Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.713/2014
Zurück zum Index I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2014
Retour à l'indice I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2014


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_713/2014

Urteil vom 4. Mai 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Ursprung, Maillard,
Gerichtsschreiberin Hofer.

Verfahrensbeteiligte
A.________, vertreten durch
Advokat Nicolai Fullin,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle für Versicherte im Ausland IVSTA, Avenue Edmond-Vaucher 18, 1203
Genf,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente),

Beschwerde gegen den Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. August
2014.

Sachverhalt:

A. 
Die am 27. April 1959 geborene, indische Staatsangehörige A.________ war
zuletzt bei der B.________ AG teilzeitlich als Haushalthilfe/Raumpflegerin
angestellt. Seit Ende März 2009 übt sie aus gesundheitlichen Gründen keine
Erwerbstätigkeit mehr aus. A.________ ist seit Februar 2002 mit einem im
Ausland wohnhaften Schweizer verheiratet. Am 12. Februar 2010 meldete sie sich
bei der schweizerischen Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Nach
Abklärung der gesundheitlichen und beruflich-erwerblichen Verhältnisse sowie
Vornahme einer Haushaltsabklärung in der Wohnung in Deutschland stellte die
IV-Stelle Basel-Stadt vorbescheidweise die Ausrichtung einer halben Rente mit
Wirkung ab 1. August 2010 in Aussicht. A.________ erhob dagegen Einwendungen,
worauf die IV-Organe eine erneute Überprüfung vornahmen. Sie gelangten gestützt
darauf zum Ergebnis, dass mangels Wohnsitzes in der Schweiz die gesetzlichen
Voraussetzungen für die Ausrichtung der Invalidenrente nicht erfüllt seien. Mit
Verfügung der IV-Stelle für Versicherte im Ausland vom 28. Juni 2012 wurde die
Ablehnung des Leistungsbegehrens bestätigt.

B. 
Die von A.________ dagegen erhobene Beschwerde wies das
Bundesverwaltungsgericht mit Entscheid vom 25. August 2014 ab.

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________
beantragen, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei ihr eine
Invalidenrente auszurichten. Eventualiter sei die Sache zur Durchführung
ergänzender Abklärungen und neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Zudem wird um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ersucht.

IV-Stelle und Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) schliessen auf Abweisung
der Beschwerde. Das Bundesverwaltungsgericht verzichtet auf eine
Vernehmlassung. A.________ hat am 16. Februar 2015 nochmals Stellung genommen.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht prüft
nach Art. 106 Abs. 1 BGG frei, ob der angefochtene Entscheid Bundesrecht
verletzt, einschliesslich der von der Schweiz abgeschlossenen internationalen
Verträge (Urteil 9C_728/2011 vom 26. April 2012 E. 1 mit Hinweisen, nicht publ.
in: BGE 138 V 258). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend
gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann
eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es
kann eine Beschwerde mit einer von der Argumentation der Vorinstanz
abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter
Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42
Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die
rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind. Es ist jedenfalls nicht
gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen
Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen
werden (Urteil 8C_934/2008 vom 17. März 2009 E. 1 mit Hinweisen, nicht publ.
in: BGE 135 V 194, aber in: SVR 2009 UV Nr. 35 S. 120).

1.2. Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens
entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem
Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105
Abs. 1 BGG), und es kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

1.3. Im Verfahren vor Bundesgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nur
soweit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass
gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel im Sinne dieser
Bestimmung sind Tatsachen, die weder im vorinstanzlichen Verfahren vorgebracht
noch von der Vorinstanz festgestellt worden sind. Eine Tatsache, die sich aus
den vorinstanzlichen Akten ergibt, ist nicht neu (BGE 136 V 362 E. 3.3.1 S.
364). Neue rechtliche Begründungen sind im Rahmen des Streitgegenstandes
zulässig (Art. 95 lit. a und Art. 106 Abs. 1 BGG), werden jedoch grundsätzlich
an die Voraussetzung geknüpft, dass sie sich auf einen im angefochtenen
Entscheid festgestellten Sachverhalt stützen (Art. 105 Abs. 1 BGG). Das
Bundesgericht kann aber als Ausnahme von der Bindung an den vorinstanzlich
festgestellten Sachverhalt auch selber eine Sachverhaltsfeststellung ergänzen
(Art. 105 Abs. 2 BGG), wenn die Vorinstanz einen Sachverhalt mangels Relevanz
gar nicht zu beurteilen hatte, dieser aber infolge einer anderen rechtlichen
Betrachtung des Bundesgerichts rechtserheblich wird. Unzulässig ist dies nur,
wenn dazu neue Tatsachen im Sinne von Art. 99 Abs. 1 BGG festgestellt werden
müssten (BGE 136 V 362 E. 4.1 S. 366 mit Hinweisen).

