Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.976/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_976/2014

Urteil vom 28. April 2015

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichter Oberholzer,
Bundesrichterin Jametti,
Gerichtsschreiberin Schär.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas U.K. Brunner,
Beschwerdeführer,

gegen

1. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8090 Zürich,
2. A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Elisabeth Ernst,
Beschwerdegegnerinnen.

Gegenstand
Nötigung (Art. 181 StGB); Anklageprinzip; Willkür,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I.
Strafkammer, vom 3. Juli 2014.

Sachverhalt:

A.

 Die Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich wirft X.________ in der
Anklageschrift vom 13. Mai 2013 vor, A.________ am 3. September 2012 im Rahmen
eines zunächst verbalen Streits im Glattpärkli in Dübendorf mit den Händen am
Hals gepackt und gewürgt zu haben. Dies habe bei ihr zu mehreren
Hauteinblutungen und Oberhautabschürfungen geführt. Dazu habe er sinngemäss
gesagt, er werde sie umbringen und in den Fluss werfen. Dann habe er sie
rücklings in die Glatt gestossen. A.________ sei von der starken Strömung rund
230 Meter weit weggeschwemmt worden. Sie habe sich anschliessend aus eigener
Kraft aus dem Wasser retten können. Damit habe sich X.________ der versuchten
vorsätzlichen Tötung schuldig gemacht.

B.

 Das Bezirksgericht Uster sprach X.________ am 11. Juli 2013 der Tätlichkeit
schuldig und bestrafte ihn mit einer Busse von Fr. 500.--. Ihm wurde eine
Genugtuung von Fr. 30'000.-- nebst Zins für die erstandene und nicht auf die
Busse angerechnete Haft zugesprochen. Der Genugtuungsanspruch von A.________
wurde verneint.

C.

 Die Staatsanwaltschaft erhob gegen das Urteil des Bezirksgerichts Berufung.
X.________ und A.________ erhoben Anschlussberufung. Am 3. Juli 2014 sprach das
Obergericht des Kantons Zürich X.________ der Nötigung schuldig und bestrafte
ihn mit einer unbedingten Freiheitsstrafe von neun Monaten. Die mit Strafbefehl
vom 27. September 2011 von der Staatsanwaltschaft See/Oberland bedingt
ausgesprochene Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu Fr. 30.-- wurde widerrufen. Das
Obergericht stellte fest, dass sowohl die neu ausgefällte als auch die
widerrufene Strafe bereits durch Haft erstanden sind. Gleichzeitig ordnete es
eine stationäre therapeutische Massnahme nach Art. 60 StGB an. Ferner wurde
X.________ zur Zahlung einer Genugtuung im Umfang von Fr. 500.-- zuzüglich Zins
an A.________ verpflichtet.

D.

 X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt einen Freispruch vom
Vorwurf der Nötigung und die Abweisung der Zivilansprüche. Sämtliche
Verfahrenskosten seien dem Kanton Zürich aufzuerlegen, und für die zu Unrecht
ausgestandene Haft sei ihm eine angemessene Genugtuung auszurichten.
Eventualiter beantragt er, die Freiheitsstrafe sei auf drei Monate zu
reduzieren. Es sei eine ambulante therapeutische Massnahme anzuordnen und ihm
sei eine angemessene Genugtuung für die Überhaft auszurichten. Schliesslich
ersucht er für das bundesgerichtliche Verfahren um unentgeltliche Rechtspflege
und Verbeiständung.

E.

 Das Obergericht, die Staatsanwaltschaft und A.________ wurden, beschränkt auf
die Frage, ob das Verhalten von X.________ den Tatbestand der Nötigung erfüllt,
zur Vernehmlassung eingeladen. Das Obergericht und die Staatsanwaltschaft
verzichten auf eine Vernehmlassung. A.________ beantragt, X.________ sei vom
Vorwurf der Nötigung freizusprechen. In prozessualer Hinsicht stellt sie ein
Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege, inklusive Bestellung eines
unentgeltlichen Rechtsbeistands in der Person ihrer Rechtsvertreterin.

