Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.859/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_859/2014

Urteil vom 24. März 2015

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichter Rüedi,
Gerichtsschreiber M. Widmer.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Gerhard Hofmann,

gegen

Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Thurgau,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Falsche Anschuldigung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts
des Kantons Thurgau vom 23. April 2014.

Sachverhalt:

A.

 X.________ ist Inhaber und Geschäftsführer einer Transportfirma. Am 17.
Februar 2012 geriet ein Sattelschlepper seines Unternehmens in eine
Polizeikontrolle. Dabei stellte sich heraus, dass die Ladung auf dem Anhänger
nicht korrekt gesichert war. X.________ faxte der Polizei gleichentags ein
Zertifikat, welches bescheinigen sollte, dass die Ladung für diesen Fahrzeugtyp
nicht speziell gesichert werden müsse. Das Zertifikat hatte ursprünglich auf
ein anderes Fahrzeug gelautet, wurde aber entsprechend abgeändert. X.________
gab auf Nachfrage der Polizei an, einer seiner Mitarbeiter habe das Zertifikat
ohne sein Wissen abgeändert.

B.

 Das Obergericht des Kantons Thurgau verurteilte X.________ am 23. April 2014
zweitinstanzlich wegen falscher Anschuldigung zu einer bedingten Geldstrafe von
30 Tagessätzen zu Fr. 140.-- sowie zu einer Busse von Fr. 1'000.--.

C.

 X.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das obergerichtliche
Urteil sei aufzuheben und er sei freizusprechen. Die Sache sei zur Festlegung
der Kosten und Entschädigung für die kantonalen Gerichtsverfahren an die
Vorinstanz zurückzuweisen. Für das bundesgerichtliche Verfahren seien ihm keine
Kosten aufzuerlegen und eine Entschädigung zuzusprechen.

Erwägungen:

1.

1.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, der (objektive) Tatbestand der falschen
Anschuldigung gemäss Art. 303 Ziff. 1 StGB sei in zweifacher Hinsicht nicht
erfüllt. Der von ihm beschuldigte Mitarbeiter habe tatsächlich mitgeholfen, das
an die Polizei gefaxte Zertifikat abzuändern. Es handle sich somit nicht um
einen Nichtschuldigen. Zudem sei zum Zeitpunkt, als er der Polizei dessen Namen
genannt habe, bereits ein Strafverfahren (wegen Urkundenfälschung) gegen
mehrere als Täter infrage kommende Personen eröffnet gewesen. Zu den
Verdächtigen habe auch der genannte Mitarbeiter gehört.

1.2.

1.2.1. Gemäss Art. 303 Ziff. 1 StGB wird mit Freiheitsstrafe oder Geldstrafe
bestraft, wer einen Nichtschuldigen wider besseres Wissen bei der Behörde eines
Verbrechens oder Vergehens beschuldigt, in der Absicht, eine Strafverfolgung
gegen ihn herbeizuführen. Der Tatbestand der falschen Anschuldigung schützt in
erster Linie die Zuverlässigkeit der Rechtspflege. Die Tathandlung führt zu
einem unnützen Einsatz öffentlicher Mittel. Darüber hinaus schützt die
Bestimmung auch die Persönlichkeitsrechte zu Unrecht Angeschuldigter mit Bezug
auf deren Ehre, Freiheit, Privatsphäre, Vermögen usw. (BGE 136 IV 170 E. 2.1 S.
175 f. mit Hinweis).

1.2.2. Mittäter ist, wer bei der Entschliessung, Planung oder Ausführung eines
Deliktes vorsätzlich und in massgeblicher Weise mit anderen Tätern
zusammenwirkt, sodass er als Hauptbeteiligter dasteht. Dabei kommt es darauf
an, ob der Tatbeitrag nach den Umständen des konkreten Falles und dem Tatplan
für die Ausführung des Deliktes so wesentlich ist, dass sie mit ihm steht oder
fällt. Das blosse Wollen der Tat genügt zur Begründung von Mittäterschaft
nicht. Der Mittäter muss vielmehr bei der Entschliessung, Planung oder
Ausführung der Tat auch tatsächlich mitwirken. Daraus folgt aber nicht, dass
Mittäter nur ist, wer an der eigentlichen Tatausführung beteiligt ist oder sie
zu beeinflussen vermag. Dass der Mittäter bei der Fassung des gemeinsamen
Tatentschlusses mitwirkt, ist nicht erforderlich. Es genügt, dass er sich
später den Vorsatz seiner Mittäter zu eigen macht (BGE 135 IV 152 E. 2.3.1 S.
155; 130 IV 58 E. 9.2.1 S. 66; 125 IV 134 E. 3a S. 136 mit Hinweisen).