2. 
Die Beschwerdeführerin besitzt gemäss den Feststellungen der Vorinstanz die
indische Staatsangehörigkeit. Streitig ist, ob sie Anspruch auf Auszahlung
einer Invalidenrente hat.

2.1. Gemäss Art. 6 Abs. 2 IVG (in der seit 31. Dezember 2003 gültigen Fassung)
sind ausländische Staatsangehörige, vorbehältlich Art. 9 Abs. 3 IVG, nur
anspruchsberechtigt, solange sie ihren Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in
der Schweiz haben und sofern sie bei Eintritt der Invalidität während
mindestens eines vollen Jahres Beiträge geleistet oder sich ununterbrochen
während zehn Jahren in der Schweiz aufgehalten haben. Für im Ausland wohnhafte
Angehörige dieser Personen werden keine Leistungen gewährt.

2.2. Vorbehalten bleiben Sonderregelungen, welche dieser Gesetzesbestimmung
vorgehen. Dazu gehören die Sozialversicherungsabkommen. Die Schweiz hat am 3.
September 2009 mit Indien das Abkommen zwischen der Schweizerischen
Eidgenossenschaft und der Republik Indien über soziale Sicherheit
abgeschlossen, welches am 29. Januar 2011 in Kraft getreten ist (SR
0.831.109.423.1). Dabei handelt es sich um ein Entsendeabkommen ( MEYER/
REICHMUTH, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung [IVG], 3. Aufl. 2014,
Nr. 19 zu Art. 6 IVG). Wie die Vorinstanz zutreffend festhält, sieht dieses die
Rückerstattung von geleisteten Beiträgen an die schweizerische AHV/IV vor, wenn
indische Staatsangehörige die Schweiz verlassen (Art. 4 Ziff. 1 des Abkommens).
Die Auslandzahlung von Rentenansprüchen erfolgt einzig in Bezug auf Indien
(Art. 4 Ziff. 2 des Abkommens). Ein Export von schweizerischen Rentenleistungen
an indische Staatsangehörige war vom Gesetzgeber ausdrücklich nicht
beabsichtigt (Botschaft vom 28. Oktober 2009 über die Genehmigung des Abkommens
zwischen der Schweiz und Indien über soziale Sicherheit, BBl 2009-1946 7628,
7636 Ziff. 4.1; AB 2010 N 1295) und ist im Abkommen daher auch nicht
vorgesehen. Gestützt auf dieses Abkommen besteht somit kein Anspruch auf
Auslandzahlung der schweizerischen Rentenleistungen an die Beschwerdeführerin.

2.3.

2.3.1. Weiter vorbehalten bleiben gemäss Art. 80a Abs. 1 lit. a IVG das auf den
1. Juni 2002 in Kraft getretene Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der
Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft
und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (FZA; SR
0.142.112.681) und die darin anwendbar erklärte Verordnung (EG) Nr. 883/2004
des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung
der Systeme der sozialen Sicherheit (SR 0.831.109.268.1; nachfolgend:
Verordnung 883/2004) und die Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten
für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung
der Systeme der sozialen Sicherheit (SR 0.831.109.268.11).

Die beiden genannten gemeinschaftsrechtlichen Verordnungen sind für die Schweiz
durch den Beschluss Nr. 1/2012 des Gemischten Ausschusses vom 31. März 2012 zur
Ersetzung des Anhangs II FZA über die Koordinierung der Systeme der sozialen
Sicherheit per 1. April 2012 in Kraft getreten (AS 2012 2345; vgl. auch BGE 138
V 533 E. 2.1 S. 535).

