Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.572/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_572/2014

Urteil vom 28. Januar 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Ursprung, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiber Hochuli.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Reto Bachmann,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle Luzern,
Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (unentgeltliche Rechtspflege),

Beschwerde gegen den Entscheid
des Kantonsgerichts Luzern
vom 30. Juli 2014.

Sachverhalt:

A. 
A.________, geboren 1956, war von 1988 bis zu seinem Stellenverlust wegen
Rückenproblemen 2002 als Betriebsmitarbeiter in der B.________ AG angestellt.
Nachdem bei vormaligen Gesuchen ein Anspruch auf Leistungen von der
Invalidenversicherung abgelehnt worden war, meldete sich der Versicherte 2007
auf Grund einer Verschlechterung seines Gesundheitszustandes erneut bei der
IV-Stelle Luzern zum Leistungsbezug an. Basierend auf den Ergebnissen weiterer
Abklärungen verneinte die IV-Stelle wiederum einen Rentenanspruch (Verfügung
vom 10. April 2012). Die hiegegen erhobene Beschwerde des erstmals anwaltlich
vertretenen A.________ hiess das Kantonsgericht Luzern, 3. Abteilung, am 11.
Februar 2014 in dem Sinne gut, als es die Verfügung vom 10. April 2012 aufhob
und die Sache an die IV-Stelle zurückwies, damit sie, nach weiteren Abklärungen
gemäss den Erwägungen, neu verfüge. Der Gerichtsentscheid vom 11. Februar 2014
erwuchs unangefochten in Rechtskraft.
Mit Schreiben vom 4. März 2014 liess A.________ für das gemäss kantonalem
Rückweisungsentscheid wieder aufzunehmende Abklärungsverfahren bei der
IV-Stelle um Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung ersuchen. Mit
Verfügung vom 23. April 2014 verneinte die IV-Stelle einen Anspruch auf
unentgeltliche Verbeiständung im Administrativverfahren.

B. 
Die hiegegen erhobene Beschwerde des A.________ wies das Kantonsgericht Luzern
mit Entscheid vom 30. Juli 2014 unter Gewährung der unentgeltlichen
Rechtspflege und Verbeiständung für das kantonale Beschwerdeverfahren ab.

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________ unter
Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheids und der Verfügung der IV-Stelle vom
23. April 2014 um Bewilligung der unentgeltlichen Verbeiständung und Ernennung
von Rechtsanwalt Reto Bachmann als unentgeltlichen Rechtsbeistand für das
Verwaltungsverfahren ab Gesuchseinreichung vom 4. März 2014 beantragen.
Gleichzeitig ersucht der Versicherte für das Beschwerdeverfahren vor
Bundesgericht um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung.
Während die IV-Stelle auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das
Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) auf eine Vernehmlassung. Mit Eingabe
vom 3. Oktober 2014 nimmt der Beschwerdeführer Stellung zur Beschwerdeantwort
der IV-Stelle.

Erwägungen:

1. 
Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die Eintretensvoraussetzungen
von Amtes wegen und mit freier Kognition (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 138 V 318 E.
6 S. 320; 135 III 1 E. 1.1 mit Hinweisen).

2. 
Der Beschwerdeführer macht geltend, gegen den selbstständig eröffneten
Zwischenentscheid über die Verweigerung der unentgeltlichen
Rechtsverbeiständung sei die Beschwerde ans Bundesgericht zulässig.

2.1. Der Entscheid, mit welchem das kantonale Versicherungsgericht - wie hier -
ausschliesslich über den Anspruch der versicherten Person auf einen
unentgeltlichen Rechtsbeistand im Verwaltungsverfahren eines
Sozialversicherungsträgers (Art. 37 Abs. 4 ATSG) befindet, ist eine
Zwischenverfügung im Sinne von Art. 93 BGG (BGE 139 V 600; SVR 2014 IV Nr. 9 S.
36, 8C_328/2013 E. 3.1 mit Hinweisen).

2.2. Gegen selbstständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist - von hier
nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen - die Beschwerde in Anwendung von
Art. 93 Abs. 1 BGG nur zulässig, wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden
Nachteil bewirken kann (lit. a) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort
einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit
oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (lit. b).

