Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.749/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]               
{T 0/2}
                             
8C_749/2014, 8C_750/2014

Urteil vom 30. Dezember 2014

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Ursprung, Maillard,
Gerichtsschreiberin Berger Götz.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Bruno Häfliger,
Beschwerdeführer,

gegen

Dienststelle Wirtschaft und Arbeit (wira),
Stab Recht, Bürgenstrasse 12, 6005 Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosenentschädigung),

Beschwerde gegen die Entscheide
des Kantonsgerichts Luzern
vom 16. September 2014 und 28. Mai 2013.

Sachverhalt:

A. 
Der 1954 geborene A.________ war seit dem 1. April 1998 für die Schule
B.________ als Lehrperson und Leiter der Abteilung C.________ angestellt. Mit
Vereinbarung vom 27./28. Juni 2011 wurde das Arbeitsverhältnis in gegenseitigem
Einvernehmen per 31. Oktober 2011 aufgelöst. Am 31. Oktober 2011 meldete sich
A.________ beim Arbeitsamt der Gemeinde X.________ zur Arbeitsvermittlung an.
Am 2. November 2011 stellte er Antrag auf Arbeitslosenentschädigung für die
Zeit ab 1. November 2011. Mit Verfügung vom 28. Februar 2012 verneinte die
Dienststelle Wirtschaft und Arbeit des Kantons Luzern (wira) die
Vermittlungsfähigkeit ab 1. November 2011. Daran hielt sie auf Einsprache hin
fest und trat zudem auf das Begehren um Ausrichtung von 90 Planungstaggeldern
nicht ein (Einspracheentscheid vom 25. Juni 2012). Das damalige
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern (ab 1. Juni 2013: Kantonsgericht Luzern)
hiess die dagegen erhobene Beschwerde in dem Sinne gut, als es die Sache
hinsichtlich der Planungstaggelder an die Dienststelle wira zurückwies, damit
sie auf den entsprechenden Antrag eintrete und eine Verfügung erlasse;
bezüglich der Vermittlungsfähigkeit wies es die Beschwerde ab (Entscheid vom
28. Mai 2013). Daraufhin lehnte die Dienststelle wira das Gesuch um Ausrichtung
von Planungstaggeldern mangels Vermittlungsfähigkeit ab (Verfügung vom 22. Juli
2013). Dies bestätigte sie mit Einspracheentscheid vom 3. Dezember 2013.

B. 
Das Kantonsgericht Luzern wies die gegen den Einspracheentscheid vom 3.
Dezember 2013 erhobene Beschwerde ab (Entscheid vom 16. September 2014).

C. 
A.________ lässt sowohl gegen den Entscheid des damaligen Verwaltungsgerichts
des Kantons Luzern vom 28. Mai 2013 (Verfahren 8C_750/2014) als auch gegen den
Entscheid des Kantonsgerichts Luzern vom 16. September 2014 (Verfahren 8C_749/
2014) Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erheben mit dem
Antrag, die beiden angefochtenen Entscheide seien bezüglich Verneinung der
Vermittlungsfähigkeit aufzuheben und es seien ihm 90 Planungstaggelder
auszurichten.

Das Bundesgericht hat die vorinstanzlichen Akten beigezogen. Es ist kein
Schriftenwechsel durchgeführt worden.

Erwägungen:

1. 
In den Beschwerdeverfahren 8C_749/2014 und 8C_750/2014 sind zwei
vorinstanzliche Entscheide, bzw. der Endentscheid vom 16. September 2014 und
über den Endentscheid auch der Zwischenentscheid vom 28. Mai 2013 angefochten,
welche beide denselben Sachverhalt betreffen. Zudem stellen sich die gleichen
Rechtsfragen. Der Beschwerdeführer hat denn auch nur eine einzige Rechtsschrift
eingereicht. Unter diesen Umständen rechtfertigt es sich, die beiden Verfahren
zu vereinigen und in einem einzigen Urteil zu erledigen (BGE 128 V 124 E. 1 S.
126).

