Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 282/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]         
9C_282/2014{T 0/2}     

Urteil vom 25. März 2015

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer,
Bundesrichterin Pfiffner,
Gerichtsschreiberin Bollinger Hammerle.

Verfahrensbeteiligte
IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt David Husmann,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen die Verfügung des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 4. März 2014.

Sachverhalt:

A. 
A.________ meldete sich am 21. September 2005 zur Teilnahme am "Pilotversuch
Assistenzbudget" an, die ihr von der für das Pilotprojekt zuständig gewesenen
Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen (IV-Stelle) am 27. September
2005 bewilligt wurde. Mit Verfügung vom 29. Dezember 2005 sprach ihr die
IV-Stelle des Kantons St. Gallen ein monatliches Assistenzgeld von Fr. 7'350.-
zu. Mit Verfügung vom 30. März 2011 erhöhte sie das Assistenzgeld auf Fr.
7'380.- pro Monat. Nach Inkrafttreten der 6. IV-Revision am 1. Januar 2012
überprüfte die IV-Stelle des Kantons Zürich den Anspruch von Amtes wegen. Sie
führte entsprechende Abklärungen vor Ort durch und stellte A.________ am 24.
Mai 2012 in Aussicht, der (neu eingeführte) Assistenzbeitrag belaufe sich
nunmehr auf Fr. 5'374.40. Dagegen erhob A.________ am 22. Juni und 26. Juli
2012 Einwände. Nach der Mandatierung von Rechtsanwalt Husmann, am 12. September
2012 liess sie am 13. September und 10. Oktober 2012 weitere Einwände geltend
machen. Die IV-Stelle hiess diese mit Verfügung vom 19. November 2012 teilweise
gut und sprach A.________ einen monatlichen Assistenzbeitrag von Fr. 6'244.75
zu.
Am 4. Dezember 2013 gelangte der Rechtsvertreter von A.________ an die
IV-Stelle und machte geltend, die Verfügung vom 19. November 2012 sei weder ihm
noch seiner Mandantin zugestellt worden. Die IV-Stelle veranlasste am 17.
Dezember 2013 eine nochmalige Zustellung der Verfügung sowie des
Berechnungsblattes.

B. 
Am 28. Januar 2014 liess A.________ Beschwerde gegen die Verfügung vom 19.
November 2012 erheben und vorab geltend machen, die Beschwerdefrist sei
gestützt auf den Verfügungseingang am 18. Dezember 2013 gewahrt. Das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich verfügte am 4. März 2014, auf die
Beschwerde werde eingetreten.

C. 
Die IV-Stelle erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und
beantragt, die angefochtene Verfügung sei aufzuheben. Es sei festzustellen,
dass das kantonale Gericht zu Unrecht auf die Beschwerde eingetreten sei.
A.________ lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen. Gleichzeitig
beantragt sie die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.

Erwägungen:

1. 

1.1. Angefochten ist die vorinstanzliche Verfügung, mit welcher das kantonale
Gericht entschieden hat, auf die Beschwerde der Versicherten vom 28. Januar
2014 einzutreten. Dieser Entscheid schliesst das Verfahren nicht ab, sondern
stellt einen Zwischenentscheid dar (vgl. dazu BGE 135 III 329 E. 1.2, 212 E.
1.2; 134 II 124 E. 1.3 S. 127; 133 IV 121 E. 1.3).

1.2. Gegen selbstständig eröffnete Zwischenentscheide, die weder die
Zuständigkeit noch den Ausstand betreffen, ist die Beschwerde nur zulässig,
wenn eine der folgenden alternativen Voraussetzungen erfüllt ist: Erstens, wenn
der Zwischenentscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann
(Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG). Zweitens, wenn die Gutheissung der Beschwerde
sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an
Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (Art. 93
Abs. 1 lit. b BGG).

1.3. Die Beschwerde führende IV-Stelle macht geltend, im Fall einer
(teilweisen) Beschwerdegutheissung im Sinne einer Rückweisung wäre sie
gezwungen, trotz rechtskräftigem Entscheid weitere Abklärungen zu tätigen und
eine neue Verfügung zu erlassen. Die Verspätung der Eingabe könnte in einer
nachfolgenden Beschwerdeschrift nicht mehr geltend gemacht werden, weshalb ihr
ein nicht wiedergutzumachender Nachteil entstehen würde.
Ein nicht wiedergutzumachender Nachteil kann bereits deshalb bejaht werden,
weil die Beschwerdeführerin bei einem Nichteintreten auf ihre Rechtsschrift
sich einem möglicherweise länger dauernden materiellen Beschwerdeverfahren vor
dem kantonalen Sozialversicherungsgericht zu unterziehen hätte, für das sie
auch bei einem für sie günstigen Verfahrensausgang nicht entschädigt würde
(Art. 68 Abs. 3 BGG; BGE 134 II 117; Urteil K 49/02 vom 23. September 2002).
Darüber hinaus wäre das kantonale Hauptverfahren bei Gutheissung der
Verspätungseinrede im letztinstanzlichen Verfahren hinfällig und würde sofort
ein Ende finden (vgl. Urteil 5A_449/2007 vom 25. Oktober 2007 E. 1). Auf die
Beschwerde ist somit einzutreten.

2. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (BGE 134 V 250 E.
1.2 S. 252 mit Hinweisen; 133 III 545 E. 2.2 S. 550; 130 III 136 E. 1.4 S.
140). Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen
Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur
die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren
Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn
sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

3.

3.1. Gemäss Art. 60 Abs. 1 ATSG ist die Beschwerde innerhalb von 30 Tagen nach
der Eröffnung des Einspracheentscheids oder - wie hier - der Verfügung, gegen
welche eine Einsprache ausgeschlossen ist, einzureichen. Diese gesetzliche
Frist kann nicht erstreckt werden (Art. 40 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 60
Abs. 2 ATSG und Art. 1 Abs. 1 IVG). Nach Art. 39 Abs. 1 in Verbindung mit Art.
60 Abs. 2 ATSG ist die 30-tägige Frist nur gewahrt, wenn die Beschwerde
spätestens am letzten Tag der Frist beim kantonalen Versicherungsgericht
eingereicht oder zu dessen Handen u.a. der Schweizerischen Post übergeben
worden ist. Läuft die Frist unbenützt ab, so erwächst die Verfügung in formelle
Rechtskraft, mit der Wirkung, dass das kantonale Gericht auf die verspätet
eingereichte Beschwerde nicht eintreten kann.

3.2. Die Eröffnung einer Verfügung ist eine empfangsbedürftige, nicht aber eine
annahmebedürftige einseitige Rechtshandlung; sie entfaltet daher ihre
Rechtswirkungen vom Zeitpunkt der ordnungsgemässen Zustellung an. Ob die
betroffene Person vom Verfügungsinhalt Kenntnis nimmt oder nicht, hat keinen
Einfluss (BGE 119 V 89 E. 4c S. 95 mit Hinweisen). Der Beweis der Tatsache
sowie des Zeitpunktes der Zustellung von Verfügungen obliegt
rechtsprechungsgemäss der die Zustellung veranlassenden Behörde, welche die
entsprechende (objektive) Beweislast trägt (BGE 124 V 400 E. 2a S. 402, 117 V
261 E. 3b S. 264, je mit Hinweisen). Dabei gilt bezüglich Tatsachen, welche für
die Zustellung von Verfügungen der Verwaltung erheblich sind, der Beweisgrad
der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 124 V 400 E. 2b S. 402, 121 V 5 E. 3b
S. 6, je mit Hinweisen). Allerdings bedingt dies in der Regel die Eröffnung der
Verfügung mit eingeschriebenem Brief. Nach der Rechtsprechung vermag die
Verwaltung den Wahrscheinlichkeitsbeweis für die Zustellung der Verfügung nicht
durch den blossen Hinweis auf den üblichen administrativen Ablauf zu erbringen
(Urteil H 219/82 vom 28. September 1983 E. 1, in: ZAK 1984 S. 124). Wird die
Tatsache oder das Datum der Zustellung uneingeschriebener Sendungen bestritten,
muss daher im Zweifel auf die Darstellung des Empfängers abgestellt werden,
sofern seine Darlegung der Umstände nachvollziehbar ist und einer gewissen
Wahrscheinlichkeit entspricht. Sein guter Glaube wird vermutet. Allerdings kann
der Nachweis der Zustellung auch aufgrund von Indizien oder gestützt auf die
gesamten Umstände erbracht werden (Urteil 9C_432/2007 vom 6. November 2007 E.
3.2 mit Hinweis auf BGE 124 V 400 E. 2a S. 402, 103 V 63 E. 2a S. 66; Urteil
2A.293/2001 vom 21. Mai 2002 E. 1b mit Hinweisen).

4.

