Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.742/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_742/2014

Urteil vom 4. Mai 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Ursprung, Frésard, Maillard, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiberin Riedi Hunold.

Verfahrensbeteiligte
A.________ AG,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Ueli Kieser,
Beschwerdeführerin,

gegen

CAFIB
Walliser Familienzulagenkasse des Baugewerbes, Rue de l'Avenir 11, 1950 Sitten,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Familienzulage,

Beschwerde gegen den Entscheid
des Kantonsgerichts Wallis
vom 28. August 2014.

Sachverhalt:

A. 
Die A.________ AG ist eine Bauunternehmung mit Sitz in X.________/BE. Ihre
Mitarbeiter sind auf verschiedenen Baustellen in der Schweiz tätig. Namentlich
betreibt sie im Kanton Wallis grössere Baustellen, deren Dauer zwischen zwei
und sechs Jahren beträgt. Zudem hat sie im Handelsregister u.a. eine
Zweigstelle in Y.________/VS eingetragen, welche jedoch nach eigenen Angaben
inaktiv sei und lediglich der telefonischen Erreichbarkeit diene, da alle
Anrufe an den Hauptsitz umgeleitet würden. Seit 1987 rechnete sie die
Familienzulagen über die Ausgleichskasse des Kantons Bern (nachfolgend: AK BE)
ab.
Mit Verfügung vom 11. März 2013 legte die Walliser Familienzulagenkasse des
Baugewerbes (nachfolgend: CAFIB) fest, die Mitarbeiter auf Baustellen im Kanton
Wallis mit einer Dauer von mehr als zwölf Monaten seien ihr zu unterstellen.
Die dagegen erhobene Einsprache wies die CAFIB am 16. Mai 2013 ab.

B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Kantonsgericht Wallis mit Entscheid
vom 28. August 2014 ab.

C. 
Die A.________ AG lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
führen mit dem Antrag, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben und es sei
festzustellen, dass sie der CAFIB nicht angeschlossen sei.
Die AK BE verzichtet unter Verweis auf ihre Eingaben im kantonalen Verfahren
auf eine Stellungnahme. Die CAFIB verzichtet ebenfalls auf eine Vernehmlassung.
Das Bundesamt für Sozialversicherungen (nachfolgend: BSV) schliesst auf
Abweisung der Beschwerde.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG
erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106
Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten
Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine
Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann
sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung
abweisen (vgl. BGE 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Gemäss Art. 42 Abs. 1 BGG ist
die Beschwerde hinreichend zu begründen, andernfalls wird darauf nicht
eingetreten (Art. 108 Abs. 1 lit. b BGG). Das Bundesgericht prüft grundsätzlich
nur die geltend gemachten Rügen; es ist nicht gehalten, wie eine
erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu prüfen,
wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen wurden. Es kann die
Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur
insofern prüfen, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und
begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). Nach Art. 105 BGG legt das
Bundesgericht seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat (Abs. 1). Es kann diese Sachverhaltsfeststellung von Amtes
wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf
einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Abs. 2).

1.2. Ausgangspunkt jeder Auslegung bildet der Wortlaut der massgeblichen Norm.
Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Interpretationen möglich, so
muss nach der wahren Tragweite der Bestimmung gesucht werden, wobei alle
Auslegungselemente zu berücksichtigen sind (Methodenpluralismus). Dabei kommt
es namentlich auf den Zweck der Regelung, die dem Text zugrunde liegenden
Wertungen sowie auf den Sinnzusammenhang an, in dem die Norm steht. Die
Entstehungsgeschichte ist zwar nicht unmittelbar entscheidend, dient aber als
Hilfsmittel, um den Sinn der Norm zu erkennen (BGE 138 V 17 E. 4.2 S. 20 mit
Hinweisen).
Eine historisch orientierte Auslegung ist für sich allein nicht entscheidend.
Doch vermag nur sie die Regelungsabsicht des Gesetzgebers (die sich
insbesondere aus den Materialien ergibt) aufzuzeigen, welche wiederum zusammen
mit den zu ihrer Verfolgung getroffenen Wertentscheidungen verbindliche
Richtschnur des Gerichts bleibt, auch wenn es das Gesetz mittels teleologischer
Auslegung oder Rechtsfortbildung veränderten, vom Gesetzgeber nicht
vorausgesehenen Umständen anpasst oder ergänzt (BGE 138 III 359 E. 6.2 S. 361;
138 V 23 E. 3.4.1 S. 28).

