug der gemäss
effektiver Rechnungsstellung nicht realisierten Positionen (linke Armlehne,
EZ-Lock) - auf Fr. 43'258.45 (einschliesslich Anpassungen der Servolenkung und
Kostenpauschale für das Automatikgetriebe von Fr. 1'300.-). In einem weiteren
Schritt, so die weitere Erwägung des kantonalen Gerichts, sei die
Verhältnismässigkeit im engeren Sinn, namentlich die finanzielle
Verhältnismässigkeit des beantragten Umbaus zu prüfen, denn die Gesamtkosten
des Hilfsmittels müssten in einem vernünftigen Verhältnis zum angestrebten
Eingliederungsziel stehen. Zwar liege der Umbau mit Kosten von gut Fr. 43'000.-
erheblich über der in der Wegleitung genannten Limite von Fr. 25'000.-. Die
finanzielle Verhältnismässigkeit scheine indessen (gerade) noch gewahrt, weil
dem Eingliederungsziel einer möglichst hohen Selbständigkeit in der
Fortbewegung und der Selbstsorge grosse Bedeutung zukomme.

3.2. Nach Auffassung der Beschwerde führenden IV-Stelle verletzt der
angefochtene Entscheid Bundesrecht (Art. 21 IVG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 4
HVI und Ziff. 10.05 Anhang HVI). Sie stellt sich auf den Standpunkt, der
Versicherten seien nur die Kosten für den Autoumbau im Rahmen des Kostenlimits
gemäss KHMI von Fr. 25'000.- zu bewilligen. Analog BGE 131 V 167, wo die
Möglichkeit, sich von einem Familienmitglied fahren zu lassen, in Erwägung
gezogen worden sei, seien andere Möglichkeiten für die Fortbewegung -
Tixi-Taxi, Hilfe bei Transfer und Verlad - zu bedenken, da die Kosten (über der
Limite von Fr. 25'000.-) und der Nutzen (Einkauf, Arztbesuch, soziale Kontakte)
in einem Missverhältnis ständen. Die in BGE 131 V 167 erwähnte Ausnahme, dass
der Preis die Limite übersteigen könne, wenn ein Modell für eine spezielle
Behinderung entwickelt worden sei, liege nicht vor. Mit der
Hilflosenentschädigung für Hilflosigkeit schweren Grades, welche die
Versicherte neben der ganzen Rente beziehe, werde unter anderem auch die Hilfe
bei der Fortbewegung abgegolten. Es sei ihr zumutbar, sich beim Ein- und
Ausladen sowie beim Verladen des Rollstuhls helfen zu lassen. Da sie bereits in
verschiedenen Bereichen auf Unterstützung angewiesen sei, stelle die Hilfe
einer Drittperson bei Ein- und Ausstieg keine übermässige Belastung dar. Die
finanzielle Verhältnismässigkeit sei bei Kosten in der Höhe von über Fr.
50'000.- gemäss Offerte vom 1. April 2010 nicht gewahrt. Die selbständige
Fortbewegung, die Herstellung des Kontakts mit der Umwelt und die Selbstsorge
seien bei der Versicherten durch ihre Hilflosigkeit im Grundsatz eingeschränkt.
Deshalb könne das Mass an diese Selbständigkeit bei der Abgabe eines
Hilfsmittels nicht, wie die Vorinstanz dies verlange, auf ein höheres Niveau
gestellt werden. Der Nutzen für drei- bis viermalige Fahrten pro Woche zum
Einkauf und/oder zwecks Arzt- oder Therapiebesuchen vermöge eine fast doppelt
so hohe Abgeltung für den Autoumbau nicht zu rechtfertigen. Auch im Sinne der
Gleichbehandlung mit anderen Versicherten sei eine Kostenübernahme über den
Höchstansatz hinaus nicht vertretbar.

