Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.872/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_872/2014

Urteil vom 24. Dezember 2014

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Denys, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Oberholzer, Rüedi,
Gerichtsschreiberin Schär.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Marcel Epper,
Beschwerdeführer,

gegen

Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Thurgau, Zürcherstrasse 323, 8510
Frauenfeld,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Stationäre therapeutische Massnahme,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 7. Mai
2014.

Sachverhalt:

A.

 Am 22. August 2013 verurteilte das Bezirksgericht Münchwilen X.________ wegen
versuchter mehrfacher Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte, mehrfachen
Fahrens in fahrunfähigem Zustand, Fahrens ohne Berechtigung, mehrfacher
Verletzung von Verkehrsregeln, pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall,
Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit und mehrfacher
Verstösse gegen das Waffengesetz zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, unter
Anrechnung der seit 5. Mai 2012 bis zum Massnahmenantritt ausgestandenen
Untersuchungs- und Sicherheitshaft sowie zu einer Busse von Fr. 1'800.--.
Gleichzeitig ordnete es eine stationäre therapeutische Massnahme nach Art. 59
Abs. 3 StGB an. Der Vollzug der Freiheitsstrafe wurde zugunsten der Massnahme
aufgeschoben.

B.

 Am 7. Mai 2014 wies das Obergericht des Kantons Thurgau die Berufung von
X.________ ab und bestätigte das erstinstanzliche Urteil.

C.

 X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, der vorinstanzliche
Entscheid sei aufzuheben und das Verfahren zur neuen Beurteilung an die
Vorinstanz zurückzuweisen. Die Vorinstanz sei anzuweisen, bei Dr. med.
A.________, Zürich, ein zweites Gutachten zu den gleichen Fragestellungen
einzuholen, wie sie im bereits vorliegenden psychiatrischen Gutachten von Dr.
med. B.________ in M.________ abgehandelt wurden.

Erwägungen:

1.

 Der Beschwerdeführer macht geltend, die Dauer des mit einer stationären
therapeutischen Massnahme nach Art. 59 StGB verbundenen Freiheitsentzugs sei
nicht absehbar, da die Massnahme mehrmals um bis zu fünf Jahre verlängert
werden könne (Art. 59 Abs. 4 StGB). Die Anordnung einer stationären Therapie
stelle nichts anderes als eine Form der kleinen Verwahrung dar. Das verhängte
Strafmass sei dabei gänzlich unerheblich. Im Vordergrund stehe nicht die Sühne.
Es gehe einzig um ein mögliches künftiges Verhalten, wobei auf die vom
Gutachter attestierte Gefährlichkeit abgestellt werde. Die Unschuldsvermutung
werde damit im Ergebnis ausser Kraft gesetzt. Aufgrund der für ihn
schwerwiegenden Konsequenzen müsse es als verhältnismässig, angemessen und
rechtsstaatlich zwingend beurteilt werden, in Analogie zu den Fällen der
Prüfung einer allfälligen Verwahrung ein zweites Gutachten einzuholen. Die
Vorinstanz habe seinen Antrag auf Einholung eines Zweitgutachtens zur Frage der
Massnahmebedürftigkeit zu Unrecht abgewiesen. Der Beschwerdeführer rügt damit
eine Verletzung von Bundesrecht.

1.1. Gutachten sind im Massnahmenrecht unabdingbar. Sie werden vom Gesetz als
zwingende Entscheidgrundlage bezeichnet, wenn über die Indikation einer
Massnahme zu befinden ist. Art. 56 Abs. 3 StGB schreibt vor, dass sich das
Gericht beim Entscheid über die Anordnung einer Massnahme nach den Artikeln
59-61, 63 und 64 StGB sowie bei der Änderung der Sanktion nach Artikel 65 StGB
auf eine sachverständige Begutachtung stützt.