2. 
Das Bundesgericht prüft die Zulässigkeit eines Rechtsmittels von Amtes wegen
und mit freier Kognition (BGE 138 V 318 E. 6 Ingress S. 320 mit Hinweis; Urteil
8C_122/2014 vom 18. August 2014 E. 1).

2.1.

2.1.1. Beim Bundesgericht anfechtbar sind Endentscheide, d.h. Entscheide, die
das Verfahren abschliessen (Art. 90 BGG), ebenso Teilentscheide, das heisst
unter anderem Entscheide, die einen Teil der gestellten Begehren behandeln,
wenn diese unabhängig von den anderen beurteilt werden können (Art. 91 lit. a
BGG). Sodann ist die Beschwerde unter anderem zulässig gegen selbstständig
eröffnete Vor- und Zwischenentscheide nach Art. 93 Abs. 1 BGG, wenn sie einen
nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können (lit. a), oder wenn die
Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit
einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges
Beweisverfahren ersparen würde (lit. b). Ist die Beschwerde nicht zulässig oder
wurde von ihr kein Gebrauch gemacht, so sind die betreffenden Vor- und
Zwischenentscheide durch Beschwerde gegen den Endentscheid anfechtbar, soweit
sie sich auf dessen Inhalt auswirken (Art. 93 Abs. 3 BGG). Art. 93 Abs. 3 BGG
behält die Möglichkeit einer Geltendmachung der entsprechenden Einwendungen
gegen den Zwischenentscheid im Rahmen einer Beschwerde gegen den Endentscheid
oder allenfalls losgelöst davon - direkt (vgl. BGE 133 V 645 E. 2.2 S. 648) -
ausdrücklich vor.

2.1.2. Rückweisungsentscheide, mit welchen ein kantonales Versicherungsgericht
eine Sache zur neuen Entscheidung an die Verwaltung zurückweist, sind
Zwischenentscheide, auch wenn damit materiellrechtliche Teilaspekte beantwortet
werden; sie sind daher in der Regel nicht anfechtbar (BGE 133 V 477 E. 4.1.3 S.
481).

2.2. Das kantonale Gericht hatte die Sache mit Entscheid vom 28. Mai 2013 an
die Dienststelle zurückgewiesen, damit diese über die Planungstaggelder eine
Verfügung erlasse, während es die Beschwerde bezüglich Vermittlungsfähigkeit
abwies. Bei diesem Urteil handelt es sich - nicht nur in Bezug auf die
Rückweisung - um einen Zwischenentscheid, auch wenn damit ein
materiellrechtlicher Teilaspekt bereits beantwortet wurde. Die Beschwerde gegen
den Endentscheid vom 16. September 2014 ist demnach zulässig. In diesem Rahmen
sind Einwendungen gegen den Zwischenentscheid vom 28. Mai 2013 möglich. Da auch
die übrigen Formerfordernisse erfüllt sind, ist auf die Beschwerde, welche sich
explizit gegen den Zwischenentscheid vom 28. Mai 2013 sowie gegen den
Endentscheid vom 16. September 2014 richtet, einzutreten.

3. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt
hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung berichtigen
oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

4.

4.1. Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze über die
Vermittlungsfähigkeit als eine der Voraussetzungen für den Anspruch auf
Arbeitslosenentschädigung (Art. 8 Abs. 1 lit. f in Verbindung mit Art. 15 Abs.
1 AVIG), die dazu ergangene Rechtsprechung, insbesondere bezüglich der
Vermittlungsbereitschaft als Teilgehalt der Vermittlungsfähigkeit, und über die
Pflichten zur Vermeidung oder Verkürzung der Arbeitslosigkeit (Art. 17 Abs. 1
AVIG), über die Förderung der selbstständigen Erwerbstätigkeit durch
Ausrichtung besonderer Taggelder während der Planungsphase eines Projektes
(Art. 71a ff. AVIG) sowie die Definition der Planungsphase als Zeitraum, den
der Versicherte zur Planung und Vorbereitung einer selbstständigen
Erwerbstätigkeit benötigt (Art. 95a Satz 1 AVIV), zutreffend dargelegt. Darauf
wird verwiesen.

