Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.375/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
8C_375/2014        
{T 0/2}

Urteil vom 10. Februar 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Ursprung, Bundesrichter Maillard,
Gerichtsschreiber Nabold.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Andreas Gafner,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle Bern,
Scheibenstrasse 70, 3014 Bern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern
vom 25. April 2014.

Sachverhalt:

A. 
Die 1976 geborene A.________ meldete sich am 15. März 2005 unter Hinweis auf
psychische Beschwerden bei der IV-Stelle Bern zum Leistungsbezug an. Mit
Verfügung vom 24. November 2006 verneinte die IV-Stelle einen invalidisierenden
Gesundheitsschaden. Das daraufhin von der Versicherten angerufene
Verwaltungsgericht des Kantons Bern hob diese Verfügung mit Entscheid vom 2.
Juli 2007 auf und wies die Sache zu weiteren Abklärungen an die IV-Stelle
zurück.

Nach weiteren medizinischen Abklärungen sprach die IV-Stelle der Versicherten
mit Verfügung vom 25. März 2010 eine auf die Zeit zwischen dem 1. Oktober 2004
und dem 30. November 2005 befristete halbe Invalidenrente zu. Auf Beschwerde
der Versicherten hin hob das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid
vom 21. September 2010 die Verfügung der IV-Stelle abermals auf und wies die
Sache an die Verwaltung zurück, damit diese ein psychiatrisches Gutachten
einhole und anschliessend einen neuen Entscheid fälle.

In Nachachtung dieses Entscheides holte die IV-Stelle beim Zentrum B.________
eine Expertise ein (Gutachten vom 20. Juli 2011). Nach Durchführung des
Vorbescheidverfahrens sprach die IV-Stelle der Versicherten mit Verfügung vom
27. November 2012 eine auf die Zeit vom 1. Oktober 2004 bis 31. Mai 2008
befristete ganze Invalidenrente zu.

B. 
Die von A.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des
Kantons Bern nach Androhung einer reformatio in peius mit Entscheid vom 25.
April 2014 ab, hob die angefochtene Verfügung auf und stellte fest, dass kein
Anspruch auf eine Invalidenrente besteht.

C. 
Mit Beschwerde beantragt A.________, ihr sei unter Anpassung der Verfügung und
Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides ab 1. Oktober 2004 eine
unbefristete Invalidenrente zuzusprechen. Gleichzeitig stellt die
Beschwerdeführerin ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege.

Während die IV-Stelle auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das
Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann eine Beschwerde mit einer von
der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 132
II 257 E. 2.5 S. 262; 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Immerhin prüft das
Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der
Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten
Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind. Es ist
jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich
stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht
nicht mehr vorgetragen werden (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).

1.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren
Sachverhaltsfeststellung berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht
(Art. 105 Abs. 2 BGG).

2.

2.1. Der Anspruch auf Leistungen der Invalidenversicherung setzt unter anderem
voraus, dass die versicherte Person invalid oder von Invalidität unmittelbar
bedroht ist. Invalidität ist gemäss Art. 8 Abs. 1 ATSG die voraussichtlich
bleibende oder längere Zeit dauernde ganze oder teilweise Erwerbsunfähigkeit.

2.2. Bei den vorinstanzlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur
Arbeitsfähigkeit der versicherten Person handelt es sich grundsätzlich um
Entscheidungen über Tatfragen (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 ff.). Dagegen ist
die Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes und der Beweiswürdigungsregeln nach
Art. 61 lit. c ATSG Rechtsfrage (BGE 132 V 393 E. 3.2 und 4 S. 397 ff.; Urteil
I 865/06 vom 12. Oktober 2007 E. 3.2).

2.3. Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, als
sie einen Rentenanspruch der Versicherten verneinte.

3.

3.1. Das kantonale Gericht hat in umfassender Würdigung der medizinischen
Akten, insbesondere aber gestützt auf das Gutachten des Zentrums B.________ vom
20. Juli 2011 für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich festgestellt,
dass die Beschwerdeführerin ab Geburt des dritten Kindes am 17. Oktober 2003
während längstens zwölf Monaten unter einer Puerperalpsychose litt. Seither
bestehen dissoziative Krampfanfälle (ICD-10: F44.5) und ab dem Zeitpunkt der
Begutachtung im März 2011 ist von dissoziativen Störungen
(Konversionsstörungen), gemischt (ICD-10: F 44.7) auszugehen. Das Vorliegen
einer posttraumatischen Belastungsstörung (ICD-10: F43.2) wurde von der
Vorinstanz explizit verneint. Was die Versicherte gegen diese Feststellungen
vorbringt, vermag diese nicht als bundesrechtswidrig erscheinen zu lassen. Die
von ihr angerufenen Berichte der Dr. med. C.________, psychiatrische Dienste,
vom 10. Mai 2010 und vom 28. Januar 2014 enthalten keine konkreten Indizien,
welche gegen die Zuverlässigkeit des Gutachtens des Zentrums B.________
sprechen würden. Insbesondere muss auch Dr. med. C.________ einräumen, dass die
Diagnosekriterien für eine posttraumatische Belastungsstörung nach ICD-10 bei
der Versicherten nicht vollständig gegeben waren bzw. sind. Zudem wird aufgrund
dieser Schreiben nicht deutlich, ob Dr. med. C.________ lediglich initial von
einer entsprechenden Störung ausgeht, oder ob sie die Diagnose einer
posttraumatischen Belastungsstörung auch für die vorliegend relevante Zeit nach
Ablauf des Wartejahres noch stellen würde.

3.2. Das kantonale Gericht hat weiter erwogen, die nach Ablauf des Wartejahres
anhaltend bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Versicherten
gehörten zu jenen Beschwerdebildern, bei denen eine Überwindbarkeit der durch
sie bedingten Einschränkungen in der Arbeitsfähigkeit zu vermuten sei und die
sich nur in Ausnahmefällen, bei Vorliegen bestimmter "Kriterien" (vgl. BGE 130
V 352 E. 2.2.3 S. 353 ff.), invalidisierend auswirken würden. Dies entspricht
der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. Urteile 8C_311/2013 vom 2.
Dezember 2013 E. 4 und 8C_195/2014 vom 12. Juni 2014 E. 4). Auch eine
posttraumatische Belastungsstörung könnte sich nur nach den Voraussetzungen von
BGE 130 V 352 invalidisierend auswirken (vgl. Urteil 8C_483/2012 vom 4.
Dezember 2012 E. 4 mit zahlreichen weiteren Hinweisen).

3.3. Da nach den für das Bundesgericht verbindlichen vorinstanzlichen
Feststellungen die Beschwerdeführerin nicht an einer posttraumatischen
Belastungsstörung leidet (vgl. auch E. 3.1 hievor), besteht neben ihren Leiden
aus dem dissoziativen Formenkreis keine relevante psychische Komorbidität im
Sinne von BGE 130 V 352 E. 2.2.3 S. 353 ff. Das kantonale Gericht hat somit
nicht gegen Bundesrecht verstossen, als es den invalidisierenden Charakter der
dissoziativen Leiden der Versicherten verneinte; ihre Beschwerde ist somit
abzuweisen.

4.

4.1. Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Aufgrund des
Verfahrensausganges hat die Beschwerdeführerin die Kosten zu tragen (Art. 66
Abs. 1 BGG).

4.2. Dem Gesuch der Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtspflege ist
stattzugeben, da die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind
(Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4
BGG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz
zu leisten haben wird, wenn sie später dazu in der Lage ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Der Beschwerdeführerin wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und
Rechtsanwalt Andreas Gafner wird als unentgeltlicher Anwalt bestellt.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt, indes
vorläufig auf die Gerichtskasse genommen.

4. 
Dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin wird aus der Gerichtskasse eine
Entschädigung von Fr. 800.- ausgerichtet.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 10. Februar 2015

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Der Gerichtsschreiber: Nabold

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