Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.885/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_885/2014

Urteil vom 17. März 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Maillard, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiber Grunder.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Michele Santucci,
Beschwerdeführer,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung (Integritätsentschädigung; Revision),

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom
29. Oktober 2014.

Sachverhalt:

A. 
Der 1968 geborene A.________ wurde am 17. März 1989 beim Schleifen einer
Eisenbahnschiene durch eine Trennscheibe am linken Knie verletzt (mediale,
subtotale ossäre Durchtrennung der Patellarsehne; flake fracture am medialen
Femurkondylus; Eröffnung der Bursa praepatellaris). Die Schweizerische
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) erbrachte die gesetzlichen Leistungen
(Heilbehandlung; Taggeld).
Aufgrund eines am 15. Oktober 2001 gemeldeten Rückfalls veranlasste die SUVA
eine kreisärztliche Untersuchung, welche u.a. ergab, dass der Versicherte an
einer mässigen Femoropatellararthrose links sowie einer leichten
antero-medialen Instabilität links litt, welche Diagnosen je einen
Integritätsschaden von 5 % rechtfertigten (Berichte des Dr. med. B.________,
SUVA, vom 7. und 8. Oktober 2002). Mit Verfügung vom 29. November 2002 sprach
die SUVA dem Versicherten ab 1. Oktober 2002 eine Invalidenrente gestützt auf
eine Erwerbsunfähigkeit von 21 % sowie eine Integritätsentschädigung auf Basis
einer Integritätseinbusse von 10 % zu.
Am 2. April 2013 meldete A.________ telefonisch einen weiteren Rückfall an
(vgl. auch Schreiben des beigezogenen Rechtsanwalts vom 27. Juni 2013) und
sandte der SUVA die Berichte des Dott. C.________, Specialista Radiologo,
Italien, vom 19. Februar 2013 sowie des Dott. D.________, Medico Chirurgo,
Specialista in Ortopedia e Traumatologia, Italien, vom 5. März 2013 zu. Die
SUVA veranlasste eine kreisärztliche Untersuchung vom 11. November 2013 bei Dr.
med. E.________, Specialista in chirugia generale e della mano FMH, Medico in
circondario, SUVA, auf dessen Empfehlung die Verwaltung insbesondere zur Frage,
ob die Voraussetzungen für eine endoprothetische Versorgung des linken Knies
vorlagen, den Bericht des Dr. med. F.________, FMH chir. ortopedica e
traumatologia, vom 9. Januar 2014 einholte. Nach Konsultation des Kreisarztes
Dr. med. G.________ (Stellungnahme vom 20. Februar 2014) hielt die SUVA mit
Verfügung vom 21. Februar 2014 fest, die Unfallfolgen hätten sich weder
rentenrelevant verschlimmert, noch sei die Wiederaufnahme einer ärztlichen
Behandlung angezeigt. Daran hielt sie auf Einsprache hin, mit welcher u.a. die
Erhöhung der Integritätsentschädigung von 10 auf 25 % beantragt wurde, fest
(Einspracheentscheid vom 30. April 2014).

B. 
Die hiegegen eingereichte Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons
Aargau ab (Entscheid vom 29. Oktober 2014).

C. 
Mit Beschwerde lässt A.________ beantragen, unter Aufhebung des
vorinstanzlichen Urteils sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz
zurückzuweisen; eventualiter sei die mit Verfügung vom 29. November 2002
zugesprochene Integritätsentschädigung von 10 % um 15 % auf insgesamt 25 % zu
erhöhen.
Die SUVA schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit
verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss den Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Im
Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der
Militär- oder der Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die
vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art.
97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG). Es wendet das Recht von Amtes wegen an
(Art. 106 Abs. 1 BGG) und ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend
gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden (vgl. BGE
132 II 257 E. 2.5 S. 262; 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Unter Berücksichtigung
der für Beschwerden bestehenden allgemeinen Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1
und 2 BGG) prüft es indessen grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen,
sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind. Es ist
jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich
stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese letztinstanzlich nicht
mehr aufgegriffen werden (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).