3.3. Die Versicherte macht geltend, der Anspruch auf Hilfsmittel bestehe ohne
Rücksicht auf die Erwerbsfähigkeit. Es sei deshalb unbeachtlich, dass sie nicht
erwerbstätig sei. Der Unterschied zu dem von der IV-Stelle zitierten BGE 131 V
167 bestehe darin, dass sie sich nicht von Familienmitgliedern fahren lassen
könne. Sie benötige das Fahrzeug nicht nur zum Einkaufen und für Arzt-/
Therapiebesuche, sondern vor allem auch für die Aufrechterhaltung der sozialen
Kontakte mit der Familie und Kollegen, mithin für ihre Sozialrehabilitation,
die einen entscheidenden Einfluss auf ihre psychische Gesundheit habe. Die
IV-Stelle habe es unterlassen, Abklärungen zu den persönlichen Verhältnissen,
insbesondere zu ihrer Familiensituation (sie lebe alleine), und zur
Notwendigkeit eines umgebauten Fahrzeugs zwecks Sozialrehabilitation
vorzunehmen. Durch den Fahrzeugumbau erreiche sie eine grosse, jeweils spontan
zu bewerkstelligende Mobilität und Unabhängigkeit; der Dienst des Tixi-Taxi und
die Hilfe von Drittpersonen stellten keine gleichwertigen Möglichkeiten dar.
Die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel sei für sie äusserst schwierig und im
Winter gar unmöglich. Die Auffassung der IV-Stelle hätte zur Folge, dass es
praktisch jedem Bezüger einer Hilflosenentschädigung schweren Grades verwehrt
wäre, als Selbstlenker einen Autoumbau zu beanspruchen. Eine derartige
Einschränkung der Mobilität sei unzumutbar und unverhältnismässig. Im Übrigen
sei nicht nachvollziehbar, wieso die IV-Stelle im Jahr 2000 einen
vergleichbaren Umbau übernommen habe.

4.

4.1. Zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht einen Anspruch der
Beschwerdegegnerin auf Übernahme der Kosten des Fahrzeugumbaus im Betrage von
Fr. 43'258.45 (ohne Standheizung und Recaro-Sitz) zu Recht bejaht hat.

4.2. Es steht fest und ist (entgegen der Darstellung der Versicherten)
unbestritten, dass eine erwerbliche Ausrichtung für den Anspruch auf
invaliditätsbedingte Abänderungen von Motorfahrzeugen gemäss Ziff. 10.05
HVI-Anhang, welche keinen Stern (*) enthält, nicht vorausgesetzt ist, und es
vielmehr genügt, dass eine Abänderung für die Fortbewegung, die Herstellung des
Kontaktes mit der Umwelt oder die Selbstsorge (sog. Sozialrehabilitation)
notwendig ist (Urteil 9C_314/2014 vom 7. November 2014 E. 3.2; I 829/05 vom 16.
August 2006 E. 2 mit Hinweisen; vgl. auch BGE 121 V 261 zur entsprechenden, auf
den 1. Januar 1993 in Kraft getretenen Änderung).

Dass die Versicherte das Auto gemäss der Abklärung vom 18. Oktober 2011 für
Arzt- und Therapiebesuche, die Bewältigung des Einkaufs sowie die Pflege
sozialer Kontakte benötigt, stellt die IV-Stelle in ihrer Beschwerde nicht in
Abrede. Sie verneint einen über die Limite von Fr. 25'000.- gemäss Rz. 10.05.4
KHMI hinausgehenden Anspruch allerdings, anders als die Versicherte dies
interpretiert, nicht etwa wegen fehlender Erwerbstätigkeit der Versicherten
bzw. wegen fehlender Notwendigkeit der Vorkehr. Insoweit gehen die darauf Bezug
nehmenden Ausführungen der Versicherten und auch ihr an die Verwaltung
gerichteter Vorwurf, sie habe keine Abklärungen zur Notwendigkeit des
Autoumbaus für die Sozialrehabilitation getroffen, ins Leere. Die IV-Stelle
begründet ihre ablehnende Haltung vielmehr damit, dass der voraussichtliche
Erfolg der Eingliederungsmassnahme nicht in einem vernünftigen Verhältnis zu
den Kosten stehe. Allein über diesen Teilaspekt der Verhältnismässigkeit,
insbesondere die wirtschaftlich-finanzielle Angemessenheit (vgl. dazu MEYER/
REICHMUTH, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung, 3. Aufl. 2014, N 32 zu
Art. 8 IVG), gehen die Auffassungen auseinander.

4.3. Auch im Bereich der Hilfsmittel ist die Invalidenversicherung keine
umfassende Versicherung, welche sämtliche durch die Invalidität verursachten
Kosten abdeckt. Das Gesetz will die Eingliederung lediglich soweit
sicherstellen, als diese im Einzelfall notwendig, aber auch genügend ist und
zudem der voraussichtliche Erfolg der Eingliederungsmassnahme in einem
vernünftigen Verhältnis zu ihren Kosten steht, wobei die gesamten tatsächlichen
und rechtlichen Umstände des konkreten Einzelfalles zu berücksichtigen sind
(Art. 8 Abs. 1 und Art. 21 Abs. 3 IVG; BGE 141 V 30 E. 3.2.1 S. 34; 134 V 105
E. 3 S. 107 f. mit Hinweisen; vgl. auch Meyer-Blaser, Zum
Verhältnismässigkeitsgrundsatz im staatlichen Leistungsrecht, Diss. Bern 1985,
S. 82 ff.). Dieses Erfordernis der Einfachheit und Zweckmässigkeit des
Hilfsmittels ist auch für den Umfang des Anspruchs auf Abänderungen an
Motorfahrzeugen entscheidend (BGE 131 V 167 E. 3 S. 170 f.; Urteil 9C_314/2014
vom 7. November 2014 E. 3.2 mit Hinweisen).

