Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.654/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_654/2014

Urteil vom 6. März 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiber Grunder.

Verfahrensbeteiligte
IV-Stelle des Kantons St. Gallen,
Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Leo R. Gehrer,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente),

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 1. September 2014.

Sachverhalt:

A. 
A.________ meldete sich am 17. Dezember 2008 wegen Brustkrebs links,
Totalendoprothese an der rechten Hüfte sowie Tendovaginitis im Bereich des
rechten Unterarmes und der rechten Hand zum Leistungsbezug bei der
Invalidenversicherung an. Die IV-Stelle des Kantons St. Gallen klärte die
erwerblichen und gesundheitlichen Verhältnisse ab und holte das auf
allgemein-internistischen, psychiatrischen und rheumatologischen Untersuchungen
beruhende Gutachten der medizinischen Abklärungsstelle B.________ vom 1.
November 2011 ein. Weiter verlangte sie die Stellungnahme des Regionalen
Ärztlichen Dienstes (RAD) vom 2. Dezember 2011 sowie zusätzliche Auskünfte der
medizinischen Abklärungsstelle B.________ vom 16. Dezember 2011 und lehnte -
nach durchgeführtem Vorbescheidverfahren - mit Verfügung vom 20. März 2012
einen Rentenanspruch mangels leistungsbegründenden Invaliditätsgrades ab.

B. 
In Gutheissung der hiegegen eingereichten Beschwerde sprach das
Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen der Versicherten ab 1. November
2010 eine halbe Invalidenrente zu.

C. 
Die IV-Stelle führt Beschwerde und beantragt, der vorinstanzliche Entscheid sei
aufzuheben; ferner ersucht sie um Erteilung der aufschiebenden Wirkung des
eingelegten Rechtsmittels.

A.________ lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen. Das Bundesamt für
Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung. Das
Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen beantragt Abweisung der Beschwerde.

Erwägungen:

1. 
Die IV-Stelle und die Beschwerdegegnerin haben sich in Bezug auf das Begehren,
der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen, darauf geeinigt, dass
vorläufig auf die Einforderung der vorinstanzlich zugesprochenen Invalidenrente
verzichtet werde.

2.

2.1. Mit der Beschwerde kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt
werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem
Verfahren beanstandeten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E.
2.2.1 S. 389). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre
Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung gemäss Art. 95 BGG
beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens
entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG). Rechtsfragen sind
die vollständige Feststellung erheblicher Tatsachen sowie die Beachtung des
Untersuchungsgrundsatzes bzw. der Beweiswürdigungsregeln nach Art. 61 lit. c
ATSG und der Anforderungen an den Beweiswert von Arztberichten (BGE 134 V 231
E. 5.1 S. 232). Die aufgrund dieser Berichte gerichtlich festgestellte
Gesundheitslage bzw. Arbeitsfähigkeit und die konkrete Beweiswürdigung sind
Sachverhaltsfragen (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397; nicht publ. E. 4.1 des Urteils
BGE 135 V 254, veröffentlicht in SVR 2009 IV Nr. 53 S. 164 [9C_204/2009]).

2.2. Eine Sachverhaltsfeststellung ist nicht schon dann offensichtlich
unrichtig, wenn sich Zweifel anmelden, sondern erst, wenn sie eindeutig und
augenfällig unzutreffend ist (BGE 132 I 42 E. 3.1 S. 44). Es liegt noch keine
offensichtliche Unrichtigkeit vor, nur weil eine andere Lösung ebenfalls in
Betracht fällt, selbst wenn diese als die plausiblere erschiene (BGE 129 I 8 E.
2.1 S. 9). Diese Grundsätze gelten auch bei der konkreten Beweiswürdigung, bei
welcher dem kantonalen Versicherungsgericht ein erheblicher Ermessensspielraum
zusteht. Das Bundesgericht greift nur ein, wenn es diesen missbraucht,
insbesondere offensichtlich unhaltbare Schlüsse gezogen, erhebliche Beweise
übersehen oder solche willkürlich ausser Acht gelassen hat (BGE 132 III 209 E.
2.1 S. 211; zum Begriff der Willkür BGE 137 I 1 E. 2.4 S. 5; Urteil 9C_1019/
2012 vom 23. August 2013 E. 1.2.3). Inwiefern das kantonale Gericht sein
Ermessen missbraucht haben soll, ist in der Beschwerde klar und detailliert
aufzuzeigen (BGE 130 I 258 E. 1.3 S. 261; SVR 2013 BVG Nr. 40 S. 174 E. 1.2
[9C_592/2012]; Urteil 8C_76/2014 vom 30. April 2014 E. 1.2).

