Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.612/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
8C_612/2014        
{T 0/2}

Urteil vom 28. April 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Maillard, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiberin Berger Götz.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Kaspar Gehring,
Beschwerdeführer,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung (Invalidenrente),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 20. Juni 2014.

Sachverhalt:

A. 
Der 1983 geborene A.________ schloss im Juli 2003 die Diplommittelschule ab. Er
wollte Primarlehrer werden und meldete sich deshalb - zum Ausgleich der
Ausbildungsdifferenz zur Eidgenössischen Maturität - für den am 23. Februar
2004 beginnenden Vorkurs zur Aufnahmeprüfung als Primarlehrer an der Hochschule
B.________ an. Zuvor arbeitete er vom 3. November 2003 bis Ende Januar 2004 als
Druckereigehilfe auf Abruf für die Druckerei C.________ AG und war in dieser
Eigenschaft bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) gegen die
Folgen von Unfällen und Berufskrankheiten versichert. Am 18. Februar 2004
rutschte er in D.________ als Fussgänger auf dem Eis aus und schlug mit dem
Hinterkopf auf. Dabei erlitt er ein Schädel-/Hirntrauma Grad II mit
Kontusionsblutung frontal beidseits, Subarachnoidalblutung im
Interhemisphärenspalt occipital, Subduralblutung frontal, Subduralblutung Falx
cerebri sowie sekundärem Hirnödem. Die SUVA übernahm die Kosten für die
Heilbehandlung und erbrachte Taggelder. A.________ bestand in der Folge zwar
die Aufnahmeprüfung für das Lehrerseminar, nicht jedoch das Eignungsassessment
vom 15. Juli 2005, weshalb er stattdessen die Ausbildung zum Kindergärtner
anfing, diese jedoch nach kurzer Zeit wieder abbrach, um im Oktober 2006 eine
Schreinerlehre mit verkürzter Ausbildungszeit anzutreten. Nachdem er sich am
14. August 2007 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug angemeldet
hatte, teilte ihm die IV-Stelle des Kantons Zürich mit, dass eine Fortführung
der Ausbildung zum Schreiner (aus unfallfremden Gründen, wegen Hüft- und
Rückenproblemen) ungeeignet sei, weshalb sie diese nicht unterstützte. Sie
richtete in der Folge Leistungen im Rahmen der erstmaligen beruflichen
Ausbildung für eine am 8. September 2008 angetretene Lehre als
Detailhandelsfachmann bei der E.________ GmbH aus. Nach erfolgreichem Abschluss
der Lehre im August 2011 konnte A.________ im Lehrbetrieb zu einem aus
betrieblichen Gründen reduzierten Pensum von 60 % weiterarbeiten. Aus
wirtschaftlichen Gründen wurde ihm diese Stelle per 30. April 2012 gekündigt.
Im September 2012 trat er eine Vollzeitstelle bei der F.________ AG an. Bereits
mit Verfügung vom 15. Juli 2008 hatte die SUVA A.________ eine
Integritätsentschädigung, basierend auf einer Integritätseinbusse von 10 %
infolge minimaler bis leichter neuropsychologischer Störungen, zugesprochen.
Einen Rentenanspruch verneinte sie hingegen unter Hinweis darauf, dass
A.________ erfolgreich zum Detailhandelsfachmann umgeschult worden sei und er
diesen "intellektuell nicht sehr anspruchsvollen Beruf" uneingeschränkt und
vollzeitlich ausüben könne (Verfügung vom 12. Juni 2013). Daran hielt sie auf
Einsprache hin fest (Einspracheentscheid vom 23. September 2013).

B. 
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die dagegen erhobene
Beschwerde, welcher der von A.________ veranlasste neuropsychologische
Untersuchungsbericht der Frau Dr. phil. G.________, Neuropsychologisches
Ambulatorium, vom 14. August 2013 beilag, ab (Entscheid vom 20. Juni 2014).