 In Fachfragen darf das Gericht nicht ohne triftige Gründe vom Gutachten
abweichen, und Abweichungen müssen begründet werden. Ob ein Gericht die im
Gutachten enthaltenen Erörterungen für überzeugend hält oder nicht und ob es
dementsprechend den Schlussfolgerungen des Experten folgen oder ein
Ergänzungsgutachten beziehungsweise eine Oberexpertise einholen soll, ist eine
Frage der Beweiswürdigung, die mit Beschwerde in Strafsachen wegen Verletzung
des Willkürverbots aufgeworfen werden kann. Dasselbe gilt für die Frage, ob ein
Gutachten in sich schlüssig ist. Eine entsprechende Kritik muss substanziiert
dargelegt werden (BGE 138 III 193 E. 4.3.1 S. 198 f.; 133 II 384 E. 4.2.3 S.
391; 132 II 257 E. 4.4.1 S. 269; 106 IV 97 E. 2b S. 99 f.; je mit Hinweisen).

1.2. Die Vorinstanz stützt sich auf das Gutachten von Dr. med. B.________,
Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, in M.________, vom 31. Juli 2012
sowie auf sein Ergänzungsgutachten vom 10. Juli 2013. Der Gutachter gelangt zum
Schluss, beim Beschwerdeführer liege eine kombinierte Persönlichkeitsstörung
mit paranoiden, narzisstischen und dissozialen Anteilen sowie eine Alkohol- und
Benzodiazepinabhängigkeit vor. Die Wahrscheinlichkeit, dass er seine Drohungen
gegen Leib und Leben in die Tat umsetzen werde, sei sehr hoch. Aus
gutachterlicher Sicht sei die Anordnung einer stationären Therapie einzig
zweckmässig, um gegenwärtig der Gefahr weiterer Straftaten begegnen zu können.
Eine Entlassung in unstrukturierte Verhältnisse werde sehr schnell zu einem
Rückfall in alte, gefährliche Verhaltensmuster führen. Eine ambulante Therapie
genüge unter diesen Umständen nicht.

 Die Vorinstanz erachtet das Gutachten als klar und widerspruchsfrei. Der
Experte gebe im Einzelnen wieder, aufgrund welcher Kriterien und Faktoren er zu
seinen Schlussfolgerungen gelange. Das Gutachten sei auch für einen Laien
nachvollziehbar. Der Beschwerdeführer habe nicht substantiiert darlegen können,
inwiefern die Expertise unzutreffend sei. Auf die Einholung eines
Zweitgutachtens könne unter diesen Umständen verzichtet werden. Im Übrigen
werde dies vom Gesetz auch nicht vorgeschrieben.

1.3. Der Beschwerdeführer macht einzig geltend, bei der Anordnung einer
stationären therapeutischen Massnahme nach Art. 59 StGB seien per se mehrere
Gutachten einzuholen, da die Massnahme aufgrund der Möglichkeit der
Verlängerung einer Verwahrung gleichkomme. Sein Einwand verfängt nicht. Das
Gesetz schreibt nicht vor, dass das Gericht bei der Anordnung einer Massnahme
nach Art. 59 StGB mehrere Gutachten einholen muss (Art. 56 Abs. 3 StGB). Selbst
bei der Verwahrung nach Art. 64 StGB sind nicht zwingend mehrere Begutachtungen
vorgesehen. Einzig bei der lebenslänglichen Verwahrung nach Art. 64 Abs. 1 ^
bis StGB ist dies der Fall (Art. 56 Abs. 4 ^bis StGB). Der Beschwerdeführer
macht darüber hinaus auch nicht geltend, die vorinstanzliche
Sachverhaltsfeststellung sei willkürlich, oder das Gutachten sei nicht
schlüssig. Dies ist auch nicht ersichtlich. Die Vorinstanz setzt sich
ausführlich mit dem Gutachten auseinander und gelangt zur Auffassung, es
bestünden keine ernsthaften Einwände gegen dessen Schlüssigkeit. Dass die
Vorinstanz ein Zweitgutachten hätte einholen müssen, ergibt sich deshalb nicht.
Die Vorinstanz verletzt kein Bundesrecht, wenn sie den Beweisantrag des
Beschwerdeführers abweist und gestützt auf das Gutachten vom 31. Juli 2012 und
das Ergänzungsgutachten vom 10. Juli 2013 eine stationäre therapeutische
Massnahme anordnet.

2.

 Die Beschwerde ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der
Beschwerdeführer die bundesgerichtlichen Kosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 Satz
1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.

 Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

 Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.

 Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 24. Dezember 2014

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

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