4.4. Rechtsprechungsgemäss konkretisieren die vom BSV in der KHMI festgesetzten
Limiten die gesetzlichen Erfordernisse der Einfachheit und der Zweckmässigkeit
des Hilfsmittels (Art. 21 Abs. 3 IVG). Dies ist auch bei der Limite von Fr.
25'000.- gemäss Rz. 10.05.4 KHMI für die Abänderung von Motorfahrzeugen der
Fall (BGE 131 V 167 E. 4.1.3 S. 172; siehe zum Vergleich auch Ziff. 10.04* HVI
[wo ein jährlicher Amortisationsbeitrag von Fr. 3'000.- vorgesehen ist für
Versicherte, die voraussichtlich dauernd eine existenzsichernde
Erwerbstätigkeit ausüben und zur Überwindung des Arbeitsweges auf ein
persönliches Motorfahrzeug angewiesen sind] in Verbindung mit der
Rechtsprechung gemäss BGE 119 V 255 [Amortisationsdauer von sechs Jahren]). Das
ehemalige Eidg. Versicherungsgericht hat die Gesetz- und Verfassungsmässigkeit
des in Rz. 10.05.4 KHMI festgelegten Betrages denn auch ausdrücklich bejaht (
BGE 131 V 167 E. 4.4 S. 173; Meyer/ Reichmuth, a.a.O., N 29 zu Art. 21-21
quater IVG).

4.5. Die konkrete Anwendung des Gesetzes setzt voraus, dass man sich -
zumindest dem Grundsatz nach - an die in der Wegleitung festgelegten
Kostenlimiten hält. Dennoch kann es (ausnahmsweise) vorkommen, dass der Preis
für ein Hilfsmittel zwar die gesetzte Limite übersteigt und die Voraussetzungen
der Einfachheit und Zweckmässigkeit der Massnahme trotzdem erfüllt sind, etwa
dort, wo das Hilfsmittel für eine spezielle Behinderung entwickelt worden ist (
BGE 131 V 167 E. 3 S. 171). Dies war in dem BGE 123 V 18 zugrunde liegenden
Sachverhalt der Fall, wo ein an einer erheblichen und langsam progredienten
Muskelschwäche leidender Versicherter einen Rollstuhl mit einem besonderen
Aufhängesystem (Fr. 16'835.- bei einer Kostenlimite von Fr. 13'000.-)
benötigte, um die Auswirkung von Schlägen und Stössen zu mildern, die sich
wegen des steifen Rumpfes des Versicherten direkt auf seinen Nacken übertragen
hätten. Demgegenüber ist bei einem offensichtlichen Missverhältnis zwischen den
Kosten und dem Nutzen eines Hilfsmittels die Invalidenversicherung nicht
verpflichtet, die Kosten zu übernehmen (BGE 131 V 167 E. 3 in fine S. 171; 107
V 87 E. 2 S. 88). In diesem Sinne hat das Eidg. Versicherungsgericht in BGE 131
V 167 den Anspruch auf Übernahme eines Autoumbaus, der sich auf mehr als das
Vierfache der Limite von Fr. 25'000.- belief, verneint.

4.6. Eine spezielle Begründung, weshalb die im hier zu beurteilenden Fall fast
das Doppelte der Limite betragenden Abänderungskosten zulasten der IV-Stelle
gehen sollen, vermochte die Vorinstanz nicht anzuführen und findet sich auch in
der Vernehmlassung der Beschwerdegegnerin nicht. Die IV-Stelle hält zu Recht
fest, dass - anders als in BGE 123 V 18 - jedenfalls kein für eine spezielle
Behinderung entwickeltes Modell in Frage steht. Beizupflichten ist der
Verwaltung auch darin, dass angesichts des bestehenden Missverhältnisses
Alternativen der Fortbewegung zu bedenken sind. Dabei hat die IV-Stelle sehr
wohl berücksichtigt, dass die Versicherte alleine lebt und sich nicht von
Familienmitgliedern chauffieren lassen kann: Sie hat sich darauf beschränkt,
als Alternativen auf die Möglichkeit zu verweisen, den Tixi-Taxi-Fahrdienst
oder Hilfe beim Ein- und Ausladen in Anspruch zu nehmen. Unbegründet ist
deshalb auch der von der Versicherten in diesem Zusammenhang erhobene Vorwurf,
die IV-Stelle habe die Familienverhältnisse nicht abgeklärt. Soweit die
Versicherte geltend macht, die genannten Möglichkeiten seien einem Umbau nicht
gleichwertig, weil sie ihr nicht dieselbe Mobilität und Unabhängigkeit gäben
(Notwendigkeit der frühzeitigen Bestellung des Tixi-Taxis, Unmöglichkeit
spontaner Besuche etc.), ist darauf hinzuweisen, dass der in Art. 8 Abs. 1 IVG
verankerte Grundsatz der Verhältnismässigkeit nur Anspruch auf die dem
jeweiligen Eingliederungszweck angemessenen, notwendigen Massnahmen verleiht,
nicht aber auf die nach den gegebenen Umständen bestmöglichen Vorkehren (BGE
135 I 161 E. 5.1 S. 166; 134 I 105 E. 3 S. 107 f.).

