Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.581/2014
Zurück zum Index I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2014
Retour à l'indice I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2014


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_581/2014

Urteil vom 16. März 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Ursprung, Bundesrichter Frésard, Maillard, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiberin Fleischanderl.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Arbeitslosenkasse syndicom, Looslistrasse 15, 3027 Bern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Arbeitslosenversicherung (Prozessvoraussetzung),

Beschwerde gegen die Verfügung des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Basel-Stadt vom 1. Juli 2014.

Sachverhalt:

A. 
Der 1952 geborene A.________, vom 1. September 2010 bis 30. April 2011 als
Statist beim Theater B.________ angestellt, hatte sich am 24. Juli 2012 zum
Bezug von Arbeitslosentschädigung für die Zeit ab 11. Juli 2012 angemeldet. Mit
Verfügung vom 11. März 2013 lehnte die Arbeitslosenkasse syndicom die
Anspruchsberechtigung wegen Nichterreichens der Beitragszeit und der
Mindestgrenze des versicherten Verdienstes ab. Daran wurde auf Einsprache hin
festgehalten (Einspracheentscheid vom 3. Juni 2013).

B. 
Hiegegen reichte A.________ Beschwerde beim Sozialversicherungsgericht des
Kantons Basel-Stadt ein. Das angerufene Gericht sistierte das Verfahren am 23.
August 2013 bis zur rechtskräftigen Erledigung des vom Beschwerdeführer
erwähnten arbeitsrechtlichen Schiedsverfahrens vor der Bühnenschiedskommission
Basel-Stadt. Am 17. Februar und 13. Juni 2014 wurde die Sistierung verlängert,
bestätigt durch Verfügung vom 1. Juli 2014.

C.

C.a. Mit an das Appellationsgericht Basel-Stadt gerichteter Aufsichtsbeschwerde
/Rechtsverzögerungsbeschwerde verlangte A.________ die Aufhebung der Sistierung
des arbeitslosenversicherungsrechtlichen Prozesses und dessen Weiterführung.
Ferner ersuchte er um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung. Das
Appellationsgericht leitete am 15. August 2014 einen Meinungsaustausch mit dem
Bundesgericht bezüglich der (funktionellen) Zuständigkeitsfrage ein. Das
Sozialversicherungsgericht liess sich mit Eingabe vom 22. August 2014 dazu
vernehmen.

C.b. Am 7. November 2014 teilte das Bundesgericht den Verfahrensbeteiligten
mit, dass es sich als zuständig erachte und die Sache an die Hand nehme. In der
Folge erhielt A.________ die Gelegenheit, sämtliche Verfahrensakten in den
Räumlichkeiten des basel-städtischen Sozialversicherungsgerichts einzusehen,
wovon er Gebrauch machte. Mit Eingabe vom 11. Dezember 2014 nahm er nochmals
ausführlich Stellung.

Die kantonalen Akten wurden eingeholt. Ein Schriftenwechsel wurde nicht
durchgeführt.

Erwägungen:

1. 
Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit von Amtes wegen (Art. 29 Abs. 1
BGG) und mit freier Kognition (Art. 95 lit. a BGG; BGE 140 I 90 E. 1 S. 92; 139
V 42 E. 1 S. 44; je mit Hinweisen).

2. 
Fraglich und zu beurteilen ist vorab, ob die gegen den Sistierungsentscheid des
Sozialversicherungsgerichts vom 1. Juli 2014 gerichtete Aufsichtsbeschwerde/
Rechtsverzögerungsbeschwerde in die funktionelle Zuständigkeit des kantonalen
Appellationsgerichts oder des Bundesgerichts fällt.

3. 

3.1. Gemäss Art. 57 ATSG bestellt jeder Kanton ein Versicherungsgericht als
einzige Instanz zur Beurteilung von Beschwerden aus dem Bereich der
Sozialversicherung. Gegen Entscheide der kantonalen Versicherungsgerichte kann
Beschwerde beim Bundesgericht geführt werden (Art. 62 Abs. 1 ATSG).

