Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.735/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_735/2014

Urteil vom 3. März 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiberin Polla.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Öffentliche Arbeitslosenkasse Basel-Stadt, Hochstrasse 37, 4053 Basel,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Arbeitslosenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Basel-Stadt vom 15. September 2014.

Sachverhalt:

A. 
Der 1975 geborene A.________ bezog vom 1. April 2011 bis 31. Januar 2012
Taggelder der Arbeitslosenversicherung. Mit Verfügung vom 25. Oktober 2013
forderte die Öffentliche Arbeitslosenkasse Basel-Stadt zu viel bezogene
Taggeldleistungen im Betrag von Fr. 10'988.40 zurück, da eine Überprüfung des
Dossiers im Hinblick auf Schwarzarbeit ergeben habe, dass er
Zwischenverdienste, die er im Monat April 2011 bei der B.________ AG und in der
Zeit vom 24. Oktober 2011 bis 27. Januar 2012 bei der C.________ AG erzielte,
nicht angegeben habe. Mit Einspracheentscheid vom 16. Januar 2014 hiess die
Arbeitslosenkasse die dagegen geführten Einsprachen teilweise gut und
reduzierte den Rückforderungsbetrag auf Fr. 8'992.75.

B. 
Die dagegen geführte Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons
Basel-Stadt mit Entscheid vom 15. September 2014 ab.

C. 
A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit den
sinngemässen Rechtsbegehren, es sei das bei der B.________ AG erzielte
Einkommen nicht als Zwischenverdienst anzurechnen. Es sei der gesamte
Rückforderungsanspruch wegen Verjährung zu verneinen. Überdies sei ihm eine
Genugtuung geschuldet.
Während das Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Basel-Stadt Abweisung der
Beschwerde beantragt, hat das Staatssekretariat für Wirtschaft auf eine
Vernehmlassung verzichtet.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann
wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt
hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes
wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder
auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2
BGG).

2. 
Nach Art. 95 Abs. 1 AVIG in Verbindung mit Art. 25 Abs. 1 ATSG sind
unrechtmässig bezogene Leistungen zurückzuerstatten. Zu Unrecht bezogene
Geldleistungen, die auf einer formell rechtskräftigen Verfügung beruhen,
können, unabhängig davon, ob die zur Rückforderung Anlass gebenden Leistungen
förmlich oder formlos verfügt worden sind, nur zurückgefordert werden, wenn
entweder die für die Wiedererwägung (wegen zweifelloser Unrichtigkeit und
erheblicher Bedeutung der Berichtigung) oder die für die prozessuale Revision
(wegen vorbestandener neuer Tatsachen oder Beweismittel) bestehenden
Voraussetzungen erfüllt sind (BGE 130 V 318 E. 5.2 in fine S. 320; 129 V 110 E.
1.1).
Gemäss Art. 25 Abs. 2 ATSG verjährt der Rückforderungsanspruch innert eines
Jahres, nachdem die Versicherungseinrichtung davon Kenntnis erhalten hat,
spätestens aber fünf Jahre nach der Auszahlung der Leistung. Es handelt sich um
Verwirkungsfristen (vgl. auch die im Rahmen des ATSG anwendbare Rechtsprechung:
BGE 124 V 380 E. 1 S. 382; SVR 1997 ALV Nr. 84 S. 255 E. 2c/aa).

3. 
Streitig und zu prüfen ist, ob und allenfalls in welchem Umfang der Versicherte
für die in den Monaten April 2011 bis Januar 2012 bezogene
Arbeitslosenentschädigung rückerstattungspflichtig ist.

3.1.

3.1.1. Die Vorinstanz stellte fest, der Beschwerdeführer sei für die B.________
AG vom 1. Februar 2011 bis 30. April 2011 tätig gewesen (Lohnausweis vom 13.
Januar 2012). Das Arbeitsverhältnis mit der C.________ AG habe vom 24. Oktober
2011 bis 27. Januar 2012 gedauert. Der Versicherte habe unstrittig in der
Zeitspanne von April 2011 bis Januar 2012 nebst ungekürzter
Arbeitslosenentschädigung auch Zahlungen dieser Arbeitgeber erhalten. In den
Formularen "Angaben der versicherten Person" für die Monate April, November und
Dezember 2011 sowie Januar 2012 habe er jeweils die Frage, ob er arbeitstätig
gewesen sei, verneint. Das Gericht gelangte zum Schluss, der Beschwerdeführer
hätte trotz der behaupteten Abmachung mit der C.________ AG, dass diese die
Belege über die erzielten Zwischenverdienste direkt der Arbeitslosenkasse
einreiche, die Zwischenverdienste auf den erwähnten Formularen angeben müssen,
was er zu Unrecht unterlassen habe. Die Behauptung, er habe für die B.________
AG lediglich im Monat März 2011 als Proband ein Medikament getestet, weshalb
seine Teilnahme an dieser Studie bereits vor Beginn der Arbeitslosigkeit
beendet gewesen sei, sei nicht belegt worden, weshalb die Arbeitslosenkasse in
nicht zu beanstandender Weise einen Viertel des ausgewiesenen Einkommens als im
Monat April 2011 erzielt angesehen und als Zwischenverdienst abgerechnet habe.