4.7. Es steht fest und ist unbestritten, dass die Versicherte als Bezügerin
einer Hilflosenentschädigung für Hilflosigkeit schweren Grades aufgrund ihrer
Behinderung in der selbständigen Fortbewegung, der Herstellung des Kontaktes
mit der Umwelt und der Selbstsorge wesentlich eingeschränkt ist. So benötigt
sie gemäss dem Bericht der Klinik G.________ vom 29. September 2010 täglich
Hilfe beim Aufstehen, der Körperpflege und der Haushaltführung. Dies bestätigte
auch Dr. med. C.________, welcher ausführte, dass die Versicherte auf Hilfe
beim An-/Auskleiden, Aufstehen/Absitzen/Abliegen (Transfer vom Rollstuhl ins
Bett), bei der Fortbewegung und bei der Pflege gesellschaftlicher Kontakte
angewiesen ist (Bericht vom 29. Oktober 2010). Dass sie auch für den Ein- und
Ausstieg aus dem Auto Hilfe in Anspruch zu nehmen hat, stellt damit keine
unverhältnismässige zusätzliche Einschränkung ihrer Selbständigkeit dar (vgl.
auch Urteil 9C_314/2014 vom 7. November 2014 E. 6.2.2; I 829/05 vom 16. August
2006 E. 3.4).

4.8. Die gebotene gesamtheitliche Betrachtung der Angemessenheit der Vorkehr,
in deren Rahmen insbesondere den sachlichen, wirtschaftlich-finanziellen und
persönlichen Teilaspekten Rechnung zu tragen ist, ergibt, dass die IV-Stelle
einen Anspruch auf Übernahme der Kosten, soweit sie Fr. 25'000.- überschreiten,
zu Recht verneint hat.

4.9. An diesem Ergebnis vermag nichts zu ändern, dass die IV-Stelle - wie die
Versicherte geltend macht - einen vergleichbaren Umbau im Jahr 2000 nicht nur
im Rahmen der Kostenlimite von Fr. 25'000.-, sondern vollumfänglich übernommen
hat (vgl. dazu Verfügung vom 24. März 2000: Umbaukosten in der Höhe von Fr.
19'545.-, ergänzt durch Verfügung vom 14. November 2000 betreffend
Nachrüstarbeiten im Betrage von Fr. 15'266.-). Massgebend sind - wie dargelegt
(E. 4.3) - die tatsächlichen Verhältnisse des konkreten Einzelfalles, welche
sich im Jahr 2000 von denjenigen zum hier massgebenden Zeitpunkt unterscheiden.
Damals handelte es sich um grundlegende Anpassungen, damit die Versicherte
überhaupt ein Fahrzeug bedienen konnte (Lift zum Ein-/Aussteigen,
Lenkradzusätze, elektrische Hecktüre etc.). Nachträglich erwiesen sich
Nachrüstarbeiten für die bereits gewährten Anpassungen als notwendig.

4.10. Zusammenfassend ergibt sich, dass der angefochtene vorinstanzliche
Entscheid vor Bundesrecht nicht standhält und aufzuheben ist.

5. 
Die Gerichtskosten werden der Beschwerdegegnerin als unterliegender Partei
auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Versicherungsgerichts des
Kantons St. Gallen vom 3. März 2014 wird aufgehoben und die Verfügungen der
IV-Stelle des Kantons St. Gallen vom 16. Februar und 12. Dezember 2012 werden
bestätigt.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3. 
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des
vorangegangenen Verfahrens an das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen
zurückgewiesen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 19. Mai 2015

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Die Gerichtsschreiberin: Keel Baumann

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