Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.841/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_841/2014

Urteil vom 28. Juli 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Ursprung, Frésard, Maillard, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiberin Durizzo.

Verfahrensbeteiligte
 A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Roger Zenari,
Beschwerdeführer,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung (Taggeld),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 14. Oktober 2014.

Sachverhalt:

A. 
A.________, geboren 1977, bezieht Taggeldleistungen der Schweizerischen
Unfallversicherungsanstalt (SUVA). Nachdem die SUVA davon Kenntnis erlangt
hatte, dass er sich im Strafvollzug befand, stellte sie die Leistungen mit
Verfügung vom 12. November 2012 und Einspracheentscheid vom 19. März 2013 für
die Dauer des Strafvollzuges ab dem 8. Oktober 2012 ein.

B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich ab (Entscheid vom 14. Oktober 2014).

C. 
A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem
Antrag, es sei ihm für die Dauer des Strafvollzuges das volle UVG-Taggeld zu
entrichten. Überdies ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege.

Die SUVA beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit
(BAG) hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG
erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106
Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten
Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine
Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann
sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung
abweisen (vgl. BGE 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Gemäss Art. 42 Abs. 1 BGG ist
die Beschwerde hinreichend zu begründen, andernfalls wird darauf nicht
eingetreten (Art. 108 Abs. 1 lit. b BGG). Das Bundesgericht prüft grundsätzlich
nur die geltend gemachten Rügen; es ist nicht gehalten, wie eine
erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu prüfen,
wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen wurden. Es kann die
Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur
insofern prüfen, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und
begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG).

1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von
Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht
an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden
(Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

2. 
Streitig und zu prüfen ist, ob die Taggeldleistungen des Beschwerdeführers
während des Strafvollzuges zu Recht eingestellt wurden. Des Weiteren ist zu
entscheiden, ob für den Versicherten das sogenannte Angehörigenprivileg nach
Art. 21 Abs. 3 ATSG gilt.

3. 
Art. 21 ATSG hat folgenden Wortlaut:

"1. Hat die versicherte Person den Versicherungsfall vorsätzlich oder bei
vorsätzlicher Ausübung eines Verbrechens oder Vergehens herbeigeführt oder
verschlimmert, so können ihr die Geldleistungen vorübergehend oder dauernd
gekürzt oder in schweren Fällen verweigert werden.

2. Geldleistungen für Angehörige oder Hinterlassene werden nur gekürzt oder
verweigert, wenn diese den Versicherungsfall vorsätzlich oder bei vorsätzlicher
Ausübung eines Verbrechens oder Vergehens herbeigeführt haben.

3. Soweit Sozialversicherungen mit Erwerbsersatzcharakter keine Geldleistungen
für Angehörige vorsehen, kann höchstens die Hälfte der Geldleistungen nach
Absatz 1 gekürzt werden. Für die andere Hälfte bleibt die Kürzung nach Absatz 2
vorbehalten.

... [Abs. 4]

5. Befindet sich die versicherte Person im Straf- oder Massnahmevollzug, so
kann während dieser Zeit die Auszahlung von Geldleistungen mit
Erwerbsersatzcharakter ganz oder teilweise eingestellt werden; ausgenommen sind
die Geldleistungen für Angehörige im Sinne von Absatz 3."

4.

4.1. Bis zum Inkrafttreten des ATSG war das Militärversicherungsgesetz der
einzige sozialversicherungsrechtliche Erlass, welcher das rechtliche Schicksal
der Geldleistungen bei Freiheitsentzug ordnete (Art. 13 Abs. 1 MVG in der vom
1. Januar 1994 bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Fassung, inhaltlich
übereinstimmend mit der Vorgängernorm von Art. 43 aMVG; BGE 133 V 1 E. 3.2 S.
4; Jürg Maeschi, Kommentar zum Bundesgesetz über die Militärversicherung [MVG]
vom 19. Juni 1992, Bern 2000, N. 4 zu Art. 13 MVG). Die Auszahlung des
Taggeldes oder der Invalidenrente konnte (ganz oder teilweise) eingestellt
werden, wenn der Versicherte eine Freiheitsstrafe oder Massnahme verbüsst (Abs.
1; Maeschi, a.a.O.).

