Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.960/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_960/2014

Urteil vom 30. April 2015

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichter Oberholzer, Rüedi,
Gerichtsschreiber M. Widmer.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,

gegen

1. Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden, Erster Staatsanwalt,
Sennhofstrasse 17, 7000 Chur,
2. X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Norbert Sennhauser,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Nichtanhandnahme (Verletzung des Berufsgeheimnisses),

Beschwerde gegen die Verfügung des Kantonsgerichts von Graubünden, II.
Strafkammer, vom 19. August 2014.

Sachverhalt:

A. 
A.________ erhob am 15. Mai 2014 Strafantrag gegen X.________. Dieser habe als
Offizier der Heilsarmee das Berufsgeheimnis verletzt, indem er eine E-Mail von
A.________ ohne dessen Einverständnis einer Drittperson offenbart habe.

B. 
Die Staatsanwaltschaft Graubünden nahm das Verfahren am 21. Juli 2014 nicht an
die Hand. Die dagegen gerichtete Beschwerde von A.________ wies das
Kantonsgericht von Graubünden am 19. August 2014 ab.

C. 
A.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, die kantonsgerichtliche
Verfügung sei aufzuheben und gegen X.________ ein Strafverfahren zu eröffnen.

Erwägungen:

1. 
Die Privatklägerschaft ist zur Beschwerde in Strafsachen nur berechtigt, wenn
der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche
auswirken kann (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG). In erster Linie geht es um
Ansprüche auf Schadenersatz und Genugtuung gemäss Art. 41 ff. OR, die
üblicherweise vor den Zivilgerichten geltend gemacht werden. Richtet sich die
Beschwerde gegen die Nichtanhandnahme eines Verfahrens, hat die
Privatklägerschaft nicht notwendigerweise eine Zivilforderung erhoben. In jedem
Fall muss die Privatklägerschaft im Verfahren vor Bundesgericht darlegen, aus
welchen Gründen sich der angefochtene Entscheid inwiefern auf welche
Zivilforderungen auswirken kann. Das Bundesgericht stellt an die Begründung des
Beschwerderechts strenge Anforderungen. Genügt die Beschwerde diesen
Begründungsanforderungen nicht, kann darauf nur eingetreten werden, wenn
aufgrund der Natur der untersuchten Straftat ohne Weiteres ersichtlich ist, um
welche Zivilforderungen es geht (BGE 141 IV 1 E. 1.1 mit Hinweisen; Urteil
6B_828/2014 vom 21. April 2015 E. 1). Ob der nicht anwaltlich vertretene
Beschwerdeführer diesen Voraussetzungen genügt, kann offenbleiben, da sich
seine Beschwerde ohnehin als unbegründet erweist.

2.

2.1. Nach Art. 309 Abs. 1 lit. a StPO eröffnet die Staatsanwaltschaft eine
Untersuchung, wenn sich aus den Informationen und Berichten der Polizei, aus
der Strafanzeige oder aus ihren eigenen Feststellungen ein hinreichender
Tatverdacht ergibt. Sie verzichtet auf die Eröffnung, wenn sie sofort eine
Nichtanhandnahmeverfügung oder einen Strafbefehl erlässt (Art. 309 Abs. 4
StPO). Gemäss Art. 310 Abs. 1 StPO verfügt die Staatsanwaltschaft die
Nichtanhandnahme der Untersuchung, sobald aufgrund der Strafanzeige oder des
Polizeirapports feststeht, dass die fraglichen Straftatbestände oder die
Prozessvoraussetzungen eindeutig nicht erfüllt sind (lit. a), wenn
Verfahrenshindernisse bestehen (lit. b) oder wenn aus den in Art. 8 StPO
genannten Gründen auf eine Strafverfolgung zu verzichten ist (lit. c).
Die Frage, ob ein Strafverfahren über eine Nichtanhandnahme erledigt werden
kann, beurteilt sich nach dem aus dem Legalitätsprinzip abgeleiteten Grundsatz
in dubio pro duriore (Art. 5 Abs. 1 BV und Art. 2 Abs. 1 StPO i.V.m. Art. 319
Abs. 1 und Art. 324 Abs. 1 StPO; BGE 138 IV 86 E. 4.2). Danach darf eine
Nichtanhandnahme durch die Staatsanwaltschaft gestützt auf Art. 310 Abs. 1 lit.
a StPO nur in sachverhaltsmässig und rechtlich klaren Fällen ergehen. Im
Zweifelsfall, wenn die Gründe der Nichtanhandnahme nicht mit absoluter
Sicherheit gegeben sind, muss das Verfahren eröffnet werden (vgl. BGE 137 IV
285 E. 2.3). Der Grundsatz in dubio pro duriore ist unter Würdigung der im
Einzelfall gegebenen Umstände zu handhaben. Die Staatsanwaltschaft und die
Beschwerdeinstanz verfügen insoweit über einen gewissen Spielraum, den das
Bundesgericht nur mit Zurückhaltung überprüft (BGE 138 IV 86 E. 4.1.1 f./4.2
und 186 E. 4.1; je mit Hinweisen).

2.2. Geistliche, die ein Geheimnis offenbaren, das ihnen infolge ihres Berufs
anvertraut worden ist oder das sie in dessen Ausübung wahrgenommen haben,
werden, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe
bestraft (Art. 321 Ziff. 1 Abs. 1 StGB).

3.

3.1. Die Vorinstanz stellt fest, der Beschwerdeführer habe in der fraglichen
E-Mail vom 6. März 2013 hauptsächlich Kritik am Beschwerdegegner geübt und
darin ausgeführt, er habe einen Anlass der Heilsarmee als "relativ lustlos und
trist" empfunden. Der Vortrag des Beschwerdegegners habe ihn und seine Ehefrau
"schlichtweg gelangweilt". Spätestens als der Beschwerdegegner sein
"Teeny-Filmli" abgespielt habe, werde er "das höhnische Lachen des
Mephistopheles auch gehört haben".
Die Vorinstanz erwägt, der Beschwerdeführer habe sich nicht an den
Beschwerdegegner gewandt, weil er einen seelsorgerischen Rat wünschte oder ihm
etwas anvertrauen wollte, sondern um dessen Arbeit zu kritisieren. Diese Kritik
sei nicht als Geheimnis im Sinne von Art. 321 StGB zu qualifizieren.

3.2. Die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung kann nur gerügt werden, wenn
sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Art. 95 BGG beruht, und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des
Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; vgl. auch Art. 105 Abs.
1 und 2 BGG). Offensichtlich unrichtig im Sinne von Art. 97 Abs. 1 BGG ist die
Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (BGE 139 II 404 E. 10.1; 137
III 226 E. 4.2; je mit Hinweisen; vgl. zum Begriff der Willkür BGE 139 III 334
E. 3.2.5; 138 I 49 E. 7.1; 136 III 552 E. 4.2; je mit Hinweisen).

3.3. Die Vorinstanz durfte willkürfrei feststellen, dass der Beschwerdeführer
lediglich die Tätigkeit des Beschwerdegegners kritisiert hatte. Was der
Beschwerdeführer dagegen vorbringt, erschöpft sich in einer unzulässigen
appellatorischen Kritik am angefochtenen Entscheid, worauf nicht einzutreten
ist (BGE 140 III 264 E. 2.3 mit Hinweisen). Dies gilt namentlich, wenn er
ausführt, er schildere in seiner E-Mail eine Vision, die er während des
kritisierten Vortrags erlebt habe; seine Worte, wonach auch der
Beschwerdegegner das höhnische Lachen des Mephistopheles gehört haben müsse,
seien nicht rhetorisch gemeint, sondern bezögen sich auf ein reales Erlebnis,
weshalb sie geheim im Sinne von Art. 321 StGB seien.
Der Beschwerdeführer unterbreitet dem Bundesgericht in einem verschlossenen
Umschlag, der bei Nichtgebrauch ungeöffnet vernichtet werden solle, eine
"detaillierte Schilderung seiner geistlichen Vision und deren Vorgeschichte",
die ausschliesslich ihm und dem Beschwerdegegner bekannt sei. Dabei handelt es
sich um unzulässige Noven, mit denen sich das Bundesgericht nicht befasst, weil
sie der Beschwerdeführer bereits im kantonalen Verfahren hätte beibringen
können (vgl. Art. 99 Abs. 1 BGG).

3.4. Die Vorinstanz verletzt kein Bundesrecht, wenn sie annimmt, die E-Mail des
Beschwerdeführers an den Beschwerdegegner stelle kein Geheimnis dar, welches
unter das Berufsgeheimnis gemäss Art. 321 StGB fällt. Gestützt auf den
willkürfrei festgestellten Sachverhalt durfte die Vorinstanz davon ausgehen,
der Beschwerdeführer kritisiere in seiner E-Mail hauptsächlich die Art und
Weise eines Vortrags des Beschwerdegegners. Wie sie zu Recht ausführt, wandte
sich der Beschwerdeführer nicht an den Beschwerdegegner, um eine
seelsorgerische Dienstleistung zu beanspruchen oder ihm eine Tatsache
anzuvertrauen. Die E-Mail des Beschwerdeführers beinhaltet auch kein
Glaubensbekenntnis. Die blosse Kritik an der Arbeit bzw. Predigt des
Beschwerdegegners fällt indes von vornherein nicht in den Schutzbereich von
Art. 321 StGB.
Ob der Beschwerdegegner als Geistlicher im Sinne von Art. 321 StGB zu gelten
hat, ist bei diesem Ausgang nicht zu erörtern.

4. 
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei
diesem Verfahrensausgang sind die bundesgerichtlichen Kosten dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Dem Beschwerdegegner ist
keine Entschädigung auszurichten, weil er vor Bundesgericht keine Umtriebe
hatte.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht von Graubünden, II.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 30. April 2015

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Der Gerichtsschreiber: M. Widmer

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