Bis Ende März 2012 galten die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14.
Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer
und Selbstständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der
Gemeinschaft zu- und abwandern (nachfolgend: Verordnung 1408/71) und die
Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung
der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen
Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familienangehörige,
die innerhalb der Gemeinschaft zu und abwandern (zum intertemporalrechtlichen
Aspekt: BGE 139 V 297 E. 2.1 S. 300; 130 V 445 E. 1.2.1 S. 447).

2.3.2. Das FZA und die Verordnungen 1408/71 und 883/2004 derogieren, soweit
persönlich und sachlich anwendbar, Art. 6 Abs. 2 IVG, wenn die darin
stipulierten speziellen versicherungsmässigen Voraussetzungen Angehörige der
Mitgliedstaaten der EU ungleich behandeln oder direkt oder indirekt
diskriminieren ( MEYER/REICHMUTH, a.a.O., N. 16 ff. zu Art. 6 IVG; HANSJÖRG
SEILER, Einfluss des europäischen Rechts und der europäischen Rechtsprechung
auf die schweizerische Rechtspflege, ZBJV 150/2014 S. 293; BGE 133 V 320; 130 V
57; Urteil 9C_277/2007 vom 12. Februar 2008 E. 4).

2.3.3. Das Abkommen und insbesondere die Verordnung 1408/71 gilt in
persönlicher Hinsicht für Arbeitnehmer und Selbstständige sowie für
Studierende, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer
Mitgliedstaaten gelten oder galten, soweit sie Staatsangehörige eines
Mitgliedstaates sind oder als Staatenlose oder Flüchtlinge im Gebiet eines
Mitgliedstaates wohnen, sowie für deren Familienangehörige und Hinterbliebene
(Art. 2 Ziff. 1 Verordnung 1408/71). Personen, die im Gebiet eines
Mitgliedstaates wohnen und für die diese Verordnung gilt, haben die gleichen
Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates wie
die Staatsangehörigen dieses Staates, soweit besondere Bestimmungen dieser
Verordnung nichts anderes vorsehen (Art. 3 Abs. 1 Verordnung 1408/71; BGE 138 V
186 E. 3.3 S. 191). Die Verordnung 883/2004 ihrerseits gilt für
Staatsangehörige eines Mitgliedstaates, Staatenlose und Flüchtlinge mit Wohnort
in einem Mitgliedstaat, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer
Mitgliedstaaten gelten oder galten, sowie für ihre Familienangehörigen und
Hinterbliebenen (Art. 2 Abs. 1 Verordnung 883/2004). Sofern in dieser
Verordnung nichts anderes bestimmt ist, haben Personen, für die diese
Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der
Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates wie die Staatsangehörigen dieses
Staates (Art. 4 Verordnung 883/2004).

2.3.4. Für die Schweiz im Rahmen des FZA unerheblich ist die Verordnung (EG)
Nr. 859/2003 des Rates vom 14. Mai 2003 zur Ausdehnung der Bestimmungen der
Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 und der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 auf
Drittstaatsangehörige (ABl. L 124 vom 20. Mai 2003 S. 1-3; vgl. dazu BGE 136 V
244 E. 6.4 S. 251; SVR 2011 BVG Nr. 12 S. 44, 9C_693/2009 E. 1). Dasselbe gilt
bezüglich der Verordnung (EU) Nr. 1231/2010 des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 24. November 2010 zur Ausdehnung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 und
der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 auf Drittstaatsangehörige (ABl. L 344 vom 29.
Dezember 2010, S. 1-3).

2.3.5. Die Vorinstanz hat erwogen, als Angehörige eines Drittstaates falle die
Beschwerdeführerin nicht in den persönlichen Geltungsbereich des FZA und der
Verordnungen, auf welche das Abkommen verweist.