4.2. Eine Unterstützung durch besondere Taggelder gemäss Art. 71a ff. AVIG ist
während derjenigen Zeitspanne möglich, in welcher der Versicherte seiner bisher
als blossen Idee bestehenden Absicht der selbstständigen Erwerbstätigkeit
konkrete Züge verleiht, indem er sich ein die Grundlagen der Geschäftstätigkeit
umfassendes Dossier zusammenstellt und die dafür notwendigen Abklärungsarbeiten
vornimmt. Laut Art. 95a AVIV beginnt die Planungsphase in zeitlicher Hinsicht
mit der Bewilligung des Gesuchs, was eine rückwirkende Zusprechung von
Taggeldern vor Gesuchseinreichung grundsätzlich ausschliesst (Urteil C 177/04
vom 25. Oktober 2005 E. 2.2). Gemäss Art. 71b Abs. 3 AVIG muss der Versicherte
während der Planungsphase nicht vermittlungsfähig sein; er ist von seinen
Pflichten nach Art. 17 AVIG befreit.

5.

5.1. Die Vorinstanz ist der Ansicht, bis zur Bewilligung des Gesuchs über
Taggelder während der Planungsphase müsse die versicherte Person
vermittlungsfähig sein. Mit Gerichtsentscheid vom 28. Mai 2013 sei die
Vermittlungsfähigkeit verneint worden. Darauf werde nun im Endentscheid vom 16.
September 2014 nicht mehr zurückgekommen. Über das Gesuch um Ausrichtung der
Taggelder während der Planungsphase sei innert vier Wochen nach Eingang des
Gesuchs zu entscheiden. Da die Planungsphase erst mit Bewilligung des Gesuchs
beginne, müsse die versicherte Person davor vermittlungsfähig sein. In casu
hätte der Beschwerdeführer damit ab 1. November 2011 während mindestens vier
Wochen vermittlungsfähig sein müssen. Selbst wenn somit der Anspruch auf
Taggelder während der Planungsphase von Anfang an geprüft worden wäre, hätte er
keinen Anspruch darauf gehabt.

5.2. Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe den formellen Anforderungen an
die Vermittlungsfähigkeit genügt. Soweit das kantonale Gericht ihm unterstelle,
er habe keine Absicht zur Wiederaufnahme einer Arbeitnehmertätigkeit gehabt,
könne zwar nicht verhehlt werden, dass er seine Chancen eher in einer
selbstständigen Erwerbstätigkeit gesehen habe. Es sei aber ein Zirkelschluss,
wenn daraus auf eine mangelnde Vermittlungsbereitschaft geschlossen werde. Dies
führe zu einer Pönalisierung des Beschwerdeführers, der alles und vor allem
alles Realistische unternommen habe, um eine längere Arbeitslosigkeit zu
vermeiden. Die Argumentation der Vorinstanz laufe dem Sinn und Zweck des
Instituts "Planungstaggelder" diametral entgegen und würde diesem jegliche
Berechtigung entziehen, da jeder, der Planungstaggelder beanspruche, die
Selbstständigkeit im Auge habe.

6.

6.1. Das Eidgenössische Versicherungsgericht (heute: I. und II.
sozialrechtliche Abteilungen des Bundesgerichts) kam im Urteil C 187/98 vom 12.
Mai 2000 zum Schluss, dass für den Zeitraum vor dem Bezug der besonderen
Taggelder namentlich die Anspruchsvoraussetzung der Vermittlungsfähigkeit nicht
erfüllt sein müsse. Dies ergebe sich schon aus dem Umstand, dass laut Art. 71b
Abs. 1 lit. a AVIG (in der bis 30. Juni 2003 in Kraft gestandenen Fassung) auch
unmittelbar von Arbeitslosigkeit bedrohte Versicherte die Förderungsbeiträge
beanspruchen könnten, d.h. etwa versicherte Personen, welche sich (noch) in
einem bereits gekündigten oder in einem befristeten Arbeitsverhältnis befinden
würden und während der Dauer desselben weder arbeitslos seien noch die
Kontrollvorschriften zu erfüllen hätten oder vermittlungsfähig sein müssten
(Urteil C 187/98 vom 12. Mai 2000 E. 3a).