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Antrag, die SUVA sei - allenfalls nach Rückweisung der Angelegenheit an
die Vorinstanz zur Durchführung weiterer Abklärungen - zu verpflichten, ihm die
gesetzlichen Leistungen, insbesondere eine Rente, zu gewähren und die Kosten
der neuropsychologischen Abklärung durch Frau Dr. phil. G.________ zu
übernehmen.

Die SUVA schliesst unter Verweis auf die Begründung im Entscheid des kantonalen
Gerichts und die Ausführungen in ihren im vorinstanzlichen Verfahren
eingereichten Rechtsschriften auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für
Gesundheit verzichtet auf eine Stellungnahme.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet
das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die
in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der
Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem
angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation
der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 130 II 136 E. 1.4 S.
140). Immerhin prüft das Bundesgericht grundsätzlich nur die geltend gemachten
Rügen; es ist nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich
stellenden rechtlichen Fragen zu prüfen, wenn diese vor Bundesgericht nicht
mehr vorgetragen wurden. Es kann die Verletzung von Grundrechten und von
kantonalem und interkantonalem Recht nur insofern prüfen, als eine solche Rüge
in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG).

1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von
Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht
an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden
(Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

2. 
Im angefochtenen Entscheid werden die für die streitgegenständliche Beurteilung
einschlägigen Rechtsgrundlagen zutreffend wiedergegeben. Hervorzuheben sind die
Bestimmungen und Grundsätze über den Anspruch auf Leistungen der
Unfallversicherung im Allgemeinen (Art. 6 Abs. 1 UVG in Verbindung mit Art. 4
ATSG) und auf eine Invalidenrente im Speziellen (Art. 18 ff. UVG in Verbindung
mit Art. 7 und 8 ATSG). Darauf wird verwiesen.

3. 
Aufgrund der medizinischen Aktenlage, insbesondere gestützt auf die
Stellungnahmen der Neurologischen Klinik und Poliklinik H.________ vom 31. März
2005 und 19. Juni 2007, des Instituts I.________ vom 22. Januar 2008, den
Aktenbericht des Dr. med. J.________, Facharzt für Neurologie FMH, Facharzt für
Psychiatrie und Psychotherapie, SUVA-Versicherungsmedizin, vom 27. Februar 2008
sowie den Bericht über die neurologisch-neuropsychologische und psychiatrische
Schlusskontrolle der Klinik K.________ vom 27. April 2012 mit ergänzender
Stellungnahme vom 30. Oktober 2012, gelangt das kantonale Gericht zum Schluss,
der Beschwerdeführer leide an einer leichten neuropsychologischen Störung mit
diskreten kognitiven Einbussen im Bereich der Daueraufmerksamkeit. Auch die vom
Versicherten beigezogene Neuropsychologin Dr. phil. G.________ habe im
Vergleich zu den Untersuchungsbefunden des Instituts I.________ eine
Verbesserung festgestellt und ebenfalls nur eine leichte kognitive
Funktionsstörung diagnostiziert. Zur Arbeits- und Leistungsfähigkeit im
erlernten Beruf des Detailhandelsfachmannes im Musikalienbereich liege keine
widersprüchliche Beurteilung vor. Aufgrund der Ausführungen von Dr. phil.
G.________ (vom 14. August 2013) gebe es keine Hinweise darauf, dass es dem
Versicherten nicht möglich wäre, seinen Beruf ganztags bei voller
Leistungsfähigkeit auszuüben. Die Behauptung der Neuropsychologin, wonach die
Leistungseinschränkung 10 bis 20 % betrage, entbehre jeglicher Grundlage. Zwar
habe der Beschwerdeführer vor seinem Unfall zweifellos beabsichtigt, die
Ausbildung zum Primarlehrer in Angriff zu nehmen, und diesen Plan habe er nach
dem Unfall - wenn auch mit zeitlicher Verzögerung - weiterverfolgt. Sein
Ungenügen in der Eignungsprüfung sei jedoch nicht auf eine unfallbedingte
Schädigung zurückzuführen. Es sei nicht mit dem Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit dargetan, dass er ohne den am 18. Februar 2004 erlittenen
Unfall seinen ursprünglichen Berufswunsch "Primarlehrer" hätte verwirklichen
und - sei es in diesem Beruf oder in demjenigen eines Schreiners oder
Kunstschreiners - ein wesentlich höheres Erwerbseinkommen hätte erzielen
können. Eine durch den Unfall erlittene Erwerbseinbusse von mindestens 10 %
liege nicht vor, weshalb es beim Einspracheentscheid vom 23. September 2013
sein Bewenden habe.