4.1. Die Vorinstanz stellte fest, die Verfügung vom 19. November 2012 sei per
A-Post versandt worden. Die IV-Stelle vermöge, wie sie selbst anerkenne, deren
Zustellung nicht zu beweisen. Aus dem langen Zuwarten des Rechtsvertreters und
dem Argument, dieser habe als Fachexperte wissen müssen, dass nach dem
Auslaufen des Pilotprojekts Assistenzbudget aufgrund der gesetzlichen
Bestimmungen bis Ende Dezember 2012 eine neue Verfügung zu erlassen gewesen
war, vermöge sie nichts zu ihren Gunsten abzuleiten. Dies liefe auf eine
unzulässige Beweislastumkehr hinaus. Nicht erstellen lasse sich auch eine
Zustellung an die Versicherte selbst. Wenn sie in einer E-Mail vom 22. März
2013 die Verfügungsnummer angegeben habe, erlaube dies keine Rückschlüsse, da
die Nummer bereits dem Vorbescheid zu entnehmen gewesen sei. Ebenso wenig
vermöge die betragliche Nähe der am 19. November 2012 verfügten
Assistenzbeiträge und der für das Jahr 2013 abgerechneten, gegenüber den
bisherigen Abrechnungen markant tieferen Assistenzleistungen eine Zustellung
der Verfügung rechtsgenüglich zu beweisen. Auf die Beschwerde sei daher
einzutreten.

4.2. Die IV-Stelle rügt eine Verletzung des Willkürverbotes und eine unrichtige
Sachverhaltsfeststellung. Zwar könne die Zustellung per A-Post nicht bewiesen
werden. Es bestünden aber genügend Indizien, wonach die Verfügung im Anschluss
an den Erlass eröffnet worden sei. Das kantonale Gericht habe nicht
berücksichtigt, dass die Versicherte bis Ende Dezember 2012 den maximalen
monatlichen Betrag von Fr. 7'350.- bezogen habe, während ihre Abrechnungen ab
Januar 2013 deutlich tiefer ausgefallen seien, dabei aber den vorbescheidweise
angekündigten Betrag um knapp Fr. 10'000.- überschritten hätten. Es sei deshalb
davon auszugehen, dass die Versicherte Kenntnis vom Betrag gehabt habe, der ihr
mit Verfügung vom 19. November 2012 zugesprochen worden sei. Weiter habe die
Versicherte am 16. Januar 2013 telefonisch Vorschussleistungen beantragt.
Solche könnten erst nach der verfügungsweisen Festsetzung des
Assistenzbeitrages gewährt werden. Das Verhalten der Versicherten, die gehäufte
Korrespondenz mit der IV-Stelle und die ab 1. Januar 2013 monatlich
eingereichten Abrechnungen der Assistenzstunden und notwendigen
Berufsunterlagen liessen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf
schliessen, dass die Verfügung zumindest der Versicherten eröffnet worden sei.
In Nachachtung ihrer Sorgfaltspflicht wäre sie gehalten gewesen, innerhalb der
Beschwerdefrist an ihren Rechtsvertreter zu gelangen. Dies habe sie
unterlassen, weshalb die Verfügung vom 19. November 2012 rechtskräftig geworden
und der gerichtlichen Beurteilung nicht mehr zugänglich sei.

4.3. Die Versicherte lässt im Wesentlichen vorbringen, die in der
Beschwerdeschrift angeführten Indizien vermöchten den tatsächlichen Eingang der
Verfügung nicht zu belegen. Der Beweis der erfolgten Zustellung wäre der
Beschwerdeführerin durchaus zumutbar gewesen, weshalb es unstatthaft wäre,
diese zu fingieren. Solches käme einer Beweisumkehr zu ihren Ungunsten gleich.

5. 

5.1. Der Pilotversuch Assistenzbudget, in dessen Rahmen die teilnehmenden
Versicherten mit Aufenthalt zu Hause anstelle der Hilflosenentschädigung und
des Intensivpflegezuschlages für Minderjährige eine vom Grad der Hilflosigkeit
abhängige Assistenzpauschale und ein individuelles, dem persönlichen Zeitbedarf
angepasstes Assistenzbudget (im Rahmen der Heimkosten) erhielten (Verordnung
über den Pilotversuch "Assistenzbudget" vom 10. Juni 2005 [AS 2005 3529], Art.
1 f. und 8 ff.), war bis Ende 2011 befristet und wurde mit Inkrafttreten der 6.
IV-Revision (1. Massnahmenpaket) ab 1. Januar 2012 durch den Assistenzbeitrag
(Art. 42quater Abs. 1 IVG) abgelöst. Gemäss lit. b Abs. 2 der
Schlussbestimmungen der Änderung vom 18. März 2011 waren die Ansprüche gemäss
Pilotversuch bis spätestens zwölf Monate nach Inkrafttreten der
Gesetzesänderung, d.h. bis Ende 2012, nach neuem Recht zu beurteilen. In
Nachachtung dieser rechtlichen Grundlagen stellte die Beschwerdeführerin der
Versicherten mit Vorbescheid vom 24. Mai 2012 in Aussicht, gestützt auf Art.
42quater ff. IVG einen Assistenzbeitrag auszurichten. Gleichzeitig wies sie
darauf hin, mit der Ablösung des Assistenzbudgets durch den Assistenzbeitrag
werde auch die Hilflosenentschädigung (bei schwerer Hilflosigkeit) wieder
ausgerichtet. Die Verfügung betreffend den Assistenzbeitrag erging, wie
erwähnt, am 19. November 2012. Über die Hilflosenentschädigung verfügte die
Beschwerdeführerin am 5. Dezember 2012.