6.2. Die gesetzliche Ausnahmeregelung, wonach der Versicherte während der
Planungsphase nicht vermittlungsfähig sein muss (Art. 71b Abs. 3 AVIG), war -
mit einem leicht abweichenden Wortlaut - bis 30. Juni 2003 in Art. 71b Abs. 2
AVIG zu finden. Geändert hat sich seit dem (in E. 6.1 hiervor) zitierten Urteil
C 187/98 allerdings Art. 71b Abs. 1 lit. a AVIG (in Kraft seit 1. Juli 2003),
welcher nunmehr lediglich noch vorsieht, dass Versicherte Unterstützung während
der Planungsphase beanspruchen können, welche ohne eigenes Verschulden
arbeitslos sind. Unmittelbar von Arbeitslosigkeit bedrohten Versicherten steht
dieser Anspruch nicht mehr offen. Die Argumentation im Urteil C 187/98 vom 12.
Mai 2000 ist daher unter der Geltung des neuen Rechts überholt. In der
Zwischenzeit wurde aber vor allem mit Art. 59 Abs. 3 AVIG eine Generalklausel
eingeführt, um Rechtsunsicherheiten und Doppelnennungen zu vermeiden (Botschaft
des Bundesrates zu einem revidierten Arbeitslosenversicherungsgesetz vom 28.
Februar 2001, BBl 2001 2245, zu Art. 59, S. 2286 f.). Nach dieser Bestimmung
müssen für die Teilnahme an arbeitsmarktlichen Massnahmen nach den Artikeln
60-71d AVIG erfüllt sein: die Anspruchsvoraussetzungen nach Art. 8 AVIG, sofern
nichts anderes bestimmt ist (lit. a), und die spezifischen Voraussetzungen für
die betreffende Massnahme (lit. b). Konkret heisst dies gemäss Botschaft, dass
bei der Teilnahme an allen arbeitsmarktlichen Massnahmen Art. 8 AVIG immer
erfüllt sein muss, wenn nicht bei einzelnen Massnahmen Einschränkungen gemacht
werden (Botschaft, S. 2286). Im Rahmen der Förderung der selbstständigen
Erwerbstätigkeit sieht Art. 71b Abs. 3 AVIG (in der seit 1. Juli 2003 geltenden
Fassung) nur für die Planungsphase einen Verzicht auf die
Anspruchsvoraussetzung der Vermittlungsfähigkeit vor.

6.3. Unter geltendem Recht besteht folglich kein Interpretationsspielraum
(mehr), um darüber hinaus auch für die Phase vor der Genehmigung des Gesuchs um
Taggelder während der Planungsphase auf die Anforderung der
Vermittlungsfähigkeit zu verzichten (vgl. BORIS RUBIN, Commentaire de la loi
sur l'assurance-chômage, 2014, N. 28 zu Art. 71a-71d AVIG, und THOMAS
NUSSBAUMER, Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches
Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, 2. Aufl. 2007, Rz. 658).

6.3.1. Soweit der Beschwerdeführer darin einen Widerspruch zur Förderung der
selbstständigen Erwerbstätigkeit durch "Planungstaggelder" sieht, ist ihm
entgegenzuhalten, dass als Planungsphase im Sinne von Art. 71a Abs. 1 AVIG der
Zeitraum gilt, den die versicherte Person zur Planung und Vorbereitung einer
selbstständigen Erwerbstätigkeit benötigt (Art. 95a AVIV). Die Planungsphase
erfasst nur die allererste Phase des Beginns der Selbstständigkeit, somit
diejenige Zeitspanne, in welcher die versicherte Person ihrer bisher als blosse
Idee bestehenden Absicht zur Aufnahme einer selbstständigen Erwerbstätigkeit
konkrete Züge verleiht, indem sie sich ein die Grundlagen der
Geschäftstätigkeit umfassendes Dossier zusammenstellt und die dafür notwendigen
Abklärungen vornimmt ( NUSSBAUMER, a.a.O., Rz. 787 ff.). Eine versicherte
Person, die sich ohnehin selbstständig machen will, soll nicht die Auflösung
des Arbeitsverhältnisses herbeiführen und sich auf Kosten der
Arbeitslosenversicherung die Aufnahme einer selbstständigen Erwerbstätigkeit
finanzieren lassen können, denn die Arbeitslosigkeit darf nicht auf eigenem
Verschulden beruhen (Art. 71b Abs. 1 lit. a AVIG; NUSSBAUMER, a.a.O., Rz. 774).
Wenn also eine versicherte Person eine Förderung der selbstständigen
Erwerbstätigkeit seit oder kurze Zeit nach Beginn der Arbeitslosigkeit
verlangt, muss geprüft werden, ob der Wille, sich selbstständig zu machen, eine
Reaktion auf die Arbeitslosigkeit ist - in diesem Fall kann ein
Leistungsanspruch bestehen - oder ob die Annahme einer Stelle von Anfang an
nicht mehr zur Debatte stand - mit der Konsequenz, dass kein Anspruch auf
Leistungen gegeben ist ( RUBIN, a.a.O., N. 45 zu Art. 15).

6.3.2. In casu begannen die ersten Vorkehren zur Aufnahme einer selbstständigen
Erwerbstätigkeit gemäss den Erwägungen des kantonalen Gerichts im
Zwischenentscheid vom 28. Mai 2013 im Jahr 2010, als der Beschwerdeführer unter
anderem eine Befragung von potentiellen Kunden über den Bedarf eines bestimmten
Angebotes durchgeführt hatte, nachdem er bereits im Jahr 2009 den Schritt in
die Selbstständigkeit ernsthaft in Erwägung gezogen hatte. Bei der geplanten
selbstständigen Tätigkeit habe es sich um einen Berufswunsch gehandelt, den der
Versicherte schon vor seiner Arbeitslosigkeit ins Auge gefasst habe. Die
Vermittlungsbereitschaft müsse in Abrede gestellt werden, weil keine Absicht
zur Wiederaufnahme einer Arbeitnehmertätigkeit bestanden habe. Daran ändere
nichts, dass seine Bewerbungsbemühungen in quantitativer Hinsicht bis auf den
Monat Dezember 2011 genügend gewesen seien. Diese Feststellungen werden vom
Beschwerdeführer letztinstanzlich nicht mehr in Frage gestellt. Er behauptet
lediglich, dass er "den formellen Anforderungen an die Vermittlungsfähigkeit
genügt" und namentlich Arbeitsbemühungen nachgewiesen habe. Zur
Vermittlungsfähigkeit gehört jedoch nicht nur die Arbeitsfähigkeit im
objektiven Sinne, sondern subjektiv auch die Bereitschaft, die Arbeitskraft
entsprechend den persönlichen Verhältnissen während der üblichen Arbeitszeit
einzusetzen (BGE 125 V 51 E. 6a S. 58). Dazu genügt die Willenshaltung oder die
bloss verbal erklärte Vermittlungsbereitschaft nicht; die versicherte Person
ist vielmehr gehalten, sich der öffentlichen Arbeitsvermittlung zur Verfügung
zu stellen, angebotene zumutbare Arbeit anzunehmen und sich selbst intensiv
nach einer zumutbaren Stelle umzusehen. Der Versicherte bestreitet nicht, dass
er im November 2011 nicht mehr gewillt war, ein neues Arbeitsverhältnis
einzugehen. Dies manifestierte sich gemäss den vorinstanzlichen Erwägungen
namentlich im Umstand, dass er eine 30 %-Stelle bei der Organisation D.________
abgelehnt hatte und seine für die Monate Oktober und November 2011
nachgewiesenen "Arbeitsbemühungen" fast ausschliesslich Vorkehren im
Zusammenhang mit dem Aufbau seines eigenen Unternehmens waren.

