Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.925/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_925/2014

Urteil vom 23. Dezember 2014

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Denys, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichter Oberholzer,
Gerichtsschreiber Briw.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Guido Hensch,
Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Solothurn,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Angriff; Strafzumessung,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn,
Strafkammer, vom 23. Juli 2014.

Sachverhalt:

A.

 In der Nacht des 2./3. April 2011 fand eine Hip-Hop-Veranstaltung in einem
Club statt. In der Folge einer Drogenübergabe wurde ein Beteiligter mit Hilfe
des Security-Manns A.________ im Getränkelager eingeschlossen, wo er bis zum
Erscheinen der Polizei warten sollte. Seine Kollegen riefen eine Gruppe von 10
bis 20 Personen zusammen. Die Stimmung war äusserst aggressiv und bedrohlich,
weshalb die Türe zum Getränkelager geöffnet wurde, um die Situation zu
beruhigen. Mehrere Personen griffen A.________ an, der trotz Stichwunden und
Schlägen ins Freie gelangte, wo weiter auf ihn eingeschlagen wurde.

 X.________ gehörte zu der Gruppe, welche lauthals die Öffnung der Tür
verlangte. Es ist nicht erstellt, dass er sich innerhalb des Gebäudes am
Angriff auf A.________ beteiligte. Er rannte aber hinter ihm her, holte ihn vor
dem Gebäude ein, schlug mehrmals in heftiger Art und Weise ("mega brutal") auf
ihn ein, bis er hinfiel, und anschliessend auf dessen Rücken und Nackenbereich.
A.________ verstarb an den Folgen von sieben Messerstichen.

B.

 Das Amtsgericht Solothurn-Lebern sprach am 2. Dezember 2013 X.________ des
Angriffs (Art. 134 StGB) sowie der Entwendung eines Motorfahrzeugs zum
Gebrauch, des Fahrens ohne Führerausweis und der Übertretung der
Strassenverkehrsregeln-Verordnung schuldig. Es verurteilte ihn zu einer
Freiheitsstrafe von 30 Monaten und einer Busse von Fr. 300.--.

 Das Obergericht des Kantons Solothurn stellte am 23. Juli 2014 auf Berufung
von X.________ die Rechtskraft der Schuldsprüche wegen Zuwiderhandlungen gegen
das Strassenverkehrsrecht fest und bestätigte den Schuldspruch wegen Angriffs.
Es verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von 26 Monaten und einer Busse von
Fr. 300.--.

C.

 X.________ erhebt Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, das
obergerichtliche Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die
Vorinstanz zurückzuweisen. Der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu
gewähren.

Erwägungen:

1.

1.1. Das Bundesgericht setzte dem Beschwerdeführer eine nicht erstreckbare
Nachfrist im Sinne von Art. 62 Abs. 3 BGG zur Leistung des Kostenvorschusses
an. Vor Ablauf der Nachfrist beantragte sein Rechtsvertreter eine einwöchige
Nachfrist, sollte sein Mandant "etwas verspätet einbezahlen". Dieser zahlte den
Kostenvorschuss am letzten Tag der Nachfrist. Entsprechend ist auf das zweite
Fristerstreckungsgesuch nicht mehr einzutreten.

1.2. Der Beschwerdeführer stellte ein Gesuch um aufschiebende Wirkung im Sinne
von Art. 103 Abs. 3 BGG, damit sein Mandant "nicht bereits jetzt mit den
ungewissen Konsequenzen des angefochtenen Strafurteils konfrontiert wird". Er
belegt nicht, dass Vollzugsmassnahmen angeordnet wurden oder unmittelbar
bevorstehen, und begründet keinen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne
von Art. 103 BGG (vgl. Urteil 6B_515/2014 vom 26. August 2014 E. 1). Das Gesuch
ist abzuweisen.

2.

 Der Rechtsvertreter führt aus, er sei vom Beschwerdeführer im September 2014
mandatiert worden, nachdem im Berufungsverfahren zusätzlich zur amtlichen
Verteidigung zwischen Februar und Juni 2014 eine erbetene Verteidigung gemäss
Art. 127 Abs. 2 StPO bestand. Das Urteil stütze sich auf Aussagen einer Zeugin,
die sich in Widersprüche verwickelt habe. Er habe sich bereits mit Schreiben
vom 20. Juni 2014 dahin gehend vernehmen lassen, dass es gemäss Instruktion
einen Entlastungszeugen gebe. Es lasse sich den Akten nicht entnehmen, dass
dieser einvernommen wurde. Deshalb seien die Beweiserhebung mangelhaft und die
Verteidigung nicht rechtsgenügend.