2.3. Befindet das kantonale Gericht über einen Zwischenentscheid einer unteren
Instanz, so stellt der Rechtsmittelentscheid regelmässig ebenfalls einen
Zwischenentscheid dar. Mit einem solchen Entscheid wird nicht über ein
Rechtsverhältnis endgültig entschieden, sondern nur über einen einzelnen
Schritt auf dem Weg zum Endentscheid (BGE 133 V 477 E. 4.1.3 S. 481, SVR 2014
IV Nr. 9 S. 36, 8C_328/2013 E. 2.2 mit Hinweis). Als Zwischenentscheid ist der
hier angefochtene Gerichtsentscheid nur unter den in Art. 93 Abs. 1 lit. a oder
b BGG genannten Voraussetzungen (vgl. E. 2.2 hievor) anfechtbar. Eine Berufung
auf die in lit. b von Art. 93 Abs. 1 BGG alternativ genannte
Prozessvoraussetzung fällt von vornherein ausser Betracht, weil ein
bundesgerichtliches Urteil über die Gewährung der unentgeltlichen
Verbeiständung im Verwaltungsverfahren über den zur Hauptsache streitigen
Leistungsanspruch gegenüber der Invalidenversicherung nichts aussagen würde und
in diesem Punkt deshalb auch bei einer Beschwerdegutheissung nicht zu einem
Endentscheid führen könnte (SVR 2014 IV Nr. 9 S. 36, 8C_328/2013 E. 3.2.1).

2.4. 

2.4.1. Wird in einem kantonalen Rückweisungsentscheid - oder gestützt auf ein
daran anschliessendes erneutes Gesuch in einem separaten Verfahren - für die
Dauer der Wiederaufnahme des Administrativverfahrens die unentgeltliche
Rechtspflege und Verbeiständung anhaltend verweigert, droht der versicherten
Person dadurch in aller Regel ein nicht wieder gutzumachender Nachteil
rechtlicher Natur (BGE 126 I 207; Urteil 8C_557/2014 vom 18. November 2014 E.
2.4.1). Können Zwischenentscheide über die Verweigerung der Beigabe eines
unentgeltlichen Rechtsbeistandes einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil
bewirken, sind sie gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG sofort gesondert anfechtbar
(Urteile 2C_143/2008 vom 10. März 2008 E. 2, 5A_108/2007 vom 11. Mai 2007 E.
1.2; zum bisherigen Recht: BGE 129 I 129 E. 1.1 S. 131, 126 I 207 E. 2a S. 210
mit Hinweisen).

2.4.2. Bleibt der rechtsuchenden versicherten Person die gegebenenfalls - im
Rahmen von Art. 37 Abs. 4 ATSG infolge des Untersuchungsgrundsatzes (Art. 43
Abs. 1 und Art. 61 lit. c ATSG) ohnehin nur bei Bejahung der nach einem
strengen Massstab zu prüfenden sachlichen Gebotenheit (BGE 125 V 32 E. 4b i.f.
S. 36 mit Hinweisen) - zu bewilligende notwendige unentgeltliche
Rechtsverbeiständung verwehrt, erleidet sie einen irreparablen Rechtsnachteil,
welcher auch mit einem für die Beschwerde führende Partei günstigen
Endentscheid nicht oder nicht vollständig behebbar ist (BGE 133 V 645 E. 2.1 S.
647 mit Hinweisen). Gemäss Urteil 8C_557/2014 vom 18. November 2014 E. 2.4.2
ist ein nicht wieder gutzumachenden Nachteil aus Sicht der Beschwerde führenden
versicherten Person auf Grund der Abweisung des Gesuchs um Gewährung der
unentgeltlichen Verbeiständung im Verwaltungsverfahren jedenfalls dann in der
anhaltenden Verweigerung der Beigabe eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes im
Rahmen der Wiederaufnahme des Verwaltungsverfahrens zu erblicken, wenn der
Sozialversicherungsträger nach Massgabe eines kantonalen
Rückweisungsentscheides zu weiteren Abklärungen und Neuentscheidung über den
strittigen Leistungsanspruch verpflichtet wird und die Verwaltung nicht bloss
die einzelnen rechtsverbindlichen Anweisungen gemäss Rückweisungsentscheid ohne
eigenen Ermessensspielraum konkret umzusetzen hat.