1.2.3. Als Gehilfe ist nach Art. 25 StGB strafbar, wer zu einem Verbrechen oder
Vergehen vorsätzlich Hilfe leistet. Als Hilfeleistung gilt jeder kausale
Beitrag, der die Tat fördert, so dass sich diese ohne Mitwirkung des Gehilfen
anders abgespielt hätte. Der Gehilfe fördert eine Tat, wenn er sie durch einen
untergeordneten Tatbeitrag unterstützt bzw. wenn er die Ausführung der Haupttat
durch irgendwelche Vorkehren oder durch psychische Hilfe erleichtert. Die
Hilfeleistung muss tatsächlich zur Tat beitragen und die Erfolgschancen der
tatbestandserfüllenden Handlung erhöhen. Nicht erforderlich ist, dass es ohne
die Beihilfe nicht zur Tat gekommen wäre (BGE 129 IV 124 E. 3.2 S. 126 mit
Hinweisen). Art. 25 StGB erfordert subjektiv, dass der Gehilfe weiss oder damit
rechnet, eine bestimmt geartete Straftat zu unterstützen, und dass er dies will
oder in Kauf nimmt. Es genügt, wenn er den Geschehensablauf voraussieht, das
heisst, die wesentlichen Merkmale des vom Täter zu verwirklichenden strafbaren
Tuns erkennt. Einzelheiten der Tat braucht er hingegen nicht zu kennen (vgl.
BGE 132 IV 49 E. 1.1 S. 52 mit Hinweisen).

1.2.4. Die Vorinstanz kommt nach Würdigung der Aussagen des Beschwerdeführers,
des von ihm beschuldigten und eines weiteren Angestellten der Transportfirma
zum Schluss, der vom Beschwerdeführer beschuldigte Mitarbeiter sei weder als
Mittäter noch als Gehilfe zu qualifizieren. Er habe dem Beschwerdeführer auf
dessen Aufforderung hin lediglich die "Kleber" gereicht, die dieser zum
Abändern des Zertifikats gebraucht habe. Letzterer habe anschliessend das
Zertifikat kopiert, abgeändert und an die Polizei gefaxt. Entgegen seinem
Vorbringen stellt die Vorinstanz in dem für das Bundesgericht verbindlich
festgestellten (vgl. Art. 105 Abs. 1 BGG) und nicht als willkürlich gerügten
Sachverhalt nicht fest, dass der beschuldigte Angestellte wusste, wofür die
"Kleber" verwendet werden sollten. Sie erwägt vielmehr, es bestünden keine
Hinweise, dass er die Abänderung des Zertifikats gebilligt habe.
Der beschuldigte Mitarbeiter war demnach nicht massgeblich an der
Entschliessung, Planung oder Ausführung der Handlung des Beschwerdeführers
(Abänderung des Originalzertifikats und Versand per Fax an die Polizei)
beteiligt. Er förderte die Tat des Beschwerdeführers auch nicht. Sein Beitrag
war nicht kausal und erhöhte die Erfolgschancen der Tat nicht; diese hätte sich
ohne sein Zutun nicht anders abgespielt. Der Beschwerdeführer hätte die
notwendigen Utensilien zur Abänderung des Originalzertifikats ohne Weiteres
selbst greifen können. Wenn die Vorinstanz unter diesen Umständen
mittäterschaftliches Handeln sowie Gehilfenschaft verneint, verletzt sie kein
Bundesrecht.

1.3.