Erwägungen:

1.

 Der Beschwerdeführer sieht den Anklagegrundsatz verletzt. Die
Staatsanwaltschaft habe die Anklage im vorinstanzlichen Verfahren nach einem
Hinweis des Gerichts, wonach eine Qualifikation der Tat als Gefährdung des
Lebens in Betracht falle, um besagten Tatbestand sowie unaufgefordert um eine
versuchte schwere und einfache Körperverletzung ergänzt. Dies sei "wohl leider
zulässig". Dennoch sei das Vorgehen äusserst stossend und aus
prozessökonomischen Gründen nicht zu rechtfertigen. Besonders stossend sei die
Ergänzung des Tatbestandsmerkmals der Skrupellosigkeit. Schliesslich liege der
ergänzten Anklageschrift kein genügend umschriebener Sachverhalt zugrunde, um
gestützt darauf eine Nötigung zu bejahen. Insbesondere sei nicht ersichtlich,
was er durch die Nötigungshandlung bei der Beschwerdegegnerin 2 habe
veranlassen wollen. Die Verletzung des Anklagegrundsatzes müsse zu einem
vollumfänglichen Freispruch führen.

1.1. Nach dem aus Art. 29 Abs. 2 und Art. 32 Abs. 2 BV sowie aus Art. 6 Ziff. 1
und Ziff. 3 lit. a und b EMRK abgeleiteten und nunmehr in Art. 9 Abs. 1 StPO
festgeschriebenen Anklagegrundsatz bestimmt die Anklageschrift den Gegenstand
des Gerichtsverfahrens (Umgrenzungsfunktion). Die Anklage hat die der
beschuldigten Person zur Last gelegten Delikte in ihrem Sachverhalt so präzise
zu umschreiben, dass die Vorwürfe in objektiver und subjektiver Hinsicht
genügend konkretisiert sind. Zugleich bezweckt das Anklageprinzip den Schutz
der Verteidigungsrechte der angeschuldigten Person und garantiert den Anspruch
auf rechtliches Gehör (Informationsfunktion; BGE 133 IV 235 E. 6.2 f. S. 244
ff.; Urteil 6B_596/2012 vom 25. April 2013 E. 4.3; je mit Hinweisen; vgl. Art.
325 Abs. 1 lit. f StPO).

 Das Gericht ist an den in der Anklage wiedergegebenen Sachverhalt gebunden
(vgl. Art. 350 Abs. 1 StPO; Urteil 6B_100/2014 vom 18. Dezember 2014 E. 2.2).
Gelangt es zur Auffassung, der in der Anklage umschriebene Sachverhalt könnte
einen anderen Straftatbestand erfüllen, entspricht die Anklageschrift aber den
gesetzlichen Anforderungen nicht, gibt es der Staatsanwaltschaft Gelegenheit,
die Anklage zu ändern (Art. 333 Abs. 1 StPO). Das Gericht darf eine geänderte
oder erweiterte Anklage seinem Urteil nur zu Grunde legen, wenn die
Parteirechte der beschuldigten Person und der Privatklägerschaft gewahrt worden
sind (Art. 333 Abs. 4 StPO).

1.2. Das Obergericht wies die Parteien im Schreiben vom 18. Juni 2014 darauf
hin, dass das Verhalten des Beschwerdeführers den Tatbestand der Gefährdung des
Lebens erfüllen könnte. Die Staatsanwaltschaft wurde ersucht, sich im Hinblick
auf die Berufungsverhandlung die erforderlichen Formulierungen der
Tatbestandsmerkmale von Art. 129 StGB (unmittelbare Lebensgefahr,
Skrupellosigkeit, direkter Vorsatz) zu überlegen. Mit Schreiben vom 20. Juni
2014 reichte die Staatsanwaltschaft eine um die erwähnten Tatbestandsmerkmale
ergänzte Anklageschrift ein. Nebst einer Verurteilung wegen versuchter
vorsätzlicher Tötung beantragte sie eventualiter, die Tat sei als versuchte
schwere Körperverletzung, subeventualiter als Gefährdung des Lebens und
subsubeventualiter als versuchte einfache Körperverletzung zu qualifizieren.

