Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.780/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_780/2014

Urteil vom 25. März 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Frésard, Maillard,
Gerichtsschreiberin Riedi Hunold.

Verfahrensbeteiligte
A.________, vertreten durch
Rechtsanwalt Marc Tomaschett,
Beschwerdeführer,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn
vom 19. September 2014.

Sachverhalt:

A. 
A.________, geboren 1965, war ab 3. April 1989 bei der Firma B.________ AG
angestellt und in dieser Eigenschaft bei der Schweizerischen
Unfallversicherungsanstalt (nachfolgend: SUVA) gegen die Folgen von Unfällen
versichert. Am 16. Juni 1990 war er als Mitfahrer in einen Motorradunfall
verwickelt und zog sich eine schwere Verletzung am linken Fuss zu, welche
mehrere Operationen und letztlich eine Unterschenkelamputation nach sich zog.
Die SUVA erbrachte die gesetzlichen Leistungen, u.a. eine
Integritätsentschädigung. Mit Verfügung vom 11. November 2005 sprach die SUVA
A.________ ab 1. November 2005 eine Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad
von 70 % sowie eine zusätzliche Integritätsentschädigung bei einer
Integritätseinbusse von 15 % zu. Die damals zuständige IV-Stelle des Kantons
Graubünden sprach ihm am 26. Mai 2006 ab 1. Januar 2004 eine halbe und ab 1.
Oktober 2004 eine ganze Invalidenrente zu.
Im Rahmen des Rentenrevisionsverfahrens holte die nunmehr zuständige IV-Stelle
des Kantons Bern ein polydisziplinäres Gutachten beim Institut C.________ vom
24. April 2012 ein und hob gestützt darauf am 26. Juli 2012 die Invalidenrente
infolge eines Invaliditätsgrades von nunmehr 20 % auf; dies bestätigte das
Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 25. April 2013. Ebenfalls
gestützt auf das Gutachten des Instituts C.________ reduzierte die SUVA mit
Verfügung vom 24. Juni 2013, bestätigt mit Einspracheentscheid vom 30.
September 2013, infolge eines nunmehr bestehenden Invaliditätsgrades von 30 %
die Invalidenrente per 1. Juli 2013.

B. 
Das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn wies die dagegen erhobene
Beschwerde mit Entscheid vom 19. September 2014 ab.

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Antrag, es seien der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben und die in
seiner Beschwerde gegen den Einspracheentscheid der SUVA gestellten Anträge
gutzuheissen; eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen
verbunden mit der Anordnung weiterer ärztlicher Abklärungen, namentlich einer
neuropsychologischen Untersuchung, der Feststellung der wesentlichen
Veränderung des Gesundheitszustandes seit der Begutachtung des Instituts
C.________ und der fehlenden Veränderung der gesundheitlichen oder erwerblichen
Situation seit der Rentenzusprechung im Jahr 2005 sowie der weiteren
Zusprechung der bisherigen Rente. Zudem ersucht er um unentgeltliche
Rechtspflege im Sinne der Befreiung von den Gerichtskosten.
Das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn und die SUVA schliessen auf
Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine
Vernehmlassung.

D. 
Mit Eingabe vom 27. Oktober 2014 lässt A.________ einen Verlaufsbericht seines
behandelnden Psychiaters einreichen.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG
erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106
Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten
Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine
Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann
sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung
abweisen (vgl. BGE 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Gemäss Art. 42 Abs. 1 BGG ist
die Beschwerde hinreichend zu begründen, andernfalls wird darauf nicht
eingetreten (Art. 108 Abs. 1 lit. b BGG). Das Bundesgericht prüft grundsätzlich
nur die geltend gemachten Rügen; es ist nicht gehalten, wie eine
erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu prüfen,
wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen wurden. Es kann die
Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur
insofern prüfen, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und
begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG).

1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von
Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht
an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden
(Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