5.2.

5.2.1. Der Vorinstanz ist beizupflichten, dass ein allfälliges Fehlverhalten
des Rechtsvertreters (in Form eines vorwerfbaren Untätigbleibens) jedenfalls
für sich allein keine Zustellungsfiktion zu begründen vermöchte. Ebenso ist
nicht zu beanstanden, wenn das kantonale Gericht den Umstand, dass die
Versicherte in ihrer elektronischen Korrespondenz mit der IV-Stelle die
Verfügungsnummer anführte, nicht als Indiz für den Erhalt der Verfügung
würdigte, nachdem sich diese Nummer auch im Vorbescheid vom 24. Mai 2012 fand,
welchen die Beschwerdegegnerin unbestritten erhalten hatte. Indes hält der
angefochtene Entscheid aus anderen, nachfolgend dargelegten Gründen vor
Bundesrecht klar nicht stand.

5.2.2. Im Vordergrund steht das vom Rechtsvertreter im kantonalen
Beschwerdeverfahren als Beilage 3 eingereichte Exemplar der Verfügung vom 19.
November 2012. Entgegen seinen Ausführungen in der Begründung, wonach der
Eingangsstempel auf "18.12.2013" laute, ist dieses nämlich mit einem
einwandfrei lesbaren Eingangsstempel "21. November 2012" und einem
handschriftlichen Vermerk auf die Beschwerdefrist "F: 21.12.2012" versehen.
Eine Erklärung für diese Angaben findet sich nicht. Offensichtlich ist dieser
Umstand sowohl der Beschwerdeführerin als auch der Vorinstanz entgangen,
jedenfalls nahmen sie in keiner Weise darauf Bezug. Auch die Versicherte
schweigt sich zu diesem Punkt aus und bringt insbesondere nichts vor, was die
naheliegende Annahme entkräften würde, dass der Eingangsstempel sowie der
handschriftliche Vermerk auf die Beschwerdefrist von ihrem Rechtsvertreter oder
dessen Hilfspersonen angebracht worden waren und der vorinstanzlichen
Rechtsschrift wohl versehentlich nicht das am 18. Dezember 2013 zugegangene
Verfügungsexemplar beigelegt wurde. Die Vermerke auf dem vorinstanzlich ins
Recht gelegten Verfügungsexemplar sind in jedem Fall ein starkes Indiz dafür,
dass die Verfügung unmittelbar nach deren Erlass dem Rechtsvertreter der
Beschwerdegegnerin zugegangen war. Nicht zuletzt findet sich zudem auch auf dem
der Krankenversicherung der Beschwerdegegnerin zugestellten Verfügungsexemplar
ein - optisch abweichender - Eingangsstempel vom 21. November 2012, was
zusätzlich die Wahrscheinlichkeit verstärkt, dass der Rechtsvertreter der
Versicherten die Verfügung am gleichen Tag erhalten hatte.