1.3. Verwaltungsweisungen richten sich grundsätzlich nur an die
Durchführungsstellen und sind für das Sozialversicherungsgericht nicht
verbindlich. Indes berücksichtigt das Gericht die Kreisschreiben insbesondere
dann und weicht nicht ohne triftigen Grund davon ab, wenn sie eine dem
Einzelfall angepasste und gerecht werdende Auslegung der anwendbaren
gesetzlichen Bestimmungen zulassen und eine überzeugende Konkretisierung der
rechtlichen Vorgaben enthalten. Dadurch trägt es dem Bestreben der Verwaltung
Rechnung, durch interne Weisungen eine rechtsgleiche Gesetzesanwendung zu
gewährleisten (BGE 138 V 346 E. 6.2 S. 362; 137 V 1 E. 5.2.3 S. 8; 133 V 257 E.
3.2 S. 258 mit Hinweisen; vgl. 133 II 305 E. 8.1 S. 315).
Auf dem Wege von Verwaltungsweisungen dürfen keine über Gesetz und Verordnung
hinausgehenden Einschränkungen eines materiellen Rechtsanspruchs eingeführt
werden (BGE 132 V 121 E. 4.4. S. 125).

2. 
Unter dem Randtitel "Anwendbare Familienzulagenordnung" hält Art. 12 Abs. 2 des
Bundesgesetzes vom 24. März 2006 über die Familienzulagen
(Familienzulagengesetz, FamZG; SR 836.2) fest, dass Arbeitgeber und
Selbstständigerwerbende der Familienzulagenordnung jenes Kantons unterstehen,
in dem das Unternehmen seinen rechtlichen Sitz hat, oder, wenn ein solcher
fehlt, ihres Wohnsitzkantons; Zweigniederlassungen von Arbeitgebern unterstehen
der Familienzulagenordnung jenes Kantons, in dem sie sich befinden. Gemäss Art.
9 der Verordnung vom 31. Oktober 2007 über die Familienzulagen
(Familienzulagenverordnung, FamZV; SR 836.21) gelten als Zweigniederlassungen
Einrichtungen und Betriebsstätten, in denen auf unbestimmte Dauer eine
gewerbliche, industrielle oder kaufmännische Tätigkeit ausgeübt wird. Dazu
führt Rz. 502 der Wegleitung zum Bundesgesetz über die Familienzulagen FamZG
(nachfolgend: FamZWL) aus: "In Analogie zu Art. 6ter AHVV gelten als
Betriebsstätten Werk- und Fabrikationsstätten, Verkaufsstellen, ständige
Vertretungen, Bergwerke und andere Stätten der Ausbeutung von Bodenschätzen
sowie Bau- und Montagestellen von mindestens zwölf Monaten Dauer."

3. 
Streitig und zu prüfen ist, ob die Beschwerdeführerin für ihre Mitarbeitenden
auf Baustellen im Kanton Wallis, die länger als zwölf Monate dauern, bei der
CAFIB oder bei der AK BE abzurechnen hat.

3.1. Die Vorinstanz hat hiezu ausgeführt, Baustellen ab zwölf Monaten würden
als Zweigniederlassungen gelten. Deren Angestellte fielen daher unter die
Familienzulagenordnung ihres Arbeitskantons. Der Gesetzgeber habe den
Mehraufwand, den dies für eine Unternehmung mit sich bringe, in Kauf genommen.
Rz. 502 FamZWL sei weder gesetzwidrig noch willkürlich. Nachdem die
Beschwerdeführerin in Y.________/VS eine Zweigniederlassung, welche im
Handelsregister eingetragen sei, führe und im Kanton Wallis mehrere Baustellen
betreibe, seien ihre Arbeitnehmer der Familienzulagenordnung am Ort dieser
Baustellen zu unterstellen.