1.3. Soweit sich die Ausführungen des Beschwerdeführers auf die Tatbestände der
Gefährdung des Lebens und der Körperverletzung beziehen, ist darauf nicht näher
einzugehen, da bezüglich dieser Delikte kein Schuldspruch vorliegt. Dies gilt
insbesondere für das Tatbestandsmerkmal der Skrupellosigkeit, welches sich auf
Art. 129 StGB und nicht auf die Nötigung (Art. 181 StGB) bezieht. Unabhängig
davon ist die Ergänzung eines Tatbestandsmerkmals nicht grundsätzlich
unzulässig (vgl. STEPHENSON/ZALUNARDO-WALSER, in: Basler Kommentar,
Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 3 ff. zu Art. 333 StPO
mit Hinweisen). Eine Änderung der Anklage ist in Anwendung von Art. 379 StPO
auch noch an der Berufungsverhandlung möglich (Urteil 6B_428/2013 vom 15. April
2014 E. 3.3 mit Hinweisen). Dass die Parteirechte in Zusammenhang mit der
Anklageänderung respektive den von der Staatsanwaltschaft zusätzlich erwähnten
Qualifikationsmöglichkeiten nicht gewahrt worden wären, wird nicht geltend
gemacht und ist auch nicht ersichtlich. Es ist somit lediglich zu prüfen, ob
das Anklageprinzip bezüglich der Nötigung in anderer Weise verletzt wurde.

 Gemäss Anklage packte und würgte der Beschwerdeführer die Beschwerdegegnerin 2
zunächst mit seinen Händen am Hals und stiess sie anschliessend in die Glatt.
In der Folge sei diese von der starken Strömung der Glatt über eine Strecke von
rund 230 Metern weggeschwemmt worden, bis sie sich aus eigener Kraft aus dem
Wasser an Land habe retten können. Die Vorinstanz geht in sachverhaltlicher
Hinsicht davon aus, der Beschwerdeführer habe die Beschwerdegegnerin 2 mit
einer Hand im Bereich des Halses/der Kehle gepackt. Anschliessend habe er sie
in die 19.3 Grad kalte Glatt gestossen. Dadurch sei die Beschwerdegegnerin 2
dazu gezwungen worden, zu erdulden, dass sie in die Glatt falle, nass werde,
Ängste erleide und eine Strecke von rund 230 Metern schwimmen müsse. Die
Vorinstanz legt ihrem Urteil damit einen in den wesentlichen Punkten mit der
Anklage deckungsgleichen Sachverhalt zugrunde. Sämtliche Sachverhaltselemente
können problemlos aus der Anklage abgeleitet werden. Der Beschwerdeführer
wusste, welcher Lebensvorgang Gegenstand der Anklage bildet und konnte sich
angemessen verteidigen. Weiter macht er geltend, aus der Anklageschrift gehe
nicht hervor, worin der Nötigungserfolg bestanden haben soll. Dem ist zu
entgegnen, dass die Vorinstanz von der Tatbestandsvariante des "Duldens"
ausgeht und den Nötigungserfolg darin sieht, dass die Beschwerdegegnerin 2 nass
wurde, Ängste erleiden und schwimmen musste. Dies ist von der Anklage
mitumfasst. Ob der von der Vorinstanz angenommene Nötigungserfolg
tatbestandsmässig im Sinne von Art. 181 StGB ist, ist hingegen eine Frage der
Rechtsanwendung und dort (E. 3.2) zu behandeln.

2.

 Der Beschwerdeführer wendet sich in verschiedener Hinsicht gegen die
vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung und sieht den Grundsatz in dubio pro
reo verletzt.