2.3.6. Die Beschwerdeführerin rügt die Schlussfolgerung, wonach das FZA und die
Verordnungen, auf welche darin verwiesen wird und damit insbesondere das darin
statuierte Diskriminierungsverbot, auf sie nicht anwendbar seien, als
völkerrechtswidrig. Zur Begründung führt sie unter Hinweis auf BGE 139 V 393
aus, das Diskriminierungsverbot bringe es mit sich, dass Familienangehörige
sich auf die Gesetzgebung desjenigen Staates berufen könnten, in welchem der
andere Ehegatte erwerbstätig sei. Ihr Ehemann sei schweizerischer Staatsbürger
und in Deutschland als selbstständiger Musiker tätig. In ihrer Eigenschaft als
Familienangehörige könne sie sich daher auf das FZA berufen, um abgeleitete
Rechte zu beanspruchen, unabhängig davon, ob sie selber auch Staatsangehörige
eines Mitgliedstaates sei.

Damit stützt sich die Beschwerdeführerin auf Umstände, die den tatsächlichen
Feststellungen des angefochtenen Entscheids nicht zu entnehmen sind, ohne mit
Aktenhinweisen darzulegen, wo sie im kantonalen Verfahren prozesskonform
entsprechende Behauptungen aufgestellt und Beweismittel angeboten hat.
Insbesondere fehlen Feststellungen dazu, ob der Ehemann als Auslandschweizer
dem Sozialversicherungsrecht der Schweiz oder eines EU-Mitgliedstaates
obligatorisch oder freiwillig unterstellt ist oder war. In tatsächlicher
Hinsicht nicht erstellt ist, ob dieser überhaupt in einem Mitgliedstaat lebt
und dort einer Erwerbstätigkeit nachgeht, wie von der Beschwerdeführerin
behauptet wird. Eine diesbezügliche Ergänzung des Sachverhalts im vorliegenden
Verfahren scheidet somit aus (Art. 99 Abs. 1 BGG; BGE 134 III 643 E. 5.3.2 S.
651; 130 III 28 E. 4.4 S. 34; 129 III 135 E. 2.3.1 S. 143; vgl. auch E. 1.3
hievor). Ob die Beschwerdeführerin aus dem FZA und seinen Anhängen Rechte
abzuleiten vermag, kann daher nicht abschliessend beurteilt werden.

3.

3.1. Nach den Feststellungen der Vorinstanz erfüllt die Beschwerdeführerin die
beitragsmässigen Voraussetzungen gemäss Art. 6 Abs. 2 IVG für eine
schweizerische Invalidenrente. Streitig ist hingegen, ob auch die weiteren in
dieser Bestimmung aufgestellten Erfordernisse des Wohnsitzes und des
gewöhnlichen Aufenthaltes in der Schweiz während des Leistungsbezugs erfüllt
sind. Zu prüfen ist daher, ob die Beschwerdeführerin in der Zeit ab 1. August
2010 (Beginn des Rentenanspruchs; Art. 29 Abs. 1 IVG in der ab 1. Januar 2008
geltenden Fassung) bis zum Erlass der streitigen Verfügung vom 28. Juni 2012 in
der Schweiz gewohnt und sich dort aufgehalten hat.

3.2. Gemäss Art. 23 Abs. 1 ZGB (in Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 ATSG [SR
830.1]) befindet sich der massgebende zivilrechtliche Wohnsitz einer Person an
dem Orte, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält.
Entscheidend ist der Ort, den sie zum Mittelpunkt ihrer Lebensführung gemacht
hat. Abzustellen ist daher auf ein objektives, äusseres Merkmal (den
Aufenthalt) und zudem auf ein subjektives, inneres Moment (die Absicht
dauernden Verbleibens). Der Mittelpunkt ist regelmässig dort zu suchen, wo die
familiären Interessen und Bindungen am stärksten lokalisiert sind. Entscheidend
ist nicht der innere Wille der betreffenden Person, sondern worauf die
erkennbaren Umstände schliessen lassen, ist doch nicht nur für die Person
selbst, sondern vor allem auch für Drittpersonen und Behörden von Bedeutung, wo
sich deren Wohnsitz befindet (BGE 138 V 23 E. 3.1.1 S. 24; 136 II 405 E. 4.3 S.
409 f.; 133 V 309 E. 3.1 S. 312). Es ist daher auf Kriterien abzustellen, die
für Dritte erkennbar sind. Bei verheirateten Personen bestimmt sich der
Wohnsitz gesondert für jeden Ehegatten gemäss Art. 23 ff. ZGB, wobei sich der
Lebensmittelpunkt beider Ehegatten üblicherweise am Ort der ehelichen Wohnung
befindet (BGE 121 I 14; 115 II 121). Feststellungen zu Umständen, die auf eine
bestimmte Absicht der betreffenden Person schliessen lassen und zu denen etwa
deren Verhalten gehört, sind tatsächlicher Natur. Diesbezügliche Feststellungen
der Vorinstanz binden das Bundesgericht grundsätzlich (Art. 97 Abs. 1 und Art.
105 Abs. 1 und 2 BGG). Ob aus den festgestellten Gegebenheiten objektiv die
Absicht dauernden Verbleibens im Sinne von Art. 23 Abs. 1 ZGB hervorgeht, ist
dagegen eine vom Bundesgericht frei überprüfbare Frage rechtlicher Natur (Art.
95 und Art. 106 Abs. 1 BGG; BGE 120 III 7 E. 2a S. 8).

