Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.883/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_883/2014

Urteil vom 23. Juni 2015

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichter Rüedi,
Bundesrichterin Jametti,
Gerichtsschreiberin Andres.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Jürg Federspiel,
Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
Frey-Herosé-Strasse 20, Wielandhaus, 5001 Aarau,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Mehrfache Vergewaltigung, mehrfache sexuelle Nötigung etc.; Willkür,
rechtliches Gehör; Strafzumessung, ambulante Massnahme,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht,
1. Kammer, vom 3. Juli 2014.

Sachverhalt:

A.

 Die Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau wirft X.________ zusammengefasst vor, er
habe seine Ehefrau von Oktober 2007 bis zum 16. Januar 2011 mehrmals
wöchentlich gezwungen, ihn manuell oder oral zu befriedigen, und gegen ihren
Willen den Geschlechtsverkehr an ihr vollzogen. Während der gesamten Zeit habe
er seiner Ehefrau gedroht, sie umzubringen, wenn sie ihn bei der Polizei
anzeige. Die Ehefrau habe sich dadurch in Angst und Schrecken versetzt gefühlt
und sei nicht zur Polizei gegangen. X.________ habe seine Ehefrau am 6. und 7.
Februar 2011 gezwungen, der Polizei in zwei Briefen mitzuteilen, sie ziehe ihre
belastenden Aussagen zurück, da sie nicht der Wahrheit entsprächen. Von Oktober
2007 bis am 16. Januar 2011 und von Ende Januar 2011 bis am 22. Mai 2011 habe
X.________ seine Ehefrau mehrfach mit der Faust gegen den Kopf geschlagen.
Schliesslich habe er am 14. Januar 2011 ein halbes Gramm Kokain gekauft und
konsumiert.

B.

 Das Obergericht des Kantons Aargau stellte am 3. Juli 2014 das Strafverfahren
gegen X.________ hinsichtlich der vor dem 6. März 2009 begangenen Tätlichkeiten
wegen Verjährung ein. Es sprach ihn zweitinstanzlich wegen mehrfacher
Vergewaltigung, mehrfacher sexueller Nötigung, Nötigung, Tätlichkeiten und
Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes schuldig. Es widerrief die mit
Verfügung der Strafvollzugsbehörde Aargau am 24. Oktober 2009 für 82 Tage
Freiheitsstrafe gewährte bedingte Entlassung und verurteilte X.________ zu
einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren. Ferner büsste es ihn mit Fr.
1'000.--.

C.

 X.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen im Hauptpunkt, das Urteil
des Obergerichts sei teilweise aufzuheben, er sei von den Vorwürfen der
mehrfachen Vergewaltigung, mehrfachen sexuellen Nötigung sowie Nötigung
freizusprechen, und ihm seien eine angemessene Entschädigung sowie Genugtuung
zuzusprechen. Der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen.

D.

 Das Obergericht und die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau verzichten
auf eine Vernehmlassung. X.________ hält in seiner Replik an seiner Auffassung
fest.

Erwägungen:

1.

 Seine Anträge, er sei vom Vorwurf der Nötigung freizusprechen und ihm sei eine
angemessene Entschädigung sowie Genugtuung zuzusprechen, begründet der
Beschwerdeführer nicht. Darauf ist nicht einzutreten (vgl. Art. 42 Abs. 1 und 2
BGG).

2.

2.1. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die vorinstanzliche
Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung. Er macht geltend, die Vorinstanz
verletze das Willkürverbot, den Grundsatz "in dubio pro reo" sowie seinen
Anspruch auf rechtliches Gehör.

2.2. Die Vorinstanz wertet die Aussagen der Ehefrau des Beschwerdeführers zu
den sexuellen Übergriffen von 2007 bis am 15. Januar 2011 als glaubhaft. Ihre
Schilderungen seien weder übertrieben noch lebensfremd, sondern plausibel und
nachvollziehbar. Sie seien zwar teilweise ziemlich pauschal, würden jedoch eine
Vielzahl von Realkriterien aufweisen. Die Ehefrau belaste den Beschwerdeführer
nicht unnötig und schildere konkrete Ereignisse. Ihre Angaben ständen mit ihrer
persönlichen, sehr isolierten und für sie ausweglosen Situation im Zeitpunkt
der Taten in Einklang (Urteil S. 17 f.). Die Vorinstanz erachtet auch die
belastenden Erstaussagen der Ehefrau zum Vorfall vom 16. Januar 2011 als
glaubhaft, während sie die Schilderungen des Beschwerdeführers zum
Kerngeschehen als unglaubhaft wertet. Daran ändere nichts, dass die Ehefrau
ihre Sachverhaltsdarstellungen später widerrufen habe. Die revidierten Aussagen
erschienen konstruiert sowie lebensfremd und als Schutzbehauptung zugunsten des
Beschwerdeführers. Sie seien pauschal und darauf ausgerichtet, den
Beschwerdeführer in ein möglichst gutes Licht zu rücken. Hinsichtlich ihrer
Kleidung während der sexuellen Handlungen deckten sich die Angaben der Ehefrau
nun mit jenen des Beschwerdeführers, widersprächen jedoch dem Spurenbild,
während ihre ursprünglichen Aussagen mit den Spuren übereinstimmten. Es sei von
den ursprünglichen Angaben der Ehefrau auszugehen. Da der Widerruf ihrer
Aussage am Ausgang des Verfahrens nichts zu ändern vermöge, erübrige sich eine
erneute Befragung der Ehefrau, womit der Beweisantrag des Beschwerdeführers
abzuweisen sei (Urteil S. 19 ff.; erstinstanzliches Urteil S. 9 ff.).

 Insgesamt hält die Vorinstanz den angeklagten Sachverhalt für erwiesen. Der
Beschwerdeführer habe an seiner Ehefrau von Oktober 2007 bis zum 15. Januar
2011 mehrmals wöchentlich gegen deren Willen Geschlechtsverkehr vollzogen und
sie zu Oralsex gezwungen. Anfänglich habe sie sich noch verbal sowie körperlich
gewehrt, worauf der Beschwerdeführer aggressiv geworden sei und sie am Kopf
sowie im Gesicht mit der flachen Hand geschlagen habe. Mittels verbaler und
körperlicher Gewalt habe er systematisch ihren Widerstand gebrochen. Das
während Jahren andauernde, sich jeweils durch den Alkoholmissbrauch
aggravierende aggressive und gewalttätige Verhalten des Beschwerdeführers sowie
die starke finanzielle und soziale Abhängigkeit seiner Ehefrau hätten bei
dieser einen starken psychischen Druck erzeugt. Dies habe dazu geführt, dass
sie sich dem Willen des Beschwerdeführers nicht habe entziehen können und den
Geschlechtsverkehr schliesslich ohne oder nur nach geringfügiger Gegenwehr habe
über sich ergehen lassen (Urteil S. 19). Auch am 16. Januar 2011 habe sich der
Beschwerdeführer zu seiner Ehefrau in das Schlafzimmer begeben und
Geschlechtsverkehr gewollt. Er habe ihre Hand genommen, und sie habe ihn trotz
anfänglichen Gegendrucks befriedigen müssen. Danach habe er ihr befohlen, sich
auf den Bauch zu legen, und in der Folge den Geschlechtsverkehr vollzogen
(Urteil S. 23 f.).

2.3. Die Feststellung des Sachverhalts durch die Vorinstanz kann gemäss Art. 97
Abs. 1 BGG nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig, d.h.
willkürlich im Sinne von Art. 9 BV ist (BGE 139 II 404 E. 10.1 S. 445 mit
Hinweisen; zum Begriff der Willkür: BGE 140 III 264 E. 2.3 S. 266; 139 III 334
E. 3.2.5 S. 339), oder auf einer Verletzung von schweizerischem Recht im Sinne
von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des
Verfahrens entscheidend sein kann.

 Es liegt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor, wenn ein Gericht auf die
Abnahme beantragter Beweismittel verzichtet, weil es aufgrund der bereits
abgenommenen Beweise seine Überzeugung gebildet hat und ohne Willkür in
vorweggenommener Beweiswürdigung annehmen kann, dass seine Überzeugung durch
weitere Beweiserhebungen nicht geändert würde (BGE 136 I 229 E. 5.3 S. 236 f.
mit Hinweisen).

 Dem Grundsatz "in dubio pro reo" kommt in der vom Beschwerdeführer angerufenen
Funktion als Beweiswürdigungsregel im Verfahren vor Bundesgericht keine über
Art. 9 BV hinausgehende selbstständige Bedeutung zu (BGE 138 V 74 E. 7 S. 82
mit Hinweisen).

 Die Rüge der Verletzung von Grundrechten (einschliesslich der Willkür bei der
Sachverhaltsfeststellung) muss klar vorgebracht und substanziiert begründet
werden. Auf eine rein appellatorische Kritik am angefochtenen Urteil tritt das
Bundesgericht nicht ein (vgl. Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 140 III 264 E. 2.3 S.
266; 138 I 225 E. 3.2 S. 228; je mit Hinweisen).

2.4. Der Beschwerdeführer setzt sich mit der ausführlichen vorinstanzlichen
Aussagen- und Beweiswürdigung nicht auseinander. Er beschränkt sich darauf
darzulegen, wie die Beweise aus seiner Sicht richtigerweise zu würdigen wären.
Damit erschöpfen sich seine Ausführungen in einer unzulässigen appellatorischen
Kritik. So argumentiert er insbesondere, die früheren, belastenden Aussagen der
Ehefrau seien "völlig widersprüchlich, übertrieben und lebensfremd", während
der Widerruf viel glaubhafter sei. Auch sprächen sowohl die objektiven Spuren
und die einvernommenen Zeugen nicht gegen seine Aussagen.

 Unzutreffend ist der Vorwurf, die Vorinstanz analysiere die belastenden
Aussagen der Ehefrau zu den Vorfällen von Oktober 2007 bis zum 15. Januar 2011
ungenügend (vgl. Urteil S. 17 f.).

 Unbegründet ist die Rüge, die Vorinstanz habe in unzulässiger antizipierter
Beweiswürdigung seinen Antrag auf Einvernahme der Ehefrau abgelehnt. Die
Vorinstanz erwägt nachvollziehbar und ohne in Willkür zu verfallen, die neuen,
revidierten Aussagen der Ehefrau seien im Gegensatz zu ihren ursprünglichen,
den Beschwerdeführer belastenden Angaben nicht glaubhaft. Es ist nicht zu
beanstanden, wenn die Vorinstanz gestützt auf diese willkürfreie
Aussagenwürdigung - mit welcher sich der Beschwerdeführer wiederum nicht
hinreichend auseinandersetzt - zur Ansicht gelangt, eine erneute Einvernahme
der Ehefrau vermöge am Ausgang des Verfahrens nichts zu ändern (Urteil S. 21
ff.). Sein Anspruch auf rechtliches Gehör ist nicht verletzt.

3.

3.1. Der Beschwerdeführer kritisiert die rechtliche Würdigung. Die Vorinstanz
habe zu Unrecht das Nötigungsmittel des psychischen Drucks bejaht. Er habe
keine im Sinne des Gesetzes genügend intensive tatsituative Zwangssituation
geschaffen. Auch der subjektive Tatbestand sei nicht erfüllt, da er aufgrund
seiner Alkoholisierung nicht habe erfassen können, dass seine Ehefrau mit den
sexuellen Handlungen allenfalls nicht einverstanden sei. Er habe sich in einem
Sachverhaltsirrtum befunden.

3.2. Die Vorinstanz erwägt, das Leben der Ehefrau sei von Einschüchterungen,
Gewalterfahrungen, sozialer Isolation und andauernder Kontrolle durch den
Beschwerdeführer geprägt gewesen. Dessen niederschwellige Gewalt habe zu einer
Ausweglosigkeit der Ehefrau geführt, die darin gegipfelt habe, dass sie sich
gegen seine sexuellen Avancen nicht (mehr) zur Wehr gesetzt, sondern aus Angst
jeweils nachgegeben habe. Dies erscheine nachvollziehbar, da die Ehefrau dem
Beschwerdeführer regelrecht ausgeliefert gewesen sei. In einem fremden Land und
ohne Kenntnisse der Landessprache habe sie keine Möglichkeit gehabt, sich
ausserhalb seiner Familie Hilfe zu holen. Hinzu komme, dass er sie, meist
infolge seines Alkoholkonsums, fortwährend drangsaliert und nicht nachgegeben
habe, bis sie ihn habe gewähren lassen sowie den Geschlechtsverkehr erduldet
habe. Die Ehefrau habe immer wieder erkennen lassen, dass sie die sexuellen
Handlungen nicht wollte. Sie habe sich verbal gewehrt oder den Beschwerdeführer
weggeschubst, worauf dieser ihr gedroht, sie drangsaliert und sie teilweise
auch geschlagen habe. Er habe ihren Willen ignoriert. Zwar habe er bei den
sexuellen Handlungen keine körperliche Gewalt angewendet. Die von ihm
aufgebaute Drohkulisse sei jedoch geeignet gewesen, den Widerstandswillen
seiner Ehefrau dauerhaft zu brechen. Der objektive Tatbestand von Art. 190 Abs.
1 und Art. 189 Abs. 1 StGB sei erfüllt (Urteil S. 25 f.).

 In subjektiver Hinsicht ergebe sich insbesondere aufgrund der Umstände am 16.
Januar 2011, dass der Beschwerdeführer gewusst habe, ob, wann und in welcher
Form seine Ehefrau mit den sexuellen Handlungen einverstanden war oder nicht.
Zwar sei er gemäss Gutachten am 16. Januar 2011 aufgrund seines
Alkoholisierungsgrads nicht mehr in der Lage gewesen, die Abwehrsignale der
Ehefrau zu erkennen. Jedoch seien die Einsichtsfähigkeit in das Unrecht der Tat
und die Wissensseite des subjektiven Tatbestands auseinanderzuhalten. Der
Beschwerdeführer habe den Willen seiner Ehefrau mit seinem Verhalten gebrochen,
weshalb er nicht argumentieren könne, er habe ihren fehlenden Willen nicht
erkannt. Auch wenn er die Abwehrsignale nicht mehr habe deuten können, sei
davon auszugehen, dass er von der fehlenden Einwilligung seiner Ehefrau zu den
sexuellen Handlungen gewusst habe. Indem er diese dennoch vorgenommen habe,
habe er mindestens billigend in Kauf genommen, seine Ehefrau zu den sexuellen
Handlungen zu nötigen. Da der Beschwerdeführer die Sachlage jeweils erfasst
habe, sei ein Sachverhaltsirrtum ausgeschlossen (Urteil S. 28 f.).

3.3. Eine sexuelle Nötigung begeht gemäss Art. 189 StGB, wer eine Person zur
Duldung einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung nötigt,
namentlich indem er sie bedroht, Gewalt anwendet, sie unter psychischen Druck
setzt oder zum Widerstand unfähig macht. Wer unter den genannten Umständen eine
Person weiblichen Geschlechts zur Duldung des Beischlafs nötigt, macht sich
nach Art. 190 StGB der Vergewaltigung schuldig.