2.

2.1. Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze über den
Anspruch sowie die Bemessung der Integritätsentschädigung richtig dargelegt
(Art. 24 und 25 UVG; Art. 36 UVV sowie Anhang 3 zur UVV). Dasselbe gilt
hinsichtlich der von der SUVA in Weiterentwicklung der bundesrätlichen Skala in
tabellarischer Form erarbeiteten Bemessungsgrundlagen (im Folgenden:
SUVA-Tabelle). Darauf wird verwiesen.

2.2.

2.2.1. Gemäss Art. 36 Abs. 4 UVV müssen voraussehbare Verschlimmerungen des
Integritätsschadens angemessen berücksichtigt werden (Satz 1). Revisionen sind
nur in Ausnahmefällen möglich, wenn die Verschlimmerung von grosser Tragweite
ist und nicht voraussehbar war (Satz 2). Eine voraussehbare Verschlimmerung
liegt vor, wenn im Zeitpunkt der Festsetzung der Integritätsentschädigung eine
solche als wahrscheinlich prognostiziert und damit auch geschätzt werden kann.
Nicht voraussehbare Verschlechterungen können naturgemäss nicht im Voraus
berücksichtigt werden. Entwickelt sich daher der Gesundheitsschaden im Rahmen
der ursprünglichen Prognose, ist die Revision einer einmal zugesprochenen
Integritätsentschädigung ausgeschlossen. Hingegen ist die Entschädigung neu
festzulegen, wenn sich der Integritätsschaden später bedeutend stärker als
prognostiziert verschlimmert. Dem Erfordernis der angemessenen Entschädigung
ist einzig dann Genüge getan, wenn die versicherte Person eine zusätzliche
Kapitalabfindung erhält, die zusammen mit der früheren Leistung dem endgültigen
Integritätsschaden entspricht (RKUV 1991 Nr. U 132 S. 305, U46/90 E. 4b).

2.2.2. Die Prognose (fallbezogene medizinische Beurteilung über die
voraussichtliche künftige Entwicklung einer Gesundheitsbeeinträchtigung im
Einzelfall) ist eine Tatfrage, die anhand medizinischer Feststellungen zu
beurteilen ist (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 398). In diesem Zusammenhang ist darauf
hinzuweisen, das bei Entscheiden gestützt auf versicherungsinterne ärztliche
Beurteilungen, die im Wesentlichen oder ausschliesslich aus dem Verfahren vor
dem Sozialversicherungsträger stammen, an die Beweiswürdigung strenge
Anforderungen zu stellen sind. Bestehen auch nur geringe Zweifel an der
Zuverlässigkeit und Schlüssigkeit der ärztlichen Feststellungen, ist eine
versicherungsexterne medizinische Begutachtung im Verfahren nach Art. 44 ATSG
oder ein Gerichtsgutachten anzuordnen (BGE 135 V 465 E. 4 S. 467 ff.; 122 V 157
E. 1d S. 162).

3.

3.1.

3.1.1. Die Vorinstanz hat erkannt, dass die SUVA die Integritätsentschädigung
mit Verfügung vom 29. November 2002 gestützt auf die Einschätzungen des
Kreisarztes Dr. med. B.________ vom 8. Oktober 2002 beurteilte. Danach war der
Integritätsschaden bezogen auf die anhand der SUVA-Tabelle Ziff. 5.2
festzulegende, mässige Femoropatellararthrose wegen der an sich reizlosen
Situation, der guten Beweglichkeit und auch Kraft im linken Knie bzw. in der
Oberschenkelmuskulatur im untersten Rahmen (5 bis 10 %), mithin mit 5 % zu
bewerten; bezogen auf die Laxizität des medialen Seiten- sowie vorderen
Kreuzbandes war von einer mässigen Knieinstabilität auszugehen, die einem
Integritätsschaden gemäss SUVA-Tabelle Ziff. 6.2 von 5 % entsprach. Unter dem
Titel "Besondere Bemerkungen" hielt Dr. med. B.________ fest, die Prognose sei
sehr schwierig zu beurteilen, er könne diese nicht in die Einschätzung des
Integritätsschadens einbeziehen, zumal sich die Arthrose bisher sehr langsam
entwickelt habe; falls diese später eindeutig zugenommen haben sollte, müsste
dazu erneut Stellung genommen werden.

3.1.2. Das kantonale Gericht hat weiter erkannt, dass die Voraussetzungen des
Revisionstatbestandes gemäss Art. 36 Abs. 4 Satz 2 UVV (nicht voraussehbare
Verschlimmerung von grosser Tragweite) nicht gegeben seien. Dott. D.________
habe zwar eine schwere Arthrose im Bereich des linken Femoropatellargelenks
festgestellt, indessen diese Einschätzung nicht näher begründet. Auch dass der
Kreisarzt Dr. med. E.________ die endoprothetische Versorgung für
abklärungsbedürftig gehalten habe, was von Dr. med. F.________ verneint worden
sei, sei kein Beleg für einen massiven Gesundheitsschaden. Letzter habe im
Übrigen anlässlich seiner Untersuchung lediglich eine leichte Instabilität in
der anteposterioren Ebene festgestellt, was sich mit den Befunden des
Kreisarztes decke.

3.2. Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, die Dres. D.________ und
E.________ hätten übereinstimmend die Entwicklung zu einer schweren
Patellararthrose als gegeben erachtet. Einzig Dr. med. F.________, dessen
Meinung das kantonale Gericht seinen Erwägungen zugrunde gelegt habe, habe eine
mässige Ausprägung dieses Leidens festgestellt. Daher seien zumindest geringe
Zweifel an dessen Beurteilung des Gesundheitszustands angebracht.

3.3. Aus dem Bericht des Dott. D.________ vom 5. März 2013 lässt sich
hinsichtlich der allein zu diskutierenden Frage der Ausprägung der
Femoropatellararthrose nichts gewinnen. Er hielt einzig fest, dass die
Pathologie posttraumatischen Charakter habe, mit der Tendenz, sich zu
verschlechtern. Nichts anderes ergibt sich aus dem Bericht des Dr. med.
E.________, der anlässlich der kreisärztlichen Untersuchung vom 11. November
2013 allein feststellte, die Zunahme der Beschwerden im Bereich des linken
Knies seien natürliche Folge des allmählichen Fortschreitens der
femoropatellaren Arthrose links, namentlich im medialen und vor allem
retropatellaren Bereich. Die nicht zu beanstandenden vorinstanzlichen
Erwägungen sind dahin gehend zu verdeutlichen, dass aufgrund der im
Verwaltungsverfahren eingeholten ärztlichen Auskünfte schlüssig feststellbar
war, der Revisionstatbestand von Art. 36 Abs. 4 Satz 2 UVV sei nicht erfüllt.
Inwieweit von den beantragten zusätzlichen ärztlichen Abklärungen neue
Erkenntnisse zu erwarten wären, ist nicht erkennbar (antizipierte
Beweiswürdigung: BGE 134 I 140 E. 5.3 S. 148; 124 V 90 E. 4b S. 94). Entgegen
den Vorbringen des Beschwerdeführers ergibt sich aus den medizinischen Akten
zuverlässig, dass er nach wie vor im Wesentlichen an derselben Ausprägung der
geltend gemachten Arthrose im linken Kniegelenk leidet, wie sie schon der
Verfügung vom 29. November 2002 zugrunde lag. Eine revisionsrechtlich
erhebliche Änderung, die als Verschlimmerung von grosser Trageweite im Sinne
von Art. 36 Abs. 4 Satz 2 UVV zu betrachten wäre, ist daher von vornherein
auszuschliessen.

4. 
Der Beschwerdeführer hat als unterliegende Partei die Gerichtskosten zu tragen
(Art 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Der Beschwerdeführer hat die Gerichtskosten von Fr. 800.- zu bezahlen.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau
und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 17. März 2015

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Ursprung

Der Gerichtsschreiber: Grunder

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