2.1. Die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz kann vor Bundesgericht nur
gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des
Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1
BGG). Offensichtlich unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie
willkürlich ist (BGE 139 II 404 E. 10.1 S. 445 mit Hinweisen; vgl. zum
Willkürbegriff: BGE 138 I 305 E. 4.3 S. 319 mit Hinweis). Die Willkürrüge muss
in der Beschwerde explizit vorgebracht und substanziiert begründet werden (Art.
106 Abs. 2 BGG). Auf eine rein appellatorische Kritik am angefochtenen Urteil
tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 137 IV 1 E. 4.2.3 S. 5 mit Hinweis). Dem
Grundsatz in dubio pro reo kommt in der vom Beschwerdeführer angerufenen
Funktion als Beweiswürdigungsregel (vgl. Art. 10 Abs. 3 StPO) im Verfahren vor
dem Bundesgericht keine über das Willkürverbot von Art. 9 BV hinausgehende
Bedeutung zu (BGE 138 V 74 E. 7 S. 82 mit Hinweisen).

2.2. Der Beschwerdeführer bestreitet, der Beschwerdegegnerin 2 gedroht und sie
in den Fluss gestossen zu haben. Seine umfangreichen Bemerkungen zum
Sachverhalt sind jedoch weitgehend eine wörtliche Wiederholung seines Plädoyers
vor Vorinstanz (vgl. Beschwerde, S. 9-18; Plädoyernotizen, act. 135, S. 7-16).
Der Beschwerdeführer legt damit lediglich seine eigene Sicht der Dinge dar,
ohne sich mit den vorinstanzlichen Erwägungen auseinanderzusetzen oder
aufzuzeigen, inwiefern diese willkürlich sein sollen. Er macht ergänzend
geltend, die Vorinstanz würdige äussere Umstände, wie etwa, dass die Glatt
nicht wenig Wasser geführt habe, in stossender Weise zu seinen Ungunsten. Eine
willkürliche Beweiswürdigung ist damit jedoch nicht dargetan. Die
Sachverhaltsrügen genügen den Begründungsanforderungen gemäss Art. 106 Abs. 2
BGG nicht, weshalb auf sie nicht einzutreten ist.

3.

 Unter dem Titel 'Rechtliche Würdigung' bemängelt der Beschwerdeführer
verschiedene weitere Aspekte des vorinstanzlichen Urteils. Zunächst verweist er
auf seine bisherigen Ausführungen und die Erwägungen der Vorinstanz, welche
sich jedoch nicht auf den Tatbestand der Nötigung beziehen. Darauf ist nicht
einzugehen. Weiter macht der Beschwerdeführer geltend, der Kausalzusammenhang
zwischen dem Nötigungsmittel und dem Nötigungserfolg sei nicht erstellbar, da
sich bereits der angeklagte Sachverhalt respektive das In-den-Fluss-Stossen
nicht beweisen lasse. Damit weicht der Beschwerdeführer in unzulässiger Weise
vom verbindlichen Sachverhalt der Vorinstanz ab. Ebenfalls unbeachtlich sind
die Ausführungen des Beschwerdeführers, soweit er geltend macht, bei der
Beschwerdegegnerin 2 handle es sich nicht um ein besonders schutzwürdiges
Tatopfer. Die besondere Schutzwürdigkeit des Opfers bildet kein
Tatbestandsmerkmal von Art. 181 StGB. In Zusammenhang mit seiner Kritik am
subjektiven Tatbestand weicht der Beschwerdeführer wiederum vom verbindlichen
Sachverhalt der Vorinstanz ab. Darauf ist nicht einzutreten.

 Hingegen ist zu prüfen, ob seine Rüge der Verletzung von Art. 181 StGB
begründet ist. Dazu führt der Beschwerdeführer aus, das von der Vorinstanz
angenommene Nötigungsmittel weise nicht die für die zur Erfüllung des
Tatbestands erforderliche Intensität auf. Auch sei nicht ersichtlich, worin der
Nötigungserfolg bestehen soll. Schliesslich mangle es an einer
tatbestandsmässigen Einschränkung der Willensbetätigungsfreiheit, da sich die
Beschwerdegegnerin 2 in der Glatt frei sowie nach eigenem Willen habe bewegen
können und auch nicht um Hilfe gebeten habe.