2.4.3. Dies trifft hier zu. Laut Dispositiv-Ziffer 1 des Rückweisungsentscheids
vom 11. Februar 2014 ordnete die Vorinstanz die Aufhebung der rentenablehnenden
Verfügung vom 10. April 2012 an und wies die Sache an die IV-Stelle zurück,
damit sie, nach weiteren Abklärungen gemäss den Erwägungen, neu verfüge. Das
kantonale Gericht hielt den rechtserheblichen Sachverhalt bezüglich des
Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers sowohl in somatischer also auch in
psychischer Hinsicht als ungenügend abgeklärt und beanstandete das Fehlen einer
psychiatrischen und neurologischen Begutachtung. In den Akten zeigten sich
gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass seit Juli 2009 weitere gesundheitliche
Beeinträchtigungen hinzugetreten seien. Die neurologische Begutachtung habe
auch zu prüfen, ob ein CRPS (Complex Regional Pain Syndrome) Typ II vorliege
und gegebenenfalls welche Einschränkungen diese Beschwerden in Bezug auf die
Arbeitsfähigkeit zur Folge hätten. Zudem bedürfe es einer Gesamtschau, welche
die verschiedenen Einzelaspekte in einen Zusammenhang bringe. Die Verwaltung
habe diese Abklärungen grundlegender Natur zu veranlassen. Weiter führte das
kantonale Gericht in den Erwägungen aus, die IV-Stelle habe anschliessend auch
bei einem zukünftigen Einkommensvergleich zu prüfen, ob eine Parallelisierung
der Einkommen vorzunehmen ist. Daraus erhellt, dass die IV-Stelle gemäss
kantonalem Rückweisungsentscheid nicht nur zu umfassenden, grundsätzlich neuen
Abklärungen medizinischer Natur, sondern auch zu einer Neuprüfung des
Einkommensvergleichs mit offenem Ausgang verpflichtet wurde.

2.4.4. Nach dem Gesagten ist auf die Beschwerde angesichts des drohenden nicht
wieder gutzumachenden Nachteils bei anhaltender Verweigerung der
unentgeltlichen Verbeiständung für die Dauer der Wiederaufnahme des
Administrativverfahrens einzutreten.

3. 
Ist auf die Beschwerde einzutreten, bleibt zu prüfen, ob das kantonale Gericht
in Bestätigung der Verwaltungsverfügung vom 23. April 2014 zu Recht die
Voraussetzung der sachlichen Gebotenheit (eine von drei kumulativ zu
erfüllenden Voraussetzungen: vgl. dazu BGE 132 V 200 E. 4.1 mit Hinweisen und
Kieser, ATSG-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Rz. 22 f. zu Art. 37 ATSG) der
unentgeltlichen Rechtspflege nach Art. 37 Abs. 4 ATSG in Bezug auf die Dauer
der Wiederaufnahme des Administrativverfahrens im Anschluss an den Erlass des
Rückweisungsentscheides vom 11. Februar 2014 verneint hat. Die prozessuale
Bedürftigkeit steht gemäss angefochtenem Entscheid unbestritten fest.

4.

4.1. Wo die Verhältnisse es erfordern, wird der gesuchstellenden Person ein
unentgeltlicher Rechtsbeistand bewilligt (Art. 37 Abs. 4 ATSG; Art. 29 Abs. 3
BV). Die Frage nach der sachlichen Erforderlichkeit der anwaltlichen
Verbeiständung für das Verwaltungsverfahren ist eine vom Bundesgericht frei
überprüfbare Rechtsfrage (Urteil 9C_316/2014 vom 17. Juni 2014 E. 1.1 mit
Hinweis).

