Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.817/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_817/2014

Urteil vom 27. April 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Ursprung, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiber Jancar.

Verfahrensbeteiligte
A.________, vertreten durch
Rechtsanwalt Josef Flury,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle Luzern, Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Arbeitsunfähigkeit, Invalidenrente),

Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Luzern vom 6. Oktober 2014.

Sachverhalt:

A.

A.a. Der 1954 geborene A.________ war seit 14. Juni 1983 Bauarbeiter bei der
Firma B.________ Bauunternehmung. Am 23. August 2010 meldete er sich bei der
IV-Stelle Luzern zum Leistungsbezug an. Nach diversen medizinischen Abklärungen
verneinte die IV-Stelle den Rentenanspruch (Verfügung vom 1. März 2011
[Invaliditätsgrad 16 %]). Die dagegen geführte Beschwerde wies das
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern (heute Kantonsgericht Luzern) mit
Entscheid vom 15. Dezember 2011 ab. Diesen Entscheid bestätigte das
Bundesgericht mit Urteil 8C_109/2012 vom 9. März 2012.

A.b. Am 24. Mai 2012 ersuchte der Versicherte die IV-Stelle, ihn bei der
Eingliederung zu unterstützen (Arbeitsvermittlung, Belastungstraining etc.).
Die daraufhin eingeleitete Arbeitsvermittlung schloss die IV-Stelle am 2.
August 2012 ab. Mit Vorbescheid vom 5. September 2012 stellte sie die Ablehnung
des Rentenanspruchs in Aussicht. Sie zog unter anderem folgende Berichte bei:
der Neuropsychologin FSP Frau C.________ und des Fachpsychologen für
Neuropsychologie FSP D.________, Leiter Neuropsychologie, Spital E.________,
vom 18. Oktober 2012; des Prof. Dr. med. F.________, Leitender Arzt, Zentrum
für Neurologie und Neurorehabilitation, Spital E.________, vom 23. Oktober 2012
und vom 28. November 2012 (zusammen mit Dr. med. G.________, Assistenzarzt);
des Dr. med. H.________, FMH Endokrinologie/Diabetologie, Spital E.________,
vom 10. Dezember 2012. Weiter holte die IV-Stelle Aktenstellungnahmen des Dr.
med. I.__________, Facharzt für orthopädische Chirurgie und Traumatologie des
Bewegungsapparates FMH, Regionaler Ärztlicher Dienst (RAD) der IV-Stelle, vom
31. Oktober und 26. November 2012 ein. Gestützt auf die letztgenannte
Stellungnahme veranlasste sie bei Prof. Dr. med. J.________, Facharzt FMH
Radiologie und Neuroradiologie, Medizinisch Radiologisches Institut, eine
MR-Untersuchung des Neurokraniums und bei Prof. Dr. med. K.________, Klinik für
Nuklearmedizin, Spital L.________, ein Hirn-PET (Berichte vom 3. Januar 2013).
Danach holte die IV-Stelle ein neuropsychologisches Gutachten der dipl.-psych.
Frau M.________, Fachpsychologin für Neuropsychologie und Psychotherapie FSP,
sowie der Frau N.________, Psychologin FSP Neuropsychologin, vom 16. Mai 2013
und eine Aktenstellungnahme des Dr. med. I.__________ vom 22. Mai 2013 ein. Mit
Verfügung vom 30. Mai 2013 verneinte sie den Rentenanspruch (Invaliditätsgrad
16 %).

B. 
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Kantonsgericht Luzern mit Entscheid
vom 6. Oktober 2014 ab.

C. 
Mit Beschwerde beantragt der Versicherte, in Aufhebung des kantonalen
Entscheids sei die Sache an die IV-Stelle zurückzuweisen; sie sei zu
verpflichten, ihm vor Erlass der Verfügung das rechtliche Gehör zu gewähren und
in der Folge die Verfügung zu begründen; eventuell sei die Sache an die
Vorinstanz zurückzuweisen und diese zu verpflichten, den medizinischen
Sachverhalt und den Grad der Erwerbsfähigkeit mittels polydisziplinärem
gerichtlichen Gutachten abzuklären; die Vorinstanz sei zu verpflichten, nach
erfolgter neutraler Abklärung über den Leistungsanspruch neu zu entscheiden;
eventuell sei die Sache an die IV-Stelle zurückzuweisen und diese zu
verpflichten, ein neutrales polydisziplinäres Gutachten durchzuführen und
gestützt darauf den Rentenanspruch neu zu prüfen.

Die Vorinstanz und die IV-Stelle schliessen auf Abweisung der Beschwerde,
soweit darauf einzutreten sei. Das Bundesamt für Sozialversicherungen
verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1. 
Gründe für ein Nichteintreten auf die Beschwerde als Ganzes sind entgegen
Vorinstanz und IV-Stelle nicht ersichtlich (BGE 138 III 46 E. 1 Ingress; vgl.
auch E. 5 a.E. hienach).