5.2.3. Selbst wenn der Eingangsvermerk nicht von der Beschwerdeführerin bzw.
deren Rechtsvertreter stammen würde (worauf allerdings nichts hindeutet),
bestehen zusätzliche Indizien, welche die zeitnah am Erlass erfolgte Zustellung
überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Zunächst ist unbestritten, dass
die Beschwerdeführerin am 5. Dezember 2012 die (erneute) Zusprechung einer
Hilflosenentschädigung (bei Hilflosigkeit schweren Grades) ab 1. Januar 2013
verfügt hatte, nachdem während des Pilotprojekts ein entsprechender Anspruch
mit der Assistenzpauschale abgegolten und nicht separat verfügt worden war
(vorangehende E. 5.1). Dass die Verfügung vom 5. Dezember 2012 der Versicherten
bzw. ihrem Rechtsvertreter nicht zugegangen wäre, wurde nicht geltend gemacht,
und es finden sich auch keine entsprechenden Hinweise in den Akten. Der
Rechtsvertreter - dem zweifellos bekannt war, dass der erneuten Zusprechung
einer Hilflosenentschädigung eine Verfügung über die Assistenzbeiträge hatte
vorangehen müssen - sah nach Erhalt jenes Bescheides offensichtlich keinen
Anlass für entsprechende Rückfragen bei der IV-Stelle. Am 11. Dezember 2012
stellte die Beschwerdegegnerin zudem bei der IV-Stelle Antrag auf einen
Vorschuss zum Assistenzbeitrag, dem gemäss Stellungnahme des Rechtsdienstes vom
16. Januar 2013 entsprochen werden konnte. Die Gewährung eines Vorschusses
setzt indes, worauf die Beschwerdeführerin zu Recht hinweist, eine vorgängige
Verfügung über die Höhe des Assistenzbeitrages voraus (vgl. Rz. 6067 ff. des
Kreisschreibens über den Assistenzbeitrag [in der ab 1. Januar 2012 gültig
gewesenen Fassung]). Nachdem die Beschwerdegegnerin in ihren Einwänden gegen
den Vorbescheid vom 24. Mai 2012 ausführlich dargelegt hatte, weshalb sich der
neu zuzusprechende Assistenzbeitrag weiterhin in der Höhe des bisherigen
Assistenzgeldes bewegen müsse, ist im Übrigen nicht einleuchtend, wenn sie
nunmehr geltend macht, die ab 1. Januar 2013 eingereichten Abrechnungen (welche
deutlich über dem vorbescheidweise in Aussicht gestellten Betrag lagen) seien
deshalb erheblich tiefer ausgefallen als das frühere Assistenzbudget, weil sie
sich nicht der Illusion habe hingeben können, weiterhin den gleichen Betrag
abrechnen zu dürfen wie während des Pilotversuchs. Schliesslich steht fest,
dass die Beschwerdegegnerin ab 1. Januar 2013 ihrer (neuen) Pflicht zum
Nachweis der bezogenen Assistenz klaglos nachgekommen ist, wofür während des
Pilotprojekts keine Notwendigkeit bestand.

5.3. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die - aktenkundigen und in die
Augen springenden, daher trotz Art. 105 Abs. 1 BGG von Amtes wegen zu
berücksichtigenden (Art. 105 Abs. 2 BGG) - Eingangs- bzw. Fristvermerke auf dem
vorinstanzlich eingereichten Verfügungsexemplar einen Zugang unmittelbar nach
Verfügungserlass nicht nur als überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen,
sondern zumindest dann eindeutig belegen, wenn sie vom Rechtsvertreter oder
dessen Hilfspersonen stammen (vorangehende E. 5.2.2). Selbst wenn dem nicht so
wäre, hätte das kantonale Gericht in Würdigung der konkreten Umstände den
rechtsgenüglichen Nachweis der bereits im November 2012 erfolgten
Verfügungszustellung eindeutig nicht verneinen dürfen (E. 5.2.3 hievor). Die
Beschwerde ist gutzuheissen.

6. 
Dem Gesuch der Beschwerdegegnerin um unentgeltliche Rechtspflege kann
entsprochen werden (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG; vgl. z.B. Urteil 5A_309/2012 vom
19. Oktober 2012 E. 4.2). Die Gerichtskosten sind somit einstweilen auf die
Gerichtskasse zu nehmen. Dem Vertreter der Beschwerdegegnerin ist aus der
Gerichtskasse eine reduzierte Entschädigung zu entrichten. Die unentgeltliche
Rechtspflege und Verbeiständung steht unter dem Vorbehalt, dass die
Beschwerdegegnerin der Gerichtskasse Ersatz zu leisten hat, wenn sie später
dazu in der Lage ist (Art. 64 Abs. 4 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Die Verfügung des Sozialversicherungsgerichts
des Kantons Zürich vom 4. März 2014 wird aufgehoben.

2. 
Der Beschwerdegegnerin wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und
Rechtsanwalt Husmann als unentgeltlicher Rechtsanwalt bestellt.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt, indes
vorläufig auf die Gerichtskasse genommen.

4. 
Dem Rechtsvertreter der Beschwerdegegnerin wird aus der Gerichtskasse eine
reduzierte Entschädigung von Fr. 500.- ausgerichtet.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 25. März 2015

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Die Gerichtsschreiberin: Bollinger Hammerle

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