Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.600/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 1/2}
                   
8C_600/2014

Urteil vom 27. März 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Ursprung, Frésard, Maillard, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiberin Kopp Käch.

Verfahrensbeteiligte
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA),
Beschwerdeführerin,

gegen

1.       Basler Versicherung AG,
       vertreten durch Advokat Prof. Dr. Pascal Grolimund,
2.       Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel (UPK),
       vertreten durch Advokat Prof. Dr. Felix Uhlmann,

Beschwerdegegnerinnen.

Gegenstand
Unfallversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Juni 2014.

Sachverhalt:

A.

A.a. Gestützt auf das Gesetz über die öffentlichen Spitäler des Kantons
Basel-Stadt (Öffentliche Spitäler-Gesetz, ÖSpG) vom 16. Februar 2011 wurden die
Universitären Psychiatrischen Kliniken (nachfolgend: UPK), das Felix
Platter-Spital sowie das Universitätsspital Basel, welche als Dienststellen des
Kantons geführt worden und dadurch bei der Schweizerischen
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) unfallversichert gewesen waren, per 1. Januar
2012 in öffentlich-rechtliche Anstalten des Kantons überführt. Im Rahmen dieser
Neuorganisation des Spitalwesens schrieben die drei Spitäler am 4. August und
10. September 2011 die obligatorische Unfallversicherung im Kantonsblatt aus.
An der Submission beteiligten sich die SUVA sowie
Privatversicherungsunternehmen, wobei die SUVA ein Wahlrecht der Spitäler in
Abrede gestellt und ihre Offerte unter Vorbehalt der Wirksamkeit des Wahlrechts
abgegeben hatte. Mit Verfügung vom 14. November 2011 wurde die SUVA von der
Ausschreibung ausgeschlossen und mit Schreiben vom 24. November 2011 wurde ihr
mitgeteilt, dass der Zuschlag betreffend UPK an die Basler
Versicherungs-Gesellschaft (nachfolgend: Basler) gegangen sei. Die SUVA erhob
gegen beides Rekurs beim Appellationsgericht Basel-Stadt; das Verfahren ist
derzeit sistiert.

A.b. Mit Verfügung vom 24. November 2011 verneinte die SUVA ein Wahlrecht der
UPK betreffend Unfallversicherer, bestätigte die unveränderte Zuständigkeit der
SUVA für die obligatorische Unfallversicherung des Personals der UPK und legte
die Prämiensätze für die Berufs- und Nichtberufsunfallversicherung für das Jahr
2012 fest. Im Rahmen des Einspracheverfahrens gab die SUVA der beantragten
Beiladung der Basler ohne Präjudiz statt und wies die Einsprache mit Entscheid
vom 27. Juli 2012 ab.

B. 
Beschwerdeweise liessen die Basler und die UPK die Aufhebung des
Einspracheentscheids der SUVA vom 27. Juli 2012 beantragen und u.a. ein
Rechtsgutachten des PD Dr. iur. Ueli Kieser vom 9. Dezember 2011 auflegen. Das
Bundesverwaltungsgericht vereinigte die beiden Verfahren. M it Entscheid vom
13. Juni 2014 hiess es die Beschwerden, soweit es darauf eintrat, im Sinne der
Erwägungen gut und hob den angefochtenen Einspracheentscheid vom 27. Juli 2012
auf.

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die SUVA,
Ziffer 1 des Erkanntnisses des Entscheids des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.
Juni 2014 sei aufzuheben, soweit die Vorinstanz auf die Beschwerden eingetreten
sei und diese gutgeheissen habe; die Ziffern 2 und 3 seien aufzuheben.

Die UPK lassen auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei, und
auf Bestätigung des vorinstanzlichen Entscheids schliessen; sie lassen u.a. ein
aktualisiertes Gutachten des Prof. Dr. iur. Ueli Kieser zur Auslegung von Art.
98 UVV vom 9. Oktober 2014 auflegen. Die Basler lässt die Abweisung der
Beschwerde beantragen. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) spricht sich in
seiner Vernehmlassung im Wesentlichen für die Gesetzmässigkeit von Art. 98 Abs.
2- 4 UVV aus, verneint jedoch aus unfallversicherungsrechtlicher Sicht das
Vorliegen einer neu geschaffenen Verwaltungs- und Betriebseinheit im Sinne von
Art. 98 Abs. 2 UVV und somit eines Wahlrechts betreffend Unfallversicherer. Die
UPK lassen zur Vernehmlassung des BAG Stellung nehmen und unter Beilage eines
ergänzenden Kurzgutachtens des Prof. Dr. iur. Ueli Kieser vom 20. Januar 2015
an ihrem Standpunkt festhalten.

Erwägungen:

1.

1.1. Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die (weiteren)
Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen und mit freier Kognition (Art. 29
Abs. 1 BGG; BGE 139 V 42 E. 1 S. 44 mit Hinweisen).

1.2. Soweit die Beschwerdegegnerin 2 Nichteintreten auf die Beschwerde mangels
Beschwerdelegitimation der SUVA bzw. mangels Substantiierung des schutzwürdigen
Interesses durch die SUVA beantragt, ist dies unbegründet. Abgesehen davon,
dass die Sachurteilsvoraussetzungen von Amtes wegen zu prüfen sind, erfüllt die
Beschwerdeführerin die Voraussetzungen von Art. 89 Abs. 1 BGG. Sie hat am
vorinstanzlichen Verfahren als Partei teilgenommen, ist durch den angefochtenen
Entscheid besonders berührt und ihr schutzwürdiges Interesse an dessen
Aufhebung ist offensichtlich. Da auch die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind,
ist auf die Beschwerde einzutreten.

2.

2.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG)
kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das
Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann eine - für den Ausgang des
Verfahrens entscheidende (vgl. Art. 97 Abs. 1 BGG) - Sachverhaltsfeststellung
von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht
(Art. 105 Abs. 2 BGG). Es wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG), prüft indessen - unter Beachtung der allgemeinen Begründungspflicht in
Beschwerdeverfahren (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) - grundsätzlich nur die geltend
gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich
sind (BGE 138 I 274 E. 1.6 S. 280 mit Hinweisen).

2.2. Gemäss Art. 99 Abs. 1 BGG sind Noven im letztinstanzlichen Verfahren
grundsätzlich unzulässig. Entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin 2
fallen die von der Beschwerdeführerin eingereichten Materialien nicht unter
diese Bestimmung, erfolgt doch deren Berücksichtigung durch das Bundesgericht
im Rahmen der Rechtsanwendung von Amtes wegen. Bezüglich der neu aufgelegten
Jahresrechnungen der UPK 2007 bis 2011 braucht auf die Frage nicht näher
eingegangen zu werden, da darauf ohnehin nicht abgestellt wird.

3. 
Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzt hat, indem
sie in Aufhebung des Einspracheentscheids der SUVA vom 27. Juli 2012 die
Berechtigung der UPK zur Neuwahl des Unfallversicherers aufgrund der per 1.
Januar 2012 erfolgten Umwandlung von einer Dienststelle des Kantons Basel-Stadt
in eine öffentlich-rechtliche Anstalt mit eigener Rechtspersönlichkeit
anerkannte. Nicht Streitgegenstand des Verfahrens bilden - wie bereits vor
Bundesverwaltungsgericht - die Höhe der von der SUVA verfügten Prämiensätze
sowie die Fragen betreffend die Belange des öffentlichen
Ausschreibungsverfahrens und der Vergabe.

4. 
Das Wahlrecht der öffentlichen Verwaltungen ist in Art. 75 UVG geregelt.
Demgemäss können Kantone, Bezirke, Kreise, Gemeinden und andere
öffentlich-rechtliche Körperschaften für die Versicherung ihres Personals, das
nicht bereits bei der SUVA versichert ist, innert einer vom Bundesrat
festzusetzenden Frist zwischen der SUVA und einem Versicherer nach Art. 68 UVG
wählen (Abs. 1). Verwaltungen und Betriebe, die eine Einheit bilden, werden
beim gleichen Versicherer versichert (Abs. 2). In Art. 98 UVV hat der Bundesrat
dazu festgelegt, dass Zweige der öffentlichen Verwaltungen und öffentliche
Betriebe je eine Einheit bilden, wenn sie organisatorisch selbstständig sind.
Solche Einheiten müssen beim gleichen Versicherer versichert werden (Abs. 1).
Neu geschaffene Verwaltungs- und Betriebseinheiten müssen die Wahl des
Versicherers spätestens einen Monat vor der Aufnahme der Tätigkeit treffen. Den
Vertretern der Arbeitnehmer ist ein Mitbestimmungsrecht einzuräumen (Abs. 2).
Übt eine öffentliche Verwaltung das Wahlrecht nicht rechtzeitig aus, so sind
ihre Arbeitnehmer bei der SUVA versichert (Abs. 3). Gemäss Art. 98 Abs. 4 UVV
üben die öffentlichen Verwaltungen ihr Wahlrecht aus, indem sie dem gewählten
Versicherer einen schriftlichen Versicherungsantrag unter Angabe der davon
betroffenen Verwaltungs- und Betriebseinheiten zustellen.

5.

5.1. Das Bundesverwaltungsgericht hat zunächst erwogen, Art. 75 UVG habe nicht
bloss eine intertemporalrechtliche Bedeutung für das Wahlrecht vor
Inkrafttreten des UVG gehabt und sei damit nicht obsolet geworden. Die in Art.
75 Abs. 1 UVG normierte Delegation an den Bundesrat - so die Vorinstanz - sei
verfassungsmässig nicht ausgeschlossen und die Voraussetzungen zur Zulässigkeit
der Gesetzesdelegation seien erfüllt. Die gestützt darauf erlassene
Verordnungsvorschrift von Art. 98 UVV falle nicht aus dem Rahmen der dem
Bundesrat delegierten Kompetenzen und erweise sich daher weder als gesetzwidrig
noch als rechtsungleich oder willkürlich.

5.2. Soweit die Beschwerdeführerin Art. 75 UVG lediglich eine
intertemporalrechtliche Bedeutung zuerkennt und daher das Vorliegen einer
ausreichenden Delegationsnorm für Art. 98 UVV bestreitet, ist Art. 75 UVG einer
Auslegung zu unterziehen.

5.2.1. Ausgangspunkt jeder Auslegung bildet der Wortlaut der massgeblichen
Norm. Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Interpretationen
möglich, so muss nach der wahren Tragweite der Bestimmung gesucht werden, wobei
alle Auslegungselemente zu berücksichtigen sind (Methodenpluralismus). Dabei
kommt es namentlich auf den Zweck der Regelung, die dem Text zugrunde liegenden
Wertungen sowie auf den Sinnzusammenhang an, in dem die Norm steht. Die
Entstehungsgeschichte ist zwar nicht unmittelbar entscheidend, dient aber als
Hilfsmittel, um den Sinn der Norm zu erkennen. Namentlich zur Auslegung neuerer
Texte, die noch auf wenig veränderte Umstände und ein kaum gewandeltes
Rechtsverständnis treffen, kommt den Materialien eine besondere Bedeutung zu.
Vom Wortlaut darf abgewichen werden, wenn triftige Gründe dafür bestehen, dass
er nicht den wahren Sinn der Regelung wiedergibt. Sind mehrere Auslegungen
möglich, ist jene zu wählen, die der Verfassung am besten entspricht.
Allerdings findet auch eine verfassungskonforme Auslegung ihre Grenzen im
klaren Wortlaut und Sinn einer Gesetzesbestimmung (BGE 138 II 440 E. 13 S. 453,
557 E. 7.1 S. 565; 138 IV 232 E. 3 S. 234; 138 V 17 E. 4.2 S. 20; 137 III 217
E. 2.4.1 S. 221).

5.2.2. Die intertemporalrechtliche Bedeutung des Art. 75 Abs. 1 UVG ist
offensichtlich und unbestritten. So wollte der Gesetzgeber bei der Ausarbeitung
des UVG den Besitzstand der SUVA wahren, gleichzeitig jedoch der Autonomie der
öffentlich-rechtlichen Körperschaften soweit als möglich Rechnung tragen und
den privaten Versicherungsgesellschaften ermöglichen, ihre Tätigkeit
weiterzuführen und den neuen gesetzlichen Bestimmungen anzupassen (vgl.
Botschaft des Bundesrates zum Bundesgesetz über die Unfallversicherung vom 18.
August 1976, BBl 1976 III 176 f. und 212; RKUV 1989 Nr. U 77 S. 348, U 54/87 E.
2c und 3a). Mit Art. 75 UVG räumte er daher den Kantonen, Bezirken, Kreisen,
Gemeinden und anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften das Recht ein, für
die Versicherung ihres Personals, das nicht bereits bei der SUVA versichert
war, innert einer vom Bundesrat festzusetzenden Frist zwischen der SUVA und
einem Versicherer nach Art. 68 UVG zu wählen (Abs. 1); das Wahlrecht war so
auszuüben, dass Verwaltungen und Betriebe, die eine Einheit bilden, beim
gleichen Versicherer versichert werden (Abs. 2). In der Verordnung vom 20.
September 1982 über die Inkraftsetzung und Einführung des UVG, mit welcher die
vorgenannte Gesetzesbestimmung auf den 1. Oktober 1982 in Kraft gesetzt wurde
(Art. 1 Abs. 2), hat der Bundesrat die Frist zur Ausübung des Wahlrechts bis
zum 31. Oktober 1983 festgelegt (Art. 3 Abs. 1); bei nicht rechtzeitiger
Ausübung des Wahlrechts waren die Arbeitnehmer der öffentlichen Verwaltungen
bei der SUVA versichert (Art. 3 Abs. 5). Dieses einmalige Wahlrecht betraf
somit nur die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des UVG bereits bestehenden
öffentlichen Verwaltungen.

5.2.3. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin kann sich der Inhalt von
Art. 75 UVG jedoch nicht nur auf die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens
bestehenden öffentlichen Verwaltungen beschränken, sondern delegiert diese
Bestimmung auch eine Regelungskompetenz für neue, nach Inkraftsetzung des UVG
geschaffene öffentliche Verwaltungen. Dies ergibt sich - wie das
Bundesverwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat - bereits aus der
systematischen Stellung von Art. 75 UVG unter den gemeinsamen Vorschriften (5.
Abschnitt) und nicht in den Schluss- und Übergangsbestimmungen. Zudem ist die
Möglichkeit organisatorischer Veränderungen von Gemeinwesen in Art. 75 Abs. 2
UVG zwingend enthalten, zeigt doch diese Bestimmung, dass ein Gemeinwesen nicht
bloss aus einer Verwaltungs- oder Betriebseinheit bestehen und nicht
unverändert bleiben muss. Dementsprechend wurde im Kommentar des
Eidgenössischen Departements des Innern vom 22. November 1982 zum
Verordnungsentwurf ausgeführt, in der UVV bleibe nur noch die Wahlfrist für
nach Inkrafttreten des Gesetzes geschaffene öffentliche Verwaltungen zu
bestimmen. Die Modalitäten des Wahlrechts solcher neu geschaffener Verwaltungs-
und Betriebseinheiten hat der Bundesrat in Art. 98 Abs. 2-4 UVV geregelt. Die
Regelung des Wahlrechts von nach dem Inkraftsetzen des UVG geschaffenen
öffentlichen Verwaltungen war erforderlich, um das rechtmässige Funktionieren
des UVG zu garantieren. Eine andere Auslegung von Art. 75 UVG hätte - wie das
BAG in seiner Vernehmlassung aufzeigt - zur Folge, dass alle neu geschaffenen
öffentlichen Verwaltungen kein Wahlrecht ausüben könnten und somit Unklarheit
bezüglich des UVG-Versicherers bestünde, was nicht dem Willen des Gesetzgebers
entsprechen kann.

5.2.4. Inwiefern dieses Verständnis von Art. 75 UVG mit Art. 76 UVG in
Widerspruch stehen sollte - wie dies die Beschwerdeführerin geltend macht - ist
nicht ersichtlich, befasst sich doch Art. 76 UVG mit der Frage der periodisch
vorzunehmenden Überprüfung der festen Zuteilung bestimmter Betriebs- und
Berufskategorien sowie einer allfälligen Neuzuteilung und nicht mit der Frage
des Wahlrechts von im Zuge der Dezentralisation oder Ausgliederung neu
geschaffener Verwaltungs- und Betriebseinheiten.

5.3. Die in Art. 98 UVV erfolgte Regelung des Wahlrechts der öffentlichen
Verwaltungen und öffentlichen Betriebe, namentlich der neu geschaffenen
Verwaltungs- und Betriebseinheiten, liegt innerhalb des gesetzlichen
abgesteckten Kompetenzrahmens und ist daher gesetzmässig und anwendbar. Neu
geschaffenen Verwaltungs- und Betriebseinheiten steht somit ein einmaliges
Wahlrecht des Unfallversicherers zu, welches spätestens einen Monat vor
Aufnahme der Tätigkeit getroffen werden muss.

5.4. Auf das Vorbringen der UPK, die SUVA sei zur Rüge der Gesetzwidrigkeit
einer Verordnungsbestimmung gar nicht berechtigt, braucht bei diesem Ergebnis
nicht weiter eingegangen zu werden.

6. 
Zu prüfen ist demzufolge, ob die UPK durch die per 1. Januar 2012 erfolgte
Umwandlung von einer Dienststelle des Kantons Basel-Stadt in eine
öffentlich-rechtliche Anstalt mit eigener Rechtspersönlichkeit aus
unfallversicherungsrechtlicher Sicht als neu geschaffene Verwaltungs- und
Betriebseinheit im Sinne von Art. 98 Abs. 2 UVV gilt.

6.1. Das Bundesverwaltungsgericht hat unter Hinweis auf die Bestimmungen des am
1. Januar 2012 in Kraft getretenen Gesetzes über die öffentlichen Spitäler des
Kantons Basel-Stadt dargelegt, dass die Voraussetzung der organisatorischen
Selbstständigkeit der UPK gemäss Art. 98 Abs. 1 UVV erfüllt sei, die UPK als
neu geschaffene Einheit zu gelten haben und ihnen daher ein Wahlrecht des
Unfallversicherers zustehe. Die SUVA und das BAG bestreiten das Vorliegen eines
Wahlrechts und stellen sich im Wesentlichen auf den Standpunkt, die UPK hätten
bereits vor dem 1. Januar 2012 eine organisatorisch selbstständige Einheit
gebildet; das BAG sieht das entscheidende Kriterium für die Bejahung einer neu
geschaffenen Verwaltungs- und Betriebseinheit im Sinne von Art. 98 Abs. 2 UVV
in der Einführung einer eigenen Rechnung als neues Element. Demgegenüber
bejahen die UPK und die Basler ein Wahlrecht gestützt auf die per 1. Januar
2012 erfolgte Verselbstständigung der UPK.

6.2. Gemäss Art. 98 Abs. 1 UVV bilden Zweige der öffentlichen Verwaltungen und
öffentliche Betriebe je eine Einheit, wenn sie organisatorisch selbstständig
sind, wobei solche Einheiten beim gleichen Versicherer versichert werden. Neu
geschaffene Verwaltungs- und Betriebseinheiten müssen die Wahl des Versicherers
gemäss Art. 98 Abs. 2 UVV spätestens einen Monat vor der Aufnahme der Tätigkeit
treffen.

6.2.1. Zur Bedeutung von "organisatorisch selbstständig", sind - wie das BAG in
seiner Vernehmlassung aufgezeigt hat - zunächst die Materialien beizuziehen. Im
Vorentwurf zur UVV vom 4. September 1980 wurde in Art. 95 Abs. 1-5 UVV unter
dem Titel "Wahlrecht der öffentlich-rechtlichen Körperschaften" die Ausübung
des Wahlrechts gemäss Art. 75 UVG präzisiert. Art. 96 UVV sah unter dem Titel
"Betriebs- und Verwaltungseinheiten" vor, dass Zweige der Verwaltung einer
öffentlich-rechtlichen Körperschaft, die betriebswirtschaftlich selbstständig
sind und eine eigene Rechnung führen, als Betriebseinheit gelten, wohingegen
die übrige Verwaltung der Körperschaft eine Verwaltungseinheit bildet. Diese
Bestimmung wurde anlässlich der Debatte der Expertenkommission vom 23.
September 1980 im Nachgang zur 1. Lesung angenommen. Anlässlich der Debatte vom
29./30. April 1981 im Nachgang zur 2. Lesung wurden bezüglich Art. 96 UVV keine
Bemerkungen angebracht, wobei im darauffolgenden Vorentwurf aus den Art. 95 und
96 UVV die Art. 96 und 97 UVV wurden. Im Verordnungsentwurf vom Februar 1982
erfolgte die Regelung des Wahlrechts in Art. 96 UVV unter dem Titel "Wahlrecht
der öffentlichen Verwaltungen". Unter dem Titel "Verwaltungs- und
Betriebseinheiten" wurde neu in Art. 97 UVV vorgesehen, dass öffentliche
Verwaltungen und öffentliche Betriebe, die organisatorisch selbstständig sind
und eine eigene Rechnung führen, eine Einheit bilden und beim gleichen
Versicherer versichert werden. Anlässlich der Debatte der Expertenkommission
vom 29./30. März 1982 im Nachgang zur 3. Lesung zu Art. 97 UVV äusserte sich
der damalige Vizedirektor des Bundesamtes für Sozialversicherungen zum
Verhältnis von Art. 66 Abs. 1 lit. q und Art. 75 UVG. Er führte aus, Art. 66
Abs. 1 lit. q UVG stelle eine Sonderregel dar, hingegen gewähre Art. 75 UVG dem
übrigen Bereich der Verwaltung ein Wahlrecht. So könnten denn Spitäler oder
andere Betriebe der Verwaltung diese Wahl treffen. Art. 97 UVV sei durchaus
notwendig, da darin der im Gesetz verwendete Begriff der Einheit, die je zur
SUVA oder zu den anderen Versicherern gehen könne, näher umschrieben werde. Der
Verordnungstext - so der Votant - könnte allenfalls noch etwas verdeutlicht
werden, indem präzisiert werde, dass von Zweigen der öffentlichen Verwaltung
die Rede sei. Dem Kommentar des Eidgenössischen Departements des Innern vom 22.
November 1982 zum Verordnungsentwurf kann schliesslich entnommen werden, dass
die bisherigen Art. 96 und 97 UVV neu in Art. 98 UVV in der heutigen Fassung
unter dem Titel "Wahlrecht der öffentlichen Verwaltungen" zusammengefasst
worden sind.