2. 
Mit der Beschwerde kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt
werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem
Verfahren beanstandeten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E.
2.2.1 S. 389). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre
Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens
entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG in Verbindung mit Art. 105 Abs. 2
BGG). Rechtsfragen sind die vollständige Feststellung erheblicher Tatsachen
sowie die Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes bzw. der
Beweiswürdigungsregeln nach Art. 61 lit. c ATSG und der Anforderungen an den
Beweiswert von Arztberichten (vgl. E. 2 hienach). Die aufgrund dieser Berichte
gerichtlich festgestellte Gesundheitslage bzw. Arbeitsfähigkeit und die
konkrete Beweiswürdigung sind Sachverhaltsfragen (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397;
nicht publ. E. 4.1 des Urteils BGE 135 V 254, veröffentlicht in SVR 2009 IV Nr.
53 S. 164 [9C_204/2009]).

3. 
Die Vorinstanz hat die Grundlagen über die bei einer Neuanmeldung analog zur
Revision anwendbaren Regeln (Art. 17 ATSG; Art. 87 Abs. 2 f. IVV; BGE 134 V 131
E. 3 S. 132, 117 V 198 E. 3a), den Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit (BGE 138 V 218 E. 6 S. 221) und den Beweiswert von
Arztberichten (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232, 125 V 351 E. 3a S. 352; vgl. auch
BGE 139 V 225 E. 5.2 S. 229) richtig dargelegt. Darauf wird verwiesen.

4.

4.1. Streitig und zu prüfen ist, ob der Versicherte an einem die
Arbeitsfähigkeit beeinträchtigenden Hirnschaden leidet. Andere
Gesundheitsschäden, die seit der rentenablehnenden Verfügung vom 1. März 2011
zu einer Verschlechterung seiner Arbeitsfähigkeit geführt hätten, macht er
nicht substanziiert geltend und sind auch nicht ersichtlich.

4.2.

4.2.1. Prof. Dr. med. J.________ legte am 3. Januar 2013 aufgrund der
MR-Untersuchung dar, im Vergleich zur auswärtigen Voruntersuchung (21. Juli
2010) bestehe im Bereich des Interhemisphärenspaltes frontal eine progrediente,
ausschliesslich fronto-temporale Atrophie unter Aussparung des Hippokampus und
mit normaler Ventrikelweite; das morphologische Bild spreche gegen das
Vorliegen einer Alzheimer-Demenz, könnte jedoch - wenn anderweitige Abklärungen
diesen Verdacht bestärkten - für das Vorliegen eines neurodegenerativen
Prozesses vom Typ einer fronto-temporalen Demenz (FTD) sprechen; eine vaskuläre
Ursache oder Liquorzirkulationsstörung könne definitiv ausgeschlossen werden.
Prof. Dr. med. K.________ führte am 3. Januar 2013 aufgrund des Hirn-PET aus,
die verminderte FDG-Aufnahme dürfte der Atrophie in der MRT entsprechen, und
das Muster wäre vereinbar mit einer fronto-temporalen Demenz; allerdings wolle
er erwähnen, dass der FDG-Befund bei der fronto-temporalen Demenz oft
ausgedehnter sei als in der MRT, was beim Versicherten nicht der Fall zu sein
scheine.