2. 
Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur soweit vorgebracht werden, als erst
der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG; BGE 135 V
194). Solche Umstände können namentlich in formellrechtlichen Mängeln des
angefochtenen Entscheides liegen, mit denen die Partei nicht rechnete und nach
Treu und Glauben nicht zu rechnen brauchte, oder darin, dass die Vorinstanz
materiell in einer Weise urteilt, dass bestimmte Sachumstände neu und erstmals
rechtserheblich werden. Der vorinstanzliche Verfahrensausgang allein bildet
noch keinen hinreichenden Anlass im Sinne von Art. 99 Abs. 1 BGG für die
Zulässigkeit von unechten Noven, die bereits im kantonalen Verfahren ohne
Weiteres hätten vorgebracht werden können. Das Vorbringen von Tatsachen, die
sich erst nach dem angefochtenen Entscheid ereigneten oder entstanden (echte
Noven), ist vor Bundesgericht unzulässig (Urteil 8C_277/2014 vom 30. Januar
2015 E. 2 mit Hinweis).
Die mit der Beschwerde resp. mit Eingabe vom 27. Oktober 2014 vor Bundesgericht
eingereichten ärztlichen Berichte stellen - soweit sie nicht bereits im Rahmen
des kantonalen Verfahrens bei den Akten waren - unzulässige Noven dar, da sie
sich einerseits mit dem aktuellen Gesundheitszustand und nicht mit jenem zum
strittigen Zeitpunkt (30. September 2013; BGE 131 V 242 E. 2.1 S. 243; 121 V
362 E. 1b S. 366) befassen und andererseits der Gesundheitszustand des
Versicherten, namentlich in psychischer und neuropsychologischer Hinsicht,
bereits vor der Vorinstanz strittig war.

3. 
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze über die Voraussetzungen der
Rentenrevision (Art. 17 Abs. 1 ATSG; BGE 134 V 131 E. 3 S. 132; 133 V 108; 130
V 343 E. 3.5 S. 349) zutreffend dargelegt. Dasselbe gilt für den
Untersuchungsgrundsatz (BGE 138 V 218 E. 6 S. 221) sowie den Beweiswert
ärztlicher Berichte (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352).
Darauf wird verwiesen.

4. 
Vorweg gilt es festzuhalten, dass nach der Rechtsprechung (BGE 131 V 242 E. 2.1
S. 243; 121 V 362 E. 1b S. 366) massgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der
strittigen Punkte der Erlass des Einspracheentscheids ist. Somit ist der
Sachverhalt, wie er sich am 30. September 2013 präsentierte, massgebend.
Seither eingetretene Umstände - namentlich die geltend gemachte gesundheitliche
Verschlechterung in den letzten Monaten - sind deshalb für die hier strittigen
Fragen unbeachtlich.

5.

5.1. Die SUVA stützt - wie schon die IV-Stelle - die Überprüfung der
Invalidenrente auf das Gutachten des Instituts C.________ vom 24. April 2012
ab. Der Versicherte bemängelt, dieses Gutachten genüge den Anforderungen der
Rechtsprechung nicht, weil es einerseits nicht vollständig - es fehle eine
neuropsychologische Abklärung - und im Zeitpunkt des vorinstanzlichen
Entscheids auch schon 2 ½ Jahre alt sei; andererseits würden die Berichte der
behandelnden Ärzte in willkürlicher Weise nicht bzw. nicht ausreichend
berücksichtigt. Diese Einwände sind unbehelflich:
Massgebend für die Beantwortung der hier strittigen Frage ist der
gesundheitliche Zustand, wie er sich am 30. September 2013 präsentierte, mithin
anderthalb Jahre nach Erstellung des Gutachtens des Instituts C.________ (vgl.
E. 4). Angesichts der zwischen Erstattung des Gutachtens (welches die IV-Stelle
der SUVA am 15. Mai 2012 zustellte), der notwendigen Gewährung des rechtlichen
Gehörs (vgl. die Stellungnahme des Versicherten vom 25. Juni 2012 zum
Vorbescheid der IV-Stelle sowie zum Gutachen des Instituts C.________), dem
anschliessenden invalidenversicherungsrechtlichen Beschwerdeverfahren sowie dem
unfallversicherungsrechtlichen Einspracheverfahren ist diese Zeitspanne nicht
übermässig lang und es kann weiterhin für die hier strittigen Belange auf das
Gutachten des Instituts C.________ abgestellt werden. Entgegen der Ansicht des
Versicherten erweist es sich auch nicht als unvollständig. Denn nach der
Rechtsprechung kommt den Gutachtern - was die Wahl der Untersuchungsmethoden
betrifft - ein weiter Ermessensspielraum zu (vgl. Urteil 9C_886/2009 vom 27.
April 2010 E. 2.2 mit Hinweisen; bestätigt etwa mit Urteil 9C_514/2012 vom 5.
Oktober 2012 E. 4 und Urteil 8C_768/2012 vom 24. Januar 2013 E. 3). Das
beinhaltet auch die Auswahl der vorzunehmenden fachärztlichen Abklärungen (vgl.
auch S usanne Leuzinger-Naef, Die Auswahl der medizinischen Sachverständigen im
Sozialversicherungsverfahren [Art. 44 ATSG], in Riemer-Kafka/Rumo-Jungo,
Soziale Sicherheit - Soziale Unsicherheit, FS Murer, 2010, S. 419, wonach die
Wahl der Fachrichtungen in erster Linie von den Gutachterfragen abhängt und je
nach Gesundheitsschaden mehrere Fachrichtungen in Frage kommen). Es liegt
demnach im Ermessen der Gutachter, ob der Beizug weiterer Experten notwendig
ist (vgl. zum Ganzen Urteil 8C_277/2014 vom 30. Januar 2015 E. 5.2). W ie die
Vorinstanz zu Recht festhält, haben nicht nur die Gutachter des Instituts
C.________ dies für entbehrlich erachtet, sondern auch PD Dr. med. D.________,
Chefarzt, Klinik für Rheumatologie und internistische Rehabilitation, Klinik
E.________, konstatierte in seinem Bericht vom 15. August 2013, er habe nie den
Eindruck gehabt, es lägen beim Versicherten neuropsychologische Defizite vor,
weshalb auch keine entsprechende Abklärung notwendig sei. Bei dieser Sachlage
bedeutet der Verzicht auf eine neuropsychologische Abklärung keine Verletzung
des Untersuchungsgrundsatzes.
Weiter ist nicht zu beanstanden, dass sich Vorinstanz und Verwaltung nicht auf
die jeweils aufdatierten Berichte der behandelnden Ärzte abstellten. Denn
einerseits beziehen sich diese - soweit es sich nicht eh um unzulässige Noven
handelt (vgl. E. 2) - ausschliesslich auf den jeweils aktuellen
Gesundheitszustand des Versicherten, setzen sich aber nicht mit dem bei
Rentenbeginn bestehenden auseinander. Andererseits erfolgt die jeweils
attestierte vollständige Arbeitsunfähigkeit undifferenziert resp. ohne nähere
Begründung. Weiter ist auch der Erfahrungstatsache, wonach behandelnde Ärzte im
Zweifelsfall eher zugunsten ihrer Patienten aussagen, Rechnung zu tragen (BGE
125 V 351 E. 3b/cc S. 353).