4.2. Das Eidgenössische Versicherungsgericht, heute Bundesgericht, hat in BGE
102 V 167 (ZAK 1977 S. 116 ff.) erkannt, dass während der Strafverbüssung kein
Anspruch auf eine Invalidenrente besteht (BGE 102 V 167 E. 2 S. 170; vgl. auch
BGE 107 V 219 E. 2 S. 221 f., [ZAK 1983 S. 156 ff.]; 110 V 284 E. 1b S. 286,
ZAK 1985 S. 477 ff.). BGE 113 V 273 (ZAK 1988 S. 249 ff.) bestätigte die
Praxis, wonach der Gefangene, für dessen Unterhalt die Öffentlichkeit aufkommt,
keinen wirtschaftlichen Vorteil aus dem Strafvollzug ziehen soll (BGE 113 V 273
E. 2b S. 277; EVGE 1948 S. 74 ff. E. 4 S. 78; SVR 1995 IV Nr. 35 S. 93, I 45/94
E. 2a). Ein Ruhen der Versicherungsleistungen ist mit dieser Überlegung auch
nach den massgeblichen Regeln des internationalen Rechts zulässig (Art. 68 lit.
b der Europäischen Ordnung der Sozialen Sicherheit [SR 0.831.104]; Art. 32
Ziff. 1 lit. b des Übereinkommens Nr. 128 der IAO über Leistungen bei
Invalidität und Alter und an Hinterbliebene [SR 0.831.105]; BGE 113 V 273 E. 2b
S. 277 f.; Maeschi, a.a.O, N. 6 zu Art. 13 MVG). Das Eidgenössische
Versicherungsgericht hat seine Rechtsprechung mit BGE 113 V 273 insoweit
geändert, als der Strafvollzug nicht mehr wie bis dahin als Revisionsgrund zu
qualifizieren und der Anspruch auf eine Invalidenrente zu entziehen sei.
Vielmehr sei die Rente zu sistieren und seien die Zusatzrenten weiter
auszurichten (BGE 113 V 273 E. 2a S. 276, E. 2c S. 278 f.; 114 V 143).

4.3. Nach der Rechtsprechung zu Art. 21 Abs. 5 ATSG ist Sinn und Zweck der
Bestimmung die Gleichbehandlung der invaliden mit der validen inhaftierten
Person, welche durch einen Freiheitsentzug ihr Einkommen verliert. Die
Kann-Vorschrift erlaubt es, den besonderen Umständen Rechnung zu tragen, wenn
eine gesunde Person trotz Straf- oder Massnahmenvollzug einer Erwerbstätigkeit
nachgehen könnte wie in der Halbgefangenschaft oder Halbfreiheit (BGE 138 V 140
E. 2.2 S. 141, E. 3.3 S. 143; 137 V 154 E. 3.3 S. 158; 133 V 1 E. 4.2.4.1 S. 6
f.; 107 V 219 E. 4 S. 223; SVR 2008 IV Nr. 32 S. 104, 8C_176/2007 E. 4.2;
Maeschi, a.a.O. N. 8 zu Art. 13 MVG). Die Einstellung der Leistungen steht
jedoch nicht im freien Ermessen des Versicherers. Vielmehr sind die
Taggeldleistungen aus Gründen der Rechtsgleichheit jeweils einzustellen, wenn
der im Gesetz genannte Tatbestand gegeben ist (BGE 138 V 140 E. 5.3.6 S. 146;
vgl. auch Maeschi, a.a.O., N. 8 zu Art. 13 MVG).