3.2. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum ATSG war angeregt worden, den
Kantonen die Einsetzung einer einzigen Instanz vorzuschreiben. Damit sollte
verdeutlicht werden, dass auf kantonaler Ebene eine Weiterzugsmöglichkeit
ausgeschlossen sei (vgl. Parlamentarische Initiative Sozialversicherungsrecht,
Vertiefte Stellungnahme des Bundesrats vom 17. August 1994, BBl 1994 V 921 ff.,
952). Dieser Vorschlag wurde in der Folge übernommen, wobei für die
nationalrätliche Kommission feststand, dass die Kantone damit gehalten waren,
eine gemeinsame und einzige Instanz einzurichten (Parlamentarische Initiative
Sozialversicherungsrecht, Bericht der Kommission des Nationalrats für soziale
Sicherheit und Gesundheit vom 26. März 1999, BBl 1999 V 4523 ff. [nachfolgend:
BBl 1999 V], 4619; zum Ganzen auch: Ueli Kieser, ATSG-Kommentar, 2. Aufl. 2009,
N. 1 zu Art. 57 ATSG). Die Kantone wurden mithin verpflichtet, eine für alle
durch das ATSG erfassten Sozialversicherungszweige einheitlich organisierte
Gerichtsinstanz zu bestellen. Das bisherige Nebeneinander von
Versicherungsgerichten und Rekurskommissionen sollte hinfällig und eine
kantonsinterne Anfechtbarkeit verhindert werden (vgl. Parlamentarische
Initiative Allgemeiner Teil Sozialversicherung, Bericht der Kommission des
Ständerats vom 27. September 1990, BBl 1991 II 185 ff., 263; BBl 1999 V 4620;
Kieser, a.a.O., N. 5 zu Art. 57 ATSG). Mit Art. 57 ATSG entfielen in den dem
ATSG unterstellten Sozialversicherungszweigen die nach bisherigem Recht noch
zulässigen (engen) Bereiche eines mehrstufigen kantonalen Gerichtszugs. Die
kantonalen Verfahrensordnungen mussten innert der in Art. 82 Abs. 2 ATSG
genannten Frist angepasst werden (Kieser, a.a.O., N. 6 zu Art. 57 ATSG).

4.

4.1. Nach § 56a Abs. 1 lit. a Ziff. 1 des Gesetzes des Kantons Basel-Stadt
betreffend Wahl und Organisation der Gerichte sowie der Arbeitsverhältnisse des
Gerichtspersonals und der Staatsanwaltschaft vom 27. Juni 1895
(Gerichtsorganisationsgesetz, GOG/BS; SG 154.100) entscheidet das
Sozialversicherungsgericht über Streitigkeiten, die sich bei der Anwendung des
ATSG - Beschwerden gemäss Art. 56 ATSG - ergeben (so auch § 1 Abs. 1 des
Gesetzes über das Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt und über
das Schiedsgericht in Sozialversicherungssachen vom 9. Mai 2001
[Sozialversicherungsgerichtsgesetz, SVGG/BS; SG 154.200 ] ).

4.2.

4.2.1. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt wurde somit vom
Gesetzgeber als einzige gerichtliche Instanz im Sinne von Art. 57 ATSG
konzipiert. Daraus lässt sich schliessen, dass dessen Entscheide, welche vom
ATSG erfasste Sozialversicherungszweige betreffen, ausnahmslos direkt beim
Bundesgericht mittels Beschwerde anfechtbar sind (vgl. Art. 62 Abs. 1 ATSG).
Dies hat auch hinsichtlich des beanstandeten Sistierungsentscheids vom 1. Juli
2014 zu gelten, dem ein arbeitslosenversicherungsrechtliches Verfahren zugrunde
liegt.

4.2.2. Daran ändert die Tatsache nichts, dass das Appellationsgericht
Basel-Stadt als oberste kantonale Instanz in zivilrechtlichen,
strafrechtlichen, verwaltungsrechtlichen und verfassungsrechtlichen
Streitsachen wirkt (§ 117 Abs. 1 der Verfassung des Kantons Basel-Stadt vom 23.
März 2005 [KV/BS; SG 111.100]) und in dieser Funktion die Aufsicht über alle
Gerichte - einschliesslich das Sozialversicherungsgericht - ausübt (§ 117 Abs.
4 KV/BS in Verbindung mit § 56g sowie § 71 Abs. 1 Ziff. 4 und Abs. 2 GOG/BS).
Aus diesem Umstand ergibt sich lediglich, dass das Sozialversicherungsgericht
in die kantonale Gerichtsorganisation eingegliedert ist und grundsätzlich der
Aufsicht des Appellationsgerichts untersteht (vgl. auch Andreas Freivogel, Die
Basler Gerichtsorganisation, in: Neues Handbuch des Staats- und
Verwaltungsrechts des Kantons Basel-Stadt, 2008, S. 424). Da das
Sozialversicherungsgericht in den vom ATSG geregelten
sozialversicherungsrechtlichen Belangen aber als einzige kantonale Instanz im
Sinne von Art. 57 und 62 Abs. 1 ATSG fungiert, ist das Bundesgericht
(funktionell) zuständig, die gegen den Sistierungsentscheid vom 1. Juli 2014
erhobene Beschwerde an die Hand zu nehmen (vgl. zudem Art. 61 lit. a ATSG und
Art. 94 BGG; Kieser, a.a.O., N. 28 zu Art. 61 ATSG). Dies entspricht denn auch
der im Sistierungsentscheid enthaltenen Rechtsmittelbelehrung sowie den vom
Appellationsgericht und vom Sozialversicherungsgericht vertretenen
Rechtsauffassungen.

