Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.426/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]          
8C_426/2014 {T 0/2}     

Urteil vom 23. April 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Frésard, Maillard,
Gerichtsschreiber Hochuli.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Kurt Meier,
Beschwerdeführerin,

gegen

Allianz Suisse Versicherungs-Gesellschaft AG, Hohlstrasse 552, 8048 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 15. April 2014.

Sachverhalt:

A. 
A.________, geboren 1952, ist Physiotherapeutin und arbeitete seit Mai 1996 mit
einem 60%-Pensum unselbstständig erwerbend für PD Dr. med. B.________ und war
in dieser Eigenschaft ursprünglich bei der Elvia Schweizerische
Versicherungs-Gesellschaft (heute: Allianz Suisse Versicherungs-Gesellschaft
AG; nachfolgend: Allianz oder Beschwerdegegnerin) obligatorisch gegen die
Folgen von Unfällen und Berufskrankheiten versichert. Seit 1998 erlitt sie
verschiedene Unfälle, für welche die Allianz die gesetzlichen Leistungen nach
UVG erbrachte. Anlässlich des Unfalles vom 11. Juni 2003 zog sich die
Versicherte bei bekannter Diskushernie L4/L5 und L5/S1 Prellungen am rechten
Knie, an der linken Schulter und am linken Unterarm zu. Mit Verfügung vom 28.
April 2005 schloss die Allianz diesen Fall infolge des Erreichens des Status
quo ante/sine per 31. Dezember 2004 folgenlos ab. Hiegegen erhob die
Versicherte Einsprache. Während des Einspracheverfahrens rutschte sie beim
Wandern am 11. September 2005 aus und zog sich eine Distorsion am linken oberen
Sprunggelenk (OSG) mit partieller Ruptur des lateralen Bandapparates zu. Die
Allianz stellte in der Folge die Heilbehandlung per 10. September 2006 ein und
schloss den Fall ohne weitere Leistungen ab (Verfügung vom 24. November 2006).
Auch hiegegen erhob die Versicherte Einsprache. Nach weiteren Abklärungen hielt
die Allianz mit zwei separaten Einspracheentscheiden vom 1. Dezember 2008 an
ihren Verfügungen vom 28. April 2005 und vom 24. November 2006 fest.
Die Versicherte liess gegen beide Einspracheentscheide separat Beschwerde
erheben. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich vereinigte die
beiden Verfahren und hiess die Beschwerden insoweit teilweise gut, als es
feststellte, die Arthrose im linken OSG gelte als Unfallfolge, und
diesbezüglich die Sache zur weiteren Abklärung und Neuverfügung an die Allianz
zurück wies. Im Übrigen wies es die Beschwerden ab (Entscheid vom 9. Juli
2010).
Nach Einholung des orthopädischen Gutachtens vom 25. Januar 2012 der Dr. med.
C.________ hielt die Allianz mit Verfügung vom 31. Mai 2012, bestätigt durch
Einspracheentscheid vom 29. November 2012, am Fallabschluss per 10. September
2006 fest und verneinte einen Anspruch auf Invalidenrente und
Integritätsentschädigung.

B. 
Dagegen beantragte A.________ beschwerdeweise die Aufhebung des
Einspracheentscheides vom 29. November 2012. Die Allianz habe rückwirkend ab
10. September 2006 die Heilungskosten sowie Taggelder zu vergüten (Antrag Ziff.
1). Ab Erreichen des Endzustandes seien ihr eine Invalidenrente und eine
Integritätsentschädigung zuzusprechen (Antrag Ziff. 2). In formeller Hinsicht
sei das Verfahren zu sistieren, bis die Allianz über die Folgen eines Unfalles
vom 6. März 2005 in Form einer Verfügung bzw. eines Einspracheentscheides
bestimmt habe, wobei ein im anhaltenden Streitfall daran anschliessendes
Gerichtsverfahren mit dem vorliegenden zu vereinigen sei und die Parteien zur
entsprechenden Verhandlung über den gesamten Anspruch vorzuladen seien (Antrag
Ziff. 3). Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die Beschwerde
ab (Entscheid vom 15. April 2014).

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________ unter
Aufhebung des angefochtenen Gerichtsentscheides im Wesentlichen ihr
vorinstanzliches Rechtsbegehren erneuern. Eventualiter sei die Sache zwecks
Durchführung einer öffentlichen Verhandlung und Neubeurteilung der
Unfallbeschwerden an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Während die Allianz auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das
Bundesamt für Gesundheit (BAG) auf eine Vernehmlassung. Die Beschwerdeführerin
nimmt mit Eingabe vom 20. Oktober 2014 Stellung zur Beschwerdeantwort der
Allianz.

Erwägungen:

1. 

1.1. Nach Art. 6 Ziff. 1 Satz 1 EMRK hat jedermann Anspruch darauf, dass seine
Sache in billiger Weise öffentlich und innerhalb einer angemessenen Frist von
einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht gehört
wird, das über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen oder über die
Stichhaltigkeit der gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Anklage zu entscheiden
hat.

1.2. Nach der Rechtsprechung stehen im vorliegenden Verfahren zivilrechtliche
Ansprüche in Frage, auf welche Art. 6 Ziff. 1 EMRK anwendbar ist (BGE 122 V 47
E. 2a S. 50 mit Hinweisen). Wie das Eidgenössische Versicherungsgericht im
erwähnten Leiturteil weiter erkannt hat, hat das kantonale Gericht, welchem es
primär obliegt, die Öffentlichkeit der Verhandlung zu gewährleisten (E. 3 S.
54), bei Vorliegen eines klaren und unmissverständlichen Parteiantrages
grundsätzlich eine öffentliche Verhandlung durchzuführen (SVR 2014 UV Nr. 11 S.
37, 8C_273/2013 E. 1.2 mit Hinweisen; vgl. auch BGE 134 I 140 E. 5.2 S. 147 mit
Hinweisen).

2.

2.1. Die Beschwerdeführerin beantragte im kantonalen Verfahren die Durchführung
einer öffentlichen Verhandlung im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Das kantonale
Gericht entsprach diesem Begehren nicht mit der Begründung, es sehe keine
Veranlassung, dem von der Versicherten gestellten Antrag zu entsprechen. Denn
ob eine Instruktionsverhandlung nach Art. 226 ZPO anberaumt werde, liege im
Ermessen des Gerichts. Weder für eine Erörterung des Streitgegenstandes noch
für eine Ergänzung des Sachverhalts und auch nicht für einen Einigungsversuch
habe unter den gegebenen Umständen ein Bedarf bestanden.

2.2. Nach der Rechtsprechung (vgl. E. 1.2 hievor) obliegt es grundsätzlich dem
kantonalen Gericht, die Öffentlichkeit des Verfahrens zu gewährleisten. Die
Beschwerdeführerin hat vor dem kantonalen Gericht rechtzeitig einen
entsprechenden Antrag gestellt. Im Rechtsbegehren des bundesgerichtlichen
Verfahrens wird (erneut) die Durchführung einer öffentlichen
Gerichtsverhandlung nach Art. 6 Ziff.1 EMRK beantragt. Diesem Rechtsbegehren
ist insofern Rechnung zu tragen als zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht
eine öffentliche Verhandlung hätte durchführen müssen. Erweist es sich, dass
eine öffentliche Verhandlung im kantonalen Verfahren Platz zu greifen hat, kann
auf eine öffentliche Verhandlung vor Bundesgericht schon deshalb verzichtet
werden, weil dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Aufhebung des angefochtenen
Entscheides entsprochen wird. Angemerkt sei in diesem Zusammenhang, dass dem
aus Art. 6 Ziff. 1 EMRK abgeleiteten Anspruch auf Durchführung einer
öffentlichen Verhandlung nach der Rechtsprechung des EGMR Genüge getan ist,
wenn die Recht suchende Person mindestens vor einer Instanz in einer
öffentlichen Verhandlung gehört wird (SVR 2014 UV Nr. 11       S. 37, 8C_273/
2013 E. 2.2 mit Hinweis).

2.3. Die Begründung, weshalb die Vorinstanz die beantragte öffentliche
Verhandlung nicht durchführte, ist nicht stichhaltig. Das kantonale Gericht
legte im angefochtenen Entscheid mit keinem Wort dar, weshalb der konkret
gestellte Antrag auf Durchführung einer öffentlichen Verhandlung so zu
verstehen war, dass damit lediglich eine persönliche Anhörung oder Befragung,
ein Parteiverhör, eine Zeugeneinvernahme oder die Durchführung eines
Augenscheins verlangt wurde, woraus das Gericht - gegebenenfalls - hätte
schliessen dürfen, dass es der antragstellenden Person um die Abnahme
bestimmter Beweismittel und nicht um die Durchführung einer Verhandlung mit
Publikums- und Presseanwesenheit geht (BGE 122 V 47 E. 3a S. 55; Urteil 8C_95/
2013 vom 19. Juli 2013 E. 3.2 mit Hinweis).

2.4. Indem das kantonale Gericht - ohne rechtsgenügliche Begründung für den
Verzicht darauf - von der beantragten öffentlichen Verhandlung abgesehen hat,
wurde dieser in Art. 6 Ziff. 1 EMRK gewährleisteten Verfahrensgarantie nicht
Rechnung getragen. Es ist daher unumgänglich, die Sache an die Vorinstanz
zurückzuweisen, damit diese den Verfahrensmangel behebt und die von der
Beschwerdeführerin verlangte öffentliche Verhandlung durchführt. Hernach wird
es über die Beschwerde materiell neu befinden (SVR 2014 UV Nr. 11 S. 37, 8C_273
/2013 E. 4).

3. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Als unterliegende Partei hat
die Beschwerdegegnerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG; BGE
133 V 642 E. 5). Diese hat der Beschwerdeführerin überdies eine
Parteientschädigung zu entrichten (Art. 68 Abs. 1 BGG). 

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und der Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 15. April 2014 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3. 
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 23. April 2015

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Der Gerichtsschreiber: Hochuli

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