5.2. Soweit der Versicherte Kritik am vorinstanzlichen Entscheid übt, weil
dieser nicht den seit der Rentenaufhebung verschlechterten Gesundheitszustand
berücksichtige, ist er nicht zu hören. Einerseits handelt es sich über weite
Strecken um appellatorische Kritik, die nicht beachtlich ist. Andererseits hat
die Vorinstanz zutreffend dargelegt, dass die geltend gemachte psychische
Verschlechterung infolge Aufhebung der Rente als invaliditätsfremder Faktor
nicht massgeblich ist (vgl. etwa Urteil 9C_953/2012 vom 5. April 2013 E. 3.1).

5.3. Schliesslich entbehrt auch der Einwand, die vorliegend strittige
Rentenreduktion sei eine (unzulässige) Rentenaufhebung im Rahmen der
IV-Revision 6a, jeglicher Grundlage. Einerseits gibt es im Rahmen der
obligatorischen Unfallversicherung keine, mit der IV-Revision 6a vergleichbare
Gesetzesrevision, so dass die befristet und unter speziellen Voraussetzungen
mögliche Überprüfung von Invalidenrenten, welche infolge eines
pathogenetisch-ätiologisch unklaren syndromalen Beschwerdebildes ohne
nachweisbare organische Grundlage zugesprochen wurden (vgl. zu den
Voraussetzungen etwa BGE 139 V 547), bei den Invalidenrenten der
obligatorischen Unfallversicherung nicht zum Zuge kommt. Weiter ergibt sich
bereits aus der Verfügung der IV-Stelle des Kantons Bern vom 26. Juli 2012 und
erst recht aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 25.
April 2013, dass auch die Invalidenrente der Invalidenversicherung nicht im
Rahmen der IV-Revision 6a, sondern im Rahmen einer davon unabhängigen und
jederzeit möglichen Rentenrevision nach Art. 17 ATSG erfolgte. Damit erübrigen
sich weitere Ausführungen über die angeblich unrichtige Handhabung der
Schlussbestimmungen zur IV-Revision 6a.

6. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig. Der unterliegende Versicherte hat die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Zwar hat dieser um
unentgeltliche Rechtspflege im Sinne der Befreiung von Gerichtskosten ersucht,
doch ergibt sich aus den Akten, dass seine Rechtsschutzversicherung die
Gerichtskosten für dieses Verfahren übernommen hat. Deshalb ist das Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege im Sinne der Befreiung von den Gerichtskosten als
gegenstandslos abzuschreiben.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird als gegenstandslos
abgeschrieben.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Solothurn
und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 25. März 2015

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Ursprung

Die Gerichtsschreiberin: Riedi Hunold

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