1.3.1. Der Tatbestand von Art. 303 StGB ist nur erfüllt, wenn der Täter in der
Absicht handelte, eine Strafverfolgung gegen einen Nichtschuldigen
herbeizuführen; die Absicht, eine bereits laufende Strafuntersuchung fortdauern
zu lassen, genügt nicht (BGE 111 IV 159 E. 2a S. 163 mit Hinweisen). Zur
Erfüllung des Tatbestands nicht erforderlich ist, dass aufgrund der falschen
Anschuldigung auch tatsächlich ein Strafverfahren gegen die zu Unrecht
belastete Person eingeleitet wird (vgl. BGE 102 IV 103 E. 3 S. 107 mit
Hinweisen auf die Entstehungsgeschichte; DELNON/RÜDY, in: Basler Kommentar,
Strafrecht II, 3. Aufl. 2013, N. 29 zu Art. 303 StGB; TRECHSEL/
AFFOLTER-EIJSTEN, in: Trechsel/Pieth [Hrsg.], Schweizerisches Strafgesetzbuch,
Praxiskommentar, 2. Aufl. 2013, N. 9 zu Art. 303; STRATENWERTH/ BOMMER,
Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil II, Straftaten gegen
Gemeininteressen, 7. Aufl. 2013, § 55 N. 21; DONATSCH/WOHLERS, Strafrecht IV,
Delikte gegen die Allgemeinheit, 4. Aufl. 2011, § 109 S. 452).

1.3.2. Die Vorinstanz erwägt, zum Zeitpunkt als der Beschwerdeführer seinen
Angestellten beschuldigt habe, sei zwar bereits ein Strafverfahren wegen
Urkundenfälschung eröffnet gewesen, allerdings nicht gegen den genannten
Mitarbeiter. Da der Beschwerdeführer zunächst nur ausgesagt habe, einer seiner
(über ein Dutzend) Mitarbeiter habe das Zertifikat abgeändert, habe damals noch
kein hinreichender Tatverdacht gegen eine bestimmte Person bestanden (vgl.
Urteil, S. 13 E. 4c/bb). Inwiefern diese Erwägung unzutreffend sein sollte,
legt der Beschwerdeführer nicht dar. Er rügt insbesondere nicht, die Vorinstanz
stelle den Sachverhalt unrichtig bzw. willkürlich fest. Ob zum fraglichen
Zeitpunkt das Verfahren vorerst gegen Unbekannt geführt wurde, ergibt sich aus
dem angefochtenen Entscheid nicht. Diesfalls wären die als Tatbeteiligte
infrage kommenden Personen entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers aber
nicht als beschuldigte Personen, sondern als Auskunftspersonen einzuvernehmen
gewesen (vgl. Art. 178 lit. d StPO; ANDREAS DONATSCH, in: Kommentar zur
Schweizerischen Strafprozessordnung, Donatsch/Hansjakob/Lieber [Hrsg.], 2.
Aufl. 2014, N. 28 ff. zu Art. 178 StPO; ROLAND KERNER, in: Basler Kommentar,
Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 8 zu Art. 178 StPO).
Entscheidend ist jedoch, dass gemäss den unangefochten gebliebenen
Feststellungen der Vorinstanz gegen den vom Beschwerdeführer genannten
Mitarbeiter zum fraglichen Zeitpunkt keine Strafuntersuchung geführt wurde. Das
Verhalten des Beschwerdeführers war somit geeignet, eine solche herbeizuführen.

1.4. Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, er habe nicht die Absicht gehabt,
gegen den von ihm beschuldigten Angestellten eine Strafuntersuchung
herbeizuführen, ist darauf nicht einzutreten. Was der Täter weiss, will und in
Kauf nimmt, betrifft innere Tatsachen und ist Tatfrage (BGE 137 IV 1 E. 4.2.3
S. 4; 133 IV 9 E. 4.1 S. 17; 130 IV 58 E. 8.5 S. 62; je mit Hinweisen). Als
solche prüft sie das Bundesgericht nur unter dem Gesichtswinkel der Willkür
(Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. zum Begriff der Willkür: BGE 138 I 305 E. 4.3 S.
319; 137 I 1 E. 2.4 S. 5 mit Hinweisen). Eine entsprechende Rüge erhebt der
Beschwerdeführer nicht.

2.

 Seinen Rückweisungsantrag zur Festlegung der Kosten und Entschädigung für die
kantonalen Gerichtsverfahren begründet der Beschwerdeführer nicht bzw. einzig
mit dem beantragten Freispruch. Darauf ist nicht einzutreten.

3.

 Die Beschwerde erweist sich als unbegründet. Sie ist abzuweisen, soweit darauf
eingetreten werden kann. Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Anspruch auf eine Parteientschädigung
besteht nicht (vgl. Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG e contrario).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 24. März 2015

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Der Gerichtsschreiber: M. Widmer

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