3.1.2. Zum Einwand der Forderungsverjährung führte das kantonale Gericht sodann
aus, am 27. Juni 2013 habe das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) in
Beachtung des Bundesgesetzes über Massnahmen zur Bekämpfung der Schwarzarbeit
vom 17. Juni 2005 (Bundesgesetz gegen die Schwarzarbeit, BGSA; SR 822.41) eine
Überschneidung der Arbeitslosenentschädigung mit AHV-Beitragszeiten des
Bundesamtes für Sozialversicherungen gemeldet. Die unrechtmässige
Leistungsausrichtung sei durch ein Fehlverhalten des Versicherten ausgelöst
worden und die Kasse habe in Berücksichtigung der Rechtsprechung, wonach für
die Auslösung der Verwirkungsfrist nicht die tatsächliche, sondern die
zumutbare Kenntnis des zur Rückforderung Anlass gebenden Sachverhalts und
diesbezüglich nicht der ursprüngliche Irrtum, sondern erst ein "zweiter Anlass"
massgebend sei, die Rückerstattungsvoraussetzungen nicht vor dem Datum der
Meldung des SECO vom 27. Juni 2013 erkennen müssen.

3.2.

3.2.1. Der Beschwerdeführer hält zunächst daran fest, dass der
Rückforderungsanspruch verwirkt sei, da die Arbeitslosenkasse durch ein
durchzuführendes, internes Controlling bereits in den Jahren 2011 und 2012 von
einer Fehlzahlung hätte Kenntnis haben sollen.
Der Zweck der Auskunfts- und Meldepflicht besteht darin, der Gefahr
missbräuchlicher Inanspruchnahme von Arbeitslosenentschädigung vorzubeugen (ARV
1993/1994 Nr. 3 S. 22 E. 3d, C 50/9). Die Arbeitslosenkasse muss beurteilen
können, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang einer versicherten Person
Leistungen zustehen, weshalb eine Pflicht zur ordnungsgemässen Deklaration
anspruchsrelevanter Tatsachen bei der hierfür zuständigen Arbeitslosenkasse
besteht (ARV 2007 S. 210, C 288/06 E. 3.2). Entgegen dem beschwerdeführerischen
Vorbringen durfte sich die Arbeitslosenkasse ohne eigene weitergehende
Abklärungen, da hierzu kein Anlass bestand, auf seine Angaben zu den
Zwischenverdiensten in den genannten Formularen verlassen, zumal die Pflicht
zum wahren und vollständigen Ausfüllen (mit Hinweis auf administrative und/oder
strafrechtliche Sanktionen) unmissverständlich aus diesen hervorgeht. Die
Vorinstanz hat damit zu Recht die Meldung des SECO vom 27. Juni 2013 als
auslösendes Moment hinsichtlich der einjährigen Verwirkungsfrist der
Rückforderung angenommen (BGE 124 V 380 E. 1 S. 383; 122 V 270 E. 5b/aa S. 275;
110 V 304 E. 2b in fine S. 306).