3.2. In der Beschwerde wird ausgeführt, viele Bauunternehmungen betrieben
Baustellen ausserhalb des Kantonsgebietes, weshalb die vorliegende Problematik
für das gesamte Baugewerbe von grosser Bedeutung sei. Art. 12 FamZG und Art. 9
FamZV spreche von Zweigniederlassungen, indessen nicht von Betriebsstätten oder
Baustellen. Bei einer Baustelle handle es sich nicht um eine
Zweigniederlassung. Die Zweigstelle Y.________/VS, welche von der
Beschwerdeführerin betrieben werde, sei völlig inaktiv und bestehe faktisch nur
aus einem Telefon mit Umleitung an den Hauptsitz. Baustellen stellten schon
deswegen keine Zweigniederlassungen dar, weil sie nicht auf unbestimmte Dauer
betrieben würden. Nach der Konzeption des FamZG sei der Gedanke, dass
Unternehmungen nur mit einer einzigen Kasse abzurechnen hätten, zentral.

3.3. Das BSV hält in seiner Vernehmlassung fest, zahlreiche Unternehmungen,
etwa Grossverteiler, Detailhändler, Banken oder Versicherungen, welche
interkantonal tätig seien, rechneten mit mehreren Familienausgleichskassen ab.
Der Begriff der Betriebsstätte werde im Bereich der Familienzulagen gleich
verwendet wie (im internationalen Zusammenhang) in der AHV sowie im
Steuerrecht. Ob die von der Beschwerdeführerin im Handelsregister eingetragene
Zweigniederlassung tatsächlich aktiv sei, könne offenbleiben. Entscheidend sei,
dass sie eine grosse Baustelle mit mehreren Angestellten, welche länger als
zwölf Monate im Kanton Wallis arbeiteten, betrieben. Es könne bei solchen
grossen Baustellen davon ausgegangen werden, dass der Arbeitgeber vor allem auf
Arbeitnehmende vor Ort zurückgreifen würde. Für diese wäre es nicht
verständlich, wenn sie nicht dem Recht ihres Arbeits- und Wohnkantons
unterstellt wären.

4.

4.1. Nach Art. 12 Abs. 2 FamZG unterstehen Zweigniederlassungen dem Kanton, in
dem sie sich befinden. Demgegenüber sieht Art. 117 Abs. 3 AHVV vor, dass
Zweigniederlassungen der Ausgleichskasse angeschlossen werden, welcher der
Hauptsitz angehört. Die unterschiedliche Konzeption der Systeme der AHV und bei
den Familienzulagen ist nicht zufällig (vgl. dazu SVR 2011 FZ Nr. 3 S. 11 E.
5.3, 8C_9/2011). Währenddem die Beiträge und Leistungen bei der AHV
bundesrechtlich abschliessend geregelt und daher im ganzen Land gleich sind,
können sie bei den Familienzulagen kantonal variieren. So können die Kantone in
ihren Familienzulagenordnungen höhere Mindestansätze für Kinder- und
Ausbildungszulagen sowie auch Geburts- und Adoptionszulagen vorsehen (Art. 3
Abs. 2 FamZG). Als Rahmengesetz lässt das FamZG den Kantonen einen grossen
Spielraum (vgl. etwa BGE 135 V 172 E. 6.2.4 S. 177 und E. 7.2.1 f. S. 181 sowie
SVR 2011 FZ Nr. 3 S. 11 E. 5.3, 8C_9/2011; vgl. auch Dorothea Riedi Hunold,
Familienleistungen, in: Steiger-Sackmann/Mosimann [Hrsg.], Recht der Sozialen
Sicherheit, 2014, Rz. 33.5 und Ueli Kieser, Strukturen von
Familienausgleichskassen, AJP 2013 S. 1174). Es ist daher nachvollziehbar, dass
Zweigniederlassungen einer anderen Kasse angeschlossen sind als der Hauptsitz
derselben Unternehmung. Demnach ist es durchaus möglich, dass solche
Unternehmen mit mehreren Kassen abzurechnen haben (vgl. dazu auch Kieser/
Reichmuth, Bundesgesetz über die Familienzulagen, Praxiskommentar, 2010, N. 42
zu Art. 13 FamZG oder Stefan Abrecht, Das BG über Familienzulagen aus der Sicht
der Verbandsausgleichskassen, Soziale Sicherheit 2008 S. 99).

4.2. Für den Begriff der Zweigniederlassung besteht keine Legaldefinition. Nach
der Rechtsprechung zu Art. 935 OR ist darunter ein kaufmännischer Betrieb zu
verstehen, der zwar rechtlich Teil einer Hauptunternehmung ist, von der er
abhängt, der aber in eigenen Räumlichkeiten dauernd eine gleichartige Tätigkeit
wie jene ausübt und dabei über eine gewisse wirtschaftliche und geschäftliche
Unabhängigkeit verfügt (BGE 117 II 85 E. 3 S. 87). Im Bereich der
Familienzulagen wird der Begriff durch Art. 9 FamZV umschrieben. Es fallen
darunter Einrichtungen und Betriebsstätten, in denen auf unbestimmte Zeit eine
gewerbliche, industrielle oder kaufmännische Tätigkeit ausgeübt wird.

4.3. Die Vorinstanz hat festgestellt, die Zweigniederlassung Y.________/VS der
Beschwerdeführerin sei im Handelsregister eingetragen. Bereits aus diesem Grund
habe diese für ihre Mitarbeitenden bei der CAFIB abzurechnen. Dem hält die
Beschwerdeführerin entgegen, sie betreibe in Y.________/VS keine eigentliche
Geschäftsstelle; es existiere einzig ein Telefonanschluss, alle Geschäfte
würden indessen über den Hauptsitz in X.________/BE abgewickelt.
Ob dies zutrifft, kann, wie sich aus den nachfolgenden Erwägungen ergibt,
dahingestellt bleiben. Immerhin bleibt anzumerken, dass es nicht
nachvollziehbar wäre, eine Zweigniederlassung ausserhalb des Kantons im
Handelsregister eintragen zu lassen, wenn dadurch keine geschäftlichen
Interessen verfolgt würden. Vielmehr soll doch - etwa durch einen
Telefonbucheintrag - zum Ausdruck gebracht werden, dass die Unternehmung in der
Region auf Dauer aktiv ist und ihre Leistungen anbieten will. Es wäre auch
nicht einzusehen, weshalb die Beschwerdeführerin, welche seit Jahren im Kanton
Wallis grössere Baustellen betreibt und mehrere Mitarbeiter beschäftigt, in
diesem Kanton keinerlei Geschäftsbeziehungen anstreben würde. Vielmehr dient
die Zweigniederlassung ihrem Auftritt in diesem Kanton und ist zumindest Teil
des Marketings.

4.4. Das FamZG hat, wie das BSV in seiner Vernehmlassung an die Vorinstanz
nachgewiesen hat, die Zweigniederlassungen ganz bewusst nicht der
Ausgleichskasse des Hauptsitzes angeschlossen. Aus der Entstehungsgeschichte
des FamZG ergibt sich, dass der Ständerat vorerst die Auffassung vertrat,
Arbeitgeber sollten der Familienzulagenordnung des Kantons unterstehen, in dem
sie für die AHV erfasst sind. Dies diene der Vereinfachung bei der Abrechnung.
Er schloss sich indessen letztlich der Fassung des Nationalrates an, wonach
Zweigniederlassungen der Zulagenordnung jenes Kantons unterstehen, in welchem
sie sich befinden. Die heutige Lösung entspricht der Regelung vor Inkrafttreten
des FamZG und vermeidet einerseits, dass Arbeitnehmer von Zweigniederlassungen
vor Ort ganz unterschiedlichen Regelungen unterliegen, je nachdem wo der
Hauptsitz der Unternehmung liegt, und andererseits wird den Kantonen der
Zweigniederlassungen kein Beitragssubstrat für einen allfälligen kantonalen
Lastenausgleich entzogen (vgl. zum Ganzen etwa Zusatzbericht vom 8. September
2004 der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates,
BBl 2004 6887, 6907 [Ziff. 3.2.3.1 Art. 12], AB 2005 S 718 f., AB 2005 N 1572
ff. und AB 2006 S 99 sowie Erläuterungen des BSV zur Verordnung über die
Familienzulagen vom 31. Oktober 2007, Art. 9 S. 8).
Entgegen den Ausführungen in der Beschwerde hat der Gesetzgeber somit aus
sachlichen Gründen darauf verzichtet, dass ein Arbeitgeber im Rahmen der
Familienzulagenordnung jedenfalls nur mit einer Kasse abrechnen muss; vielmehr
hat er dem von Arbeitgebern und Verbandsausgleichskassen gewünschten System des
"one-stop-shop" und der damit verbundenen vollständigen Übernahme des
AHV-Systems eine Absage erteilt, indem eine Anlehnung an das AHV-System
erwünscht, aber nicht zwingend erachtet wurde (vgl. dazu BGE 135 V 172 E. 7.2
S. 180; SVR 2009 FZ Nr. 3 S. 9 E. 7.2.4, 8C_881+909/2008, und Nr. 4 S. 13 E.
5.2.4, 8C_1054/2008, sowie einlässlich SVR 2011 FZ Nr. 3 S. 11 E. 5, 8C_9/2011;
vgl. auch Kieser/Reichmuth, a.a.O., N. 35 zu Art. 17 FamZG).

4.5. Art. 9 FamZV subsumiert unter Art. 12 Abs. 2 FamZG auch Betriebsstätten
und andere Einrichtungen. Nachdem keine Legaldefinition des Begriffs
Zweigniederlassung besteht und ein Regelungsbedarf unbestreitbar gegeben ist,
war der Bundesrat ohne Weiteres befugt, den Begriff näher zu umschreiben. Dass
er dabei eine gewerbliche, industrielle oder kaufmännische Tätigkeit auf
unbestimmte Dauer in einer entsprechenden Einrichtung voraussetzt, ist
nachvollziehbar. Die Begriffsumschreibung ist vergleichbar mit derjenigen im
Steuerrecht, hält doch Art. 4 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990
über die direkten Bundessteuern (DBG; SR 642.11) fest: "... Betriebsstätten
sind insbesondere Zweigniederlassungen, Fabrikationsstätten, Werkstätten,
Verkaufsstellen, ständige Vertretungen, Bergwerke und andere Stätten der
Ausbeutung von Bodenschätzen sowie Bau- oder Montagestellen von mindestens
zwölf Monaten Dauer."

4.6. Nach Art. 9 FamZV ist eine Tätigkeit "auf unbestimmte Dauer"
vorausgesetzt. Die Beschwerdeführerin wendet dagegen ein, Baustellen seien nie
auf unbestimmte Dauer angelegt, vielmehr sei diese Dauer zum vornherein bis zum
Abschluss der Arbeiten beschränkt. Die Formulierung "auf unbestimmte Dauer" ist
allerdings prospektiv zu verstehen. So ist gerade bei grösseren Baustellen zu
Beginn der Arbeiten der genaue Abgabetermin noch nicht bekannt, weil sich
unvorhersehbare Verzögerungen ergeben können. Nur bei überblickbaren
Bauprojekten sind solche weitgehend auszuschliessen. Mit dem Zusatz
"unbestimmte Dauer" ist daher eine längere Dauer gemeint (ebenso Kieser/
Reichmuth, a.a.O., N. 34 zu Art. 12 FamZG). Es erscheint daher sachgerecht,
wenn Rz. 502 FamZWL - analog zu Art. 4 Abs. 2 DBG - eine Dauer von mindestens
zwölf Monaten als "unbestimmte Dauer" im Sinne von Art. 9 FamZV bezeichnet.
Diese Konkretisierung entspricht durchaus den Bedürfnissen der Praxis, welche
sich auf klare Abgrenzungskriterien abstützen will.

4.7. Die Abgrenzung ist auch in der Sache gerechtfertigt. Währenddem man bei
vorübergehenden Arbeiten ausserhalb des Sitzkantons davon ausgehen kann, dass
die meisten Mitarbeitenden vom Sitzkanton aus anreisen und keine zusätzlichen
Mitarbeitenden vor Ort angestellt werden, ist dies bei grösseren Baustellen
nicht der Fall. Vielmehr werden in diesem Fall zusätzliche Kräfte vor Ort
rekrutiert und es ist auch denkbar, dass Mitarbeitende ihren Wohnsitz verlegen,
weil sie auf Dauer nicht mehr im Sitzkanton tätig sein können. Unter diesen
Voraussetzungen ist erwünscht, dass sie der Zulagenregelung vor Ort unterstellt
werden. Der Wortlaut (E. 2) und die Entstehungsgeschichte (E. 4.4) der Reglung
lassen eine solche Lösung als naheliegend erscheinen. Damit wird in Kauf
genommen, dass grössere Unternehmungen allenfalls mit mehreren Kassen
abzurechnen haben. Priorität geniesst nach dem Willen des Gesetzgebers nicht
die Einfachheit der Abrechnung, sondern die rechtsgleiche Behandlung der
Arbeitnehmenden vor Ort (vgl. dazu den Zusatzbericht vom 8. September 2004 der
Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates, BBl 2004
6887, 6907 [Ziff. 3.2.3.1 Art. 12], AB 2006 S 99 oder Erläuterungen des BSV zur
Verordnung über die Familienzulagen vom 31. Oktober 2007, Art. 9 S. 8).

4.8. Die Unterstellung gilt denn auch, wie das BSV in seiner Stellungnahme
ausführt, nicht für alle Mitarbeitenden. Vielmehr gelten Mitarbeitende, welche
nur für kurze Dauer auf den Baustellen im Wallis arbeiten, wie etwa Monteure
oder Spezialisten, als am Hauptsitz beschäftigt, wenn sie von dort aus tätig
sind oder vom Hauptsitz Waren, Material und Arbeitsaufträge beziehen. Diese
Praxis entspricht der ratio legis und der analogen Regelung für
Selbstständigerwerbende (vgl. Rz. 502 FamZWL).

4.9. Zusammenfassend ergibt sich, dass Art. 12 FamZG die Zweigniederlassungen
nicht derselben Kasse unterstellt wie den Hauptsitz. Dies entspricht dem
ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers. Das System unterscheidet sich von der
Beitragsordnung der AHV, weil die Kantone unterschiedliche Leistungen vorsehen
können und es angezeigt erscheint, dass die Arbeitnehmer einer Region die
gleichen Ansprüche haben. Folgerichtig definiert daher Art. 9 FamZV die
Zweigniederlassung als Einrichtung oder Betriebsstätte von längerer, d.h.
mindestens zwölfmonatiger Dauer (vgl. Rz. 502 FamZWL). Sowohl die Verordnung
als auch die Weisung entsprechen dem Sinn des Gesetzes und sind daher
bundesrechtskonform.

5. 
Wie die Vorinstanz festgestellt hat, betreibt die Beschwerdeführerin seit
mehreren Jahren Baustellen im Kanton Wallis. Dadurch führt sie in diesem Kanton
eine Zweigniederlassung im Sinne von Art. 12 Abs. 2 FamZG. Die CAFIB hat daher
zu Recht die Unterstellung unter ihre Kasse verlangt. Die Beschwerde ist
abzuweisen.

6. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig
(Art. 66 Abs. 1 BGG). Die CAFIB hat keinen Anspruch auf eine
Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 3 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Wallis, der Ausgleichskasse
des Kantons Bern und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich
mitgeteilt.

Luzern, 4. Mai 2015
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Die Gerichtsschreiberin: Riedi Hunold

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