6.2.2. Das Bundesverwaltungsgericht hat sodann zur Ergänzung und Verdeutlichung
des Wortlauts von Art. 98 Abs. 1 und 2 UVV auf zwei bundesrätliche Antworten zu
Interpellationen verwiesen. So hielt der Bundesrat in seiner Antwort vom 6.
Juni 2011 auf die Interpellation Miesch im Zusammenhang mit dem Wahlrecht
bezüglich Unfallversicherer und der Teilnahme der SUVA an öffentlichen
Ausschreibungen fest, dass diejenigen Verwaltungen, die ihr Wahlrecht gemäss
Art. 75 UVG bei Inkrafttreten des UVG ausgeübt hätten, nicht ein zweites Mal
zwischen der SUVA und einem Privatversicherer wählen könnten. Durch
Gemeindefusionen könnten jedoch neue Einheiten entstehen, die noch nie eine
Wahl getroffen hätten. Bei neuen Einheiten, die ihre einmalige Wahl noch nicht
getroffen hätten, könne somit auch die SUVA eine Offerte für die obligatorische
Unfallversicherung derjenigen Arbeitnehmer einreichen, welche nicht bereits
obligatorisch bei der SUVA versichert seien (vgl. Antwort des Bundesrates vom
6. Juni 2011 auf die Interpellation Nr. 11.3159 von Christian Miesch betreffend
"Änderungen des Prämientarifs der SUVA" [abrufbar unter
parlament.ch:Dokumentation/Curia Vista]). Auf die Interpellation Stahl im
Zusammenhang mit der Teilnahme der SUVA an öffentlichen Ausschreibungen
antwortete der Bundesrat am 22. Februar 2012 dahingehend, dass eine öffentliche
Verwaltung dann als neue Einheit gelte, wenn sie als organisatorisch
selbstständige Einheit mit eigener Rechnung neu geschaffen worden sei.
Organisatorisch selbstständig sei eine Verwaltungseinheit nach den Materialien
zur Verordnung namentlich dann, wenn sie eine eigene Rechnung führe. Nicht
erforderlich sei, dass die neue Verwaltungseinheit eine Tätigkeit aufnehme, die
vorher nicht wahrgenommen worden sei (vgl. Antwort des Bundesrates vom 22.
Februar 2012 auf die Interpellation Nr. 11.4139 von Jürg Stahl betreffend
"Teilnahme der SUVA an öffentlichen Ausschreibungen" [abrufbar unter
parlament.ch:Dokumentation/Curia Vista]).

6.2.3. Aus den obigen Erwägungen geht - wie das BAG zu Recht ausführt - hervor,
dass der Verordnungsgeber die organisatorische Selbstständigkeit einer
Verwaltungs- oder Betriebseinheit in engen Zusammenhang mit der eigenen
Rechnungsführung stellt, auch wenn letztere im Art. 98 Abs. 1 UVV nicht
ausdrücklich erwähnt ist. Gemeint sind effektiv neu geschaffene Einheiten.

6.3. Die mit Inkraftsetzung des ÖSpG per 1. Januar 2012 erfolgte Überführung
der öffentlichen Spitäler des Kantons Basel-Stadt, u.a. der UPK, von einer
Dienststelle des Kantons in eine öffentlich-rechtliche Anstalt des Kantons
erfolgte - wie dem Ratschlag des Regierungsrates zum ÖSpG vom 24. August 2010
zu entnehmen ist - im Zusammenhang mit der per 1. Januar 2012 erfolgten
eidgenössischen Neuregelung der Spitalfinanzierung und der damit beabsichtigten
grundlegenden Umgestaltung der Schweizer Spitallandschaft, insbesondere der
Intensivierung des Wettbewerbs unter den Spitälern. Mit der rechtlichen
Verselbstständigung in die Form von öffentlich-rechtlichen Anstalten sollte den
kantonalen Spitälern der operative Handlungsspielraum gewährt werden, um im
künftig verschärften Wettbewerb ihre profilierte Position zu erhalten und zu
festigen. Dass die UPK durch diese rechtliche Umgestaltung und die damit
verbundene organisatorische Loslösung vom Kanton neue Autonomien gewonnen haben
und innerhalb ihres Leistungsauftrages neu eigene strategische Zielsetzungen
verfolgen können, ist offensichtlich und unbestritten. Zweifellos haben sie als
organisatorisch selbstständig im Sinne von Art. 98 Abs. 1 UVV zu gelten, was im
Gutachten des Prof. Dr. iur. Ueli Kieser vom 9. Oktober 2014 dargelegt und
nicht bestritten wird.

