Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.611/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]          
8C_611/2014 {T 0/2}     

Urteil vom 6. Juli 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Ursprung, Maillard,
Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiberin Riedi Hunold.

Verfahrensbeteiligte
 Familienausgleichskasse scienceindustries, Viaduktstrasse 42, 4051 Basel,
Beschwerdeführerin,

gegen

 A.________,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Familienzulage,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau
vom 5. August 2014.

Sachverhalt:

A. 
Die Familienausgleichskasse scienceindustries (nachfolgend: FAK) richtete
A.________ gestützt auf ihre Anstellung bei der B.________ AG für ihren Sohn
C.________, geboren 1994, Kinder- und Ausbildungszulagen aus. C.________
bestand im Dezember 2013 die Matura und absolvierte im Januar und Februar 2014
im Hinblick auf das gewünschte Medizinstudium ein Pflegepraktikum. Von 10. März
bis 11. Juli 2014 absolvierte er die Rekrutenschule und legte am 4. Juli 2014
die Prüfungen zum Numerus Clausus des Medizinstudiums ab. Mit Verfügung vom 4.
Februar 2014, bestätigt mit Einspracheentscheid vom 11. März 2014, lehnte die
FAK die Ausrichtung von Ausbildungszulagen nach dem 1. März 2014 ab.

B. 
Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau hiess die dagegen erhobene
Beschwerde mit Entscheid vom 5. August 2014 gut, hob die Verfügung vom 4.
Februar 2014 sowie den Einspracheentscheid vom 11. März 2014 auf und
verpflichtete die FAK A.________, für ihren Sohn C._________ ab März 2014
Ausbildungszulagen auszurichten.

C. 
Die FAK führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem
Antrag, es sei der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben und die Verfügung vom
4. Februar 2014 sowie der Einspracheentscheid vom 11. März 2014
wiederherzustellen.
 A.________ enthält sich in ihrer Eingabe vom 23. Oktober 2014 eines Antrags
und teilt mit, ihr Sohn habe die Zulassungsprüfung zum Medizinstudium nicht
bestanden und deshalb am 15. September 2014 das Studium der
Wirtschaftswissenschaften aufgenommen.

D. 
Am 16. Januar 2015 forderte das Bundesgericht das Bundesamt für
Sozialversicherungen (BSV) zu einer Vernehmlassung auf, welche dieses am 20.
Februar 2015 einreichte. Die FAK nahm mit Schreiben vom 10. März 2015 Stellung
zur Eingabe des BSV. A.________ liess sich nicht mehr vernehmen.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG
erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106
Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten
Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine
Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann
sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung
abweisen (vgl. BGE 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Gemäss Art. 42 Abs. 1 BGG ist
die Beschwerde hinreichend zu begründen, andernfalls wird darauf nicht
eingetreten (Art. 108 Abs. 1 lit. b BGG). Das Bundesgericht prüft grundsätzlich
nur die geltend gemachten Rügen; es ist nicht gehalten, wie eine
erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu prüfen,
wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen wurden. Es kann die
Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur
insofern prüfen, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und
begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG).

2. 
Streitig und zu prüfen ist der Anspruch der Beschwerdegegnerin auf
Ausbildungszulagen für ihren Sohn ab März 2014.

3. 
Nach Art. 3 Abs. 1 lit. b des Bundesgesetzes vom 24. März 2006 über die
Familienzulagen (FamZG; SR 836.2) werden Ausbildungszulagen ab Ende des Monats,
in welchem das Kind das 16. Altersjahr vollendet, bis zum Abschluss der
Ausbildung ausgerichtet, längstens jedoch bis zum Ende des Monats, in welchem
das Kind das 25. Altersjahr vollendet. Aus den Materialien zum FamZG ergeben
sich keine Hinweise darauf, wie der Begriff Ausbildung zu verstehen ist (BGE
138 V 286 E. 4.1 S. 288). Art. 1 Abs. 1 der Verordnung vom 31. Oktober 2007
über die Familienzulagen (FamZV; SR 836.21) statuiert, dass ein Anspruch auf
eine Ausbildungszulage für jene Kinder besteht, die eine Ausbildung im Sinne
des Art. 25 Abs. 5 AVHG absolvieren. Art. 25 Abs. 5 Satz 2 AHVG beauftragt den
Bundesrat, den Begriff der Ausbildung zu regeln, was dieser mit den auf den 1.
Januar 2011 in Kraft getretenen Art. 49bis und 49ter der AHVV (SR 831.101)
getan hat. Art. 49ter Abs. 3 AHVV lautet:

Nicht als Unterbrechung im Sinne von Absatz 2 gelten die folgenden Zeiten,
sofern die Ausbildung unmittelbar danach fortgesetzt wird:
a.       übliche unterrichtsfreie Zeiten und Ferien von längstens 4 Monaten;
b.       Militär- und Zivildienst von längstens 5 Monaten;
c.       gesundheits- oder schwangerschaftsbedingte Unterbrüche von
längstens       12 Monaten.
Das Bundesgericht hat in BGE 138 V 286 E. 4.2.2 festgehalten, dass bezüglich
des Begriffs der Ausbildung sowie deren Unterbrechung und Beendigung auf die
Gerichts- und Verwaltungspraxis sowie namentlich die Weisungen des BSV
verwiesen werden kann.

4. 
Die Vorinstanz hat die Beschwerde gutgeheissen mit der Begründung, der Sohn der
Arbeitnehmerin habe seine Ausbildung nicht unterbrochen, da er im
frühestmöglichen Zeitpunkt das Studium aufzunehmen gedenke und sich somit in
der Zeit zwischen Maturität und Beginn des Studiums in Ausbildung befinde.
Daran ändere weder das Praktikum, welches ebenfalls als Ausbildung zähle, noch
der geleistete Militärdienst etwas, da dieser weniger als fünf Monate betragen
habe. Die Vorinstanz stützt sich in ihrer Begründung auf den Kommentar zum
Familienzulagengesetz von Ueli Kieser/Marco Reichmuth (Bundesgesetz über die
Familienzulagen, Praxiskommentar) aus dem Jahr 2010 sowie auf BGE 100 V 164.

5. 
Entgegen der Ansicht der FAK liegt hier kein Abbruch mit Wiederaufnahme der
Ausbildung vor, da das Ausbildungsziel stets klar formuliert und planmässig
sowie bei frühestmöglicher Gelegenheit fortgesetzt worden war (vgl. dazu BGE
138 V 286). Es geht vielmehr um eine Unterbrechung der Ausbildung, so dass sich
die Frage stellt, ob deren Dauer den Anspruch auf Familienzulagen beeinflusst.

6. 
Wie die FAK zu Recht ausführt, ist bezüglich der Ausbildungszulagen zu
berücksichtigen, dass sich mit den am 1. Januar 2011 in Kraft getretenen Art.
49bis f. AHVV die Rechtslage geändert hat, so dass nicht ohne Weiteres auf den
im Jahr 2010 erschienenen Kommentar von Kieser/Reichmuth abgestellt werden kann
(vgl. dazu auch Kieser/Reichmuth, Update zum Kommentar Bundesgesetz über die
Familienzulagen, 2011/3, zu N. 38-60 und 61-74). Die von der Vorinstanz
zitierte Stelle (Kieser/Reichmuth, a.a.O., N. 61 zu Art. 3 FamZG) bezieht sich
denn auch gerade auf eine Rechtslage, die sich zwischenzeitlich geändert hat,
so dass die entsprechenden Aussagen (Andauern des Zulagenanspruchs bei
Unterbrechung der Ausbildung bis zu einem Jahr) nicht mehr zutreffend sind.
Dasselbe gilt für die Rechtsprechung, welche zum Teil durch die neuen
Verordnungsnormen überholt ist. Letzteres gilt insbesondere für zeitlich
bestimmte Voraussetzungen, welche in Widerspruch stehen zum nunmehr geltenden
Recht. Dies trifft etwa auf den von der Vorinstanz erwähnten BGE 100 V 164 zu,
aber auch auf SVR 2011 IV Nr. 45 S. 137 (9C_283/2010) und BGE 138 V 286 (8C_690
/2011), soweit diese Aussagen machen zur Rechtslage vor dem 1. Januar 2011,
welche mit der nunmehr geltenden nicht mehr in Einklang steht (in diesem Sinne
auch Ulrich Meyer/Marco Reichmuth, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung
[IVG], 3. Aufl. 2014, N. 5 zu Art. 35 IVG; vgl. auch Michel Valterio, Droit de
l'assurance-vieillesse et survivants [AVS] et de l'assurance-invalidité [AI],
2011, Rz. 853, wonach die frühere Rechtsprechung nicht mehr vollumfänglich
massgebend ist).

7. 
Soweit das BSV die Lösung darin sieht, dass auf den formellen Beginn des
Semesters am 1. August abgestellt wird, welcher nicht identisch ist mit dem
jeweiligen Beginn der Vorlesungen Mitte September, kann ihm nicht gefolgt
werden.
Der Begriff der "unterrichtsfreie (n) Zeit" in Art. 49ter Abs. 3 lit. a AHVV
ist nach dem klaren Wortlaut dahingehend zu verstehen, dass er jene Zeit des
Jahres betrifft, in welchem kein Unterricht - also bei den Hochschulen keine
Vorlesungen - erfolgt. Wenn dazu aber auf die formellen Daten des Semesters
abgestellt würde, wie es das BSV vertritt, dann gäbe es gar keine
"unterrichtsfreie Zeit" mehr, da dem formell am 31. Januar endenden
Herbstsemester nahtlos das am 1. Februar beginnende Frühlingssemester bzw. dem
formell am 31. Juli endenden Frühlingssemester nahtlos das am 1. August
beginnende Herbstsemester folgt. Art. 49ter Abs. 3 lit. a AHVV wäre bei dieser
Auffassung der Norm grössten Teils ohne Sinn und Zweck.
Zudem erreicht in aller Regel in der Zeit vor Beginn der Vorlesungen - gerade
bei Aufnahme eines neuen Studiums - der zeitliche Aufwand nicht das geforderte
Ausmass von mindestens 20 Wochenstunden (vgl. dazu Rz. 3359 der Wegleitung über
die Renten [RWL] in Verbindung mit Rz. 205 f. der Wegleitung zum Bundesgesetz
über die Familienzulagen FamZG [FamZWL]), so dass in dieser Zeitspanne keine
Ausbildung vorliegt.

8.

8.1. Das Pflegepraktikum im Januar und Februar 2014 wird von der FAK als
Ausbildung anerkannt; sie hat für diese beiden Monate denn auch Familienzulagen
ausgerichtet. Streitig ist die Zeit danach bis zur Aufnahme des Studiums (1.
März bis 15. September 2014). Diese Zeitspanne beträgt demnach 6 1/2 Monate.
Damit ist sowohl die zulässige Höchstdauer nach lit. a wie auch nach lit. b von
Art. 49ter Abs. 3 AHVV überschritten (vgl. dazu auch Valterio, a.a.O., Rz. 863
f.). Zu prüfen bleibt die allenfalls kumulative Anwendung der in Art. 49ter
Abs. 3 lit. a und b AHVV genannten Tatbestände.