3.3. Die Vorinstanz führt aus, die Beschwerdeführerin gebe an, in den Jahren
2003 bis 2008 bei ihrem Ehegatten in Deutschland gewohnt zu haben, wo sie
unentgeltlich die Wohnung ihrer Schwiegermutter benutzen konnten. Daraus
schloss das kantonale Gericht, der eheliche Lebensmittelpunkt habe sich stets
in Deutschland befunden. Entsprechend sei die Haushaltsabklärung der IV-Stelle
vor Ort in der gemeinsamen ehelichen Wohnung in Deutschland durchgeführt
worden. In den vorliegenden Akten seien keine Hinweise zu sehen, dass die
Beschwerdeführerin den Willen, die eheliche Wohnung zu verlassen, um einen
neuen Wohnsitz zu begründen, deutlich manifestiert hätte. Insbesondere mache
sie keine Zerrüttung ihrer Ehe geltend. Die von der Beschwerdeführerin
geschaffenen Fakten sprechen laut Vorinstanz nicht für die Annahme eines
Wohnsitzes in der Schweiz. So habe diese in der Anmeldung zum Bezug von
Leistungen der Invalidenversicherung vom 12. Februar 2010 Deutschland als
gesetzlichen Wohnsitz und die Schweiz als aktuellen Aufenthaltsort angegeben.
Laut fremdenpolizeilicher Anmeldung vom 19. Juni 2009 sei zwar ein Zuzug von
Deutschland verzeichnet worden, doch habe die Gemeinde C.________ in der
Schweiz am 31. Juli 2012 bestätigt, dass die Beschwerdeführerin bei ihr seit
März 2009 stets als Wochenaufenthalterin gemeldet gewesen sei. Weiter würden
auch die Wohnverhältnisse auf einen Wohnsitz in Deutschland hinweisen. In
Deutschland könne die Beschwerdeführerin zusammen mit ihrem Ehemann die
3.5-Zimmer-Wohnung ihrer Schwiegermutter nutzen, während ihr in der Schweiz
lediglich ein Zimmer in Untermiete in einer vom Hauptmieter und dessen Ehefrau
bewohnten Wohnung zur Verfügung stehe. Da der Ehemann und dessen Mutter
unbestrittenermassen in Deutschland lebten, sei überdies eine familiäre Bindung
eher zu Deutschland als zur Schweiz gegeben. Unter diesen Umständen sei davon
auszugehen, dass die Beschwerdeführerin ihren Wohnsitz nicht in die Schweiz
verlegt habe.

3.4. Die Beschwerdeführerin rügt eine offensichtlich unrichtige Feststellung
der für die Ermittlung des Lebensmittelpunktes massgebenden Tatsachen im Sinne
von Art. 97 Abs. 1 BGG und wirft der Vorinstanz insbesondere eine Verletzung
von Art. 29 Abs. 2 BV vor. Die angebotenen Zeugen hätten Auskunft über die
objektiven Lebensumstände erteilen können. Offensichtlich unrichtig sei, dass
ihre Schwiegermutter in Deutschland wohne und dass sie im Rahmen der
Haushaltsabklärung ihren schweizerischen Wohnsitz gegenüber der
Abklärungsperson nicht erwähnt habe. Indem die Vorinstanz die notwendigen
Abklärungen nicht durchgeführt habe, habe sie in Verletzung von Bundesrecht
(Art. 23 ZGB und Art. 6 IVG) zu Unrecht auf einen Wohnsitz in Deutschland
geschlossen.