4.2. Die Notwendigkeit einer anwaltlichen Vertretung im Besonderen ist auch
Voraussetzung des Anspruchs auf unentgeltliche Rechtsverbeiständung im
sozialversicherungsrechtlichen Verwaltungsverfahren (BGE 132 V 200 E. 4.1 S.
201; SVR 2009 IV Nr. 3 S. 4, I 415/06 E. 4.2). Sie ist namentlich mit Blick
darauf, dass der Untersuchungsgrundsatz gilt, die Versicherungsträger und
Durchführungsorgane der einzelnen Sozialversicherungen also den
rechtserheblichen Sachverhalt unter Mitwirkung der Parteien nach den
rechtsstaatlichen Grundsätzen der Objektivität, Neutralität und
Gesetzesgebundenheit (BGE 136 V 376) zu ermitteln haben (Art. 43 ATSG), nur in
Ausnahmefällen zu bejahen. Es müssen sich schwierige rechtliche oder
tatsächliche Fragen stellen und eine Interessenwahrung durch Dritte
(Verbandsvertreter, Fürsorgestellen oder andere Fach- und Vertrauensleute
sozialer Institutionen) muss ausser Betracht fallen (BGE 132 V 200 E. 4.1 i.f.
S. 201). Zu berücksichtigen sind die Umstände des Einzelfalles, die Eigenheiten
der anwendbaren Verfahrensvorschriften sowie die Besonderheiten des jeweiligen
Verfahrens (Urteil 8C_557/2014 vom 18. November 2014 E. 4.2 mit Hinweis). Dabei
fallen neben der Komplexität der Rechtsfragen und der Unübersichtlichkeit des
Sachverhalts auch in der Person des Betroffenen liegende Gründe in Betracht,
wie etwa seine Fähigkeit, sich im Verfahren zurechtzufinden (Schwander,
Anmerkung zu BGE 122 I 8, in: AJP 1996 S. 495; Urteil 9C_316/2014 vom 17. Juni
2014 E. 1.2).

5.

5.1. Gemäss angefochtenem Entscheid ist der Beizug eines Rechtsvertreters für
die Dauer der Wiederaufnahme des Verwaltungsverfahrens ab März 2014 nicht
erforderlich. Dies ungeachtet der Tatsache, dass die Vorinstanz bereits im
ersten Rechtsgang die Beschwerde des anwaltlich vertretenen Versicherten
mangels rechtsgenüglicher Abklärung des massgebenden Sachverhalts bezüglich des
Gesundheitszustandes sowohl in somatischer wie auch psychischer Hinsicht
gutgeheissen und die Sache zur weiteren Abklärung (vgl. E. 2.4.3 hievor) an die
IV-Stelle zurückgewiesen hatte. Das kantonale Gericht vertrat die Auffassung,
eine Rückweisung zur weiteren Abklärung alleine genüge nicht für die Bejahung
der Erforderlichkeit eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes im Sinne von Art.
37 Abs. 4 ATSG. Aus der Stärkung der Parteirechte gemäss BGE 137 V 210 folge
kein genereller Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung. Da es sich hier um
einen Neuanmeldungsfall handle, drohe kein besonders schwerer Eingriff in die
Rechtsstellung des Beschwerdeführers. Die laut kantonalem Rückweisungsentscheid
von der Verwaltung nachzuholende Beurteilung des Gesundheitszustandes (vgl. E.
2.4.3 hievor) umfasse keine rechtlich oder tatsächlich schwierige Fragen.
Andernfalls müsste in praktisch allen Fällen mit medizinischen Begutachtungen
ein Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung bejaht werden. Es sprächen auch
keine Sprach- und Rechtsunkundigkeit oder krankheitsbedingte Einschränkungen
für die Bejahung dieses Anspruchs. Der Versicherte sei mit Unterstützung von
Fach- und Vertrauensleuten sozialer Institutionen in der Lage, seinen
Standpunkt ohne anwaltliche Vertretung wirksam ins Verfahren einzubringen.

5.2.