5. 

5.1. Anfechtungsgegenstand bildet die vorinstanzliche Verfahrenssistierung. Es
handelt sich dabei nicht um einen Endentscheid (vgl. Art. 90 BGG), sondern um
einen Zwischenentscheid, gegen den die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten - von hier nicht gegebenen Spezialfällen abgesehen (vgl. Art.
92 BGG [Entscheide über die Zuständigkeit bzw. Ausstandsbegehren]) -
grundsätzlich nur unter eingeschränkten Voraussetzungen (Art. 93 BGG) zulässig
ist. Diese sind zu bejahen, wenn der fragliche Zwischenentscheid einen nicht
wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG), oder
wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und
damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges
Beweisverfahren ersparen würde (Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG). Es obliegt der
beschwerdeführenden Partei darzutun, dass die Eintretensvoraussetzungen gemäss
Art. 93 Abs. 1 BGG erfüllt sind, es sei denn, deren Vorliegen springe geradezu
in die Augen (BGE 133 III 629 E. 2.3.1 S. 632 und E. 2.4.2 S. 633; Urteil
5A_422/2013 vom 8. August 2013 E. 4.1). Direkt beim Bundesgericht Beschwerde
geführt werden kann demgegenüber gegen das unrechtmässige Verweigern oder
Verzögern eines anfechtbaren Entscheids (Art. 94 BGG).

5.2. Die Rechtsprechung unterscheidet bei der Anfechtung einer angeordneten
Verfahrenssistierung zwei Konstellationen: Entweder wird (substanziiert) die
dadurch verursachte Verfahrensverzögerung gerügt (Verletzung des
Beschleunigungsgebots); diesfalls erfordert das Eintreten keinen nicht wieder
gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG. Oder aber es
werden anderweitige Gründe angeführt wie beispielsweise das Argument, die
Sistierung bis zum Abschluss eines anderen Verfahrens erweise sich als nicht
gerechtfertigt. Wird ein derartiger Einwand vorgebracht, setzt das Eintreten
auf die Beschwerde einen irreversiblen Nachteil voraus, der auf Grund der
materiellrechtlichen Gegebenheiten zu beurteilen ist (BGE 138 III 190 E. 5 f.
S. 191 f.; 138 IV 258 E. 1.1 S. 261; 137 III 261; 134 IV 43 E. 2 S. 44 ff.;
Urteil 4A_542/2009 vom 27. April 2010 E. 4.1 und 4.2; vgl. auch BGE 135 III 127
E. 1.3 S. 129). Bei Beschwerden gegen die Abweisung eines Sistierungsantrags
stellt sich die Frage der Rechtsverzögerung logischerweise nicht: Es kommt
lediglich auf den nicht wieder gutzumachenden Nachteil bzw. die
materiellrechtliche Sachlage an (vgl. BGE 137 III 522; Urteile 5A_422/2013 vom
8. August 2013 E. 2 und 4 sowie 5A_573/2008 vom 15. Oktober 2008 E. 1).

6. 

6.1. Im vorliegenden Fall macht der Beschwerdeführer sowohl Rechtsverzögerung
geltend als auch, die Verfahrenssistierung bis zum Abschluss des
arbeitsrechtlichen Schiedsverfahrens stehe im Widerspruch zu Art. 29 (Abs. 1)
AVIG. Danach zahlt die Arbeitslosenkasse, falls sie begründete Zweifel darüber
hat, ob die versicherte Person für die Zeit des Arbeitsausfalls gegenüber ihrem
bisherigen Arbeitgeber Lohn- oder Entschädigungsansprüche im Sinne von Art. 11
Abs. 3 AVIG hat oder sie erfüllt werden, die Arbeitslosenentschädigung aus.
Bezüglich letzterem verzichtet er indessen darauf, einen nicht wieder
gutzumachenden Nachteil gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG zu begründen.

