Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.710/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
8C_710/2014        
{T 0/2}

Urteil vom 12. Mai 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiberin Durizzo.

Verfahrensbeteiligte
A.________, vertreten durch
Rechtsanwalt und Notar Claude Wyssmann,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle Luzern,
Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente, Revision),

Beschwerde gegen den Entscheid
des Kantonsgerichts Luzern
vom 21. August 2014.

Sachverhalt:

A. 
A.________, geboren 1961, bezog seit dem 1. April 2001 eine ganze Rente der
Invalidenversicherung, welche mehrmals bestätigt wurde. Nach einer Untersuchung
durch das Institut B.________ (Gutachten vom 14. Dezember 2010), hob die
IV-Stelle Luzern die zunächst sistierte Rente rückwirkend ab dem 1. Januar 2005
auf (Verfügung vom 22. Juni 2011).

B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Kantonsgericht Luzern mit Entscheid
vom 21. August 2014 teilweise gut und änderte die angefochtene Verfügung
insoweit ab, als die Rente rückwirkend auf Ende November 2010 aufgehoben wurde.

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Antrag auf Zusprechung einer Invalidenrente, eventualiter von
beruflichen Eingliederungsmassnahmen.

Das Bundesgericht hat die vorinstanzlichen Akten eingeholt und auf einen
Schriftenwechsel verzichtet.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt
hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung nur
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und die Behebung des Mangels
für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art.
105 Abs. 2 BGG). Es wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG)
und ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente
noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden (BGE 134 I 65 E. 1.3 S. 67 f.,
134 V 250 E. 1.2 S. 252, je mit Hinweisen). Unter Berücksichtigung der
Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) prüft es indessen nur die geltend
gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich
sind, und ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle
sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht
nicht mehr aufgegriffen werden (BGE 134 I 313 E. 2 S. 315, 65 E. 1.3 S. 67 f.,
je mit Hinweisen).

2. 
Das kantonale Gericht hat die für die Rentenrevision massgeblichen Bestimmungen
und Grundsätze zutreffend dargelegt (Art. 17 Abs. 1 ATSG). Es wird darauf
verwiesen.

3.

3.1. Der Beschwerdeführer macht sinngemäss im Wesentlichen geltend, dass mit
dem Gutachten des Instituts B.________ eine rentenerhebliche Veränderung seines
Gesundheitszustandes nicht ausgewiesen sei und es daher an den Voraussetzungen
für eine Rentenrevision fehle.

Die bundesgerichtliche Überprüfung der vorinstanzlichen Beweiswürdigung hat
sich darauf zu beschränken, ob mit Blick auf die vorgebrachten Rügen die
Sachverhaltsfeststellung im angefochtenen Entscheid offensichtlich unrichtig
ist oder eine Rechtsverletzung, namentlich hinsichtlich der Regeln über den
Beweiswert von ärztlichen Berichten, vorliegt (vgl. E. 1). Zu beachten ist hier
der Grundsatz, dass das Gericht Gutachten externer Spezialärzte, welche von
Versicherungsträgern im Verfahren nach Art. 44 ATSG eingeholt wurden und den
Anforderungen der Rechtsprechung entsprechen, vollen Beweiswert zuerkennen
darf, solange nicht konkrete Indizien gegen die Zuverlässigkeit der Expertise
sprechen (BGE 137 V 210 E. 1.3.4 S. 227; 135 V 465 E. 4.4 S. 470; 125 V 351 E.
3b/bb S. 353).

3.2. Beanstandet wird vorab die psychiatrische Einschätzung der Gutachter des
Instituts B.________, welche für eine Rentenrevision nicht genüge, weil sie
lediglich einen gleich gebliebenen medizinischen Sachverhalt anders beurteile
als die Ärzte der Medizinischen Abklärungsstelle MEDAS in ihrem Gutachten vom
5. Juli 1999. Diese hatten jedoch, gleich wie nunmehr auch die Ärzte des
Instituts B.________, insgesamt eine 75-prozentige Arbeitsfähigkeit
bescheinigt. Bei der Zusprechung einer ganzen Invalidenrente ab dem 1. April
2001 hatte die IV-Stelle vielmehr auf die Stellungnahme ihres
regionalärztlichen Dienstes vom 19. Oktober 2001 abgestellt, wonach sich
zwischenzeitlich eine Depression von erheblichem Ausmass entwickelt habe. Dass
der Beschwerdeführer auch weiterhin durch ein psychisches Leiden von solch
erheblicher Schwere und Ausprägung beeinträchtigt sei, wird nicht geltend
gemacht. Nach den Ausführungen der psychiatrischen Gutachterin des Instituts
B.________ sei es nach dem Beginn einer Alkoholabhängigkeit und
Automatenspielsucht des Beschwerdeführers in der ersten Hälfte der 90er-Jahre
zunehmend zu finanziellen Problemen sowie zu ehelichen und innerfamiliären
Konflikten gekommen, worauf er mit Depressionen reagiert habe und deswegen auch
hospitalisiert worden sei. Indessen hätten nie suchtspezifische
Entwöhnungsmassnahmen stattgefunden, seit Jahren auch keine ambulante
psychiatrische Behandlung mehr. Neben der Abhängigkeitserkrankung könne aktuell
keine wesentliche sonstige psychiatrische Morbidität diagnostiziert,
insbesondere kein krankheitswertiger depressiver Befund erhoben werden (vgl.
dazu BGE 124 V 265 E. 3c S. 268; Urteil 8C_580/2014 vom 11. März 2015 E.
2.2.1).

Zu den Einwänden unter Berufung auf die Berichte des Dr. med. C.________,
Endokrinologie/Diabetologie FMH, vom 1. April 2011 (durch
Blutzuckerschwankungen bedingtes depressives Syndrom) sowie des Dr. med.
D.________, Psychiatrie und Psychotherapie FMH, vom 8. Mai 2011 hat sich das
kantonale Gericht eingehend und zutreffend geäussert. Sie vermögen keine
hinreichenden Indizien gegen die Zuverlässigkeit des Gutachtens des Instituts
B.________ zu begründen, zumal sich den Berichten entgegen den Vorbringen des
Beschwerdeführers keine Anhaltspunkte dafür entnehmen lassen, dass sich seit
der Begutachtung eine Verschlechterung des psychischen Leidens eingestellt
hätte. Insbesondere äussert sich Dr. med. D.________ nicht zu den von den
Gutachtern erhobenen Befunden, es ergibt sich aus seiner Stellungnahme nicht,
in welchem Rahmen eine psychiatrische Behandlung erneut aufgenommen worden sei,
wie der Beschwerdeführer geltend macht, und es findet sich auch keine
Begründung für die von ihm attestierte Arbeitsunfähigkeit.

3.3. Es werden des Weiteren neurologische Beschwerden geltend gemacht. Die
Abklärungen durch Dr. med. E.________ im Zentrum F.________ (Bericht vom 4.
August 2010) haben die Gutachter des Instituts B.________ indessen ausdrücklich
berücksichtigt. Die geklagten Beschwerden liessen sich nur teilweise
neurologischen Befunden zuordnen und waren vorab durch den schlecht
eingestellten Diabetes (Typ 1) bedingt, wobei zusätzlich eine Polymedikation
mit hohen Dosen über das übliche Niveau aufgefallen und als Polytoxikomanie mit
zusätzlichem Alkoholübergebrauch interpretiert worden war. Dr. med. E.________
äusserte sich nicht dazu, inwieweit dadurch die Arbeitsfähigkeit eingeschränkt
sei.

3.4. Die Einschätzung der Arbeitsfähigkeit durch die Gutachter des Instituts
B.________ wird auch insgesamt bemängelt. Es wird indessen nicht weiter
dargelegt, inwieweit die von den Gutachtern genannte zumutbare Verweistätigkeit
die geklagten Beschwerden nur unzureichend berücksichtige. Nach den
Ausführungen der Ärzte ist der Versicherte vorab aus
rheumatologisch-neurologischer Sicht beziehungsweise durch den Diabetes
eingeschränkt und vermag eine mehrheitlich sitzende und körperlich leichte,
wechselbelastende Arbeit in einem Umfang von 75 Prozent auszuüben, dies
ganztägig mit entsprechend reduzierter Leistungsfähigkeit durch einen
Pausenbedarf von zehn Minuten pro Stunde und zusätzlich leicht reduziertem
Rendement. Ausdrücklich ausgeschlossen hat die psychiatrische Gutachterin wegen
der Suchterkrankung Tätigkeiten an laufenden unfallgefährdenden Maschinen, auf
Leitern und Gerüsten sowie mit berufsmässigem Führen eines Fahrzeuges.