4.2.2. Im neuropsychologischen Gutachten vom 16. Mai 2013 wurde folgende
Diagnose gestellt: Nicht-authentische neuropsychologische Funktionsstörung auf
dem Boden möglicher realer Leistungseinbussen bei fronto-temporaler
Hirnatrophie und Diabetes mellitus Typ II. Weiter wurde unter anderem
ausgeführt, im neuropsychologischen Bericht des Spitals E.________ vom 18.
Oktober 2012 seien alle vom Versicherten demonstrierten Schwierigkeiten ohne
Vornahme einer Beschwerdenvalidierung als authentisch gewertet und sei eine
100%ige Arbeitsunfähigkeit festgehalten worden; die dortige Untersuchung sei in
deutscher Sprache vorgenommen worden (zumindest sei in den Akten kein Hinweis
auf einen Dolmetscher ersichtlich). Anders als die voruntersuchenden Kollegen
gingen sie davon aus, dass die aktuell wie damals erhobenen Befunde überwiegend
nicht valider Natur seien. Um zu beurteilen, ob diese nicht-authentischen
Leistungen als Ausdruck einer Aggravation zu werten seien, stützten sie sich
auf die Kriterien von Slick et al. bzw. das Consensus Statement der American
Academy of Neuropsychology. Authentische Beeinträchtigungen von Intellekt,
visuell-räumlichen Funktionen und Gedächtnis könnten vorhanden sein, hätten
sich jedoch aufgrund der unzureichenden Anstrengungsbereitschaft und
übertriebenen Beschwerdendarstellung nicht verifizieren lassen. Angesichts der
vorliegenden bildgebenden Befunde könne nicht ausgeschlossen werden, dass ein
Abbauprozess begonnen habe, der sich erst in der Zukunft klinisch fassbar
manifestiere. Neben entsprechenden Hinweisen aus der Bildgebung könne auch der
langjährige Diabetes mellitus Typ II zu cerebro-vaskulären Veränderungen mit
Einfluss auf die kognitive Leistungsfähigkeit geführt haben. Dennoch bleibe
festzuhalten, dass der Versicherte bei der aktuellen neuropsychologischen
Untersuchung bewusst in bedeutendem Mass aggraviert habe. Seine aktuelle
Arbeitsfähigkeit könnten sie aufgrund der invaliden Testbefunde nicht genauer
umreissen. Da er sich jedoch zweimal an 3 bis 3.5 Stunden einer
neuropsychologischen Untersuchung habe unterziehen können, könne zumindest eine
zeitliche Belastbarkeit über diesen Zeitraum zzgl. Anreise attestiert werden.
Sie gingen davon aus, dass die tatsächliche Leistungsfähigkeit deutlich über
der demonstrierten Leistung liege; ob aber eine wirtschaftlich verwertbare
Arbeitsleistung erbracht werden könne, bleibe offen.

4.2.3. Dr. med. I.__________ führte in der Aktenstellungnahme vom 22. Mai 2013
aus, im Lichte der nachgewiesenen Aggravation erschienen die neurologisch
angedachten Differenzialdiagnosen bei letztlich unklarem Syndrom in einem neuen
und schlussendlich erklärbaren Licht. Auch bildgebend hätten sich gesamthaft,
d.h. auch unter Einbezug der fehlenden Verdachtsmomente in der
neuropsychologischen Untersuchung, letztlich keine Hinweise einer
Alzheimer-Demenz oder eines neurodegenerativen Prozesses im Sinne der im
Vorfeld verdächtigten fronto-temporalen Demenz ergeben. Aufgrund der
medizinischen Befunde sei somatisch nach wie vor keine massgebliche und
dauerhafte Limitierung der Arbeitsfähigkeit in einer körperlich angepassten
Tätigkeit ausgewiesen.

4.3. Die Vorinstanz erwog im Wesentlichen, auf das neuropsychologische
Gutachten vom 16. Mai 2013 könne abgestellt werden. Unzutreffend sei zwar die
hierin gemachte Aussage, das Spital E.________ habe im Rahmen der
neuropsychologischen Untersuchung, die zum Bericht vom 18. Oktober 2012 geführt
habe, keinen Dolmetscher beigezogen; dies falle jedoch nicht ins Gewicht, da
dieser Bericht im Gutachten vom 16. Mai 2013 nicht wegen des Fehlens eines
Dolmetschers, sondern wegen der nicht durchgeführten Beschwerdenvalidierung
angezweifelt worden sei. Stünden aufgrund dieses Gutachtens allfällig
vorhandene Beeinträchtigungen kognitiver Art bzw. deren Auswirkungen auf die
Leistungsfähigkeit mangels zuverlässiger Resultate der durchgeführten
neuropsychologischen Tests nicht zumindest überwiegend wahrscheinlich fest,
trage der Versicherte die Folgen der Beweislosigkeit (Urteil 8C_582/2008 vom
14. Januar 2009 E. 5.2.2). Es treffe zu, dass die Aktenstellungnahme des Dr.
med. I.__________ vom 22. Mai 2013 nicht überzeuge, weil er von der an zwei
verschiedenen Tagen zu je 3 bis 3.5 Stunden erfolgten neuropsychologischen
Begutachtung auf eine unlimitierte Arbeitsfähigkeit von mindestens 8 Std./Tag
geschlossen habe. Massgeblich sei jedoch, dass nicht gestützt auf die
Einschätzung des Dr. med. I.__________, sondern aufgrund der gesamten
Aktenlage, insbesondere der im neuropsychologischen Gutachten vom 16. Mai 2013
getroffenen Feststellungen, von einer uneingeschränkten Arbeits- und
Leistungsfähigkeit auszugehen sei.

4.4.

4.4.1. Die Aktenstellungnahme des Dr. med. I.__________ vom 22. Mai 2013 kann
auch deshalb nicht ohne Weiteres als Beurteilungsgrundlage dienen, weil ihm -
wie der Versicherte zu Recht rügt - in neurologisch-neuropsychologischer
Hinsicht die Fachkompetenz fehlt (vgl. Sachverhalt lit. A.b).