4.4. Ausgenommen von der Einstellung der Geldleistungen mit
Erwerbsersatzcharakter für Personen im Straf- oder Massnahmevollzug sind nach
Art. 21 Abs. 5 ATSG die Geldleistungen für Angehörige im Sinne von Absatz 3.
Wenn Sozialversicherungen mit Erwerbsersatzcharakter keine Geldleistungen für
Angehörige vorsehen, erfolgt statt der gänzlichen Sistierung eine
Leistungskürzung.

4.5. Die Rechtsfrage, ob Art. 21 Abs. 3 ATSG aufgrund des Verweises in Abs. 5
(letzter Teilsatz) auf die Sistierung von Leistungen an den Strafgefangenen
selber nach Art. 21 Abs. 5 ATSG Anwendung findet, hat die Rechtsprechung bis
anhin offengelassen (in BGE 138 V 140 nicht publizierte E. 6 des Urteils 8C_377
/2011 vom 28. Februar 2012; SVR 2010 IV Nr. 20 S. 61, 9C_256/2009 E. 4).

4.6. Das sogenannte Angehörigenprivileg war im aMVG im erwähnten Art. 43
beziehungsweise in Art. 13 Abs. 2 MVG geregelt (vgl. oben E. 4.1), welche
weitgehend übereinstimmten mit der heutigen Bestimmung von Art. 13 MVG (in
Kraft seit dem 1. Januar 2003). Wenn der Versicherte Angehörige hat, denen im
Falle seines Todes ein Rentenanspruch zustehen würde, ist ihnen Taggeld oder
Invalidenrente während des Straf- und Massnahmevollzugs ganz oder teilweise
auszurichten, sofern sie ohne diese Leistung in Not geraten würden.

4.7. Den Gesetzesmaterialien zur Entstehung des ATSG ist zu entnehmen, dass der
Gesetzgeber auch im Falle der Strafgefangenschaft des Leistungsbezügers den
Unterhalt der Angehörigen gedeckt wissen wollte.

Ein Angehörigenprivileg war bereits im Entwurf zu einem Allgemeinen Teil der
Sozialversicherung der Arbeitsgruppe der Schweizerischen Gesellschaft für
Versicherungsrecht sowie im ständerätlichen Entwurf im Zusammenhang mit der
Leistungskürzung enthalten. Es wurde eine besondere Regelung aufgenommen für
die Leistungskürzung in Sozialversicherungszweigen, die keine besonderen
Leistungen für Angehörige vorsehen. Wo der für Angehörige bestimmte Teil der
Leistung nicht gesetzlich festgelegt sei, könne die Hälfte der Leistung als
solcher gelten (Beiheft zur SZS 1984 S. 45, 68, Art. 25 Abs. 2 Satz 2 VE-ATSG;
Parlamentarische Initiative Allgemeiner Teil Sozialversicherung, Bericht der
Kommission des Ständerates vom 27. September 1990, BBl 1991 II 185 ff., 193,
256 zu Art. 27 Abs. 2 Satz 2 E-ATSG).