3.2.2. Ebenfalls nicht durchzudringen vermag der Beschwerdeführer mit dem
wiederholten Einwand, dem Entstehungsprinzip folgend habe er im Monat April
2011 keinen Zwischenverdienst erzielt, da er einzig vor Beginn der
Arbeitslosigkeit, vorinstanzlich behauptete er im Monat März 2011,
letztinstanzlich in den Monaten Februar und März 2011, ein Versuchsmedikament
zu Forschungszwecken für die Firma B.________ AG eingenommen habe. Lediglich
das vereinbarte Honorar sei im Monat April 2011, nach Analyse der Blutwerte,
überwiesen worden, weshalb er dannzumal für diese Firma gar nicht mehr tätig
gewesen sei. Die Arbeitslosenkasse mache es sich zu Nutzen, dass keine
Detaildaten zur Studie mehr beschafft werden könnten, was nicht angehe.
Richtig ist zwar, dass die Tätigkeit Ende desjenigen Monats als
Zwischenverdienst anzugeben ist, in dem sie ausgeübt wird (ARV 2006 S. 69, C
158/05 E. 2.2; BGE 122 V 367 E. 5b S. 369). Seine Behauptung, im Monat April
2011 für die Firma nicht mehr tätig gewesen zu sein, wird indessen durch nichts
belegt. Der Sozialversicherungsprozess ist zwar vom Untersuchungsgrundsatz
beherrscht, wonach die Verwaltung als verfügende Instanz und - im
Beschwerdefall - das Gericht von Amtes wegen für die richtige und vollständige
Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes zu sorgen haben. Dieser
Grundsatz gilt aber nicht uneingeschränkt; er findet sein Korrelat in den
Mitwirkungspflichten der Parteien (BGE 125 V 193 E. 2 S. 195; 122 V 157 E. 1a
S. 158, je mit Hinweisen), die diejenigen Beweismittel, die sie in Händen haben
oder die sie sich allenfalls bei Dritten besorgen können, beizubringen haben.
Eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes wird zu Recht nicht geltend
gemacht. Die von der Kasse hierzu getätigten Nachforschungen waren insoweit
erfolglos, als die Firma in der Schweiz nicht mehr existiert und die
gewünschten Daten offensichtlich nicht erhältlich gemacht werden konnten, wie
in der Beschwerde ausgeführt wird. Aus einem E-Mail-Kontakt vom 8. Januar 2014
des Versicherten mit dem ehemaligen Geschäftsführer der Gesellschaft ergibt
sich jedoch, dass die genauen Daten des Einsatzes als Proband aus der ihm
ausgehändigten Kopie der Probandeninformation ersichtlich wären, welche er
indessen nicht beibrachte. Der Versicherte hat es somit selbst zu vertreten,
dass er den behaupteten Umstand nicht beweisen kann. Damit ist von
Beweislosigkeit auszugehen, die sich zu seinen Ungunsten auswirkt (BGE 138 V
218 E. 6 S. 221 f.). In beweisrechtlicher Hinsicht lässt sich nach dem Gesagten
nicht beanstanden, wenn es die Vorinstanz als überwiegend wahrscheinlich
erachtete, dass der Beschwerdeführer über die gesamte im Lohnausweis vom 13.
Januar 2012 ausgewiesene Dauer von Februar bis April 2011 für die B.________ AG
im Einsatz stand, weshalb sie zu Recht den auf den Monat April 2011 fallenden
Lohnsummenanteil von Fr. 1'534.35 als Zwischenverdienst anrechnete.

3.2.3. Ferner stellt sich der Versicherte letztinstanzlich erstmals auf den
Standpunkt, die Tätigkeit bei der B.________ AG stelle hinsichtlich des
Taggeldanspruchs einen nicht zu berücksichtigenden Nebenverdienst gemäss Art.
23 Abs. 3 AVIG dar, wobei er nicht näher ausführt, inwiefern er diese Tätigkeit
ausserhalb seiner normalen Arbeitszeit als Angestellter bei der D.________ AG
ausübte, zumal er seit März 2011 von seiner Arbeit freigestellt war. Dieses
neue rechtliche Vorbringen ist letztinstanzlich unzulässig, da sich die für
eine entsprechende Rechtsanwendung notwendigen tatsächlichen Feststellungen
hinsichtlich Einsatz und Arbeitszeit von Haupt- und Nebenverdienst nicht dem
angefochtenen Entscheid entnehmen lassen und er sich nicht auf aktenkundige
Tatsachen berufen kann (Art. 99 Abs. 1 BGG e contrario).

4. 
Der Beschwerdeführer beantragt schliesslich, es sei ihm Genugtuung
zuzusprechen. Dieses Begehren liegt ausserhalb des hier massgebenden
Verfahrensgegenstandes (vgl. BGE 134 V 418 E. 5.2.1 S. 426; 131 V 164 E. 2.1 S.
164; 125 V 413 E. 1a S. 414), weshalb darauf nicht einzutreten ist. Damit hat
es beim vorinstanzlichen Entscheid sein Bewenden.

5. 
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten dem unterliegenden
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Basel-Stadt und dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) schriftlich
mitgeteilt.

Luzern, 3. März 2015

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Ursprung

Die Gerichtsschreiberin: Polla

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