Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.491/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_491/2014

Urteil vom 23. Dezember 2014

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Ursprung, Bundesrichter Frésard,
Gerichtsschreiber Lanz.

Verfahrensbeteiligte
Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO), Direktion, Arbeitsmarkt/
Arbeitslosenversicherung, TCRV, Holzikofenweg 36, 3003 Bern,
Beschwerdeführer,

gegen

A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Claudia Starkl,

Beschwerdegegner,

Dienststelle Wirtschaft und Arbeit (wira), Stab Recht, Bürgenstrasse 12, 6005
Luzern.

Gegenstand
Arbeitslosenversicherung (Einstellung in der Anspruchsberechtigung),

Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Luzern vom
19. Mai 2014.

Sachverhalt:

A. 
Der 1957 geborene A.________ meldete sich im März 2013 zur Arbeitsvermittlung
und zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung ab 21. März 2013 an. Mit Verfügung
vom 16. August 2013 stellte ihn die kantonale Dienststelle Wirtschaft und
Arbeit (nachfolgend: wira) wegen Ablehnung einer zumutbaren Arbeit für 31 Tage
ab 6. Juni 2013 in der Anspruchsberechtigung ein. Sie bezog sich dabei auf eine
Bewerbung des Versicherten als Postauto-Chauffeur bei der B.________ GmbH
(nachfolgend: Firma B.________), welche nicht zu einer Anstellung geführt
hatte. Zwischenzeitlich hatte A.________ sich am 30. Juni 2013 von der
Arbeitsvermittlung abgemeldet, da er auf den 1. Juli 2013 eine Stelle als
Postauto-Chauffeur bei der C.________ AG antreten konnte. Die von ihm gegen die
Verfügung vom 16. August 2013 erhobene Einsprache wies die wira mit Entscheid
vom 14. Oktober 2013.

B. 
A.________ erhob hiegegen Beschwerde. Das Kantonsgericht Luzern holte eine
schriftliche Beweisauskunft der Firma B.________ ein. Mit Entscheid vom 19. Mai
2014 hiess es die Beschwerde gut und hob den Einspracheentscheid vom 14.
Oktober 2013 auf.

C. 
Das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) führt Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, es sei der kantonale
Gerichtsentscheid aufzuheben und der Einspracheentscheid vom 14. Oktober 2013
zu bestätigen; eventuell sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen und
anzuordnen, diese habe sich mit dem sanktionsrelevanten Verhalten des
Versicherten im Sinne von Art. 30 Abs. 1 lit. d AVIG auseinanderzusetzen.

A.________ lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen. Die wira verzichtet
unter Hinweis auf die Beschwerde des SECO auf eine Stellungnahme.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter
Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1
und 2 BGG), nur die geltend gemachten Vorbringen, falls allfällige weitere
rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E. 1.6 S.
280 mit Hinweisen).

Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren
Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht
(Art. 105 Abs. 2 BGG).

2. 
Im angefochtenen Entscheid, auf den verwiesen wird, sind die gesetzliche
Regelung, wonach die versicherte Person im Rahmen ihrer
Schadenminderungspflicht alles Zumutbare zu unternehmen hat, um
Arbeitslosigkeit zu vermeiden oder zu verkürzen, insbesondere jegliche
zumutbare Arbeit unverzüglich anzunehmen (Art. 17 Abs. 1, Art. 16 Abs. 1 und 2
AVIG), sowie die Bestimmungen zur Einstellung in der Anspruchsberechtigung bei
Nichtannahme einer zumutbaren Arbeit (Art. 30 Abs. 1 lit. d AVIG; vgl. hiezu
auch: THOMAS NUSSBAUMER, Arbeitslosenversicherung, in SBVR, Soziale Sicherheit,
2. Aufl. 2007, Rz. 842), zur Bemessung der Einstellungsdauer nach dem Grad des
Verschuldens (Art. 30 Abs. 3 AVIG in Verbindung mit Art. 45 Abs. 3 und 4 AVIV)
und zum Untersuchungsgrundsatz (Art. 43 Abs. 1 und Art. 61 lit. c ATSG)
zutreffend dargelegt. Gleiches gilt für die Rechtsprechung, wonach der
Einstellungstatbestand des Art. 30 Abs. 1 lit. d AVIG auch dann erfüllt ist,
wenn die versicherte Person die Arbeit zwar nicht ausdrücklich ablehnt, es aber
durch ihr Verhalten in Kauf nimmt, dass die Stelle anderweitig besetzt wird (
BGE 122 V 34 E. 3b S. 38; SVR 2004 ALV Nr. 11 S. 31, C 162/02 E. 1, nicht publ.
in: BGE 130 V 125). Richtig ist auch, dass eine solche Einstellung in der
Anspruchsberechtigung nicht (zwingend) den Nachweis eines Kausalzusammenhangs
zwischen dem Verhalten der versicherten Person und der Verlängerung der
Arbeitslosigkeit, mithin dem (auch) der Arbeitslosenversicherung entstandenen
Schadens voraussetzt (Urteil [des Bundesgerichts] 8C_854/2010 vom 27. Oktober
2010 E. 2.2). Vielmehr werden bestimmte Handlungen und Unterlassungen bereits
dann sanktioniert, wenn sie erst ein Schadensrisiko in sich bergen (vgl.
Urteile [des Eidg. Versicherungsgerichts] C 213/03 vom 6. Januar 2004 E. 2 und
C 152/01 vom 21. Februar 2002 E. 4).

3. 
Die wira hat den Versicherten mit der Begründung in der Anspruchsberechtigung
eingestellt, er habe aufgrund seines Verhaltens anlässlich des
Vorstellungsgesprächs vom 5. Juni 2013 bei der Firma B.________ die von dieser
Arbeitgeberin ausgeschriebene Stelle nicht erhalten. Damit sei der Tatbestand
des Art. 30 Abs. 1 lit. d AVIG erfüllt.

Das kantonale Gericht ist zum Ergebnis gelangt, das treffe nicht zu. Diese
Beurteilung ist rechtens. Der Versicherte konnte am 1. Juli 2013 eine Stelle
als Postauto-Chauffeur bei der C.________ AG antreten und damit seine
Arbeitslosigkeit beenden. Es steht sodann fest und ist letztinstanzlich nicht
mehr umstritten, dass das Anstellungsverhältnis bei der Firma B.________ nicht
vor diesem Zeitpunkt hätte beginnen können, da gemäss Vorgaben der PostAuto
Schweiz AG zum einen der Versicherte sich noch einer ärztlichen Untersuchung
sowie einen Eignungstest zu absolvieren hatte und zum anderen ein
Stellenantritt erst auf den Anfang eines Monats erfolgen konnte. Das Beschwerde
führende SECO wendet zwar ein, die Stellenzusage der C.________ AG sei
lediglich bedingt gewesen. Aus den Akten geht aber hervor, dass diese Bedingung
im von der PostAuto Schweiz AG vorgeschriebenen Bestehen der ärztlichen
Untersuchung und des Eignungstests bestand. Dieses Erfordernis war indessen wie
dargelegt auch für eine Anstellung bei der Firma B.________ zu erfüllen. Die
erfolgreiche Absolvierung von ärztlicher Untersuchung und Eignungstest führte
daher zur Anstellung bei der C.________ AG, während ein Scheitern bei diesen
Abklärungen auch die Anstellung bei der Firma B.________ verhindert hätte. Die
Beendigung der Arbeitslosigkeit per 1. Juli 2013 war somit unabhängig vom
Verhalten des Versicherten am Vorstellungsgespräch vom 5. Juni 2013. Mit der
Vorinstanz kann daher auch offen gelassen werden, wie dieses
Vorstellungsgespräch tatsächlich ablief. Denn unabhängig davon ergibt sich,
dass dies das Schadensrisiko nicht erhöhte. Das führt zur Abweisung der
Beschwerde.

4. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Das SECO hat dem
Beschwerdegegner eine Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 1 und 2
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3. 
Der Beschwerdeführer hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 1800.- zu entschädigen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, der Dienststelle Wirtschaft und Arbeit (wira)
und dem Kantonsgericht Luzern, 3. Abteilung, schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 23. Dezember 2014

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Der Gerichtsschreiber: Lanz

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