Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.926/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_926/2014

Urteil vom 20. Juli 2015

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichter Oberholzer,
Gerichtsschreiber Held.

Verfahrensbeteiligte
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
Frey-Herosé-Strasse 20, Wielandhaus, 5001 Aarau,
Beschwerdeführerin,

gegen

X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Kenad Melunovic,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Vorsätzliche Verletzung elementarer Verkehrsregeln; Strafzumessung,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht,
1. Kammer, vom 14. August 2014.

Erwägungen:

1.

 X.________ verlor am 26. September 2013 um 3.30 Uhr auf der Bergstrasse in
Murgenthal die Kontrolle über den von ihm gesteuerten Personenwagen, kam von
der Fahrbahn ab und landete im Strassengraben. Eine Blutprobe ergab einen
Blutalkoholgehalt von mindestens 1.94 o/oo.

 Das Bezirksgericht Zofingen verurteilte X.________ am 24. Januar 2014 wegen
Führens eines Motorfahrzeugs in angetrunkenem Zustand mit qualifizierter
Atemalkohol- oder Blutalkoholkonzentration zu zwei Jahren Freiheitsstrafe.
Gleichzeitig widerrief es den ihm für zwei Geldstrafen von 15 und 100
Tagessätzen gewährten bedingten Vollzug und ordnete die Einziehung seines
Personenwagens an. Das Obergericht des Kantons Aargau wies die hiergegen
erhobene Berufung der Staatsanwaltschaft Zofingen-Kulm am 14. August 2014 ab.

2.

 Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau führt Beschwerde in Strafsachen
und beantragt, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und X.________ wegen
vorsätzlicher Verletzung elementarer Verkehrsregeln mit Risiko eines Unfalls
mit Schwerverletzten oder Todesopfern zu einer Freiheitsstrafe von 3 ½ Jahren
zu verurteilen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz
zurückzuweisen. Entgegen den vorinstanzlichen Erwägungen schliesse Art. 91 SVG
(Fahren in fahrunfähigem Zustand und Missachtung des Verbots, unter
Alkoholeinfluss zu fahren) die Anwendung von Art. 90 Abs. 3 SVG weder vom
Wortlaut noch systematisch aus. Bei den drei aufgeführten strafbaren
Verhaltensweisen handle es sich lediglich um Regelbeispiele. Weise der Führer
eines Motorfahrzeugs eine Alkoholisierung von annähernd 2 o/oo auf, sei stets
die Anwendung von Art. 90 Abs. 3 SVG zu prüfen. Der Beschwerdegegner sei nicht
mehr "Herr seiner Sinne" gewesen und habe das Fahrzeug nicht mehr beherrscht,
wodurch er eine konkrete Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer geschaffen habe.
Unter diesen Umständen gehe Art. 90 Abs. 3 SVG als lex specialis Art. 91 SVG
vor.

3.

 Der angefochtene Entscheid verletzt kein Bundesrecht. Ob das Führen eines
Motorfahrzeugs mit qualifizierter Atemalkohol- oder Blutalkoholkonzentration
neben Art. 91 Abs. 2 lit. a SVG auch unter den im Rahmen der sogenannten
"Raserinitiative" eingeführten Art. 90 Abs. 3 SVG subsumiert werden kann und in
welchem Konkurrenzverhältnis die Normen zu einander stehen, kann vorliegend
offenbleiben, da Art. 90 Abs. 3 SVG sowohl aus formellen als auch materiellen
Gründen nicht zur Anwendung gelangt. Die Beschwerdeführerin führt zutreffend
aus, dass der Tatbestand von Art. 90 Abs. 3 SVG neben der vorsätzlichen
Verletzung elementarer Verkehrsregeln - die sie im Führen eines Motorfahrzeugs
mit einer qualifizierten Blutalkoholkonzentration von knapp 2 o/oo sieht - das
hohe Risiko eines Unfalls mit Schwerverletzen oder Toten voraussetzt. Ein
Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer ist weder angeklagt (vgl. zum
Anklageprinzip: Art. 9 Abs. 1, Art. 325 Abs. 1 und Art. 350 Abs. 1 StPO; BGE
140 IV 188 E. 1.3; 133 IV 235 E. 6.2 f.; je mit Hinweise) noch aufgrund des
angefochtenen Entscheids erstellt. Der von der Vorinstanz nahezu wörtlich
übernommene Anklagesachverhalt enthält keine Feststellungen dazu, dass es
während der Autofahrt oder aufgrund des Abkommens von der Strasse unter
Alkoholeinflusses zu einem hohen Risiko mit Schwerverletzten oder Todesopfern
gekommen ist. Auch die von der Beschwerdeführerin (erstmals) vor Bundesgericht
gemachten Ausführungen, der Beschwerdegegner habe durch die Nichtbeherrschung
seines Fahrzeug infolge seiner Alkoholisierung von 1.94 o/oo eine konkrete
Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer geschaffen, vermag keine ernsthafte oder
sehr hohe Wahrscheinlichkeit eines Unfalls mit Schwerverletzten oder
Todesopfern i.S.v. Art. 90 Abs. 3 SVG zu erstellen. Die Beschwerdeführerin
verkennt insoweit, dass auch in den Fällen, in denen das Fehlverhalten des
Automobilisten zu einem Unfall führt, angesichts der hohen Mindeststrafe von
einem Jahr Freiheitsstrafe eine lediglich generell-abstrakte Gefahr nicht
genügt. Zudem stellt Art. 90 Abs. 3 SVG ausschliesslich vorsätzliches Handeln
unter Strafe. Sowohl in der Anklageschrift als auch im angefochtenen Urteil und
in der Beschwerde fehlen Ausführungen zum subjektiven Tatbestand des
Beschwerdeführers hinsichtlich der Verletzung einer elementaren Verkehrsregel
und der Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer.

4.

 Die Beschwerde ist im Verfahren nach Art. 109 BGG abzuweisen. Es sind keine
Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Dem Beschwerdegegner sind im
bundesgerichtlichen Verfahren keine Umtriebe entstanden, weshalb keine
Parteientschädigung auszurichten ist (Art. 68 Abs. 2 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Strafgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 20. Juli 2015

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Der Gerichtsschreiber: Held

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