 Die Vorbringen sind unbegründet. Das erwähnte Schreiben richtete der
Rechtsvertreter an die Verteidigerin des Beschwerdeführers sowie zur Kenntnis
an die Vorinstanz. Die Verteidigerin stellte keine Beweisanträge (Urteil S. 2).

 Die Tatzeugin sagte trotz Todesdrohung des Beschwerdeführers aus und
bestätigte ihre Aussagen vor der Erstinstanz in dessen Anwesenheit. Wie die
Vorinstanz feststellt (Urteil S. 18), findet sich der einzige Widerspruch in
ihrer Aussage bezüglich der Schläge eines weiteren Tatbeteiligten. Die
Vorbringen des Beschwerdeführers sind offenkundig nicht geeignet, die
Beweiserhebung als mangelhaft oder die Verteidigung als nicht rechtsgenügend
erscheinen zu lassen. Die Vorinstanz beurteilt im Übrigen eingehend die Frage
ungültiger Beweiserhebungen im Zusammenhang der notwendigen Verteidigung im
Sinne von Art. 130 lit. b und Art. 131 Abs. 1 und 3 StPO, insbesondere gestützt
auf das Urteil 1B_445/2013 vom 14. Februar 2014 E. 2.3 (vgl. dazu auch Urteil
6B_883/2013 vom 17. Februar 2014).

3.

 Der Angriff wird gemäss Art. 134 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren
oder Geldstrafe sanktioniert.

3.1. Die Vorinstanz führt zur Strafzumessung aus, der im Urteilszeitpunkt rund
31-jährige Beschwerdeführer sei bis anhin viermal wegen Gewalttätigkeiten
aufgefallen, am 3. April 2011 erneut während eines laufenden Verfahrens. Die
Häufigkeit der Ereignisse über drei Jahre weise auf eine bemerkenswerte
Unbelehrbarkeit und Gewalttätigkeit hin (Urteil S. 27). Als Beweggrund für den
Angriff komme nur Rache in Frage. Er sei Teil der Meute junger Männer gewesen,
welche A.________ dafür verantwortlich machte, dass einer der Ihren
festgehalten wurde. Elemente der Gang-Mentalität seien erkennbar. Es sei darum
gegangen, Ehre und Gerechtigkeit wieder herzustellen, weil einem "Bruder"
Unrecht wiederfahren sei (Urteil S. 24). Der Beschwerdeführer lege nicht dar,
dass er durch die Strafe ungleich schwerer getroffen werde als eine andere
ausländische Person (Urteil S. 27).

3.2. Der Beschwerdeführer bringt vor, falls das Urteil Bestand habe, müsse er
damit rechnen, seiner Niederlassungsbewilligung verlustig zu gehen. Denn nach
BGE 135 II 377 E. 4.5 liegt ein Widerrufsgrund im Sinne von Art. 62 lit. b AuG
(gegebenenfalls i.V.m. Art. 63 lit. a AuG) immer vor, wenn ein Ausländer zu
einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr verurteilt wird, wobei in jedem
Fall die Verhältnismässigkeit der Massnahme zu prüfen ist.

 Angesichts dieser Rechtsprechung will der Rechtsvertreter des
Beschwerdeführers darauf hinwirken, die Strafzumessung gemäss Art. 47 StGB
wegen der "Drittwirkungen" für Ausländer differenziert anzuwenden. Weiter
liesse sich spezialpräventiv fragen, falls dieser ein Problem mit Gewalt habe,
weshalb ihm bis anhin nicht mittels Massnahmenrecht geholfen wurde. Er wäre mit
einer Freiheitsstrafe von einem Jahr adäquat sanktioniert, und es biete sich
die Vollzugsform der Halbgefangenschaft geradezu an. Die Vorinstanz habe sich
zu sehr am Erfolg seines strafbaren Verhaltens orientiert. Vor dem Hintergrund
des Fairnessgebots könne es nicht angehen, ihm sämtliche Möglichkeiten zu
nehmen, um den Integrationsbeweis doch noch anzutreten.

 Der Rechtsvertreter regt somit unter verschiedenen Gesichtspunkten eine
folgenorientierte Änderung der Rechtsprechung zugunsten von Ausländern an, so
dass die Strafe auf ein Jahr herabzusetzen ist. Das Strafmass ist indessen
nicht zu beanstanden. Die Strafsache veranlasst in keiner Weise, eine Änderung
der Rechtsprechung in Betracht zu ziehen (vgl. dazu die Urteile 6B_296/2014 vom
20. Oktober 2014 E. 3.4 und 6B_283/2014 vom 3. Juli 2014 E. 2.3). Die
Beschwerde ist unbegründet.

4.

 Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Dem
Beschwerdeführer sind die Gerichtskosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.

 Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.

 Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.

 Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Solothurn,
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 23. Dezember 2014

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Denys

Der Gerichtsschreiber: Briw

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