3.5. Zu den Rechtsverletzungen im Sinne von Art. 95 BGG gehören die Verletzung
des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV) und der Untersuchungsgrundsatz (Art.
43 Abs. 1 und Art. 61 lit. c ATSG). Eine unvollständige Beurteilungsgrundlage
stellt eine Rechtsverletzung dar. Eine solche liegt vor, wenn die für die
Beurteilung des streitigen Rechtsverhältnisses erforderlichen Tatsachen nicht
festgestellt worden sind. In einem solchen Fall besteht keine Bindung an die
vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung (Art. 105 Abs. 2 BGG).

3.6. Vorinstanz und IV-Stelle schlossen vor allem deshalb auf einen Wohnsitz
der Beschwerdeführerin in Deutschland, weil ihr Ehegatte unbestrittenermassen
seinen Wohnsitz in Deutschland habe. Bereits im vorinstanzlichen Verfahren
machte die Versicherte jedoch geltend, die familiären und persönlichen Kontakte
befänden sich eindeutig in der Schweiz, wo sie auch die meiste Zeit -
einschliesslich Wochenende - verbringe. In Deutschland besitze die in
C.________ wohnhafte Schwiegermutter eine leer stehende Wohnung, die sie und
ihr Ehemann temporär hätten nutzen können. Den Wohnsitz habe sie in den Jahren
2003 bis 2008 unter anderem deshalb in Deutschland verzeichnet, weil sie als
drittstaatsangehörige Ehefrau eines Schweizer Bürgers so ohne Visa habe reisen
und ihren Ehemann bei seinen damaligen Engagements als Pianist habe begleiten
können. Offenbar hält sich dieser jedoch seit längerem in den USA auf. In der
Anmeldung bei der IV-Stelle vom 12. Februar 2010 gab die Beschwerdeführerin an,
dieser wohne in "Deutschland/USA". Nach dessen Adresse gefragt, nannte sie im
"Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege" vom 5. September 2012 einen Ort in den
USA. Sollte es zutreffen, dass der Ehemann sich dauerhaft in den USA aufhält,
würde dies die Vorbringen der Beschwerdeführerin stützen, dass sich der
Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen effektiv in der Schweiz befindet. Indem die
Vorinstanz von einer weiteren Abklärung der konkreten Umstände abgesehen hat,
verletzte sie den Anspruch der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör (Art.
29 Abs. 2 BV) und hat den Sachverhalt unvollständig und damit unrichtig im
Sinne von Art. 97 Abs. 1 BGG festgestellt.

3.7. Nach dem Gesagten ist die Beschwerde teilweise gutzuheissen und der
angefochtene Entscheid und die streitige Verfügung der IV-Stelle aufzuheben.
Die Angelegenheit ist dem beschwerdeführerischen Eventualantrag entsprechend
zur korrekten Feststellung des Sachverhalts und zur neuen Verfügung an die
IV-Behörde zurückzuweisen.

4. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens ist die Beschwerdegegnerin kosten- und
entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1, Art. 68 Abs. 2 BGG). Damit ist das
Gesuch betreffend unentgeltliche Rechtspflege im bundesgerichtlichen Verfahren
gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des
Bundesverwaltungsgerichts vom 25. August 2014 und die Verfügung der IV-Stelle
für Versicherte im Ausland IVSTA vom 28. Juni 2012 werden aufgehoben. Die Sache
wird zu neuer Verfügung an die IV-Stelle für Versicherte im Ausland IVSTA
zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3. 
Die Beschwerdegegnerin hat den Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin für das
bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen.

4. 
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des
vorangegangenen Verfahrens an das Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Bundesverwaltungsgericht und dem Bundesamt
für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 4. Mai 2015

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Die Gerichtsschreiberin: Hofer

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben