Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.876/2014
Zurück zum Index Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2014
Retour à l'indice Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2014


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_876/2014

Urteil vom 5. Februar 2015

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichter Oberholzer, Rüedi,
Gerichtsschreiber Held.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Y.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8090 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Kosten- und Entschädigungsfolgen bei Verfahrenseinstellung (Vernachlässigung
von Unterhaltspflichten); Willkür,

Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III.
Strafkammer, vom 11. August 2014.

Sachverhalt:

A.

 Zwischen X.________ (britischer Staatsangehöriger) und dessen Ehefrau
A.________ ist seit September 2008 ein Scheidungsverfahren vor dem
Bezirksgericht Zürich hängig. Mit Massnahmeverfügung des Bezirksgerichts Zürich
vom 15. Januar 2010 wurde X.________ rückwirkend ab 1. Februar 2009
verpflichtet, monatliche Unterhaltsbeiträge von Fr. 7'500.- für seine Ehefrau
und von Fr. 1'500.- bzw. Fr. 2'700.- für den gemeinsamen Sohn B.________ zu
bezahlen. Die von beiden Parteien hiergegen erhobenen Rekurse wies das
Obergericht des Kantons Zürich am 22. Dezember 2010 ab. Das Bundesgericht trat
auf die von X.________ erhobene Beschwerde mit Urteil vom 23. Mai 2011 nicht
ein.

 X.________ stellte am 22. Juni 2011 ein Gesuch um Abänderung der vorsorglichen
Massnahme, welches das Bezirksgericht Zürich am 9. September 2011 abwies. Die
hiergegen erhobene Berufung und bundesgerichtliche Beschwerde blieben
erfolglos.

B.

 Ein auf Anzeige von A.________ eingeleitetes Strafverfahren wegen
Vernachlässigung der Unterhaltspflicht stellte die Staatsanwaltschaft
Zürich-Limmat am 13. Dezember 2010 ein. Am 23. November 2011 stellte A.________
erneut Strafantrag wegen Vernachlässigung der Unterhaltspflicht. Die
Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat stellte das Strafverfahren wiederum ein und
auferlegte X.________ die Verfahrenskosten. Die hiergegen von ihm erhobene
Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Zürich am 11. August 2014
kostenpflichtig ab.

C.

 X.________ führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, der Beschluss des
Obergerichts sei aufzuheben. Die Kosten seien auf die Staatskasse zu nehmen,
und der Kanton Zürich sei zu verpflichten, ihm eine Entschädigung von Fr.
23'539.68 auszurichten. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die
Vorinstanz zurückzuweisen.

Erwägungen:

1. 

1.1. Der Beschwerdeführer rügt eine unrichtige Feststellung des Sachverhalts.
Die Vorinstanz verkenne die Tragweite der familienrechtlichen
Unterstützungspflichten. Geschütztes Rechtsgut sei der zivilrechtliche Anspruch
auf (materielle) Unterstützung. Der Währungsgewinn von EUR 1'700.-, den seine
Ehefrau durch den Wertverlust des Euros erziele, entspreche umgerechnet 25 %
des vom Bezirksgericht in Schweizer Franken festgesetzten Betrages und stelle
keine Unterhaltsleistung dar, sondern sei ein Betrag zur freien Verfügung. Dies
berücksichtige die Vorinstanz nicht und ermittle deshalb den Sachverhalt
falsch. Der Beschwerdeführer erfülle bereits den objektiven Tatbestand (von
Art. 217 Abs. 1 StGB) nicht.

 Der Beschwerdeführer bringt vor, die vorinstanzliche Kostenauflage verstosse
gegen Art. 426 Abs. 2 StPO. Ein zivilrechtlich vorwerfbares und schuldhaftes
Verhalten könne ihm nicht vorgeworfen werden. Er habe gutgläubig die
übereinstimmenden Instruktionen befolgt, die ihm zwei Anwälte nacheinander und
unabhängig voneinander erteilt hätten. Er sei der deutschen Sprache nicht
mächtig und mit dem schweizerischen Rechtssystem nicht vertraut. Er habe auf
den anwaltlichen Rat vertrauen dürfen.

1.2. Die Vorinstanz erwägt, der Beschwerdeführer habe für die Monate August bis
November 2011 weniger Unterhaltsbeiträge geleistet, als er gemäss der
rechtskräftigen Verfügung des Bezirksgerichts vom 15. Januar 2010 zu zahlen
verpflichtet gewesen sei. Dem Beschwerdeführer könne kein strafrechtlicher
Vorwurf gemacht werden, da er entsprechend den Instruktionen seines
Rechtsanwalts gehandelt habe. Er habe jedoch durch die zu niedrigen
Unterhaltsbeiträge die Einleitung des Strafverfahrens in zivilrechtlich
vorwerfbarer Weise schuldhaft verursacht. Bei der in Anwendung von Art. 41 OR
zivilrechtlichen Grundsätzen angenäherten Haftung gelte im Gegensatz zum
Strafrecht ein objektivierter Verschuldensbegriff. Jede negative Abweichung vom
hypothetischen Verhalten eines durchschnittlich sorgfältigen Menschen in der
Situation des Schädigers gelte als sorgfaltswidrig und damit fahrlässig. Das
subjektive Unwissen bzw. ein Rechtsirrtum befreie den Schädiger nicht von der
Haftung, wenn ihm "Wissen-können" oder "Wissen-sollen" vorgeworfen werden
müsse. Der durchschnittlich Sorgfältige hätte (in der Situation des
Beschwerdeführers) nicht eigenmächtig die Unterhaltszahlungen reduziert,
sondern weiterhin die Beträge gezahlt, zu denen er rechtskräftig verpflichtet
war. Unerheblich sei, dass Rechtsanwalt Y.________ im Wissen um die
Verbindlichkeit des rechtskräftigen Unterhaltsentscheids aufgrund des Risikos,
allfällig zu viel gezahlte Unterhaltsbeiträge bei A.________ nicht mehr
erhältlich machen zu können, dem Beschwerdeführer zur eigenmächtigen Reduktion
der Beiträge geraten habe, da das subjektive Verschulden nicht massgebend sei.
Zudem habe Rechtsanwalt Y.________ nicht erklärt, dass sich etwas an der
bisherigen rechtskräftigen Verpflichtung geändert hätte, sondern dass die
gerichtlichen Entscheide nach seiner Auffassung falsch seien.

1.3. Die beschuldigte Person trägt die Verfahrenskosten, wenn sie verurteilt
wird (Art. 426 Abs. 1 Satz 1 StPO). Wird das Verfahren eingestellt oder die
beschuldigte Person freigesprochen, so können ihr die Verfahrenskosten ganz
oder teilweise auferlegt werden, wenn sie rechtswidrig und schuldhaft die
Einleitung des Verfahrens bewirkt oder dessen Durchführung erschwert hat (Art.
426 Abs. 2 StPO).
Wird die beschuldigte Person ganz oder teilweise freigesprochen oder wird das
Verfahren gegen sie eingestellt, so hat sie Anspruch auf Entschädigung ihrer
Aufwendungen für die angemessene Ausübung ihrer Verfahrensrechte (Art. 429 Abs.
1 lit. a StPO; für das Rechtsmittelverfahren Art. 436 Abs. 1 StPO). Die
Strafbehörde kann die Entschädigung herabsetzen oder verweigern, wenn die
beschuldigte Person rechtswidrig und schuldhaft die Einleitung des Verfahrens
bewirkt oder dessen Durchführung erschwert hat (Art. 430 Abs. 1 lit. a StPO;
siehe auch Art. 430 Abs. 2 i.V.m. Art. 428 Abs. 2 StPO).

 Einer nicht verurteilten beschuldigten Person können die Kosten auferlegt
werden, wenn sie in zivilrechtlich vorwerfbarer Weise, d.h. im Sinne einer
analogen Anwendung der sich aus Art. 41 OR ergebenden Grundsätze, gegen eine
geschriebene oder ungeschriebene Verhaltensnorm, die sich aus der Gesamtheit
der schweizerischen Rechtsordnung ergeben kann, klar verstossen und dadurch das
Strafverfahren veranlasst oder dessen Durchführung erschwert hat (BGE 119 Ia
332 E. 1b; 116 Ia 162 E. 2; Urteile 1B_12/2012 vom 20. Februar 2012 E. 2;
6B_835/2009 vom 21. Dezember 2009 E. 1.2; 1P.805/2006 vom 14. September 2007 E.
4.2, in: Pra 2008 Nr. 34 S. 235). Zwischen dem zivilrechtlich vorwerfbaren
Verhalten und den durch die Untersuchung entstandenen Kosten muss ein
Kausalzusammenhang bestehen (BGE 116 Ia 162 E. 2 S. 170 f.; Urteil 6B_835/2009
vom 21. Dezember 2009 E. 1.2), und das Sachgericht muss darlegen, inwiefern die
beschuldigte Person durch ihr Handeln in zivilrechtlich vorwerfbarer Weise
gegen eine Verhaltensnorm klar verstossen hat (Urteil 1P.164/2002 vom 25. Juni
2002, in: Pra 2002 Nr. 203 S. 1067).

 Diese Grundsätze gelten auch bei der Beurteilung, ob eine Entschädigung oder
Genugtuung im Sinne von Art. 430 Abs. 1 lit. a StPO herabzusetzen oder zu
verweigern ist (BGE 120 Ia 147 E. 3b; 112 Ia 371 E. 2a in fine; Urteil 6B_67/
2014 vom 2. September 2014 E. 2.3; je mit Hinweisen). Der Kostenentscheid
präjudiziert die Entschädigungsfrage. Bei Auferlegung der Kosten ist
grundsätzlich keine Entschädigung auszurichten (Botschaft vom 21. Dezember 2005
zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, BBl 2006 1329 f. Ziff. 2.10.3.1;
BGE 137 IV 352 E. 2.4.2; Urteil 6B_586/2013 vom 1. Mai 2014 E. 2.4; je mit
Hinweisen).

1.4.

1.4.1. Nicht zu behandeln sind die Rügen "willkürlicher
Sachverhaltsfeststellung". Der Beschwerdeführer legt seinen Ausführungen keinen
von den vorinstanzlichen Feststellungen abweichenden Sachverhalt zu Grunde,
sondern macht insoweit ausschliesslich rechtliche Einwendungen gegen die Höhe
der zu zahlenden Unterhaltsbeiträge geltend. Ob die vorsorgliche
Massnahmeverfügung des Bezirksgerichts Zürich vom 15. Januar 2010 materiell
richtig ist und das Abänderungsgesuch zu Recht abgewiesen wurde, ist nicht
Gegenstand des angefochtenen Entscheids und hätte auch von der Vorinstanz
aufgrund der formellen Rechtskraft des Entscheids und mangels Zuständigkeit
nicht überprüft werden können.

1.4.2. Ob mit der Vorinstanz davon auszugehen ist, dass der durchschnittlich
Sorgfältige entgegen anderslautender Instruktionen seines Rechtsvertreters
weiterhin die Unterhaltsleistungen erbringen würde, zu denen er aufgrund der
vorsorglichen Massnahmeverfügung (rechtskräftig) verpflichtet ist, oder aber
darauf vertrauen darf, dass sein Anwalt ihm zu keinem strafbaren oder
zivilrechtlich missbilligten Verhalten rät, das geeignet ist, ein
Strafverfahren auszulösen, kann offenbleiben. Gemäss den unangefochtenen
Feststellungen der Vorinstanz wusste der Beschwerdeführer, dass die
vorsorgliche Massnahmeverfügung des Bezirksgerichts Zürich vom 15. Januar 2010
mit dem diesbezüglich letztinstanzlichen Nichteintretensentscheid des
Bundesgerichts vom 23. Mai 2011 formell rechtskräftig und für ihn verbindlich
ist. Der Beschwerdeführer zahlte bereits, während seine Beschwerde gegen die
vorsorgliche Unterhaltsverfügung beim Bundesgericht noch hängig war, die
gerichtlich festgelegten Unterhaltsbeiträge von Fr. 10'200.- für seine Frau und
seinen Sohn. Nach Erhalt des bundesgerichtlichen Entscheids beglich er
rückständige Unterhaltsbeiträge in Höhe von Fr. 46'890.-. Im
Abänderungsbegehren verlangte er zudem nicht, die bereits gerichtlich
überprüfte Höhe der Unterhaltsbeiträge zu ändern, sondern nur, diese aufgrund
von Kursschwankungen in Euro festzusetzen. Auch wenn er (und sein
Rechtsvertreter) die gerichtlichen Entscheide nach wie vor für "falsch" hielten
und befürchteten, allfällig zu viel gezahlte Unterhaltsbeiträge könnten im
Nachhinein nicht mehr erhältlich gemacht werden, wusste der Beschwerdeführer,
dass bis zu einer allfälligen Gutheissung des gestellten Abänderungsgesuchs die
vorsorgliche Massnahmeverfügung für die Dauer des Scheidungsverfahrens bindend
war. Indem er die Unterhaltsbeiträge eigenmächtig reduzierte, hat er sich
zivilrechtlich vorwerfbar verhalten. Die vorinstanzliche Kostenauflage verletzt
kein Bundesrecht.

1.5. Ob es vorliegend möglich und angezeigt gewesen wäre, von einer
Kostenauflage an den Beschwerdeführer abzusehen und gemäss Art. 420 lit. a StPO
bei dessen Anwälten Rückgriff für die entstandenen Verfahrenskosten zu nehmen,
ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

2.
Die Gerichtskosten sind infolge der Abweisung der Beschwerde dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, III.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 5. Februar 2015

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Der Gerichtsschreiber: Held

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben