Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.471/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_471/2014

Urteil vom 16. März 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Maillard, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiberin Berger Götz.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Dienststelle für Industrie, Handel und Arbeit, Arbeitslosenversicherung, Avenue
du Midi 7, 1950 Sitten,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Arbeitslosenversicherung (vorinstanzliches Verfahren),

Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Wallis vom 13. Mai 2014.

Sachverhalt:

A. 
Mit Verfügung vom 24. Mai 2012 stellte das Regionale Arbeitsvermittlungszentrum
Oberwallis den 1984 geborenen A.________ wegen ungenügender Arbeitsbemühungen
während der Arbeitslosigkeit ab 1. Mai 2012 für drei Tage in der
Anspruchsberechtigung ein. Die Dienststelle für Industrie, Handel und Arbeit
des Kantons Wallis (DIHA) lehnte die dagegen erhobene Einsprache ab
(Einspracheentscheid vom 3. Mai 2013).

B. 
In Gutheissung der gegen den Einspracheentscheid geführten Beschwerde stellte
das Kantonsgericht Wallis fest, der Vollzug der Einstellung in der
Anspruchsberechtigung sei verwirkt (Dispositiv-Ziffer 1); es erhob weder Kosten
noch richtete es Parteientschädigungen aus (Dispositiv-Ziffer 2; Entscheid vom
13. Mai 2014).

C. 
A.________ erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und
beantragt im Wesentlichen, der Kostenentscheid des Kantonsgerichts
(Dispositiv-Ziffer 2 des Entscheids vom 13. Mai 2014) sei "wegen Verletzung von
zwingendem Bundesrecht" aufzuheben und es sei in Berichtigung bzw. Ergänzung
der Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz festzustellen, dass ihm durch die
elektronische Übermittlung seiner Rechtsschriften im vorinstanzlichen Verfahren
nicht nur geringe Kosten entstanden seien und dass hier wegen des Umfangs und
der Anzahl der nötigen Rechtsschriften besondere Umstände vorlägen, welche
insgesamt die Zusprache einer Parteientschädigung rechtfertigen würden; es sei
die Nichtigkeit des Einspracheentscheids vom 3. Mai 2013 und die Verletzung des
Beschleunigungsgebots durch den Einspracheentscheid festzustellen; es sei
festzustellen dass er seine Rechtsschriften der Vorinstanz jedenfalls
rechtsgültig elektronisch habe einreichen dürfen; die Sache sei an die
Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie über die Parteientschädigung für das
kantonale Verfahren befinde; eventualiter sei die Sache auch zur Feststellung
der Nichtigkeit des Einspracheentscheids an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Ferner ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege; eventualiter
sei auf die Erhebung einer Gerichtsgebühr zu verzichten oder diese sei zu
ermässigen.

Mit Verfügung vom 28. Oktober 2014 lehnte das Bundesgericht das Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege mangels Bedürftigkeit ab. A.________ erbrachte den
Gerichtskostenvorschuss innert Nachfrist.

Die DIHA, das Kantonsgericht und das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO)
verzichten auf eine Stellungnahme.

Erwägungen:

1. 
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob ein
Rechtsmittel zulässig ist (BGE 138 V 318 E. 6 S. 320 mit Hinweis).

2. 
Zulässiges Anfechtungsobjekt in diesem Verfahren ist einzig der vorinstanzliche
Entscheid vom 13. Mai 2014 (Art. 86 Abs. 1 lit. d und Art. 100 Abs. 1 BGG). Mit
diesem Entscheid wird festgestellt, dass der Einsprache gemäss Art. 100 Abs. 4
AVIG keine aufschiebende Wirkung zugekommen sei und deshalb die
Vollstreckungsverjährung zum Zeitpunkt des Einspracheentscheids bereits
eingetreten sei. Da die Arbeitslosenversicherung die Leistungen für die
betreffenden Einstelltage bereits ausgerichtet habe, sei der Vollzug der
verfügten drei Einstelltage verwirkt. In Dispositiv-Ziffer 1 erkennt das
Kantonsgericht dementsprechend, die Beschwerde werde gutgeheissen und der
Vollzug der Einstellung in der Anspruchsberechtigung sei verwirkt, während
Dispositiv-Ziffer 2 die Kosten beschlägt.

3. 
Zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist berechtigt, wer
unter anderem ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung oder Änderung des
angefochtenen Entscheids hat (Art. 89 Abs. 1 lit. c BGG).

3.1. Der Beschwerdeführer hat kein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung
oder Änderung des gutheissenden vorinstanzlichen Entscheides, weshalb auf seine
Beschwerde, soweit sie sich gegen Dispositiv-Ziffer 1 richtet, nicht
eingetreten werden kann. Das Rechtsschutzinteresse muss auch verneint werden,
soweit sich die Beschwerde nur gegen die Begründung des angefochtenen
Entscheids richtet, ohne dass eine Änderung des Dispositivs verlangt wird.

3.2. In Bezug auf das Begehren, es sei die Nichtigkeit des
Einspracheentscheides festzustellen und das vorinstanzliche Dispositiv sei
entsprechend abzuändern, sind die Eintretensvoraussetzungen ebenfalls nicht
erfüllt. Mit der Gutheissung der Beschwerde durch die Vorinstanz und ihrer
Feststellung, der Vollzug der Einstellung in der Anspruchsberechtigung sei
verwirkt, ist der Vollstreckbarkeit des Einspracheentscheides der Boden
entzogen. Der Beschwerdeführer hat kein schutzwürdiges Interesse an einer
Abänderung der Dispositiv-Ziffer 1.

3.3. Auf den Antrag, es sei festzustellen, dass der Beschwerdeführer seine
Rechtsschriften der Vorinstanz rechtsgültig elektronisch habe einreichen
dürfen, kann ebenfalls mangels eines schutzwürdigen Interesses nicht
eingetreten werden. Denn im angefochtenen Gerichtsentscheid wird zwar die
Auffassung vertreten, auf elektronische Eingaben an die
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung des Kantonsgerichts könne nicht
eingetreten werden, gestützt auf den Grundsatz von Treu und Glauben - weil das
Generalsekretariat der Walliser Gerichte dem Versicherten eine Adresse für den
elektronischen Datenverkehr mitgeteilt habe - ist die Vorinstanz jedoch
trotzdem auf die ihrer Ansicht nach formell unzulässige elektronische
Beschwerde eingetreten.

3.4. Der Beschwerdeführer rügt auch eine Verletzung des Beschleunigungsgebots
und macht geltend, die Vorinstanz habe sich mit diesem Vorwurf nicht befasst,
was nun vom Bundesgericht nachzuholen sei. Das Beschleunigungsgebot sieht er
verletzt, weil die Einstellung in der Anspruchsberechtigung nicht innert der
sechs Monate ab Beginn der Einstellungsfrist im Sinne von Art. 30 Abs. 3
letzter Satz AVIG verfügt und vollzogen worden war. Das kantonale Gericht
stellt im angefochtenen Entscheid allerdings entsprechend dieser
Gesetzesbestimmung fest, dass der Vollzug der verfügten drei Einstelltage wegen
Nichteinhaltens dieser sechsmonatigen Frist dahinfalle, was zur Gutheissung der
Beschwerde führte. Der Einwand des Versicherten, das Gericht sei verpflichtet,
die Verletzung des Beschleunigungsgebots im Urteil ausdrücklich festzuhalten
und darzulegen, in welchem Ausmass es diesen Umstand berücksichtigt habe, ist
nicht stichhaltig. Denn die Rechtsfolge der Verzögerung wird hier vom Gesetz
klar bestimmt, so dass sich das Gericht auf die Feststellung der
Nichtvollstreckbarkeit der Einstelltage beschränken konnte. Da die
vorinstanzlich vom Beschwerdeführer angefochtene Einstellung in der
Anspruchsberechtigung bedingt durch die Verfahrensverzögerung bei der Behörde
nicht mehr vollzogen werden kann, erleidet er keinen Nachteil. Auf seinen
Antrag, es sei eine Verletzung des Beschleunigungsgebots festzustellen, ist
mangels eines Rechtsschutzinteresses nicht einzutreten.

4. 
Soweit sich der Beschwerdeführer auf Dispositiv-Ziffer 2 des angefochtenen
Entscheids bezieht und eine Rückweisung an die Vorinstanz zur Festlegung einer
Parteientschädigung für das kantonale Verfahren beantragt, gelingt es ihm, ein
schutzwürdiges Interesse im Sinne von Art. 89 Abs. 1 lit. c BGG nachzuweisen.
Beschränkt auf diesen Bereich kann die Beschwerde materiell behandelt werden.

4.1. Der Versicherte stützt sich für die Geltendmachung seines Anspruchs auf
Parteientschädigung für das vorinstanzliche Verfahren auf Art. 61 lit. g ATSG.
Das Bundesgericht prüft grundsätzlich frei, ob der vorinstanzliche Entscheid
hinsichtlich der Bemessung der Parteientschädigung den in Art. 61 lit. g ATSG
statuierten bundesrechtlichen Anforderungen genügt. Im Übrigen ist die
Bemessung der Parteientschädigung für das kantonale Verfahren dem kantonalen
Recht überlassen (Art. 61 Satz 1 ATSG). Art. 61 lit. g ATSG handelt von
"Parteikosten", worunter insbesondere die Vertretungskosten fallen. Der
Beschwerdeführer war im vorinstanzlichen Verfahren nicht vertreten, weshalb er
keine Vertretungskosten geltend machen kann. Zur Begründung seines Anspruchs
auf Parteientschädigung kann er sich daher nicht auf Art. 61 lit. g ATSG
stützen. Es erübrigt sich, auf seine Vorhalte und Verweise auf Gesetz und
Rechtsprechung einzugehen, soweit sie die Parteientschädigung im Sinne von
Anwaltskosten betreffen.

4.2. Sonstige Kosten einer nicht vertretenen Partei werden nur ausnahmsweise
übernommen. Gemäss Art. 4 Abs. 2 des Gesetzes des Kantons Wallis betreffend den
Tarif der Kosten und Entschädigungen vor Gerichts- oder Verwaltungsbehörden vom
11. Februar 2009 (GTar; SGS/VS 173.8) umfasst die einer Partei gewährte
Entschädigung die Rückerstattung ihrer Auslagen und, falls es die besonderen
Umstände rechtfertigen, eine Abgeltung für Zeitverlust und entgangenen Gewinn.

Der Beschwerdeführer macht geltend, die Kosten für die elektronische
Übermittlung durch eine anerkannte elektronische Zustellplattform seien
entgegen der Ansicht des kantonalen Gerichts erheblich. So verrechne die
Schweizerische Post allen Privatpersonen für ein IncaMail
Webmail-Jahresabonnement Fr. 29.-- pro Jahr sowie für jedes
IncaMail-Einschreiben eine Gebühr von Fr. 2.-- und das erforderliche Zertifikat
für die digitale Signatur von elektronischen Rechtsschriften von SuisseID koste
zusätzlich mindestens Fr. 82.-- für ein Jahr. Abgesehen vom Umstand, dass der
Versicherte im vorinstanzlichen Verfahren alles andere als gezwungen war, die
Beschwerde elektronisch einzureichen - das Kantonsgericht ging von der
grundsätzlichen Ungültigkeit der elektronischen Eingabe aus - geht es nicht an,
dem vorliegenden Prozess die ganzen Jahreskosten von IncaMail und digitaler
Signatur zuzurechnen, zumal der Versicherte diese Dienste auch für andere
Übermittlungen in Anspruch nehmen kann. Auslagen für in Papierform geführte
Beschwerdeverfahren können ja ebenfalls nicht die Jahresmiete für ein Postfach
oder ähnliches umfassen. Mit Blick darauf, dass sich die Kosten für ein
IncaMail-Einschreiben nach Angaben des Versicherten auf Fr. 2.-- belaufen, ist
die Annahme des Kantonsgerichts, die Kosten seien gering und deshalb nicht
entschädigungspflichtig gewesen, jedenfalls nicht willkürlich. Auf seinen
Einwand, es verletze den Rechtsgleichheitsgrundsatz, dass nur einem obsiegenden
Beschwerdeführer, welcher seine Rechtsschriften in Papierform einreiche, eine
Parteientschädigung zustehe, während einem obsiegenden Beschwerdeführer bei
elektronischer Übermittlung eine solche Entschädigung verwehrt sei, ist nicht
weiter einzugehen. Soweit der Beschwerdeführer darauf verweist, dass er in
einem anderen Verfahren vor derselben Vorinstanz, in welchem er seine
Rechtsschriften in Papierform eingereicht habe, schon einmal eine
Parteientschädigung von Fr. 300.-- zugesprochen erhalten habe, kann er daraus
für den vorliegenden Prozess nichts zu seinen Gunsten ableiten.

Auch die vorinstanzliche Annahme, wonach keine besonderen Umstände auszumachen
seien, welche eine Entschädigung rechtfertigen würden, hält vor dem
Willkürverbot stand. Denn es muss berücksichtigt werden, dass sich die
Streitigkeit vor Kantonsgericht im Grunde lediglich um die Frage der
Rechtmässigkeit dreier Einstelltage drehte. Die Sache war also weder komplex
noch war zur Interessenwahrung ein hoher Arbeitsaufwand erforderlich. Der
Beschwerdeführer verkennt offensichtlich, dass besondere Umstände nicht schon
dann angenommen werden können, wenn im Einzelfall - wie in casu wohl auch - ein
sehr hoher Aufwand betrieben wird, welcher jedoch in keinem vernünftigen
Verhältnis zum Ergebnis der Interessenwahrung in eigener Sache steht.

5. 
Die Gerichtskosten sind vom unterliegenden Beschwerdeführer zu tragen (Art. 66
Abs. 1 Satz 1 BGG). Sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist mit
Verfügung vom 28. Oktober 2014 infolge mangelnder Bedürftigkeit abgewiesen
worden (Art. 64 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Wallis und dem
Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 16. März 2015
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Ursprung

Die Gerichtsschreiberin: Berger Götz

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