5.2.1. Zwar stellte das kantonale Gericht zutreffend verschiedene Gründe dar,
welche im Einzelfall praxisgemäss zur Ablehnung eines Anspruchs auf
unentgeltliche Verbeiständung im sozialversicherungsrechtlichen
Administrativverfahren führen können. Daraus ist jedoch nicht zu schliessen,
dass jeder einzelne Grund für sich allein oder in Kombination mit anderen
Gründen ungeachtet der konkreten Verhältnisse im Einzelfall die Verneinung der
Erforderlichkeit eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes nach Art. 37 Abs. 4
ATSG zur Folge hat. So trifft zwar zu, dass nicht jede Rückweisung an die
IV-Stelle zur weiteren Abklärung in Bezug auf die Wiederaufnahme des
Administrativverfahrens einen Anspruch auf unentgeltliche Rechtsverbeiständung
im Sinne von Art. 37 Abs. 4 ATSG zu begründen vermag. Gegenteilig verhält es
sich beispielsweise dann, wenn die Verwaltung bloss einzelne rechtsverbindliche
Anweisungen gemäss Rückweisungsentscheid ohne eigenen Ermessensspielraum
konkret umzusetzen hat (vgl. Urteil 8C_557/2014 vom 18. November 2014 E. 2.4.2
i.f.). Wird jedoch die IV-Stelle - wie hier nach einer fast viereinhalbjährigen
Abklärungsdauer - ohne das Verschulden des bis dahin nicht anwaltlich vertreten
gewesenen Versicherten auf dem Rechtsweg vom kantonalen
Sozialversicherungsgericht nach Feststellung einer ungenügenden Abklärung des
rechtserheblichen Sachverhalts nicht nur zu einer umfassenden Neubeurteilung
des Gesundheitszustandes, sondern auch zur Neuprüfung des Einkommensvergleichs
unter allfälliger Parallelisierung der Einkommen veranlasst, so ist entgegen
der Vorinstanz nicht mehr von einem einfachen Sachverhalt und einem rechtlich
durchschnittlich gelagerten Verwaltungsverfahren auszugehen.

5.2.2. Dem kantonalen Gericht kann nicht gefolgt werden, soweit es
argumentiert, der Beschwerdeführer habe sich bis zum 10. April 2012 (Erlass der
mit kantonalem Rückweisungsentscheid aufgehobenen Verfügung der IV-Stelle) ohne
anwaltliche Hilfe zurecht gefunden. Zutreffend verweist der Versicherte darauf,
dass zwischen seiner Neuanmeldung zum Leistungsbezug bei der
Invalidenversicherung im Jahre 2007 wegen Verschlechterung seines
Gesundheitszustandes bis zur Verneinung eines Rentenanspruchs mit Verfügung vom
10. April 2012 - ohne Rechtsbeistand - fast viereinhalb Jahre vergingen, ohne
dass die Verwaltung den Sachverhalt in diesem langen Zeitraum - trotz des
geltenden Untersuchungsgrundsatzes - gemäss kantonalem Rückweisungsentscheid
rechtsgenüglich abzuklären vermochte. Dass beim Beschwerdeführer keine
Verständigungsschwierigkeiten erkennbar seien, wie die Vorinstanz geltend
macht, findet in den Akten keine Stütze. Im Gegenteil: Der vor kantonalem
Gericht aufgelegten E-Mail vom 29. April 2014 des Sozialberatungszentrums
C.________ ist ausdrücklich zu entnehmen, dass die Beratungen mangels eines
ausreichenden Sprachverständnisses mehrheitlich mit Unterstützung einer
Dolmetscherin durchgeführt wurden. Ebenso erfolgte die Einzelpsychotherapie in
der Muttersprache des Versicherten. Gemäss Bericht vom 16. Juli 2009 der
Beruflichen Abklärungsstelle (BEFAS) der Stiftung D.________ spricht der
Beschwerdeführer "sehr wenig und scheint Erklärungen auf Deutsch nicht gut zu
verstehen. Dadurch wirkt er etwas abweisend und zurückgezogen. Er bleibt bei
den Aufgaben sitzen und kommt nicht fragen, wenn er nicht weiter weiss." Wie
der Versicherte unter diesen Umständen in der Lage sein soll, seine Interessen
selbst wahrzunehmen, ist dem angefochtenen Entscheid nicht zu entnehmen.