3. 
Streitig und zu prüfen ist, ob die Beschwerdegegnerin Anspruch auf eine halbe
Invalidenrente hat. Prozessthema bildet dabei die Frage, ob das kantonale
Gericht den Gesundheitszustand (Art. 3 Abs. 1 ATSG) sowie die Arbeits- und
Erwerbsunfähigkeit (Art. 6 und 7 ATSG) als wesentliche Voraussetzungen für die
Annahme einer Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1
IVG) zutreffend beurteilt hat.

4.

4.1.

4.1.1. Die Vorinstanz hat erkannt, dass der Gesundheitszustand und die
Arbeitsfähigkeit anhand des in allen Teilen beweiskräftigen polydisziplinären
Gutachtens der medizinischen Abklärungsstelle B.________ vom 1. November 2011
sowie deren Stellungnahme vom 16. Dezember 2011 zu beurteilen war. Danach waren
mit Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit eine mittelgradige depressive Episode
(ICD-10: F32.1), eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung (ICD-10: F45.4),
chronische plantare Fersenschmerzen beidseits, chronische Beschwerden an der
rechten Hüfte sowie im Bereich von Nacken, Schulter, Arm und Hand der rechten
dominanten Seite zu diagnostizieren. Aus somatischer Sicht liessen sich die
geklagten, recht diffusen Beschwerden durch die klinischen und radiologischen
Befunde nicht vollständig erklären; für körperlich leichte bis mittelschwere,
wechselbelastend ausübbare Tätigkeiten war die Explorandin vollständig
arbeitsfähig, wobei sie vermeiden sollte, Lasten über 15 kg zu heben oder zu
tragen bzw. die rechte obere Extremität oberhalb der Horizontalen einzusetzen.
Aus psychiatrischer Sicht ergab sich eine Arbeits- und Leistungsunfähigkeit von
50 %. Gemäss den weiteren Auskünften der medizinischen Abklärungsstelle
B.________ vom 16. Dezember 2011 bestand die hälftige Arbeitsfähigkeit
unabhängig von der aktuell tagesklinisch durchgeführten psychiatrischen
Behandlung.

4.1.1.1. Davon ausgehend hat das kantonale Gericht erwogen, der psychiatrische
Sachverständige der medizinischen Abklärungsstelle B.________ habe
festgestellt, dass die Versicherte an einer die Arbeitsfähigkeit
beeinträchtigenden, mittelgradigen depressiven Episode leide, die als
erheblicher komorbider Gesundheitsschaden zu der anhaltenden somatoformen
Schmerzstörung zu betrachten sei. Die IV-Stelle übersehe, dass die Versicherte
ab 10. Juni bis 15. Juli 2011 in der Klinik C.________ stationär und von Juli
2011 bis mindestens März 2012 ambulant im Zentrum D.________ allein wegen der
depressiven Symptomatik behandelt worden sei; eine somatoforme Schmerzstörung
werde in den jeweiligen Berichten denn auch nicht erwähnt. Weiter sei zu
beachten, dass der psychiatrische Gutachter der medizinischen Abklärungsstelle
B.________ die Erheblichkeit der Komorbidität in Kenntnis der Rechtsprechung,
namentlich der Bedeutung der zumutbaren Willensanstrengung als Element des
Arbeitsfähigkeitsbegriffs bejaht habe. Das Bundesgericht habe im Urteil 8C_251/
2013 vom 14. Februar 2014 E. 4.2.2 (SVR 2014 IV Nr. 12 S. 47) festgehalten,
dass beim Zusammentreffen einer zuverlässig diagnostizierten depressiven
Episode mit einer somatoformen Schmerzstörung in erster Linie die
fachärztlichen Feststellungen zur Beurteilung des Gesundheitszustands und der
Arbeitsfähigkeit massgeblich seien. In diesem Kontext habe auch der RAD in
seiner Stellungnahme vom 2. Dezember 2011 das Gutachten der medizinischen
Abklärungsstelle B.________ als umfassend, konsistent, nachvollziehbar und in
sich widerspruchsfrei beurteilt. Schliesslich sei darauf hinzuweisen, dass die
Versicherte gemäss allen medizinischen Akten an verminderter Antriebskraft,
schneller Ermüdbarkeit, Gereiztheit, verminderter psychischer Belastbarkeit,
eingeschränktem Konzentrationsvermögen, ausgeprägtem Lebensverleider sowie an
Ein- und Durchschlafstörungen leide; so habe sie bereits am zweiten und dritten
Tag der beruflichen Abklärung in der beruflichen Beratungsstelle E.________
müde und aufgewühlt gewirkt; auch für einen medizinischen Laien sei daher
plausibel, dass eine versicherte Person angesichts der depressionstypischen
Symptome nicht den ganzen Tag lang quantitativ und qualitativ eine volle
Arbeitsleistung erbringen könne.