6.3.3. Will eine versicherte Person allerdings Taggelder für die Planungsphase
beanspruchen, so muss sie bis zur Bewilligung des entsprechenden Gesuches um
Unterstützung zur Förderung der selbstständigen Erwerbstätigkeit bereit sein,
eine unselbstständige Arbeitstätigkeit aufzunehmen. Dies ergibt sich bereits
aus der im gesamten Sozialversicherungsrecht geltenden
Schadenminderungspflicht. Die kantonale Amtsstelle muss innert vier Wochen nach
Eingang des Gesuchs entscheiden, ob Taggelder ausgerichtet werden (Art. 95b
Abs. 3 AVIV), damit die versicherte Person möglichst ohne Verzug weiss, ob sie
vermittlungsfähig bleiben soll oder ob sie sich, nach Bewilligung des Gesuchs,
vollumfänglich der Planung und Vorbereitung der selbstständigen
Erwerbstätigkeit widmen kann. Solange sie keine Entscheidung bekommt, muss sie
vermittlungsfähig bleiben und die Kontrollvorschriften nach Art. 17 AVIG
erfüllen ( RUBIN, a.a.O., N. 29 zu Art. 71a-71d AVIG). Entgegen der Ansicht des
Beschwerdeführers kann darin keine "Pönalisierung" erkannt werden. Denn eine
Person, welche sich zur Arbeitsvermittlung anmeldet und Leistungen der
Arbeitslosenversicherung beziehen möchte, kann schon mit Blick darauf, dass sie
alles Zumutbare zu unternehmen hat, um Arbeitslosigkeit zu vermeiden oder zu
verkürzen (Art. 17 Abs. 1 AVIG), nicht erst dann mit der Suche einer neuen
Stelle beginnen, wenn ihr Gesuch um Unterstützung zur Förderung der
selbstständigen Erwerbstätigkeit abgelehnt worden ist.

6.3.4. Der Beschwerdeführer beruft sich schliesslich auf die Aufklärungs- und
Beratungspflicht der Versicherungsträger und Durchführungsorgane gemäss Art. 27
ATSG und macht geltend, es wäre die Pflicht seines RAV-Beraters gewesen, ihn zu
"anderen Bewerbungen zu verhalten". Es kann offen bleiben, was der Versicherte
unter anderen Bewerbungen versteht, denn auch eine "andere" Ausrichtung seiner
Stellenbemühungen hätte nichts an seiner fehlenden Vermittlungsbereitschaft
geändert. Schon deshalb kann er für den vorliegenden Fall aus Art. 27 ATSG
nichts zu seinen Gunsten ableiten.

7. 
Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass versicherte Personen bis zur
Bewilligung des Gesuchs um Taggelder zur Förderung der selbstständigen
Erwerbstätigkeit (Art. 71a Abs. 1 AVIG in Verbindung mit Art. 95b AVIV) unter
anderem vermittlungsfähig sein müssen. Erfüllen sie diese Voraussetzung nicht,
so besteht kein Anspruch auf Taggelder während der Planungsphase (Art. 95a
AVIV). Die vorinstanzliche Verneinung eines Anspruchs auf Taggelder während der
Planungsphase ist mit Blick auf die fehlende Vermittlungsbereitschaft des
Beschwerdeführers ab 1. November 2011 rechtens.

8. 
Bei diesem Ausgang der Verfahren wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig
(Art. 66 Abs. 1 BGG). Da die beiden Verfahren vereinigt werden konnten, ohne
dass ein zusätzlicher Aufwand entstanden wäre, sind die Gerichtskosten (Art. 65
Abs. 1 und Abs. 4 lit. a BGG) auf gesamthaft Fr. 500.- festzusetzen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Verfahren 8C_749/2014 und 8C_750/2014 werden vereinigt.

2. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Luzern, 3. Abteilung, und
dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 30. Dezember 2014
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Die Gerichtsschreiberin: Berger Götz

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