6.4. Trotz der rechtlichen Umgestaltung der UPK und der daraus resultierenden
Erweiterung des Autonomiebereichs kann aus unfallversicherungsrechtlicher Sicht
nicht von einer per 1. Januar 2012 neu geschaffenen Verwaltungs- und
Betriebseinheit im Sinne von Art. 98 Abs. 2 UVV gesprochen werden. Die UPK
bestanden - wie die SUVA und das BAG zu Recht geltend machen - schon vor der
rechtlichen Umgestaltung als organisatorisch selbstständige Einheit im
unfallversicherungsrechtlichen Sinne. Sie bildeten bereits als Dienststelle des
Kantons eine in sich abgeschlossene selbstständige Einheit mit eigener
betrieblicher Spitalorganisation und -verwaltung und führten auch vor der
Umstrukturierung schon eine eigene Rechnung sowie eine eigene Personal- und
Finanzabteilung, was unbestritten ist. Die UPK wurden dementsprechend mit in
Rechtskraft erwachsener Verfügung der SUVA vom 30. Dezember 1983 unter der
Betriebsnummer 412-6020.2 der SUVA unterstellt. Diese Verfügung erging, nachdem
der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt der SUVA seinen Beschluss vom 14.
Juni 1983 mitgeteilt hatte, wonach er in Anwendung des Art. 75 UVG unter
Mitwirkung der Mitarbeiter die SUVA als Versicherer gewählt habe. Bei der
Tarifierung wurden die UPK als eigenes Mitglied des für den Kanton Basel-Stadt
begründeten Prämienkonzerns geführt und jeweils mit einem eigenen
Versicherungsausweis bedient. Zudem traten sie im Kontakt mit der SUVA als
eigenständiger Arbeitgeber mit eigener Personalabteilung auf. Ergänzend ist -
wie im Gutachten des Prof. Dr. iur. Ueli Kieser vom 9. Oktober 2014 erwähnt -
darauf hinzuweisen, dass in der Lehre im Zusammenhang mit Art. 75 UVG bzw. Art.
98 UVV die öffentlichen Spitäler als "Wahlkunden" genannt wurden. So hätten
sowohl die SUVA als auch die andern Versicherer gemäss Art. 68 UVG um diese
"Wahlkunden" vor Ablauf der Wahlfrist intensiv geworben (vgl. ALFRED MAURER,
Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, Bern 1985 S. 51 Fn 42). Auch dies
deutet darauf hin, dass aus unfallversicherungsrechtlicher Sicht bereits damals
von der organisatorischen Selbstständigkeit der öffentlichen Spitäler
ausgegangen wurde. Ob die UPK das Wahlrecht effektiv selbstständig ausgeübt
haben oder das Wahlrecht durch den Regierungsrat ausgeübt wurde, ist für die
Frage eines aus der per 1. Januar 2012 erfolgten rechtlichen Umgestaltung
resultierenden Wahlrechts der UPK nicht relevant.

6.5. Zusammenfassend ist mit der SUVA und dem BAG davon auszugehen, dass die
UPK bereits vor dem 1. Januar 2012 organisatorisch selbstständig im Sinne von
Art. 98 Abs. 1 UVV waren und demzufolge nicht als neu geschaffene Verwaltungs-
und Betriebseinheit im Sinne von Art. 98 Abs. 2 UVV gelten können. Das
Wahlrecht des Unfallversicherers ist gemäss Art. 75 UVG bereits ausgeübt
worden. Mit der Anerkennung der Berechtigung der UPK zur Neuwahl des
Unfallversicherers aufgrund der per 1. Januar 2012 erfolgten Umstrukturierung
hat das Bundesverwaltungsgericht demzufolge Bundesrecht verletzt. In
Gutheissung der Beschwerde ist der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben.

7. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten den
Beschwerdegegnerinnen je zur Hälfte aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts
vom 13. Juni 2014 wird aufgehoben und der Einspracheentscheid der SUVA vom 27.
Juli 2012 bestätigt.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 3000.- werden den Beschwerdegegnerinnen je zur
Hälfte auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Bundesverwaltungsgericht und dem Bundesamt
für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 27. März 2015
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Die Gerichtsschreiberin: Kopp Käch

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