 Diese Tatbestände dienen dem Schutz der sexuellen Selbstbestimmung und
erfassen alle erheblichen Nötigungsmittel. Es genügt prinzipiell der
ausdrückliche Wille, die sexuellen Handlungen nicht zu wollen (vgl. BGE 122 IV
97 E. 2b S. 100). Die Tatbestandsvariante, wonach das Opfer unter psychischen
Druck gesetzt wird, stellt klar, dass sich die Ausweglosigkeit der Situation
für das Opfer auch ergeben kann, ohne dass der Täter eigentliche Gewalt
anwendet. Es kann genügen, dass dem Opfer eine Widersetzung unter solchen
Umständen aus anderen Gründen nicht zuzumuten ist. Damit wird deutlich, dass
eine Situation für das Opfer bereits aufgrund der sozialen und körperlichen
Dominanz des Täters aussichtslos sein kann. Diese Dominanz muss nicht
notwendigerweise mit der Furcht des Opfers vor körperlicher Gewalt verknüpft
sein. Vielmehr kann für eine tatbestandsmässige Nötigung gegebenenfalls schon
genügen, wenn der Täter das Opfer beispielsweise psychisch und physisch so
erschöpft hat, dass es sich dem ungewollten Sexualkontakt nicht mehr widersetzt
(vgl. BGE 131 IV 167 E. 3.1 S. 171; 128 IV 106 E. 3a/bb S. 110 f.; 126 IV 124
E. 3b S. 129; 124 IV 154 E. 3b S. 159 f.; 122 IV 97 E. 2 S. 99 ff.; je mit
Hinweisen). Bei allen Nötigungsmitteln ist eine erhebliche Einwirkung auf die
Freiheit der sexuellen Selbstbestimmung erforderlich. Dabei ist aber der Lage
des Opfers besondere Rechnung zu tragen. Damit wird berücksichtigt, dass eine
sexuelle Nötigung umso wirksamer ist, je empfindlicher, wehr- und hilfloser
insbesondere abhängige, verletzliche oder traumatisierte Opfer einem solchen
Angriff ausgesetzt sind (BGE 131 IV 107 E. 2.4 S. 111 mit Hinweisen). Diese vor
dem Hintergrund des sexuellen Kindsmissbrauchs entwickelte Rechtsprechung gilt
grundsätzlich auch für erwachsene Opfer, doch ist hierbei zu berücksichtigen,
dass Erwachsenen mit entsprechenden individuellen Fähigkeiten in der Regel eine
stärkere Gegenwehr zuzumuten ist als Kindern (BGE 131 IV 167 E. 3.1 S. 171; 128
IV 97 E. 2b/aa S. 100 f., 106 E. 3a/bb S. 112). Ob die tatsächlichen
Verhältnisse die Anforderungen eines Nötigungsmittels erfüllen, ist aufgrund
einer individualisierenden Betrachtung der relevanten konkreten Umstände zu
prüfen (BGE 128 IV 97 E. 2b/aa S. 99, 106 E. 3a/bb S. 111).

 Die Tatbestände der Vergewaltigung und der sexuellen Nötigung sind nur
erfüllt, wenn der Täter vorsätzlich handelt. Es genügt jedoch auch ein
Eventualvorsatz. Wer es für möglich hält, dass das Opfer mit den sexuellen
Handlungen nicht einverstanden ist, und dies in Kauf nimmt, begeht
eventualvorsätzlich eine Vergewaltigung oder sexuelle Nötigung. Die irrige
Annahme eines Einverständnisses führt nach Art. 13 StGB zum Ausschluss der
Strafbarkeit (BGE 87 IV 66 E. 3 S. 71; Philipp Maier, Basler Kommentar,
Strafrecht, Bd. II, 3. Aufl. 2013 N. 17 zu Art. 190 StGB).