6.2. Im Lichte der dargelegten Rechtsprechungsgrundsätze kann mit Blick auf die
in der Beschwerde (ebenfalls) gerügte Rechtsverzögerung auf die Rechtsvorkehr
eingetreten werden. Anzumerken ist, dass der Einwand, Art. 29 AVIG verbiete die
Sistierung, grundsätzlich auch ohne Eintreten geprüft werden könnte, da die
Frage in Zusammenhang mit der Erfüllung der Beitragszeit bisher nicht
beantwortet wurde (Beispiel einer Kombination von Nichteintreten und
materieller Prüfung: BGE 140 V 507 E. 1 S. 509 und E. 3.2.2 am Ende S. 512).

7. 
In der Sache stellt sich der zu beurteilende Fall wie folgt dar:

7.1. Der Beschwerdeführer hatte sich, vom 1. September 2010 bis 30. April 2011
als Statist beim Theater B.________ angestellt, per 11. Juli 2012 zur
Arbeitsvermittlung sowie zum Bezug von Arbeitslosentschädigung angemeldet. Mit
Verfügung vom 11. März 2013, bestätigt durch Einspracheentscheid vom 3. Juni
2013, verneinte die Beschwerdegegnerin die Anspruchsvoraussetzungen der
Erfüllung der Beitragszeit (Art. 9 AVIG) und der Mindestgrenze des versicherten
Verdienstes (Art. 23 Abs. 1 AVIG in Verbindung mit Art. 40 AVIV) während der
letzten zwei Jahre vor der Anmeldung. Die Anwendung von Art. 29 Abs. 1 AVIG
wurde abgelehnt mit der Begründung, der Beschwerdeführer habe in den beiden
letzten dem Anmeldedatum vorangehenden Jahren (d.h. seit 1. Juli 2010) keine
genügende Beitragszeit erreicht.

7.2. Im Rahmen des bei der Bühnenschiedskommission Basel-Stadt angehobenen
arbeitsrechtlichen Schiedsverfahrens macht der Beschwerdeführer gegenüber
seiner ehemaligen Arbeitgeberin, der Theatergenossenschaft B.________, Lohn-
und Entschädigungsansprüche geltend, mit welchen er - so der
Einspracheentscheid der Beschwerdegegnerin vom 3. Juni 2013 - im Fall des
Erfolgs die Voraussetzungen zu einem Bezug von Arbeitslosenentschädigung sowohl
in zeitlicher als auch in Bezug auf das Erreichen der monatlichen
Mindestlohngrenze ohne Weiteres erfüllen würde.

7.3. Der Beschwerdeführer hat gegen den Einspracheentscheid der
Beschwerdegegnerin vom 3. Juni 2013 fristgerecht Beschwerde bei der Vorinstanz
eingereicht. Mit Blick auf das bei der Bühnenschiedskommission gegen die
vormalige Arbeitgeberin anhängig gemachte Verfahren sowie ein
Kontoberichtigungsverfahren bei der Ausgleichskasse Basel-Stadt sistierte das
Sozialversicherungsgericht den Beschwerdeprozess in der Folge vorerst bis 31.
Dezember 2013 und alsdann bis 30. Juni 2014 mit der Aufforderung, bis
spätestens zu diesem Zeitpunkt die Schiedsklage bei der Schiedskommission
einzureichen. Nachdem das entsprechende Gesuch um Einleitung eines
Schiedsverfahrens mit Eingabe vom 12. Juni 2014 gestellt worden war, wurde das
Beschwerdeverfahren am 1. Juli 2014 bis zur rechtskräftigen Erledigung des
Schiedsverfahrens vor der Bühnenschiedskommission sistiert. Als Begründung gab
die Vorinstanz (gemäss Instruktionsverfügung vom 13. Juni 2014) an, vom Ausgang
des Schiedsverfahrens hänge nicht nur der vorliegende
arbeitslosenversicherungsrechtliche sondern auch das ebenfalls sistierte
Verfahren der Ausgleichskasse Basel-Stadt um Kontenberichtigung ab.