4. 
Zu prüfen bleiben die erwerblichen Auswirkungen der Gesundheitsschädigung.
Beanstandet wird das von Verwaltung und Vorinstanz ermittelte
Invalideneinkommen.

4.1. Unbestritten ist, dass dabei die Tabellenlöhne nach der vom Bundesamt für
Statistik herausgegebenen Lohnstrukturerhebung (LSE) heranzuziehen sind (BGE
129 V 472 E. 4.2.1 S. 475). Die Rechtsprechung wendet dabei in der Regel die
Monatslöhne gemäss LSE-Tabelle TA1, Zeile "Total Privater Sektor", an. Nur
ausnahmsweise haben das Bundesgericht und das Eidgenössische
Versicherungsgericht bei Personen, die vor der Gesundheitsschädigung lange Zeit
in diesem Bereich tätig gewesen sind und bei denen eine Arbeit in anderen
Bereichen kaum in Frage kommt, auf das statistische Durchschnittseinkommen
einzelner Branchen abgestellt, wenn dies als sachgerecht erschien, um der im
Einzelfall zumutbaren erwerblichen Verwertung der verbleibenden
Arbeitsfähigkeit Rechnung zu tragen (in BGE 133 V 545 nicht publizierte E. 5.1
des Urteils 9C_237/2007 vom 24. August 2007; Urteil I 289/01 vom 19. Oktober
2001 E. 3c). Das kantonale Gericht hat eingehend und zutreffend dargelegt, dass
und weshalb hier nicht der statistische Durchschnittslohn im
Dienstleistungssektor zur Anwendung gelangt. Der zusätzliche Pausenbedarf wurde
bei der Einschätzung der Leistungsfähigkeit durch die Gutachter des Instituts
B.________ ausdrücklich berücksichtigt (oben E. 3.4); er vermag ebenso wenig
wie die geltend gemachte Einschränkung aus ophthalmologischen Gründen eine
Tätigkeit im produktiven Sektor von vornherein auszuschliessen oder eine Arbeit
im Sektor Dienstleistungen als näherliegend erscheinen zu lassen. Verwaltung
und Vorinstanz haben zu Recht auf den statistischen Durchschnittswert "Total
Privater Sektor" abgestellt.

4.2. Zum leidensbedingten Abzug vom Tabellenlohn (BGE 129 V 472 E. 4.2.3 S.
481; 126 V 75 E. 5 S. 78 ff.) hat sich das kantonale Gericht eingehend
geäussert. Insbesondere rechtfertigt der Umstand, dass der grundsätzlich
vollzeitlich arbeitsfähige Versicherte krankheitsbedingt lediglich reduziert
leistungsfähig ist, keinen Abzug, der über die Berücksichtigung der
eingeschränkten Leistungsfähigkeit und damit des Rendements hinausgeht (Urteil
8C_20/2012 vom 4. April 2012 E. 3.2 u. 3.3). Auch die übrigen Einwände vermögen
eine von der Vorinstanz abweichende Beurteilung im Ergebnis nicht zu begründen.

5. 
Gegenstand der angefochtenen Verfügung vom 22. Juni 2011 war die Einstellung
der Invalidenrente. Auf die beantragte Umschulung ist hier daher nicht weiter
einzugehen (BGE 131 V 164 E. 2.1 S. 164 f.). Im Übrigen führt der
Beschwerdeführer nicht näher aus, weshalb die gutachtlich attestierte
Arbeitsfähigkeit ausnahmsweise nicht auf dem Weg der Selbsteingliederung
verwertbar sei. Das kantonale Gericht hat sich zum Eingliederungsbedarf
insbesondere auch unter Berücksichtigung des Alters des Versicherten und der
Dauer des Rentenbezugs zutreffend geäussert (vgl. Urteile 8C_446/2014 vom 12.
Januar 2015 E. 4, zur Publikation vorgesehen; 8C_818/2013 vom 6. Juni 2014 E.
5).

6. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden dem
unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Luzern, 3. Abteilung, und
dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 12. Mai 2015

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Die Gerichtsschreiberin: Durizzo

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