Der allgemeine Grundsatz der Sistierung der Auszahlung von Geldleistungen bei
Freiheitsentzug unter Vorbehalt eines Anspruches von Angehörigen wurde erstmals
in der vertieften Stellungnahme des Bundesrates zur Parlamentarischen
Initiative Sozialversicherungsrecht vorgesehen: Unter dem Titel "Geldleistungen
bei Freiheitsentzug" wurde festgehalten, dass die Auszahlung von Geldleistungen
teilweise oder ganz eingestellt werden kann, wenn der Versicherte eine
Freiheitsstrafe (oder Massnahme) verbüsst, dass jedoch Angehörige des
Versicherten, denen im Falle seines Todes eine Geldleistung zustehen würde,
Anspruch haben auf die teilweise oder vollständige Ausrichtung von
Geldleistungen, sofern sie andernfalls in Not geraten würden. Es wurde dabei
verwiesen auf den erwähnten Art. 13 MVG (oben E. 4.6) und auf die
Rechtsprechungsänderung nach BGE 113 V 273 sowie 114 V 143, wonach der Anspruch
auf eine Invalidenrente bei Strafgefangenschaft nicht mehr zu entziehen,
sondern zu sistieren war, die Zusatzrenten jedoch weiter auszurichten waren
(oben E. 4.2; Art. 27 Abs. 5 lit. a und b des bundesrätlichen Entwurfs, BBl
1994 V 921 ff., 937; Jürg Maeschi, Das Bundesgesetz über die
Militärversicherung [MVG] vom 19. Juni 1992 und die Koordination des
Sozialversicherungsrechts, SZS 2001 S. 270 ff., 275 f.). Die Kommission des
Nationalrates für soziale Sicherheit und Gesundheit stellte in ihrem Bericht
vom 26. März 1999 klar, dass der Rentenanspruch bei Strafgefangenschaft zu
sistieren, die für die Deckung des Unterhaltsbedarfs der Angehörigen bestimmten
Zusatzrenten hingegen weiter auszurichten seien. Die redaktionelle Neufassung
von (nunmehr) Abs. 4 des Art. 27 lautete: "Befindet sich der Versicherte im
Straf- oder Massnahmevollzug, kann während dieser Zeit die Auszahlung von
Geldleistungen mit Erwerbsersatzcharakter mit Ausnahme derjenigen für Ansprüche
der Angehörigen im Sinne von Absatz 2bis ganz oder teilweise eingestellt
werden"; Absatz 2bis dieses Entwurfs entspricht dem heutigen Art. 21 Abs. 3
ATSG (BBl 1999 4523 ff., 4565 ff.). In der Diskussion des Gesetzesentwurfs im
Nationalrat wurde ausdrücklich festgehalten, dass die Kommission damit eine
breit abgestützte Änderung zugunsten der Versicherten verabschiedet habe (Amtl.
Bull. NR 1999 1240, Votum Rechsteiner; vgl. zur Entstehungsgeschichte Ueli
Kieser, ATSG-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Vorbemerkungen Rz. 19 ff.).

4.8. Auch nach der Lehre gilt die Regelung des Angehörigenprivilegs nach Art.
21 Abs. 5 ATSG für diejenigen Sozialversicherungszweige, die keine separaten
Leistungen für Angehörige ausscheiden, und wo somit einzig dem Versicherten
selber ein Rechtsanspruch zusteht. Die Leistungen an den Versicherten seien
nach dem Verweis auf Abs. 3 höchstens bis zur Hälfte zu suspendieren, wenn er
daraus auch familienrechtliche Pflichten zu finanzieren hat (Erwin Murer, Die
Einstellung der Auszahlung von Invalidenrenten der Sozialversicherung während
des Straf- und Massnahmevollzugs, in: Festschrift für Franz Riklin, 2007, S.
162; Franz Schlauri, Die Militärversicherung, in: Schweizerisches
Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, 2. Aufl., Basel 2007, S.
1089 Rz. 88). Murer bemängelt die heutige Fassung von Art. 21 Abs. 5 ATSG als
kompliziert und dem Wortlaut nach höchst verwirrlich. Sie ziele indessen auf
eine ungefähre Gleichbehandlung der Bezüger von IV- und auch
Berufsvorsorge-Leistungen mit den Bezügern von UV- und MV-Leistungen in Bezug
auf Grundsatz und Umfang der Suspension ab (Murer, a.a.O.).

4.9. Aus der dargelegten Entstehungsgeschichte von Art. 21 ATSG ist zu folgern,
dass der Gesetzgeber den Grundsatz der Sistierung von Geldleistungen während
des Straf- oder Massnahmenvollzuges unter Vorbehalt des Angehörigenprivilegs
positivrechtlich regeln wollte. Mit Abs. 5 wird, analog zu Abs. 3 über die
Kürzung von Geldleistungen, bestimmt, dass eine lediglich teilweise, höchstens
hälftige Einstellung der Geldleistungen mit Erwerbsersatzcharakter erfolgt in
Versicherungszweigen, die keine separaten Leistungen für Angehörige
ausscheiden. Dies entspricht auch den Vorgaben des internationalen Rechts,
sieht Art. 68 lit. b der Europäischen Ordnung der Sozialen Sicherheit doch als
Ausnahme vom Grundsatz der Sistierung vor, dass ein Teil der Leistung den
unterhaltsberechtigten Angehörigen des Leistungsempfängers zu gewähren sei.

5.

5.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, dass er mit Urteil vom 20. April 2011
zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt worden sei. Es sei zur
Verbüssung der Strafe der Vollzug in der Strafanstalt B.________ angeordnet
worden, wo er sich vom 8. Oktober 2012 bis zum 15. Juni 2013 aufgehalten habe.
Eine Sistierung seiner Taggeldleistungen während dieser Zeit sei nicht
gerechtfertigt, denn wenn er gesund gewesen wäre, hätte ihm das Electronic
Monitoring oder die Halbgefangenschaft bewilligt werden müssen.

5.2. Es steht fest und ist unbestritten, dass der Versicherte den Strafvollzug
nicht in Halbgefangenschaft hat verbüssen können. Seinen Einwänden zur
Diskriminierung gegenüber gesunden Straftätern in Halbgefangenschaft oder unter
Überwachung durch Electronic Monitoring kann indessen nicht gefolgt werden.
Entscheidwesentlich ist, dass der Staat für seinen Unterhalt im Strafvollzug
aufgekommen ist. Bei der beantragten weiteren Ausrichtung des Taggeldes auch
während seines Aufenthalts in der Strafanstalt vermöchte der Versicherte einen
wirtschaftlichen Vorteil aus dem Strafvollzug zu ziehen. Dies zu verhindern war
seit jeher ein Hauptgrund für die Revisions- beziehungsweise Sistierungspraxis
bei einem Freiheitsentzug und widerspricht Sinn und Zweck der dargelegten
Rechtsprechung und Gesetzesbestimmungen (oben E. 4.1 - 4.3). Dass wie bei einem
Straftäter in Halbgefangenschaft oder unter Electronic Monitoring für die
Deckung des eigenen Unterhalts ein Bedarf bestand an dem vom Unfallversicherer
ausgerichteten Taggeld, welches dem Erwerbsersatz dient, wird in der Beschwerde
nicht dargelegt und ist nicht ersichtlich.

Jedoch ist das Taggeld mit Rücksicht auf die Unterhaltspflicht des Versicherten
gegenüber seiner Ehefrau nach Art. 21 Abs. 5 in Verbindung mit Abs. 3 ATSG im
Umfang von mindestens 50 Prozent weiter auszurichten (oben E. 4.4 - 4.9).

Die SUVA wird über die Taggeldleistungen, die dem Beschwerdeführer während
seines Strafvollzuges zustanden, neu verfügen.

6. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 Abs. 1 BGG). Entsprechend seinem
Ausgang werden die Gerichtskosten der Beschwerdegegnerin auferlegt (Art. 66
Abs. 1 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist damit
gegenstandslos.

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 14. Oktober 2014 und der
Einspracheentscheid der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) vom
19. März 2013 werden aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verfügung im Sinne der
Erwägungen an die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA)
zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3. 
Die Beschwerdegegnerin hat den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers für das
bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2800.- zu entschädigen.

4. 
Die Sache wird zur Neuverlegung der Parteientschädigung des vorangegangenen
Verfahrens an das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich zurückgewiesen.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 28. Juli 2015

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Die Gerichtsschreiberin: Durizzo

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