3.4. Der Schuldspruch wegen mehrfacher Vergewaltigung und mehrfacher sexueller
Nötigung verletzt kein Bundesrecht. Es ist grundsätzlich auf die zutreffenden
Ausführungen der Vorinstanz zu verweisen (Urteil S. 19, 25 f.). Soweit der
Beschwerdeführer vorbringt, seine Ehefrau habe sich frei bewegen können und
regelmässig Kontakte zu ihrer Familie gehabt, weicht er von den willkürfreien
Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz ab (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG; Urteil
S. 18, 25). Darauf ist nicht einzugehen. Zwischen der Ehefrau und dem
Beschwerdeführer bestand nicht lediglich ein allgemeines
Abhängigkeitsverhältnis. Auch hat er nicht "nur" vorbestehende soziale
Verhältnisse instrumentalisiert (vgl. hierzu BGE 131 IV 107 E. 2.4 S. 110 f.).
Vielmehr hat er systematisch den Widerstand seiner Ehefrau gebrochen. Als sie
sich anfänglich noch verbal sowie körperlich gegen die sexuellen Übergriffe
wehrte, wurde er aggressiv und schlug sie teilweise. Dieses Verhalten des
Beschwerdeführers, seine Drohung, er schicke seine Ehefrau zurück in den Kosovo
und bleibe mit der Tochter in der Schweiz (Urteil S. 25), die finanzielle
Abhängigkeit der Ehefrau und deren soziale Isolation erzeugten bei ihr einen
psychischen Druck, der geeignet war, ihren Widerstandswillen dauerhaft zu
brechen. Unter diesen Umständen war es ihr nicht mehr zuzumuten, sich den
sexuellen Übergriffen zu widersetzen, musste sie doch andernfalls damit
rechnen, geschlagen zu werden (vgl. BGE 131 IV 167 E. 3.1 S. 171 in fine).

Was der Beschwerdeführer gegen die Verwirklichung des subjektiven Tatbestands
vorbringt, überzeugt ebenfalls nicht. Mit seinen Ausführungen weicht er
grösstenteils von den verbindlichen Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz
ab, ohne aufzuzeigen, dass und inwiefern diese willkürlich sind (vgl. BGE 137
IV 1 E. 4.2.3 S. 4 mit Hinweis). Im Übrigen setzt er sich nicht mit ihren
Erwägungen auseinander. Mit seinem gewalttätigen, drohenden und
einschüchternden Verhalten während mehrerer Jahre hat der Beschwerdeführer
bewusst den Widerstandswillen seiner Ehefrau dauerhaft gebrochen. Die
Vorinstanz verletzt weder Verfassungs- noch Bundesrecht, wenn sie davon
ausgeht, der Beschwerdeführer habe von der fehlenden Einwilligung seiner
Ehefrau gewusst und billigend in Kauf genommen, diese zu den sexuellen
Handlungen zu nötigen. Für einen Sachverhaltsirrtum gemäss Art. 13 StGB bleibt
damit kein Raum.

4.

4.1. Der Beschwerdeführer wendet sich eventualiter gegen die Strafzumessung, da
die Strafe unvertretbar hoch sei.

4.2. Das Bundesgericht hat die Grundsätze der Strafzumessung wiederholt
dargelegt. Darauf kann verwiesen werden (vgl. BGE 136 IV 55 E. 5.4 ff. S. 59
ff. mit Hinweisen).

4.3. Soweit der Beschwerdeführer seine Rüge damit begründet, er sei zumindest
hinsichtlich der angeblichen Vorfälle vom Oktober 2007 bis zum 15. Januar 2011
freizusprechen, ist darauf nicht einzugehen. Im Übrigen ist sie unbegründet.
Die Vorinstanz setzt sich in ihren Erwägungen zur Strafzumessung mit den
wesentlichen schuldrelevanten Komponenten auseinander und würdigt sämtliche
Zumessungsgründe zutreffend. Dass sie sich dabei von rechtlich nicht
massgebenden Gesichtspunkten hätte leiten lassen oder wesentliche
Gesichtspunkte nicht berücksichtigt hätte, ist nicht ersichtlich. Insbesondere
ist sie in ihrer Strafzumessung nicht an die Erwägungen der ersten Instanz
gebunden. Sie darf die gleich hohe Strafe ausfällen wie jene, selbst wenn sie
von Eventualvorsatz und einer leicht verminderten Schuldfähigkeit des
Beschwerdeführers ausgeht. Er argumentiert, die Vorinstanz hätte entgegen dem
Gutachten eine weitere Einschränkung der Schuldfähigkeit annehmen müssen, ohne
aufzuzeigen, dass die Vorinstanz in Willkür verfällt, indem sie das Gutachten
als schlüssig erachtet und darauf abstellt. Auf diese rein appellatorische
Kritik ist nicht einzutreten. Die Vorinstanz hält zu Recht fest, die leicht
eingeschränkte Schuldfähigkeit des Beschwerdeführers sei innerhalb des
ordentlichen Strafrahmens zu berücksichtigen (Urteil S. 35). Zudem geht die
Vorinstanz zugunsten des Beschwerdeführers nicht nur hinsichtlich des Vorfalls
vom 16. Januar 2011, sondern auch bezüglich der übrigen sexuellen Übergriffe
von einer leicht verminderten Schuldfähigkeit aus, obwohl die Gutachter hierzu
keine gesicherten Aussagen machen konnten (Urteil S. 37).

 Unbegründet ist auch der Einwand, die von der Vorinstanz nicht
berücksichtigten aktuellen persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers und
die Folgen einer allfälligen Strafe auf sein Leben sowie seine Familie liessen
die ausgesprochene Strafe als unvertretbar hoch erscheinen. Zu Recht verneint
die Vorinstanz eine erhöhte Strafempfindlichkeit des Beschwerdeführers. Eine
solche kann nur bei aussergewöhnlichen Umständen bejaht werden, weil die
Verbüssung einer Freiheitsstrafe für jede arbeitstätige und in ein familiäres
Umfeld eingebettete Person mit Härten verbunden ist (Urteil 6B_375/2014 vom 28.
August 2014 E. 2.6 mit Hinweisen). Die Vorinstanz berücksichtigt, dass der
Beschwerdeführer wieder mit seiner Ehefrau und den beiden gemeinsamen Kindern
zusammenlebt und im Stundenlohn angestellt ist. Inwiefern sich seine
Verhältnisse zwischen seiner Einvernahme an der Berufungsverhandlung vom 22.
August 2013 und dem Urteil vom 3. Juli 2014 verändert haben, legt der
Beschwerdeführer nicht dar. Damit genügt die Rüge, die Vorinstanz verletze
seinen Anspruch auf rechtliches Gehör, indem sie ihn nach Eingang des
psychiatrischen Gutachtens nicht noch einmal zu seinen persönlichen
Verhältnissen befragt habe, den qualifizierten Begründungsanforderungen nicht
(Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG). Im Übrigen wäre es dem anwaltlich
vertretenen Beschwerdeführer freigestanden, im Rahmen seiner Stellungnahme zum
psychiatrischen Gutachten auf massgebende Veränderungen hinzuweisen.

4.4. Die vorinstanzliche Strafzumessung hält insgesamt vor Bundesrecht stand.
Die ausgefällte Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren hält sich noch innerhalb
des sachgerichtlichen Ermessens.

5.

5.1. Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz verletze Art. 63 Abs. 1 und 2
StGB, indem sie entgegen der gutachterlichen Empfehlung und ohne Begründung
keine ambulante Massnahme anordne und die Strafe nicht zu deren Gunsten
aufschiebe.

5.2. Die Vorinstanz erwägt, der Beschwerdeführer leide an einem schweren
Alkoholabhängigkeitssyndrom. Die Gutachter gingen davon aus, dass eine
ambulante Behandlung auch im Rahmen des Strafvollzugs durchgeführt werden
könne. Es sei somit nicht erkennbar, dass die Erfolgsaussichten einer Therapie
durch den gleichzeitigen Strafvollzug erheblich beeinträchtigt würden. Ein
Aufschub der Strafe zugunsten einer ambulanten Massnahme dränge sich nicht auf.
Es sei dem Beschwerdeführer freigestellt, im Rahmen des Strafvollzugs eine
Therapie in Anspruch zu nehmen beziehungsweise die bereits angefangene Therapie
fortzuführen (Urteil S. 39 f.).

5.3. Eine Massnahme ist anzuordnen, wenn eine Strafe allein nicht geeignet ist,
der Gefahr weiterer Straftaten des Täters zu begegnen, ein Behandlungsbedürfnis
des Täters besteht oder die öffentliche Sicherheit dies erfordert und die
Voraussetzungen der Artikel 59-61, 63 oder 64 erfüllt sind (Art. 56 Abs. 1
StGB). Ist der Täter von Suchtstoffen abhängig, kann das Gericht gemäss Art. 63
Abs. 1 StGB anordnen, dass er nicht stationär, sondern ambulant behandelt wird,
wenn er eine mit Strafe bedrohte Tat verübt, die mit seinem Zustand in
Zusammenhang steht, und zu erwarten ist, dadurch lasse sich der Gefahr weiterer
mit dem Zustand des Täters in Zusammenhang stehender Taten begegnen. Nach Art.
63 Abs. 2 StGB kann das Gericht den Vollzug einer zugleich ausgesprochenen
Freiheitsstrafe zugunsten einer ambulanten Massnahme aufschieben, um der Art
der Behandlung Rechnung zu tragen (vgl. BGE 129 IV 161 E. 4.1 S. 162 f. und E.
4.3 S. 165).

5.4. Wie der Beschwerdeführer zutreffend vorbringt, äussert sich die Vorinstanz
lediglich zur Frage des Aufschubs des Strafvollzugs zugunsten einer ambulanten
Behandlung, nicht jedoch dazu, ob eine solche überhaupt angeordnet werden soll.
Die Verweigerung des Aufschubs des Vollzugs bedeutet nicht, dass eine Therapie
nicht wenigstens vollzugsbegleitend anzuordnen wäre. Die Vorinstanz setzt sich
nicht mit der gutachterlichen Empfehlung auseinander, wonach eine ambulante
deliktsorientierte und störungsspezifische Psychotherapie mit Weiterführung der
aversiven medikamentösen Therapie des Alkoholabhängigkeitssyndroms entsprechend
einer Massnahme nach Art. 63 StGB durchzuführen sei (Gutachten vom 2. April
2014 S. 60), sondern stellt dem Beschwerdeführer frei, im Strafvollzug eine
Therapie zu machen. Damit verletzt sie Bundesrecht. Der Umstand, dass die
Strafanstalten bei allen Insassen gehalten sind, gegebenenfalls therapeutische
Massnahmen zu ermöglichen, macht die Anordnung einer ambulanten Behandlung
durch das Gericht nicht entbehrlich. Darauf hat das Bundesgericht bereits im
Urteil 6P.78/2005 vom 16. November 2005 hingewiesen (E. 9 zu Art. 43 Ziff. 1
Abs. 1 aStGB; vgl. Andrea Baechtold, Strafvollzug, 2. Aufl. 2009, § 9 N. 44).

 Die Vorinstanz wird sich in Berücksichtigung des psychiatrischen Gutachtens in
ihrem neuen Urteil dazu äussern müssen, ob eine ambulante Behandlung im Sinne
von Art. 63 Abs. 1 StGB anzuordnen ist. Die Beschwerde erweist sich in diesem
Punkt als begründet. Bei diesem Ausgang des Verfahrens kann nicht geprüft
werden, ob der Verzicht auf den Aufschub des Strafvollzugs vor Bundesrecht
standhält. Die in diesem Zusammenhang erhobene Rüge der Verletzung des
Anspruchs auf rechtliches Gehör kann demnach offengelassen werden.

6.

 Die Beschwerde ist teilweise gutzuheissen, das angefochtene Urteil aufzuheben
und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Im
Übrigen ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.

 Mit dem Entscheid in der Sache wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung
gegenstandslos. Im Übrigen kommt diese der Beschwerde vorliegend schon von
Gesetzes wegen zu (Art. 103 Abs. 2 lit. b BGG).

 Soweit der Beschwerdeführer unterliegt, wird er kostenpflichtig (Art. 66 Abs.
1 BGG). Der Kanton Aargau hat ihn für das bundesgerichtliche Verfahren im
Umfang seines Obsiegens angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des
Kantons Aargau vom 3. Juli 2014 aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung
an das Obergericht zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen,
soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Dem Beschwerdeführer werden Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- auferlegt.

3. 
Der Kanton Aargau hat dem Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren
eine Entschädigung von Fr. 750.-- auszurichten.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Opfer und dem Obergericht des Kantons
Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 23. Juni 2015

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Die Gerichtsschreiberin: Andres

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