4.

4.1.

4.1.1. Der Beschwerdeführer wendet ein, an der Nachvollziehbarkeit und
Schlüssigkeit der Beurteilung der Klinik K.________ vom 27. April 2012, welche
praxisgemäss nach dem gleichen Massstab zu würdigen sei wie ein Bericht eines
versicherungsinternen Arztes, würden mehr als nur geringe Zweifel bestehen,
weshalb darauf nicht abgestellt werden könne. Soweit leichte
neuropsychologische Störungen mit diskreten kognitiven Einbussen im Bereich der
Daueraufmerksamkeit angenommen würden, lägen keine divergierenden Beurteilungen
vor. Solche seien jedoch insoweit gegeben, als Dr. phil. G.________ (in ihrem
Bericht vom 14. August 2013) neben Einbussen im Bereich der Daueraufmerksamkeit
auch eine erhöhte Ermüdbarkeit sowie Leistungseinbrüche bei längerer
konzentrativer Beanspruchung, eine verlangsamte Informationsverarbeitung bei
anspruchsvollen und berufsbezogenen Aufgaben und verlangsamte Reaktionszeiten
bei zwei Aufmerksamkeitstest am PC sowie eine deutliche Abnahme der
Leistungsfähigkeit nach vier Stunden feststelle, weshalb der Beschwerdeführer
auch in seiner aktuellen beruflichen Tätigkeit nicht ganztags eine volle
Leistung erbringen könne. Ihre Einschätzung einer 10 bis 20%igen
Arbeitsunfähigkeit sei aufgrund der erhobenen neuropsychologischen Defizite und
der damit korrelierenden Hirnverletzung erstellt. Die Annahme der Vorinstanz,
wonach die attestierte Einschränkung in der Arbeitsfähigkeit jeglicher
Grundlage entbehre, sei somit aktenwidrig und nicht korrekt. Für den Fall, dass
eine mindestens 10%ige "Erwerbseinbusse" nicht ohnehin anerkannt werde, sei die
Angelegenheit zur Vornahme einer erneuten neurologisch-neuropsychologischen
Abklärung an die SUVA oder das kantonale Gericht zurückzuweisen.

4.1.2. Wie der Beschwerdeführer selber einräumt, gibt Dr. phil. G.________ in
ihrem Untersuchungsbericht vom 14. August 2013 ausdrücklich an, dass die vom
Institut I.________ am 22. Januar 2008 erhobenen Befunde mit ihren Ergebnissen
- beide gestützt auf eine ungefähr sechsstündige Untersuchung - "weitgehend
kongruent" seien, wobei sich aktuell keine allgemeine Verlangsamung und keine
Reduktion des Arbeitsgedächtnisses mehr, jedoch weiterhin eine zunehmende
Ermüdung im Verlauf mit Leistungseinbrüchen und Minderleistungen in
spezifischen Aufmerksamkeitsaspekten manifestiere. Soweit er eine
unterschiedliche Einschätzung seiner Leistungsfähigkeit durch Dr. phil.
G.________ geltend macht, welche allenfalls zu weiteren Abklärungen Anlass
gebe, ist ihm entgegenzuhalten, dass auch die von ihm beigezogene
Neuropsychologin in den ersten vier Stunden der Untersuchung keine eigentlichen
kognitiven Defizite in den höheren kortikalen Leistungen, weder im Lern- und
Neugedächtnisvermögen, noch in den Exekutivfunktionen, noch in den
visuell-räumlichen bzw. konstruktiv-praktischen Leistungen feststellen konnte.
Erst nach einer mittleren Untersuchungsdauer von ungefähr vier Stunden konnte
sie eine deutliche Ermüdung mit kognitiver Verlangsamung, mit etwas erschwerter
Auffassung und mit Leistungseinbrüchen beobachten. Entsprechend den Ergebnissen
in der Beurteilung der Klinik K.________ vom 27. April 2012 stellt sie deshalb
eine leichte kognitive Funktionsstörung (mit im Vordergrund stehender
reduzierter kognitiver Belastbarkeit und erhöhter Ermüdbarkeit sowie
Minderleistungen in spezifischen Aufmerksamkeitsaspekten) fest. Während die
Klinik K.________ annimmt, der Versicherte sei durch seine minimale
neuropsychologische Störung in seinem Beruf als Detailhandelsfachmann ohne
Leistungseinbussen bei vollem Arbeitspensum arbeitsfähig, geht Dr. phil.
G.________ von einer 10 bis 20%igen Einschränkung der Leistungsfähigkeit in
dieser Beschäftigung aus. Sie nennt diese Einschränkung allerdings
"theoretisch" und weist auch darauf hin, dass der Versicherte angegeben habe,
er verspüre beim Arbeiten keine Einschränkungen. Daraus leitet sie ab, dass die
der Arbeitsstelle zugrunde liegenden Strukturen und Abläufe zu einer optimalen
Kompensation der heute eruierbaren verminderten kognitiven Belastbarkeit und
erhöhten Ermüdbarkeit beitragen würden, eventuell durch die Möglichkeit einer
adäquaten Pausengestaltung und der Möglichkeit einer seriellen Abarbeitung von
Aufträgen, also weitgehender Vermeidung von "Multi-Tasking". Überdies weist sie
darauf hin, dass die Leistungsfähigkeit im Beruf als Lehrer wegen der höheren
Anforderungen an die kognitive Belastbarkeit höhergradig, nämlich zu 30 bis 40
%, eingeschränkt sei. Weil sie sich zur Vergleichbarkeit der Tätigkeit als
Detailhandelsfachmann mit der Situation nach einer mittleren Untersuchungsdauer
von vier Stunden nicht äussert und selber feststellen muss, dass der
Versicherte in der aktuellen, verglichen mit dem Lehrerberuf kognitiv weniger
anspruchsvollen Beschäftigung keine Leistungseinbussen hinzunehmen hat, ist
ihre Einschätzung einer 10 bis 20%igen Einschränkung nicht nachvollziehbar. Die
Vorinstanz durfte deshalb mit Blick auf die ansonsten übereinstimmenden Angaben
in den Untersuchungsberichten ohne weitere Abklärungen von einer vollen
Arbeits- und Leistungsfähigkeit im ausgeübten Beruf als Detailhandelsfachmann
ausgehen.

4.2. Für die Bestimmung des Invaliditätsgrades wird gemäss Art. 16 ATSG das
Erwerbseinkommen, das die versicherte Person nach Eintritt der Invalidität und
nach Durchführung der medizinischen Behandlung und allfälliger
Eingliederungsmassnahmen durch eine ihr zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener
Arbeitsmarktlage erzielen könnte (sog. Invalideneinkommen), in Beziehung
gesetzt zum Erwerbseinkommen, das sie erzielen könnte, wenn sie nicht invalid
geworden wäre (sog. Valideneinkommen).

4.2.1. Da die F.________ AG dem Beschwerdeführer für seine Tätigkeit als
gelernter Detailhandelsfachmann unbestrittenermassen einen ungekürzten Lohn
ausbezahlt und keine Hinweise auf eine tatsächliche Einschränkung in diesem
Beruf sowie eine daraus folgende Soziallohnkomponente bestehen, kann dem
Ansinnen des Versicherten, zur Ermittlung des Invalideneinkommens vom
tatsächlich erzielten Jahresverdienst einen Abzug von 10 % vorzunehmen, nicht
gefolgt werden.

4.2.2. Der Beschwerdeführer bringt zudem vor, soweit die Vorinstanz die
Validenkarriere als Lehrer verneine, weil er - nota bene nach dem Unfall und
mit den nachgewiesenen neuropsychologischen und Verhaltensdefiziten - das
Assessment nicht bestanden habe, stelle sie überhöhte Anforderungen an den
Beweis. Um eine Schlechterstellung gegenüber anderen Versicherten zu
verhindern, welche nach einem solchen Unfall trotz der nachweislichen Defizite
nicht noch versucht hätten, die ursprünglichen Berufswünsche zu verwirklichen,
müsse bereits die kundgegebene Absicht mit den konkreten Schritten für den
geforderten Beweis genügen. Eine andere Interpretation würde dazu führen, dass
sich die Bemühungen des Versicherten, trotz des schweren Unfallereignisses doch
noch den Lehrerberuf zu ergreifen, nachteilig auswirken würden. Er wäre in
diesem Fall besser bedient gewesen, hätte er den Vorkurs und die
Eignungsprüfung nicht gemacht. Dieser Negativanreiz bzw. diese Abstrafung sei
nicht im Sinne der Gesetzgebung bzw. des Grundsatzes "Eingliederung vor Rente".
Selbst wenn nicht allein schon wegen der vor dem Unfall vorgenommenen konkreten
Schritte die Validenkarriere als Lehrer anerkannt würde, sei die
Unfallkausalität des Scheiterns des Assessments ausgewiesen. Bei der Ermittlung
des Valideneinkommens sei deshalb vom Lohn eines Primarlehrers auszugehen.
Dieser hätte gemäss Auskunft des Volksschulamtes des Kantons Zürich ab 1.
Januar 2012 Fr. 96'672.- und ab 1. Januar 2013 Fr. 100'028.- betragen.

4.2.2.1. Zur Ermittlung des Valideneinkommens ist entscheidend, was die
versicherte Person im Zeitpunkt des frühest möglichen Rentenbeginns nach dem
Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit als Gesunde tatsächlich
verdient hätte. Dabei wird in der Regel am zuletzt erzielten, nötigenfalls der
Teuerung und der realen Einkommensentwicklung angepassten Verdienst angeknüpft,
da es empirischer Erfahrung entspricht, dass die bisherige Tätigkeit ohne
Gesundheitsschaden fortgesetzt worden wäre. Ausnahmen müssen mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit erstellt sein (BGE 129 V 222 E. 4.3.1 S. 224 mit Hinweisen).
Da die Invaliditätsbemessung der voraussichtlich bleibenden oder längere Zeit
dauernden Erwerbsfähigkeit zu entsprechen hat (vgl. Art. 8 Abs. 1 ATSG), ist
auch die berufliche Weiterentwicklung mitzuberücksichtigen, welche die
versicherte Person normalerweise vollzogen hätte; dazu ist allerdings
erforderlich, dass konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ohne
gesundheitliche Beeinträchtigung ein beruflicher Aufstieg und ein entsprechend
höheres Einkommen tatsächlich realisiert worden wären. Blosse
Absichtserklärungen genügen nicht. Vielmehr muss die Absicht, beruflich
weiterzukommen, bereits durch konkrete Schritte wie Kursbesuche, Aufnahme eines
Studiums, Ablegung von Prüfungen usw. kundgetan worden sein (BGE 96 V 29; SVR
2010 UV Nr. 13 S. 51, 8C_550/2009 E. 4.1 mit zahlreichen weiteren Hinweisen).
Bei in jungen Jahren verunfallten Versicherten, die im Zeitpunkt des
versicherten Ereignisses am Anfang ihrer beruflichen Laufbahn standen, entzieht
sich die hypothetische Tatsache einer Jahre später im Gesundheitsfall
ausgeübten bestimmten Tätigkeit naturgemäss einem strikten Beweis. Deshalb
dürfen in derartigen Konstellationen die Anforderungen an den massgebenden
Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit nicht überspannt werden (Urteil
B 55/02 vom 9. April 2003 [mit Zusammenfassung in SZS 2004 S. 67]).