4.2. Die IV-Stelle bringt vor, die depressive Episode habe sich erst nach der
anhaltenden somatoformen Schmerzstörung entwickelt und sei daher zumindest
teilweise als reaktive Begleiterkrankung zu betrachten. Davon sei auch die
Vorinstanz mit der Feststellung ausgegangen, die vorbestandene somatoforme
Schmerzstörung habe die danach eingetretene depressive Symptomatik verstärkt.
Allein schon deshalb sei keine invalidisierende Komorbidität anzunehmen, da
kein von depressiven Verstimmungszuständen klar unterscheidbarer
verselbstständigter pathologischer Gesundheitsschaden vorliege. Hinzu komme,
dass die somatoformen oder psychischen Beschwerden zu einem wesentlichen Teil
auf psychosozialen Umständen beruhten; so habe sich die Versicherte mit der
Ausweitung der Erwerbstätigkeit im Jahre 2005 von 40 auf 100 % bei gleich
gebliebener familiärer Belastung (zwei Kinder im Primarschulalter) überfordert,
was letztlich zur Kündigung der Arbeitsstelle im Jahre 2007 geführt habe. Vor
allem die psychosozialen Umstände hätten das Krankheitsbild geprägt und eine
davon "abschichtbare ausgeprägte psychische Störung" habe nie vorgelegen.
Entgegen den vorinstanzlichen Erwägungen sei die Versicherte während der
stationären und ambulanten Therapien nicht wegen depressionstypischer Symptome
behandelt worden, sondern weil sie "ausgebrannt" gewesen sei.

5.

5.1. Das Bundesgericht hat sich in BGE 139 V 547 mit dem Begriff des
pathogenetisch-ätiologisch unklaren syndromalen Beschwerdebildes ohne
organische Grundlage (im Folgenden: unklares Beschwerdebild) einlässlich
auseinandergesetzt und hat die Praxis bestätigt (grundlegend: BGE 130 V 352),
wonach die allein darauf gestützte medizinische Einschätzung der
Arbeitsunfähigkeit in der Regel nicht zum Nachweis einer rentenbegründenden
Invalidität genügt. Diese setzt zusammengefasst (E. 9.4 S. 568 in Verbindung
mit E. 7.1.1 ff. und 7.2 S. 560 ff.) eine gesundheitlich bedingte, erhebliche
und evidente, dauerhafte sowie objektivierbare Beeinträchtigung des
Gesundheitszustandes voraus. Den unklaren Beschwerden ist eigen, dass mittels
klinischer Untersuchungen weder Pathologie noch Ätiologie nachweis- oder
erklärbar sind. Sie vermögen daher aus rechtlicher Sicht für sich allein den
Nachweis einer gesundheitlichen Einschränkung mangels Objektivierbarkeit nicht
zu erbringen. Insofern unterscheiden sich die Diagnosen unklarer
Beschwerdebilder von den "klassischen", beispielsweise affektiven Störungen
sachlich entscheidend, und es rechtfertigt sich, sie namentlich mit Blick auf
die Beweislast gesondert zu beurteilen. Die gestützt auf diese Erkenntnisse und
Überlegungen ergangene Rechtsprechung ist vom Gesetzgeber unter anderem im Zuge
der 5. IV-Revision (Art. 7 Abs. 2 ATSG, in Kraft gesetzt am 1. Januar 2008) in
das Bundesrecht übernommen worden. Die Anwendung dieser Vorschrift setzt
allerdings nach wie vor eine fachgerechte und umfassende Begutachtung der
betroffenen Versicherten voraus.

5.2. Weiter können gemäss BGE 139 V 547 die psychiatrisch festgestellten
einzelnen Störungsbilder Gemeinsamkeiten haben und sie können sich
überschneiden (E. 9.2 Ingress S. 566 f. mit Hinweis auf BGE 137 V 210), weshalb
die versicherte Person in der Regel fachmedizinisch nach dem
verfahrensrechtlich vorgeschriebenen Prozedere zu begutachten ist. Selbst wenn
rechtlich betrachtet ein unklares Beschwerdebild vorliegt, muss fachärztlich
geprüft werden, ob nicht ein anderes Störungsbild gegeben ist, das anhand
klinischer und/oder anderweitiger Untersuchungen zuverlässig nachgewiesen
werden kann (E. 9.4 S. 568 in Verbindung mit E. 9.2.1 S. 567).

5.3. Allerdings kann, wie die IV-Stelle insoweit zu Recht geltend macht, ein
unklares Beschwerdebild auch vorliegen, wenn eine depressive Erkrankung bloss
als Begleiterscheinung eines psychogenen Schmerzgeschehens und nicht als ein
selbstständiges, davon losgelöstes Leiden anzusehen ist (SVR 2012 IV Nr. 22 S.
95, 8C_302/2011 E. 2.4; Urteile 9C_521/2012 vom 17. Januar 2013 E. 3.1.2 und
4.1 sowie 9C_246/2012 vom 16. Juli 2012 E. 3.5.2 f.). Das Bundesgericht ist
beim Zusammentreffen einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung ohne
hinreichendes organisches Korrelat mit einer leicht- bis mittelgradigen
depressiven Episode auch schon davon ausgegangen, dass letzte in erster aufgeht
(vgl. neben den von der IV-Stelle zitierten Urteilen z.B. auch 9C_414/2012 vom
10. August 2012 E. 3.2.2 mit Hinweis). Jedoch führen auch derartige
Konstellationen nicht ohne Weiteres dazu, dass von der im medizinischen
Gutachten festgestellten Arbeitsunfähigkeit abzuweichen ist (vgl. z.B. Urteil
9C_1041/2010 vom 30. März 2011 E. 5).

5.4. Im Hinblick auf die Beurteilung, ob eine anhaltende somatoforme
Schmerzstörung - oder ein vergleichbarer ätiologisch-pathogenetisch unklarer
syndromaler Zustand (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 399; vgl. zur Definition: BGE 139
V 547 E. 9.4 S. 568) - mit invalidisierender Wirkung vorliegt, gilt
kognitionsrechtlich Folgendes: Zu den vom Bundesgericht nur eingeschränkt
überprüfbaren  Tatsachenfeststellungen zählt zunächst, ob eine anhaltende
somatoforme Schmerzstörung vorliegt, und bejahendenfalls, ob eine psychische
Komorbidität oder weitere Umstände gegeben sind, welche die Schmerzbewältigung
behindern. Als  Rechtsfrage frei überprüfbar ist, ob eine festgestellte
psychische Komorbidität hinreichend erheblich ist und ob einzelne oder mehrere
der festgestellten weiteren Kriterien in genügender Intensität und Konstanz
vorliegen, um gesamthaft den Schluss auf eine nicht mit zumutbarer
Willensanstrengung überwindbare Schmerzstörung und somit auf eine
invalidisierende Gesundheitsschädigung zu gestatten (BGE 137 V 64 E. 1.2 S.
66).

6.

6.1. Die IV-Stelle vermag mit ihren Vorbringen in tatsächlicher Hinsicht nicht
zu begründen, inwiefern das kantonale Gericht bei der konkreten Beweiswürdigung
das ihm zustehende erhebliche Ermessen missbraucht hat (vgl. E. 1.2 hievor).
Der psychiatrische Sachverständige der medizinischen Abklärungsstelle
B.________ hielt gemäss Gutachten vom 1. November 2011 unmissverständlich fest,
dass neben der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung eine dazu komorbide
mittelgradige depressive Episode mit der dafür typischen Symptomatik vorlag.
Wohl hat er auf die von der IV-Stelle genannten psychosozialen
Belastungsfaktoren hingewiesen, indessen ist nicht ersichtlich, dass sich die
psychiatrisch relevanten Befunde im Wesentlichen darin erschöpften. Die
IV-Stelle übersieht, wie die Beschwerdegegnerin zu Recht vorbringt, dass der
RAD in der Stellungnahme vom 2. Dezember 2011 explizit festhielt, die
mittelgradige depressive Episode sei entscheidend für die Einschränkung der
Arbeitsfähigkeit; die von ihm in Auftrag gegebene Anfrage bei der medizinischen
Abklärungsstelle B.________ betraf einzig den Umstand, dass nicht klar war, ob
die Versicherte die hälftige Arbeitsfähigkeit bei gleichzeitiger
tagesklinischer Behandlung werde umsetzen können.

6.2. Zu prüfen ist weiter die Rechtsfrage, ob die mittelgradige depressive
Episode derart erheblich war, dass sie zusammen mit der anhaltenden
somatoformen Schmerzstörung eine invalidenversicherungsrechtlich relevante
Arbeitsunfähigkeit zu bewirken vermochte. Die IV-Stelle macht geltend, bei der
tagesklinischen Betreuung habe es sich um eine sehr niederschwellige
Psychotherapie gehandelt, wozu passe, dass der Blutserumspiegel des
eingenommenen Antidepressivums gemäss Gutachten der medizinischen
Abklärungsstelle B.________ im unteren therapeutischen Bereich gelegen habe,
weshalb die Versicherte sich selbst nicht als besonders depressiv oder sonst
wie psychisch beeinträchtigt gefühlt haben könne. Gemäss dem in Übereinstimmung
mit den übrigen Akten stehenden Gutachten der medizinischen Abklärungsstelle
B.________ vom 1. November 2011 haderte die Versicherte mit dem Verlust der in
einem vollständigen Pensum ausgeübten Arbeitsstelle im Jahre 2007 und kam mit
den Ängsten des im Jahre 2008 festgestellten, mit chirurgischen sowie chemo-
und strahlentherapeutisch behandelten Mammakarzinoms nicht zu Recht. Unter
solchen Umständen kann nicht die Rede davon sein, die Beschwerdegegnerin leide
hinsichtlich der fachärztlich festgestellten mittelgradigen depressiven Episode
bloss an psychosozialen Belastungsfaktoren. Vielmehr ist davon auszugehen, dass
sie sich ihrer körperlich wie auch psychisch nur eingeschränkt möglichen
Aktivität schämte und unter anderem deshalb eine erhebliche depressive Störung
entwickelte. Anders sind die Schlussfolgerungen des psychiatrischen
Sachverständigen der medizinischen Abklärungsstelle B.________ (Gutachten vom
1. November 2011) nicht zu verstehen.

6.3. Nach dem Gesagten ist der vorinstanzliche Entscheid nicht zu beanstanden.

7.

7.1. Die Gerichtskosten sind der unterliegenden IV-Stelle aufzuerlegen (Art. 66
Abs. 1 Satz 1 BGG).

7.2. Sie hat die Beschwerdegegnerin dem Aufwand gemäss zu entschädigen (Art. 68
Abs. 1 und 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2800.- zu entschädigen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 6. März 2015

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Ursprung

Der Gerichtsschreiber: Grunder

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