4.4.2. Weiter macht der Versicherte geltend, es könne nicht allein auf das
neuropsychologische Gutachten vom 16. Mai 2013 abgestellt werden, ohne dass
sich Fachärzte mit den diversen Beschwerden und der möglichen Demenz
auseinandersetzten. Es sei willkürlich, dieses Gutachten über die
Abklärungsergebnisse des Spitals E.________ zu stellen, die dortigen Ärzte
hätten Befunde erhoben, zur Arbeitsfähigkeit Stellung genommen und eine
erhebliche Leistungseinschränkung festgestellt. Er beruft sich unter anderem
auf den von der Vorinstanz als nicht massgebend taxierten neuropsychologischen
Bericht des Spitals E.________ vom 18. Oktober 2012, worin er als nicht mehr
arbeitsfähig angesehen wurde, was vom Neurologen Prof. Dr. med. F.________ im
Bericht vom 23. Oktober 2012 bestätigt wurde.

Im Rahmen des neuropsychologischen Berichts des Spitals E.________ vom 18.
Oktober 2012 wurde nicht allein auf die Angaben des Versicherten abgestellt,
sondern es wurden mit ihm diverse Tests durchgeführt; er wurde als kooperativ
bezeichnet. Dem Beschwerdeführer ist beizupflichten, dass ohne kompetente
fachärztliche Stellungnahme nicht auf das neuropsychologische Gutachten vom 16.
Mai 2013 abgestellt werden kann. Dieses Gutachten stellte den
neuropsychologischen Bericht des Spitals E.________ vom 18. Oktober 2012 nicht
nur wegen fehlender Beschwerdenvalidierung, sondern zu Unrecht wegen des
Nichtbeizugs eines Dolmetschers in Frage. Weiter ist zu beachten, dass im
Gutachten vom 16. Mai 2013 von einer bedeutenden Aggravation des Versicherten
ausgegangen wurde; die Überprüfung der Authentizität geklagter mentaler
Beschwerden gehört aber zu den Kernaufgaben psychiatrischer Begutachtung. In
diesem Lichte drängt sich zusätzlich zu neuropsychologischen Abklärungen eine
ärztliche Beurteilung in neurologischer und psychiatrischer Hinsicht auf,
insbesondere nachdem der Verdacht auf Vortäuschung von Beschwerden im Raume
steht ( ULRIKE HOFFMANN-RICHTER, JÖRG JEGER, HOLGER SCHMIDT, Das Handwerk
ärztlicher Begutachtung, Theorie, Methodik und Praxis, Stuttgart 2012, S. 135).
Richtigerweise hätte bereits von der Beschwerdegegnerin ein
Administrativgutachten unter Beizug mehrerer Disziplinen eingeholt werden
müssen, damit die verschiedenen Fachleute die Ergebnisse miteinander besprechen
und ihre Beurteilungen diskutieren könnten ( ULRIKE HOFFMANN-RICHTER, JÖRG
JEGER, HOLGER SCHMIDT, a.a.O., S. 135). Die Anordnung separater Abklärungen
durch den RAD-Arzt bei den Prof. Dres. med. J.________ und K.________ sowie den
Psychologinnen M.________ und N.________ (vgl. Sachverhalt lit. A.b) erweist
sich in diesem Sinne als problematisch. Die Sache ist daher an die Vorinstanz
zurückzuweisen, welche gestützt auf ein Gerichtsgutachten neu entscheiden wird.

5. 
Unter diesen Umständen braucht nicht entschieden zu werden, ob der Einwand des
Versicherten berechtigt ist, die IV-Stelle habe seinen Gehörsanspruch (Art. 29
Abs. 2 BV) verletzt, indem sie ihm nicht das Recht eingeräumt habe, zu den vor
dem Erlass der streitigen Verfügung vom 30. Mai 2013 neu eingeholten
medizinischen Akten Stellung zu nehmen. Gleiches gilt für seine Rüge, diese
Verfügung sei ungenügend begründet gewesen. Offen bleiben kann auch, ob - wie
die Vorinstanz geltend macht - der erstgenannte Einwand des Versicherten
gestützt auf Art. 99 Abs. 1 BGG verspätet und damit unzulässig ist.

6. 
Die unterliegende IV-Stelle trägt die Verfahrenskosten (Art. 66 Abs. 1, Art. 68
Abs. 2 BGG; BGE 137 V 210 E. 7.1 S. 271).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und der Entscheid des
Kantonsgerichts Luzern vom 6. Oktober 2014 wird aufgehoben. Die Sache wird zu
neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. Im Übrigen wird die
Beschwerde abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3. 
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Luzern, 4. Abteilung, und
dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 27. April 2015

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Der Gerichtsschreiber: Jancar

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