8.2. Art. 25 Abs. 5 AHVG entspricht praktisch wortwörtlich dem bereits im
bundesrätlichen Entwurf enthaltenen Art. 25 Abs. 3 AHVG. Demnach sollten dem
Bundesrat zusätzlich zu seinen üblichen Verordnungskompetenzen u.a. zur
Konkretisierung des Begriffs "Ausbildung" nach Art. 25 AHVG
Rechtssetzungsbefugnisse delegiert werden (Botschaft des Bundesrates vom 5.
März 1990 über die zehnte Revision der Alters- und Hinterlassenenversicherung,
BBl 1990 II 1, 130      [Ziff. 92 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen]). Im
Rahmen der Kommissions- und parlamentarischen Beratungen gab diese Delegation
von Rechtsetzungsbefugnissen zu keinerlei Nachfragen oder Diskussionen Anlass
(vgl. etwa AB 1991 S 273, AB 1993 N 253 oder    AB 1994 S 596), auch nicht als
seitens der Verwaltung erklärt wurde, die Gerichtspraxis definiere den Begriff
"Ausbildung" sehr weitgehend und nicht immer kohärent, weshalb dem Bundesrat
die Kompetenz zur Regelung dieses Begriffs übertragen werden solle (Protokoll
der erweiterten Kommission für soziale Sicherheit des Nationalrates vom 7.-9.
September 1992 S. 11). Bei den gestützt auf Art. 25 Abs. 5 AHVG erlassenen Art.
49bis und 49ter AHVV handelt es sich demnach um unselbstständige
Verordnungsnormen im Sinne von gesetzesvertretenden Bestimmungen und nicht
bloss um Vollziehungsverordnungsbestimmungen (vgl. zu den Begriffen
"unselbstständige Verordnung" und "gesetzesvertretende Verordnung" etwa Pierre
Tschannen, Staatsrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft, 3. Aufl. 2011, §
46 Rz. 10 ff. und 22 ff., Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht,
6. Aufl. 2010, Rz. 135 ff., 150 und 404 ff., Auer/Malinverni/Hottelier, Droit
constitutionnel suisse, Band I, 3. Aufl. 2013,    Rz. 1607 ff., v.a. Rz. 1614
f.). Damit kommt dem Bundesrat bezüglich der Definition des Begriffes
"Ausbildung" ein grosser Gestaltungsspielraum zu.

8.3. Das Bundesgericht kann Verordnungen des Bundesrates vorfrageweise auf ihre
Gesetz- und Verfassungsmässigkeit prüfen. Bei unselbständigen Verordnungen, die
sich auf eine gesetzliche Delegation stützen, prüft es, ob sich der Bundesrat
an die Grenzen der ihm im Gesetz eingeräumten Befugnisse gehalten hat. Soweit
das Gesetz den Bundesrat nicht ermächtigt, von der Verfassung abzuweichen,
befindet das Gericht auch über die Verfassungsmässigkeit der unselbständigen
Verordnung. Wird dem Bundesrat durch die gesetzliche Delegation ein sehr weiter
Ermessensspielraum für die Regelung auf Verordnungsstufe eingeräumt, so ist
dieser Spielraum nach Art. 190 BV (Fassung gemäss Justizreform, vormals Art.
191 BV) für das Bundesgericht verbindlich; es darf in diesem Falle bei der
Überprüfung der Verordnung nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle desjenigen
des Bundesrates setzen, sondern es beschränkt sich auf die Prüfung, ob die
Verordnung den Rahmen der dem Bundesrat im Gesetz delegierten Kompetenzen
offensichtlich sprengt oder aus anderen Gründen gesetz- oder verfassungswidrig
ist. Es kann dabei namentlich prüfen, ob sich eine Verordnungsbestimmung auf
ernsthafte Gründe stützen lässt oder ob sie Art. 9 BV widerspricht, weil sie
sinn- und zwecklos ist, rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein
vernünftiger Grund in den tatsächlichen Verhältnissen nicht ersichtlich ist,
oder Unterscheidungen unterlässt, die richtigerweise hätten getroffen werden
müssen. Für die Zweckmässigkeit der angeordneten Massnahme trägt der Bundesrat
die Verantwortung; es ist nicht Aufgabe des Bundesgerichts, sich zu deren
wirtschaftlichen oder politischen Sachgerechtigkeit zu äussern (BGE 136 II 337
E. 5.1 S. 348; 133 V 569 E. 5.1 S. 570; vgl. auch BGE 133 V 42 E. 3.1 S. 44).

8.4. Dass eine kumulative Anwendung von lit. a und lit. b von Art. 49ter Abs. 3
AHVV zulässig wäre, ist weder der Begründung im angefochtenen Entscheid zu
entnehmen noch ergibt sich dies aus dem Verordnungstext. Vielmehr führt das BSV
in den Erläuterungen vom 22. Oktober 2010 zu den vom Bundesrat neu geschaffenen
Art. 49bis und 49ter AHVV aus, dass in Bezug auf die Leistung von Militär- und
Zivildienst angesichts der finanziellen Abgeltungen für den geleisteten Dienst
eine restriktivere Praxis gelte, sodass eine am Stück absolvierte
Rekrutenschule nur noch ausnahmsweise als Ausbildungszeit gelte (vgl.  http://
www.bsv.admin.ch/themen/ahv/00016/index.html?lang=de ). Es verweist dazu
insbesondere auf die während absolvierten Dienstzeiten erhaltenen Sold- und
Erwerbsersatzgelder, welche eine nicht unbeachtliche Höhe erreichen würden, so
dass eine weitere Ausrichtung von Leistungen nicht gerechtfertigt sei. Zudem
gelte die Zeit zwischen Absolvierung der gymnasialen Matura und
Vorlesungsbeginn an der Universität nur noch dann als Ausbildungszeit, wenn
diese nicht länger als vier Monate daure. Abschliessend hält das BSV fest, mit
dieser Bestimmung (Art. 49ter Abs. 3 AHVV) sollten die "bezahlten"
Ausbildungsunterbrüche auf die objektiv notwendigen eingegrenzt werden. Damit
beruft sich die Exekutive auf einen ernsthaften und sachlichen Grund. Dass
diese Regelung sinn- oder zwecklos ist oder dabei Unterscheidungen getroffen
werden, für welche kein vernünftiger Grund vorliegt, ist weder ersichtlich noch
wird Entsprechendes geltend gemacht (Art. 106 Abs. 2 BGG). So kann nicht gesagt
werden, dass eine rechtsungleiche Behandlung vorliegt, indem Studierende, bei
welchen mehrere Unterbrechungsgründe vorliegen, im Gegensatz zu jenen, bei
welchen nur ein kurzer Unterbruch gegeben ist, nicht für die gesamte Zeit
Zulagen ausgerichtet werden. Denn bei der Dauer des Unterbruchs handelt es sich
um ein objektives Unterscheidungsmerkmal und damit um einen sachlichen Grund,
weshalb weder eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebots von Art. 8 Abs. 1 BV
noch des Willkürverbots nach Art. 9 BV vorliegt. Vielmehr führt die kumulative
Anwendung von Art. 49ter Abs. 3 lit. a und b AHVV zu einem willkürlichen
Ergebnis, indem während einer doppelt so langen Zeit wie bei Berücksichtigung
eines einzelnen Grundes ein Anspruch auf Ausbildungszulagen begründet werden
könnte, obwohl in dieser Zeit nicht ein einziger Tag der Ausbildung gewidmet
ist; inwiefern dadurch der Zweck der Ausbildungszulagen, nämlich die Förderung
der Ausbildung durch einen teilweisen Beitrag an die Lebenshaltungskosten (vgl.
Art. 2 FamZG) verwirklicht wird, ist nicht ersichtlich. Insofern liefe eine
kumulative Berücksichtigung der Unterbrechungsgründe den Intentionen des
Gesetz- und Verordnungsgebers zuwider. Zudem hätten die
Familienausgleichskassen bei längeren Dienstzeiten stets zu prüfen, ob die
ausbezahlten Gelder nicht den zulässigen Einkommensbetrag von Art. 49bis Abs. 3
AHVV überschreiten. Die vom Verordnungsgeber statuierte nicht kumulative
Anwendung bewegt sich somit innerhalb des in der Delegationsnorm eröffneten
grossen Gestaltungsspielraumes (vgl. E. 8.2) und ist deshalb im Rahmen der
zulässigen Prüfung (vgl. E. 8.3) nicht zu beanstanden. Die FAK hat demnach zu
Recht den Anspruch auf Ausbildungszulagen für die Zeit vom 1. März 2014 bis zur
Aufnahme des Studiums verneint. Der kantonale Entscheid ist aufzuheben.

9. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig. Die unterliegende Beschwerdegegnerin hat die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die FAK hat keinen Anspruch auf
eine Parteientschädigung, da sie im Rahmen ihres amtlichen Wirkungskreises
tätig war (Art. 68 Abs. 3 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Versicherungsgerichts des
Kantons Aargau vom 5. August 2014 wird aufgehoben und der Einspracheentscheid
der Familienausgleichskasse science-industries vom 11. März 2014 bestätigt.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3. 
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten des vorangegangenen Verfahrens an
das Versicherungsgericht des Kantons Aargau zurückgewiesen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 6. Juli 2015

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Die Gerichtsschreiberin: Riedi Hunold

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