Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.589/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_589/2014

Urteil vom 16. Juni 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Maillard, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiberin Berger Götz.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Lorenz Fivian,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle Bern,
Scheibenstrasse 70, 3014 Bern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Verwaltungsverfahren),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern
vom 26. Juni 2014.

Sachverhalt:

A. 
Mit Vorbescheid vom 20. September 2013 stellte die IV-Stelle Bern der 1973
geborenen A.________ in Aussicht, dass die bisher ausgerichtete Invalidenrente
rückwirkend per 31. Dezember 2009 aufgehoben werde, da der Invaliditätsgrad
seit 1. Januar 2010 unter 40 % liege und A.________ ihrer Meldepflicht nicht
nachgekommen sei. Gleichzeitig gewährte sie ihr die Möglichkeit, innert 30
Tagen schriftlich Einwand zu erheben oder telefonisch einen Besprechungstermin
zu vereinbaren, um die Einwände persönlich vorzubringen. Dabei wies sie darauf
hin, dass sie ihr nach Ablauf der nicht erstreckbaren Frist eine
beschwerdefähige Verfügung zustellen werde. A.________ holte dieses
Einschreiben vom 20. September 2013 nicht ab, weshalb die IV-Stelle ihr am 7.
Oktober 2013 mit normaler Post eine Informationskopie zustellte und im
Begleitschreiben festhielt, dass diese Sendung keinen neuen Fristenlauf
auslöse. Am 18. Oktober 2010 erhob A.________ schriftlich "Einspruch" gegen den
Vorbescheid und teilte mit, sie habe auf ihre jeweiligen Saläre keinen Einfluss
gehabt, der IV-Stelle alles wahrheitsgemäss angegeben und "nichts
Unrechtmässiges" verdient. Mit Verfügung vom 23. Oktober 2013 hob die IV-Stelle
die Rente ankündigungsgemäss auf und stellte eine Rückforderungsverfügung in
Aussicht. In der Verfügungsbegründung ging sie auch auf die Einwände von
A.________ ein. Nach Erhalt des Verwaltungsaktes vom 23. Oktober 2013
mandatierte A.________ einen Rechtsanwalt, welcher mit Schreiben vom 28.
Oktober 2013 Einwände gegen den Vorbescheid erhob und beantragte, der
Vorbescheid sei aufzuheben und es seien die gesetzlichen Leistungen zu
erbringen, eventualiter sei auf eine Rückforderung zu verzichten, und die
Verfügung, welche den Vorbescheid bestätige, sei aufzuheben, da sie vor Ablauf
der Frist für Einwände erlassen worden sei. Die IV-Stelle leitete diese Eingabe
zuständigkeitshalber an das Verwaltungsgericht des Kantons Bern weiter.

B. 
Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern nahm die Eingabe des Rechtsvertreters
von A.________ vom 28. Oktober 2013 als Beschwerde entgegen. A.________ liess
dem kantonalen Gericht am 22. November 2013 zudem eine formelle Beschwerde
gegen die Verfügung vom 23. Oktober 2013 zukommen. Nach Durchführung eines
doppelten Schriftenwechsels wies das Verwaltungsgericht das Rechtsmittel mit
Entscheid vom 26. Juni 2014 ab (Dispositiv-Ziffer 1); die Verfahrenskosten von
Fr. 700.- auferlegte es der Beschwerdeführerin (Dispositiv-Ziffer 2) und es
sprach dieser keine Parteientschädigung zu (Dispositiv-Ziffer 3).

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und das Rechtsbegehren stellen, der vorinstanzliche Entscheid vom 26. Juni 2014
und die Verfügung der IV-Stelle vom 23. Oktober 2013 seien aufzuheben;
eventualiter sei die Sache zum neuen Entscheid über die Entschädigungs- und
Kostenfolgen im kantonalen Beschwerdeverfahren an das Verwaltungsgericht des
Kantons Bern zurückzuweisen.
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für
Sozialversicherungen verzichtet auf eine Stellungnahme.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann
wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das
Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung
nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf
einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es
ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an
die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem
anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann eine Beschwerde mit
einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (
BGE 137 II 313 E. 1.4 S. 317 f. mit Hinweis). Trotzdem obliegt es der
Beschwerde führenden Partei, sich in ihrer Beschwerde sachbezogen mit den
Darlegungen im angefochtenen Entscheid auseinanderzusetzen (Art. 42 Abs. 1 und
2 BGG). Das Bundesgericht prüft unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge-
und Begründungspflicht - vorbehältlich offensichtlicher Fehler - nur die in
seinem Verfahren geltend gemachten Rechtswidrigkeiten. Es ist jedenfalls nicht
gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen
Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen
werden.

2. 
Gemäss Art. 57a Abs. 1 IVG teilt die IV-Stelle der versicherten Person den
vorgesehenen Endentscheid über ein Leistungsbegehren oder den Entzug oder die
Herabsetzung einer bisher gewährten Leistung mittels Vorbescheid mit (Satz 1);
die versicherte Person hat Anspruch auf rechtliches Gehör im Sinne von Artikel
42 ATSG (Satz 2). Die Parteien können innerhalb einer Frist von 30 Tagen
Einwände zum Vorbescheid vorbringen (Art. 73ter Abs. 1 IVV). Der Sinn und Zweck
des Vorbescheidverfahrens besteht darin, eine unkomplizierte Diskussion des
Sachverhalts zu ermöglichen und dadurch die Akzeptanz des Entscheids bei den
Versicherten zu verbessern (BGE 134 V 97 E. 2.7 S. 106). Die IV-Stelle darf
sich nicht darauf beschränken, die von der versicherten Person vorgebrachten
Einwände tatsächlich zur Kenntnis zu nehmen und zu prüfen. Sie hat ihre
Überlegungen dem Betroffenen gegenüber auch namhaft zu machen und sich dabei
ausdrücklich mit den (entscheidwesentlichen) Einwänden auseinanderzusetzen,
oder aber zumindest die Gründe anzugeben, weshalb sie gewisse Gesichtspunkte
nicht berücksichtigen kann (BGE 124 V 180 E. 2b S. 183). Das
Vorbescheidverfahren geht über den verfassungsrechtlichen Mindestanspruch auf
rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) hinaus, indem es Gelegenheit gibt, sich
nicht nur zur Sache, sondern auch zum vorgesehenen Endentscheid zu äussern (BGE
134 V 97 E. 2.8.2 S. 107 mit Hinweisen).

3. 
Das kantonale Gericht liess die Frage, ob die IV-Stelle durch Erlass der
Verfügung vom 23. Oktober 2013 vor Ablauf der 30tägigen Frist gemäss Art. 73ter
Abs. 1 IVV das rechtliche Gehör verletzt habe, offen. Selbst wenn von einer -
hier nicht schwer wiegenden - Verletzung des rechtlichen Gehörs auszugehen
wäre, so hätte diese nach Ansicht der Vorinstanz als geheilt zu gelten. Denn
die Versicherte habe sich vor dem kantonalen Gericht umfassend (Eingaben vom
28. Oktober und 22. November 2013 sowie Replik vom 10. Februar 2014) zum
Verfügungsinhalt äussern können. Zudem würde eine Rückweisung zu einem
formalistischen Leerlauf führen. In der Folge prüfte das kantonale Gericht, ob
die rückwirkende Renteneinstellung per Ende Dezember 2009 zu Recht erfolgt war,
und gelangte zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführerin eine
Meldepflichtverletzung vorzuwerfen sei, weil sie es schuldhaft unterlassen
habe, die Behörde über ihre Einkünfte aus ihrer teilzeitlichen Erwerbstätigkeit
zu informieren. Die angefochtene Verfügung vom 23. Oktober 2013 sei deshalb
nicht zu beanstanden.

4.

4.1. Die Beschwerdeführerin hält letztinstanzlich daran fest, dass die
IV-Stelle ihre Verfügung in Verletzung des rechtlichen Gehörs eröffnet habe und
diese Verletzung keiner Heilung zugänglich sei. Indem das kantonale Gericht die
Frage, ob das rechtliche Gehör verletzt worden sei, offen gelassen habe,
verletze es Bundesrecht, denn so habe es auch den Entscheid betreffend Kosten
und Parteientschädigung nicht korrekt behandeln können.
Konkret bemängelt die Versicherte, dass die IV-Stelle sowohl im
Begleitschreiben zum Vorbescheid wie auch im Vorbescheid selber darauf
hingewiesen habe, sie werde nach Ablauf der 30tägigen Frist eine
beschwerdefähige Verfügung erlassen. Es sei jedoch nicht gesagt worden, dass
nach Eingang der ersten Einwände direkt eine Verfügung eröffnet werde. Die
IV-Stelle habe bereits zwei Wochen nach Eröffnung des Vorbescheids eine
Verfügung erlassen, was gegen Treu und Glauben verstossen dürfte und aus
verfassungsrechtlicher Hinsicht nicht akzeptiert werden könne. Wolle eine
Behörde weitere Vorbringen einer beteiligten Person nach einer ersten Eingabe
nicht mehr berücksichtigen und erlasse sie noch vor Ablauf der Frist eine
Verfügung, werde die Möglichkeit auf Mitwirkung im Verfahren erheblich
eingeschränkt oder sogar ganz verunmöglicht. Werde der vorinstanzliche
Entscheid bestätigt, würde dies dazu führen, dass die Verfahrensbeteiligten
sich vor Ablauf der Frist nicht nochmals äussern dürften, was faktisch dazu
führe, dass ihnen eine kürzere Eingabefrist zustehe als denjenigen Betroffenen,
die ihre Einwände erst am letzten Tag der Frist abgeben würden. In casu sei das
Hauptproblem, dass die Versicherte nach ihrer ersten Eingabe an die IV-Stelle
den nun mandatierten Rechtsanwalt aufgesucht habe, welcher aufgrund der
Gehörsverletzung gezwungen gewesen sei, Beschwerde beim kantonalen Gericht
einzureichen, um seiner Mandantin Gehör zu verschaffen und ihren Standpunkt in
das Verfahren einzubringen.

4.2. Die IV-Stelle verweist in ihrer letztinstanzlich eingereichten
Stellungnahme auf das Urteil 8C_167/2014 vom 8. August 2014. Wie im
vorliegenden Fall hatte dort die IV-Stelle nach Eröffnung des Vorbescheids
ebenfalls vor Ablauf der 30tägigen Antwortfrist verfügt. Das Bundesgericht
stellte dazu fest, dem Schreiben der Versicherten zum Vorbescheid habe nicht
entnommen werden können, dass mit einer weiteren Stellungnahme zur Sache habe
gerechnet werden müssen. Deshalb habe die IV-Stelle in der Folge davon ausgehen
dürfen, dass sich die Versicherte abschliessend zum Vorbescheid geäussert habe
(Urteil 8C_167/2014 vom 8. August 2014 E. 2). Nach Ansicht der
Beschwerdegegnerin kann in casu nichts anderes gelten. Selbst wenn jedoch eine
Verletzung des rechtlichen Gehörs vorliegen sollte, so wäre diese nicht
besonders schwer und könne somit als geheilt gelten. Auch bezüglich
Kostenauferlegung und Parteientschädigung ändere sich nichts, sei doch die
Beschwerdeführerin mit ihren Begehren vollständig unterlegen.

5.

5.1. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass in Fällen, in welchen eine
eingeschriebene Postsendung nicht innert der Abholfrist von sieben Tagen
abgeholt wird, ein zweiter Versand und die spätere Entgegennahme der Sendung
durch die betroffene Person für die Frage der Fristwahrung grundsätzlich nicht
erheblich ist. Die Zustellung wird auf das Datum des Ablaufs der Abholfrist
fingiert. Im vorliegenden Fall lief die Abholfrist am 28. September 2013 ab. Im
Begleitschreiben zur zweiten Zustellung des Vorbescheids mit A-Post wurde dazu
noch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass kein neuer Fristenlauf ausgelöst
werde. Die Behauptung der Beschwerdeführerin, die IV-Stelle habe die Verfügung
vom 23. Oktober 2013 bereits zwei Wochen nach Eröffnung des Vorbescheids
erlassen, ist deshalb nicht korrekt. Dies ist aber mit Blick auf die konkreten
Umstände nicht zentral. Es kann nämlich in casu offen bleiben, wann die
30tägige Frist zur Erhebung eines Einwands abgelaufen ist.
Ausschlaggebend ist allein, dass die Versicherte in ihrem Einwandschreiben vom
18. Oktober 2010 nicht erwähnte, sie oder gegebenenfalls ein von ihr noch zu
mandatierender Rechtsvertreter werde sich zu einem späteren Zeitpunkt nochmals
zum Vorbescheid äussern wollen. Bei dieser Ausgangslage gehen ihre sämtlichen
Argumentationen zur geltend gemachten Gehörsverletzung ins Leere:

5.1.1.

5.1.1.1. Der verfassungsmässige Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst unter
anderem das Recht des Betroffenen, sich vor Erlass eines in seine
Rechtsstellung eingreifenden Akts zur Sache äussern zu können. Er verlangt von
der Behörde, dass sie seine Vorbringen tatsächlich hört, ernsthaft prüft und in
ihrer Entscheidfindung angemessen berücksichtigt. Dies gilt für alle form- und
fristgerechten Äusserungen, Eingaben und Anträge, die zur Klärung der konkreten
Streitfrage geeignet und erforderlich erscheinen (BGE 136 I 184 E. 2.2.1 S. 188
mit Hinweisen; 112 Ia 1 E. 3c).
In Bezug auf eine laufende Rechtsmittelfrist hat das Bundesgericht
festgestellt, dass sich aufgrund dieses allgemeinen verfassungsrechtlichen
Anspruches auf rechtliches Gehör keine generelle Regel darüber aufstellen
lässt, ob über ein Rechtsmittel vor Fristablauf entschieden werden darf oder
nicht (Urteil 1P.3/1996 vom 3. Juni 1996 E. 3c). Diese Frage ist vielmehr mit
Blick auf den genannten Zweck des rechtlichen Gehörs und seinen allgemeinen
Gehalt unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und der Interessen
der Beteiligten zu beantworten. Es sind Fälle denkbar, in denen ein rasches
Vorgehen berechtigt ist und sogar im Interesse des Rechtsmittelklägers liegt.
Immer aber ist sorgfältig zu prüfen, ob eine als abschliessend verstandene
Rechtsmitteleingabe vorliegt oder ob mit einer Ergänzung zu rechnen ist. Trifft
das zweite zu, so läuft eine vorweggenommene Erledigung auf eine unzulässige
Verkürzung der gesetzlich zwingend geregelten Rechtsmittelfrist hinaus und
verletzt damit das rechtliche Gehör. Dies jedenfalls dann, wenn die
Rechtsmittelinstanz nicht bereit ist, ihren Entscheid ohne weiteres in
Wiedererwägung zu ziehen, falls der Einleger des Rechtsmittels noch frist- und
formgerecht eine Ergänzung nachliefert (BGE 112 Ia 1 E. 3c; Urteil 1P.3/1996
vom 3. Juni 1996 E. 3c). Zum andern gibt die verfassungsrechtliche Garantie
keinen Anspruch darauf, mehrmals Gelegenheit zur Äusserung und Stellungnahme zu
erhalten, soweit sich eine bestimmte Frage immer wieder unverändert gleich
stellt; aus Gründen der Verfahrensökonomie erschöpft sich der Gehörsanspruch in
der einmaligen Äusserung zu einem bestimmten, unveränderten Problem (Urteile
4P.302/2001 vom 17. April 2002 E. 1a und 5P.182/2001 vom 30. Juli 2001 E. 3;
vgl. auch Urteil 1P.150/1994 vom 3. März 1994 E. 2).

5.1.1.2. Darf somit das Gericht vor Ablauf der Rechtsmittelfrist entscheiden,
falls eine als abschliessend zu verstehende Rechtsmitteleingabe vorliegt, so
kann für die 30tägige Frist zum Vorbringen von Einwänden im
Vorbescheidverfahren im Sinne von Art. 73ter Abs. 1 IVV nach dem Grundsatz "a
maiore ad minus" nichts anderes gelten. Der Umstand, dass der Anspruch auf
rechtliches Gehör im Vorbescheidverfahren über den verfassungsrechtlichen
Mindestanspruch hinausgeht (vgl. E. 2 hiervor), schafft in dieser Hinsicht
keine weitergehenden Rechte. Für die IV-Stellen besteht deshalb gleichermassen
kein Anlass und keine Pflicht, mit dem Erlass der Verfügung bis zum Ende der
Frist von 30 Tagen zuzuwarten, wenn sich eine versicherte Person in einer
ersten Stellungnahme zum Vorbescheid keine weitere Eingabe vorbehält oder wenn
sie nicht sonst wie zu erkennen gibt, dass ihre Äusserungen nicht abschliessend
sind. Die IV-Stelle verweist deshalb in ihrer im Verfahren vor Bundesgericht
eingereichten Vernehmlassung zu Recht auf das Urteil 8C_167/2014 vom 8. August
2014, in welchem bei vergleichbarem Sachverhalt eine Verletzung des rechtlichen
Gehörs verneint wurde, da sich die versicherte Person zur vorgesehenen
Verfügung hatte vernehmen lassen können und dies auch getan hatte, ohne dass
mit einer weiteren Stellungnahmen zur Sache gerechnet werden musste (Urteil
8C_167/2014 vom 8. August 2014 E. 2).

5.1.2. Die Versicherte verkennt in casu, dass sie oder ihr Rechtsvertreter
durchaus die Möglichkeit gehabt hätten, nach ihrem Schreiben vom 18. Oktober
2013 weitere Einwände zu erheben. Es ist allein auf ihr Verhalten
zurückzuführen, dass die Verwaltung die Verfügung "bereits" am 23. Oktober
2013, fünf Tage nach dem Einwandschreiben vom 18. Oktober 2013, erlassen hatte.
Entgegen ihrer Ansicht hätte sie die Frist bis zum letzten Tag ausschöpfen
können, wenn sie eine weitere Stellungnahme in Aussicht gestellt hätte. Auf
eine Gehörsverletzung durch die Behörde kann sich die Beschwerdeführerin
deshalb nicht berufen. Es erübrigt sich folglich auch, die Angelegenheit zum
neuen Entscheid über die Entschädigungs- und Kostenfolgen an das kantonale
Gericht zurückzuweisen. Durch die Kosten- und Entschädigungsregelung hat die
Vorinstanz entgegen der Ansicht der Versicherten kein Bundesrecht verletzt.

6. 
Gegen die vorinstanzlich bestätigte rückwirkende Einstellung der Invalidenrente
zufolge Meldepflichtverletzung bringt die Beschwerdeführerin keine
Rechtswidrigkeiten vor. Letztinstanzlich erübrigen sich deshalb Weiterungen
(vgl. E. 1 hiervor).

7. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 Abs. 4 lit. a BGG). Die
Gerichtskosten werden der unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 65
Abs. 4 lit. a in Verbindung mit Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 16. Juni 2015
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Ursprung

Die Gerichtsschreiberin: Berger Götz

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