5.2.3. Aus dem unangefochten in Rechtskraft erwachsenen Rückweisungsentscheid
vom 11. Februar 2014 geht nicht klar hervor, ob die IV-Stelle zur Einholung
eines polydisziplinären MEDAS-Gutachtens im Sinne von BGE 137 V 210
verpflichtet wurde. Fest steht einzig, dass das kantonale Gericht die
mangelhafte Abklärung des Gesundheitszustandes sowohl in somatischer wie auch
psychischer Hinsicht beanstandete und ausdrücklich eine psychiatrische und eine
neurologische Begutachtung für unerlässlich hielt.

5.2.3.1. Sollte demnach eine bidisziplinäre medizinische Begutachtung zu
veranlassen gewesen sein, waren die rechtsstaatlichen Anforderungen im Sinne
von BGE 137 V 210 nicht vollumfänglich zu ignorieren. Nach BGE 139 V 349 sind
abgesehen von der Auftragsvergabe nach dem Zufallsprinzip die übrigen
rechtsstaatlichen Anforderungen (Partizipationsrechte, Verfügungspflichten und
Rechtsschutz) gemäss BGE 137 V 210 auch auf mono- und bidisziplinäre
medizinische Begutachtungen sinngemäss anwendbar (BGE 139 V 349 E. 5.4 S. 357).
Weil hier die zufallsbasierte Zuweisung zu einer Gutachterstelle nicht zur
Anwendung gelangt (vgl. BGE 139 V 349), ist die Beachtung der
Verfahrensgarantien bei mono- und bidisziplinären Expertisen umso wichtiger (
BGE 139 V 349 E. 5.4 S. 357) und die prozessuale Chancengleichheit bei der
Auswahl der Fachdisziplinen und der Gutachterfragen besonders bedeutsam (BGE
139 V 349 E. 5.2.2.2 und 5.3 S. 355 f.). Die mit dieser Rechtsprechung betonten
und in differenzierter Weise dargelegten Partizipationsrechte der versicherten
Person lassen jedenfalls im Rahmen einer gerichtlich erstrittenen Rückweisung
zwecks Wiederaufnahme des Verwaltungsverfahrens zur erneuten medizinischen
Begutachtung besondere Umstände erkennen, welche die Sache als nicht (mehr)
einfach und eine anwaltliche Vertretung als notwendig erscheinen lassen
(Urteile 8C_557/2014 vom 18. November 2014 E. 5.2.1 und 9C_692/2013 vom 16.
Dezember 2013 E. 4.2 mit Hinweis).

5.2.3.2. Dass gemäss angefochtenem Entscheid und Vernehmlassung der
Beschwerdegegnerin hinsichtlich der gegebenen Umstände und der zu klärenden
Fragen im wieder aufgenommenen Administrativverfahren nicht von einer
besonderen Komplexität auszugehen sei, trifft unter Berücksichtigung des
bereits Gesagten nicht zu, weil sich die IV-Stelle mit dem Versicherten
beziehungsweise dessen Rechtsvertreter unter Wahrung der praxisgemäss zu
gewährleistenden Partizipationsrechte (vgl. dazu BGE 139 V 349 E. 5 S. 354 ff.)
konsensorientiert über die Gutachterstelle, die Fachdisziplinen und den
Fragenkatalog zu einigen hatte. Dies setzt eine fachliche Kompetenz voraus,
welche die versicherte Person selbst nicht aufwies und welche ihr durch die
Beiordnung eines Rechtsvertreters verschafft werden konnte (vgl. SVR 2009 IV
Nr. 5 S. 9, 8C_48/2007 E. 2.2). Ist schliesslich bei der Prüfung der
Erforderlichkeit der unentgeltlichen Verbeiständung im Sinne von Art. 37 Abs. 4
ATSG auch den konkreten subjektiven Verhältnissen (SVR 2009 IV Nr. 3 S. 4, I
415/06 E. 4.2 und 6.2) - der fachlichen Kompetenz (SVR 2009 IV Nr. 5 S. 9,
8C_48/2007 E. 2.2) und den Fähigkeiten (hievor E. 4.2 i.f.) - der
gesuchstellenden Person Rechnung zu tragen, so fällt hier ins Gewicht, dass der
schlecht Deutsch sprechende Beschwerdeführer angesichts der komplexen
verfahrensrechtlichen Anforderungen mit Blick auf die Wiederaufnahme des
Administrativverfahrens nach dem Rückweisungsentscheid vom 11. Februar 2014
ohne anwaltliche Interessenwahrung seine Partizipationsrechte nicht
chancengleich wahrnehmen könnte.

5.2.4. Hat das kantonale Gericht die Sache zur weiteren medizinischen Abklärung
resp. zur Veranlassung eines bidisziplinären Gutachtens an die IV-Stelle
zurückgewiesen, und war der Versicherte bereits im damaligen gerichtlichen
Verfahren durch den heute nach wie vor gleichen Rechtsbeistand vertreten, so
sprechen (auch) diese Umstände (vgl. zudem hievor E. 5.2.1 bis 5.2.3) für die
Erforderlichkeit der Vertretung (vgl. Ackermann, Aktuelle Fragen zur
unentgeltlichen Vertretung im Sozialversicherungsrecht, in: Schaffhauser/Kieser
[Hrsg.], Sozialversicherungsrechtstagung 2010, S. 161 f. insbes. bei Fn. 56 S.
162; vgl. auch Kieser, a.a.O., Rz. 23 zu Art. 37 ATSG; Urteile 8C_557/2014 vom
18. November 2014 E. 5.2.2 und 9C_692/2013 vom 16. Dezember 2013 E. 4.2 mit
Hinweis).

5.2.5. Demnach ist die Erforderlichkeit des Beizugs eines unentgeltlichen
Rechtsbeistandes nach Art. 37 Abs. 4 ATSG mit Blick auf die dargelegten
Grundsätze für die Dauer der Wiederaufnahme des Verwaltungsverfahrens seit
Einreichung des entsprechenden Gesuches vom 4. März 2014 ausnahmsweise (vgl. E.
4.2 hievor) zu bejahen.

5.3. Folglich sind der angefochtene Entscheid sowie die Verfügung der IV-Stelle
vom 23. April 2014 aufzuheben. Weil weder Verwaltung noch Vorinstanz bisher zur
dritten, kumulativ erforderlichen Voraussetzung für die Bejahung eines
Anspruchs im Sinne von Art. 37 Abs. 4 ATSG - nämlich der
Nichtaussichtslosigkeit des verfolgten Verfahrensziels - Stellung genommen
haben, ist die Sache an die IV-Stelle zurückzuweisen, damit sie die einzig
verbleibende Voraussetzung prüfe und anschliessend erneut über die Gewährung
oder Verweigerung der unentgeltlichen Verbeiständung verfüge.

6. 
Praxisgemäss entspricht die Rückweisung einem vollen Obsiegen (BGE 137 V 210 E.
7.1 S. 271 mit Hinweisen). Die unterliegende IV-Stelle hat die Gerichtskosten
zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG) und dem Beschwerdeführer eine
Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 2 BGG; BGE 132 V 215 E. 6.1 S.
235). Damit wird das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung im
bundesgerichtlichen Verfahren gegenstandslos. Gleiches gilt für das entsp
rechende Gesuch bei der Vorinstanz (Art. 68 Abs. 5 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des Kantonsgerichts
Luzern, 3. Abteilung, vom 30. Juli 2014 und die Verfügung der IV-Stelle Luzern
vom 23. April 2014 werden aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verfügung an die
IV-Stelle Luzern zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3. 
Die Beschwerdegegnerin hat den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers für das
bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen.

4. 
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des
vorangegangenen Verfahrens an das Kantonsgericht Luzern, 3. Abteilung,
zurückgewiesen.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Luzern, 3. Abteilung, und
dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 28. Januar 2015
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Der Gerichtsschreiber: Hochuli

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