7.4. In der gegen die vorinstanzliche Sistierungsverfügung vom 1. Juli 2014
innert Frist eingereichten Beschwerde bringt der Beschwerdeführer unter Hinweis
auf Art. 29 AVIG und die dazu vom Bundesamt für Wirtschaft (SECO) ergangenen
Weisungen (Ziff. B47, B106 sowie C198 f. der AVIG-Praxis ALE
[Arbeitslosenentschädigung]) im Wesentlichen vor, die Beschwerdegegnerin könne
sich ihrer Zahlungspflicht nicht mit dem Hinweis entziehen, es sei vorab Sache
der versicherten Person selber, die zweifelhaften Ansprüche gegenüber der
ehemaligen Arbeitgeberin durchzusetzen.

8. 

8.1. Hat die Arbeitslosenkasse begründete Zweifel darüber, ob die versicherte
Person für die Zeit des Arbeitsausfalls gegenüber ihrem bisherigen Arbeitgeber
Lohn- oder Entschädigungsansprüche im Sinne von Art. 11 Abs. 3 AVIG hat oder ob
sie erfüllt werden, so zahlt sie die Arbeitslosentschädigung aus (Art. 29 Abs.
1 AVIG). Art. 11 AVIG seinerseits bezieht sich auf die Anspruchsvoraussetzung
des anrechenbaren Arbeitsausfalls gemäss Art. 8 Abs. 1 lit. b AVIG. Nach Abs. 3
von Art. 11 AVIG ist ein Arbeitsausfall nicht anrechenbar, für den dem
Arbeitslosen Lohnansprüche oder wegen vorzeitiger Auflösung des
Arbeitsverhältnisses Entschädigungsansprüche zustehen. Mit der Zahlung durch
die Arbeitslosenkasse gehen alle Ansprüche der versicherten Person samt dem
gesetzlichen Konkursprivileg auf die Kasse über (Art. 29 Abs. 2 Satz 1 AVIG).

8.1.1. Bei Art. 29 Abs. 1 AVIG handelt es sich um eine Sonderregelung an der
Schnittstelle zwischen dem Ende des Arbeitsverhältnisses und dem Eintritt der
Arbeitslosigkeit. Sie garantiert den arbeitslos gewordenen Versicherten in
dieser Übergangsphase aus sozialen Gründen den für ihren Lebensunterhalt
notwendigen Erwerbsersatz und nimmt ihnen die mit einem Prozess gegen den
früheren Arbeitgeber verbundenen Kosten- und Inkassorisiken ab (BGE 126 V 368
E. 3c/aa S. 374 mit Hinweisen; Thomas Nussbaumer, Arbeitslosenversicherung, in:
Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, 2. Aufl.
2007, Rz. 446; Barbara Kupfer Bucher, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum
Sozialversicherungsrecht, Bundesgesetz über die obligatorische
Arbeitslosenversicherung und Insolvenzentschädigung, 4. Aufl. 2013, S. 153
unten f.). Zwei Tatbestände fallen unter Art. 29 Abs. 1 AVIG: Beim ersten
bestehen Zweifel darüber, ob die versicherte Person Ansprüche gegenüber dem
Arbeitgeber hat. Sind Lohn- oder Entschädigungsansprüche demgegenüber
ausgewiesen oder ausgeschlossen, so liegt kein Zweifelsfall vor und Art. 29
AVIG gelangt nicht zur Anwendung. Beim zweiten Tatbestand beziehen sich die
Zweifel auf die Realisierbarkeit eines ausgewiesenen Anspruchs (BGE 126 V 368
E. 3a/aa S. 372; 121 V 377 E. 2b S. 379 f.; Urteil [des Eidg.
Versicherungsgerichts] C 361/99 vom 27. Juli 2001 E. 3b; Nussbaumer, a.a.O.,
Rz. 448).