3.1. Gemäss Art. 181 StGB wird wegen Nötigung mit Freiheitsstrafe bis zu drei
Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer jemanden durch Gewalt, Androhung
ernstlicher Nachteile oder durch andere Beschränkung seiner Handlungsfreiheit
nötigt, etwas zu tun, zu unterlassen oder zu dulden. Schutzobjekt von Art. 181
StGB ist die Freiheit der Willensbildung und Willensbetätigung des Einzelnen (
BGE 129 IV 6 E. 2.1 S. 8 f. mit Hinweisen). Der Tatbestand ist ein
Erfolgsdelikt. Das Nötigungsopfer muss durch das Nötigungsmittel zum vom Täter
erwünschten Verhalten veranlasst werden (vgl. BGE 129 IV 262 E. 2.4 S. 266 f.;
107 IV 35 E. 3 S. 39).

 Der Tatbestandsvariante des Duldens kommt kaum praktische Bedeutung zu,
weshalb sie auch in der Literatur wenig Beachtung findet. Eine treffende
Umschreibung findet sich in der deutschen Literatur. Demnach ist der Tatbestand
der Nötigung erfüllt, wenn das Nötigungsopfer zur Untätigkeit gegenüber
Handlungen des Täters gezwungen wird. Nicht ausreichend ist das "Erzwingen" des
Duldens der Zwangshandlung selbst ( THOMAS FISCHER, in: Strafgesetzbuch,
Kurzkommentar, 62. Aufl. 2015, N. 6 zu § 240 StGB mit Hinweisen). Der
Spezialtatbestand des Art. 189 StGB enthält beinahe wörtlich ebendiese
Definition. Auch bei der sexuellen Nötigung besteht der Nötigungserfolg darin,
dass das Opfer zur Duldung einer Handlung des Täters gezwungen wird (vgl. Art.
189 Abs. 1 StGB).

3.2. Die Vorinstanz geht davon aus, das Fallen in den Fluss sei keine gleichsam
zwingende Nebenfolge der Tätlichkeit. Der Erfolg der Handlung des
Beschwerdeführers gehe vielmehr über eine Tätlichkeit und die üblicherweise
damit verbundenen Nebenfolgen hinaus. Mit dem Stoss in den Fluss habe der
Beschwerdeführer die Beschwerdegegnerin 2 dazu genötigt, zu erdulden, vom Fluss
mitgerissen und nass zu werden und eine Strecke von rund 230 Metern schwimmen
zu müssen. Die Vorinstanz zieht zur Begründung BGE 104 IV 170 heran und erwägt,
besagtem Urteil liege ein ähnlicher Sachverhalt zugrunde. In jenem Fall hielt
der Täter das Opfer während mehrerer Stunden fest, indem er rittlings auf seine
Brust sass und ihm mit den Knien die Arme auf das Bett drückte. Währenddessen
verpasste er ihm 15 Faustschläge auf den Kopf. Zudem bedrohte der Täter das
Opfer mit einem Stellmesser. Das Bundesgericht erwog, die durch Gewalt und
Drohung bewirkte Beeinträchtigung erscheine als etwas über den Tatbestand des
Körperverletzungsdeliktes Hinausgehendes. Nur aufgrund dessen habe das Opfer
die Schläge widerstandslos erduldet. Der Vorinstanz ist insofern
beizupflichten, dass der Sturz in den Fluss keine zwingende Nebenfolge der
Tätlichkeit darstellt und das damit einhergehende Unrecht nicht durch die
Tätlichkeit abgegolten ist. Der entscheidende Unterschied besteht jedoch darin,
dass vorliegend, im Gegensatz zum erwähnten Bundesgerichtsentscheid, nicht
ersichtlich ist, worin das abgenötigte Verhalten bestehen soll respektive
welche über die reine Zwangshandlung hinausgehende Handlung des
Beschwerdeführers die Beschwerdegegnerin 2 zu erdulden gezwungen worden sein
soll. Ebenso wenig war das Handeln des Beschwerdeführers darauf ausgerichtet,
dass die Beschwerdegegnerin 2 im Fluss verbleiben und darin schwimmen musste.
Vielmehr verlor dieser die Herrschaft über den Geschehensablauf, nachdem er die
Beschwerdegegnerin 2 in den Fluss gestossen hatte. Das Verhalten des
Beschwerdeführers erfüllt den Tatbestand der Nötigung nicht. Es erübrigt sich,
auf seine weiteren Rügen einzugehen.

3.3. Der Beschwerdeführer beantragt, das Bundesgericht habe einen neuen
Entscheid in der Sache zu fällen. Heisst das Bundesgericht eine Beschwerde gut,
so entscheidet es in der Sache selbst oder weist diese zur neuen Beurteilung an
die Vorinstanz zurück (Art. 107 Abs. 2 BGG). Ein Entscheid in der Sache kommt
nur in Betracht, wenn die Angelegenheit spruchreif ist sowie sofort und
endgültig zum Abschluss gebracht werden kann. Ansonsten muss es mit der
Aufhebung des angefochtenen Entscheids und der Zurückweisung der Sache an die
Vorinstanz sein Bewenden haben. In Anbetracht des der Vorinstanz bei der
Regelung der Entschädigungsfolgen zustehenden Ermessensspielraums kommt ein
reformatorischer Entscheid nicht in Betracht. Die Beschwerde ist teilweise
gutzuheissen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur neuen
Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Im Übrigen ist die Beschwerde
abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des
Verfahrens ist der Beschwerdeführer im Umfang seines Unterliegens
kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sein Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege wird im Umfang seines Obsiegens gegenstandslos. Soweit der
Beschwerdeführer unterliegt, ist es zufolge Aussichtslosigkeit der Beschwerde
abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Seiner finanziellen Lage ist bei der
Festsetzung der Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG). Dem
Kanton Zürich sind keine Verfahrenskosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 4 BGG).
Der Kanton Zürich hat dem Beschwerdeführer eine angemessene Parteientschädigung
auszurichten (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). Praxisgemäss ist die
Parteientschädigung dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers auszurichten. Die
Beschwerdegegnerin 2 stellt in der Vernehmlassung den Antrag, der
Beschwerdeführer sei vom Vorwurf der Nötigung freizusprechen. Insofern gilt sie
nicht als unterliegende Partei im Sinne von Art. 66 Abs. 1 BGG. Ihr sind keine
Kosten aufzuerlegen, womit das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege
gegenstandslos wird. Ihr Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung ist hingegen
gutzuheissen. Ihrer Rechtsvertreterin ist eine angemessene Entschädigung aus
der Bundesgerichtskasse auszurichten (Art. 64 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts Zürich
vom 3. Juli 2014 aufgehoben und die Sache zu neuer Beurteilung an die
Vorinstanz zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen, soweit
darauf einzutreten ist.

2. 
Das Gesuch des Beschwerdeführers um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege
und Verbeiständung für das bundesgerichtliche Verfahren wird abgewiesen, soweit
es nicht gegenstandslos geworden ist.

3. 
Dem Beschwerdeführer werden Gerichtskosten von Fr. 800.-- auferlegt.

4. 
Der Kanton Zürich hat dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt
Thomas U.K. Brunner, für das bundesgerichtliche Verfahren eine
Parteientschädigung von Fr. 1'500.-- auszurichten.

5. 
Das Gesuch der Beschwerdegegnerin 2 um Gewährung der unentgeltlichen
Verbeiständung wird gutgeheissen. Für das bundesgerichtliche Verfahren wird ihr
Rechtsanwältin Elisabeth Ernst als unentgeltliche Anwältin beigegeben.

6. 
Der Vertreterin der Beschwerdegegnerin 2 wird aus der Bundesgerichtskasse eine
Entschädigung von Fr. 1'500.-- ausgerichtet.

7. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 28. April 2015

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Die Gerichtsschreiberin: Schär

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