4.2.2.2. Es ist dem Versicherten beizupflichten, dass die vor dem Unfall
kundgegebene Absicht, Primarlehrer zu werden, zusammen mit der Anmeldung zum
Vorkurs an der Hochschule B.________ im Einzelfall für den Beweis einer
Validenkarriere als Primarlehrer genügen kann. Erforderlich ist jedoch, dass
der Berufswunsch vor dem Hintergrund der vor dem versicherten Ereignis
vorhanden gewesenen persönlichen Fähigkeiten realistisch erscheint. Deshalb ist
die Vorinstanz der Frage, ob das Assessment aus unfallkausalen Gründen
gescheitert sei, berechtigterweise nachgegangen. In diesem Rahmen hat sie
jedoch dem Umstand zu wenig Rechnung getragen, dass sich im Verlauf der Jahre
nach dem Unfall vom 18. Februar 2004 eine langsame Besserung der
neuropsychologischen Störungen einstellte. Der Beschwerdeführer weist zu Recht
darauf hin, dass die unfallbedingten gesundheitlichen Defizite zur Zeit des
Assessments der Hochschule B.________ vom 15. Juli 2005 verglichen mit den
Befunden zur Zeit der Untersuchung durch das Institut I.________ anfangs 2008,
durch die Klinik K.________ im Jahr 2012 und durch Dr. phil. G.________ im Jahr
2013 unbestrittenermassen noch wesentlich ausgeprägter waren. Es ist mit dem
Versicherten einig zu gehen, dass ein Zusammenhang zwischen dem Nichtbestehen
des Assessments und den unfallbedingten Einschränkungen aber auch dann nicht zu
negieren wäre, wenn mit der Vorinstanz vom Gesundheitszustand ausgegangen
würde, wie er im Bericht des Instituts I.________ vom 22. Januar 2008
beschrieben wird. Anlässlich der neuropsychologischen Untersuchung vom 14.
Januar 2008 wurden unter anderem eine mittelgradig reduzierte
Verarbeitungsgeschwindigkeit und ein mittelgradig reduzierter Antrieb, eine
zeitliche Verzögerung für den Beginn von Arbeiten, ein zusätzlicher Zeitbedarf
für qualitativ gute Leistungen, eine zunehmende Ermüdung, eine deutlich
reduzierte Daueraufmerksamkeit mit Leistungseinbruch, eine diskrete
Verminderung der mentalen Flexibilität, Schwächen im Arbeitsgedächtnis und in
der Arbeitsgeschwindigkeit sowie (anamnestisch) Veränderungen in der
Persönlichkeit und in der affektiven Stimmungslage festgestellt. Diese
Minderleistungen haben sich im Rahmen des Assessments, in welchem die
Kompetenzen in den Bereichen Kommunikation, Kooperation, Überzeugungs- und
Durchsetzungsvermögen, Leistungsmotivation/Engagement und Umgang mit
Informationen/Strukturierungsvermögen getestet wurden, zweifellos im damaligen
Zeitpunkt noch verstärkt negativ ausgewirkt. Es ist davon auszugehen, dass die
neuropsychologischen Defizite unfallkausal zum Nichtbestehen des Assessments
beigetragen haben, nachdem der Versicherte die Aufnahmeprüfung für das
Lehrerseminar bestanden und - vor Eintritt des versicherten Ereignisses - die
obligatorische Schule und die Diplommittelschule erfolgreich abgeschlossen
hatte. Denn es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass dem Versicherte vor dem
Unfall die notwendigen Fähigkeiten für den erfolgreichen Abschluss der
Ausbildung zum Primarlehrer gefehlt hätten. Entgegen der Ansicht des kantonalen
Gerichts spricht auch die von der SUVA protokollierte Aussage der Eltern des
Versicherten, dass dieser schon immer introvertiert gewesen sei und sich nie
gut habe durchsetzen können, nicht per se schon gegen eine Validenkarriere als
Primarlehrer. Diese Angaben sind ohnehin schon deshalb nicht aussagekräftig,
weil sich die Eltern dabei auf einen Vergleich mit dem Bruder des Versicherten
stützten, dessen Persönlichkeitsprofil nicht bekannt ist. Da die Anforderungen
an den massgebenden Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit für eine
Berufskarriere als Primarlehrer beim im Zeitpunkt des Unfalls erst 20-jährigen
Versicherten nicht zu hoch sein dürfen (vgl. E. 4.2.2.1 hiervor), ist daher
davon auszugehen, dass er ohne die Folgen aus dem versicherten Ereignis vom 18.
Februar 2004 Primarlehrer geworden wäre.

5. 
Bisher haben weder das kantonale Gericht noch die SUVA einen
Einkommensvergleich durchgeführt. Deshalb geht die Angelegenheit an die SUVA
zurück, damit sie einen solchen vornehme. Dabei wird sie als Valideneinkommen
den hypothetischen Verdienst als Primarlehrer und als Invalideneinkommen den im
erlernten Beruf als Detailhandelsfachmann erzielten Lohn zu berücksichtigen
haben. Gestützt auf die so ermittelte Erwerbseinbusse wird sie in der Folge
über den Rentenanspruch neu verfügen.

6. 
Die Kosten eines von der versicherten Person veranlassten Gutachtens sind vom
Versicherungsträger dann zu übernehmen, wenn sich der Sachverhalt erst aufgrund
des neu beigebrachten Untersuchungsergebnisses schlüssig feststellen lässt und
dem Unfallversicherer insoweit eine Verletzung der ihm im Rahmen des
Untersuchungsgrundsatzes obliegenden Pflicht zur rechtsgenüglichen
Sachverhaltsabklärung vorzuwerfen ist (RKUV 2004 Nr. U 503 S. 186, U 282/00 E.
5.1). Dies ist vorliegend nicht der Fall (E. 4.1.2 hiervor), so dass dem Antrag
auf Übernahme der Kosten der neuropsychologischen Abklärung durch Dr. phil
G.________ durch die Beschwerdegegnerin - schon aus diesem Grund - nicht
stattzugeben ist.

7. 
Die Rückweisung der Sache an die Unfallversicherung zu erneuter Verfügung (mit
noch offenem Ausgang) gilt für die Frage der Auferlegung der Gerichtskosten wie
auch der Parteientschädigung als vollständiges Obsiegen im Sinne von Art. 66
Abs. 1 sowie Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG, unabhängig davon, ob sie beantragt oder
ob das entsprechende Begehren im Haupt- oder im Eventualantrag gestellt wird (
BGE 132 V 215 E. 6.1 S. 235; Urteil 8C_671/2007 vom 13. Juni 2008 E. 4.1).
Demgemäss sind die Prozesskosten der Beschwerdegegnerin zu überbinden. Ferner
hat sie dem anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer eine Parteientschädigung
auszurichten.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 20. Juni 2014 und der
Einspracheentscheid der SUVA vom 23. September 2013 werden aufgehoben. Die
Sache wird zu neuer Verfügung über den Rentenanspruch an die SUVA
zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3. 
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen.

4. 
Die Sache wird zur Neuverlegung der Parteientschädigung des vorangegangenen
Verfahrens an das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich zurückgewiesen.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 28. April 2015

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Die Gerichtsschreiberin: Berger Götz

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