8.1.2. Art. 29 AVIG erfüllt eine bedeutende Koordinationsfunktion zum
Arbeitsrecht und stellt eine Ausnahmebestimmung zu Art. 11 Abs. 3 AVIG dar,
wonach ein Arbeitsausfall nicht anrechenbar ist, wenn den Arbeitslosen Lohn-
und Entschädigungsansprüche gegenüber dem Arbeitgeber zustehen. Das
Anspruchsmerkmal des anrechenbaren Arbeitsausfalls (Art. 8 Abs. 1 lit. b in
Verbindung mit Art. 11 AVIG) wird im Sinne einer unwiderlegbaren gesetzlichen
Vermutung als gegeben angenommen (BGE 127 V 183 E. 6c S. 192 f., 475 E. 2b/bb
S. 477 f.; 126 V 368 E. 3a/bb und 3b S. 373; Urteile 8C_305/2009 vom 23.
September 2009 E. 4.2 sowie [des Eidg. Versicherungsgerichts] C 118/04 vom 23.
Februar 2005 E. 1.4.2, in: SVR 2006 AlV Nr. 28 S. 95, C 186/01 vom 9. Oktober
2001 E. 2b/bb, C 361/99 vom 27. Juli 2001 E. 3b und C 290/97 vom 5. Februar
1998 E. 3a, in: ARV 1999 Nr. 8 S. 30; vgl. auch Nussbaumer, a.a.O., Rz. 446).
Gestützt auf Art. 29 Abs. 1 AVIG kann Arbeitslosenentschädigung nur
ausgerichtet werden, wenn abgesehen von dem mit "begründeten Zweifeln"
behafteten Merkmal des anrechenbaren Arbeitsausfalls die weiteren in Art. 8
Abs. 1 AVIG aufgezählten Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind (BGE 127 V 183
E. 6c S. 192 f.; 126 V 368 E. 3b S. 373; Urteile [des Eidg.
Versicherungsgerichts] C 56/03 vom 20. August 2003 E. 3.4, in: SVR 2004 AlV Nr.
8 S. 21, und C 290/97 vom 5. Februar 1998 E. 5, in: ARV 1999 Nr. 8 S. 30;
Nussbaumer, a.a.O., Rz. 446). Werden in der Folge Lohn- und
Entschädigungsansprüche realisiert, so zählt die Zeit, während der gestützt auf
Art. 29 Abs. 1 AVIG Arbeitslosentschädigung ausgerichtet wurde, als
Beitragszeit für eine allfällige weitere Bezugsrahmenfrist, obgleich die
versicherte Person in dieser Zeitspanne keine beitragspflichtige Tätigkeit
ausgeübt hat (BGE 126 V 368 E. 3c/aa S. 375; Urteile 8C_226/2007 vom 16. Mai
2008 E. 7 und C 259/06 vom 14. Dezember 2007 E. 2.1, in: ARV 2008 S. 226). Dies
macht nur für Konstellationen Sinn, in denen die versicherte Person während
einer ersten Rahmenfrist für den Beitragsbezug gestützt auf Art. 29 Abs. 1 AVIG
Arbeitslosentaggelder bezieht, beispielsweise nach dem Verlust einer
Zwischenverdiensttätigkeit, und sich später die - von der Rechtsprechung
bejahte - Frage stellt, ob die Zeit, während der nach Massgabe von Art. 29 Abs.
1 AVIG Arbeitslosentschädigung ausgerichtet wurde, für eine zweite Rahmenfrist
für den Leistungsbezug Beitragszeit bildet.

8.2. Im hier zu beurteilenden Fall geht es um eine erste Rahmenfrist für die
Beitragszeit bzw. den Leistungsbezug. Da die Erfüllung der Beitragszeit
strittig ist, kommt Art. 29 AVIG nach dem Dargelegten nicht zur Anwendung.
Unter dem Aspekt von Art. 29 AVIG ist die vorinstanzliche Verfahrenssistierung
somit zulässig und begründet keine Rechtsverzögerung. Mit Blick auf die
allfällige Erfüllung der Beitragszeit und des Mindestverdienstes im Falle des
Erfolgs vor dem arbeitsrechtlichen Schiedsgericht ist es darüber hinaus
sachlich gerechtfertigt, dass das Sozialversicherungsgericht die strittigen
Ansprüche gegen den Arbeitgeber nicht vorfrageweise prüft, sondern den Ausgang
des arbeitsrechtlichen Verfahrens abwartet. Auch unter diesem Titel verletzt
der angefochtene Entscheid das Beschleunigungsgebot folglich nicht.

9. 
Dem Verfahrensausgang entsprechend hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten
zu tragen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Seinem Gesuch um unentgeltliche
Prozessführung kann stattgegeben werden, da die entsprechenden gesetzlichen
Voraussetzungen erfüllt sind (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Es wird jedoch
ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte
Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu in
der Lage ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, indes
vorläufig auf die Gerichtskasse genommen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Basel-Stadt, dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) und dem
Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 16. März 2015

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Die Gerichtsschreiberin: Fleischanderl

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben