Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.840/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_840/2014

Urteil vom 6. Februar 2015

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident, Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichter Oberholzer,
Rüedi, Bundesrichterin Jametti,
Gerichtsschreiberin Arquint Hill.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Kaiser,
Beschwerdeführer,

gegen

Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich, Amtsleitung, Feldstrasse 42, 8090
Zürich,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Widerruf der bedingten Entlassung,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 3.
Abteilung, Einzelrichterin, vom 28. Juli 2014.

Sachverhalt:

A. 
Das Bezirksgericht Hinwil verurteilte X.________ am 12. Mai 2005 u.a. wegen
mehrfachen Diebstahls und mehrfacher sexueller Handlungen mit Kindern zu einer
unbedingten Gefängnisstrafe von 18 Monaten. X.________ verbüsste diese Strafe
zusammen mit diversen anderen Freiheitsstrafen im Umfang von insgesamt 46
Monaten und 16 Tagen in der Strafanstalt Saxerriet seit dem 2. Juli 2004. Am
16. August 2007 entliess ihn das Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich per
12. September 2007 bedingt aus dem Strafvollzug bei einer der Reststrafe
entsprechenden Probezeit von 645 Tagen bis 18. Juni 2009.
Am Tag der bedingten Entlassung wurde X.________ wegen Verdachts auf sexuelle
Handlungen mit einem Kind vorübergehend in Untersuchungshaft genommen. Das
Kreisgericht Obertoggenburg-Neutoggenburg verurteilte ihn am 11. September 2008
wegen mehrfacher sexueller Handlungen mit einem Kind und mehrfacher Schändung
zu einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren, teilweise als Zusatzstrafe zum
Urteil des Bezirksgerichts Hinwil vom 12. Mai 2005. Das Kantonsgericht St.
Gallen wies die dagegen gerichtete Berufung am 8. Juni 2010 ab. Die kantonalen
Gerichte hielten für erstellt, dass X.________ seine Tochter während des
Strafvollzugs anlässlich von Hafturlauben zwischen dem 12. September 2004 und
dem 2. November 2006 mehrfach sexuell missbrauchte. Das Bundesgericht wies die
von X.________ dagegen erhobene Beschwerde am 14. April 2011 ab (Verfahren
6B_793/2010).
Am 25. Mai 2011 verurteilte das Bezirksgericht Hinwil X.________ u.a. wegen
mehrfachen Diebstahls, begangen von April bis August 2010, zu einer
Freiheitsstrafe von 9 Monaten, teilweise als Zusatzstrafe zum Urteil des
Kantonsgerichts St. Gallen vom 8. Juni 2010.
X.________ verbüsst derzeit die Freiheitsstrafen gemäss den Urteilen des
Kantonsgerichts St. Gallen vom 8. Juni 2010 und des Bezirksgerichts Hinwil vom
25. Mai 2011 (vgl. Verfahren 6B_715/2014).

B. 
Am 11. September 2013 widerrief das Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich
die bedingte Entlassung vom 16. August 2007 und ordnete den Vollzug der
Reststrafe von 645 Tagen an.
Den dagegen erhobenen Rekurs von X.________ hiess die Justizdirektion des
Kantons Zürich am 6. Februar 2014 teilweise gut. Sie bestätigte den Widerruf
der bedingten Entlassung, hob den Entscheid des Amts für Justizvollzug aber
insofern auf, als damit der Vollzug der Reststrafe angeordnet wurde.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich hiess die dagegen gerichtete
Beschwerde am 28. Juli 2014 teilweise gut, soweit es darauf eintrat. In
Abänderung des Entscheids vom 6. Februar 2014 verpflichtete es die
Justizdirektion, den Rechtsvertreter von X.________ für seine Bemühungen mit
Fr. 3'819.90 aus der Staatskasse zu entschädigen. Im Übrigen wies es die
Beschwerde in Bestätigung des Entscheids der Justizdirektion ab.

C. 
X.________ wendete sich mit einer übermässig weitschweifigen Beschwerde an das
Bundesgericht. Mit Verfügung des Instruktionsrichters vom 8. Oktober 2014 wurde
er zu deren Verbesserung aufgefordert. Am 13. Dezember 2014 reichte er
fristgerecht eine verbesserte Beschwerdeeingabe ein. Er beantragt im
Wesentlichen, es sei vom Widerruf der bedingten Entlassung abzusehen. Das
Urteil des Verwaltungsgerichts sei aufzuheben und die Angelegenheit im Sinne
der Erwägungen zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Er
ersucht überdies um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.

D. 
Das Verwaltungsgericht beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf
einzutreten sei. Das Amt für Justizvollzug schliesst auf Abweisung der
Beschwerde.

Erwägungen:

1. 
Das Verfahren vor Bundesgericht ist grundsätzlich schriftlich (Art. 58 Abs. 2
und Art. 102 BGG). Eine mündliche Parteiverhandlung findet nur ausnahmsweise
statt (Art. 57 BGG). Dass und weshalb vorliegend nach übergeordnetem Recht die
Durchführung einer mündlichen und parteiöffentlichen Verhandlung geboten wäre,
wird vom Beschwerdeführer nicht dargetan und ist auch nicht ersichtlich. Die
Sache kann aufgrund der Akten entschieden werden. Der Beschwerdeführer hat
seinen Standpunkt in seiner Rechtsschrift ausführlich aufgezeigt.

2.

2.1. Die Vorinstanz bestätigt den Widerruf der bedingten Entlassung. Sie stützt
sich auf die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts zum Widerruf von
Verwaltungsakten. Die Verfügung vom 16. August 2007 sei ursprünglich
fehlerhaft. Sie beruhe auf einer falschen Sachverhaltsfeststellung. Bei
Kenntnis der Straftaten, welche der Beschwerdeführer anlässlich seiner
Hafturlaube während des Strafvollzugs begangen habe, wäre ihm keine günstige
Legalprognose gestellt und er nicht bedingt entlassen worden. Der
Beschwerdeführer habe um die Fehlerhaftigkeit der Verfügung gewusst. Die
begangenen Straftaten seien schwer und die betroffenen Rechtsgüter hochwertig.
Nicht massgebend sei, dass bis zum Widerruf der bedingten Entlassung vom 11.
September 2013 mehr als sechs Jahre vergangen seien. Die Interessen am Vollzug
der Reststrafe seien höher zu gewichten als die Interessen des
Beschwerdeführers an einer früheren Entlassung (Urteil, S. 20 ff.).

2.2. Der Beschwerdeführer erhebt eine Vielzahl von Rügen der Verletzung von
Verfassungs- und Gesetzesrecht. Er macht insbesondere geltend, die Vorinstanz
verstosse gegen Art. 86 ff. StGB, missachte das Willkürverbot, den Grundsatz
von Treu und Glauben, den Vertrauensschutz sowie seinen Anspruch auf
rechtliches Gehör. Überdies sei das Rechtsverzögerungsverbot verletzt. Unter
anderem bringt er vor, dass ein Widerruf der bedingten Entlassung nach über
sechs Jahren seit Erlass der ursprünglichen Verfügung nicht mehr zulässig sei.
Der Beschwerdegegner habe die Frist zur Rekurseinreichung gegen die Verfügung
vom 16. August 2007, die allfällig anwendbare 90-tägige Frist zur Einreichung
eines Revisionsgesuchs sowie die dreijährige Maximalfrist nach Ablauf der
Probezeit gemäss Art. 89 Abs. 4 StGB ungenutzt verstreichen lassen.

3.

3.1. Gemäss Art. 86 Abs. 1 StGB ist der Gefangene, der zwei Drittel seiner
Strafe, mindestens aber drei Monate verbüsst hat, durch die zuständige Behörde
bedingt zu entlassen, wenn es sein Verhalten im Strafvollzug rechtfertigt und
nicht anzunehmen ist, er werde weitere Verbrechen oder Vergehen begehen. Dem
bedingt Entlassenen wird eine Probezeit auferlegt, deren Dauer dem Strafrest
entspricht. Sie beträgt jedoch mindestens ein Jahr und höchstens fünf Jahre
(Art. 87 StGB). Begeht der bedingt Entlassene während der Probezeit ein
Verbrechen oder Vergehen, so ordnet das für die Beurteilung der neuen Tat
zuständige Gericht die Rückversetzung an (Art. 89 Abs. 1 StGB).

3.2. Nach dem klaren Wortlaut von Art. 89 Abs. 1 StGB kann eine neue Straftat
nur dann zum Widerruf der bedingten Entlassung und zur Rückversetzung in den
Strafvollzug führen, wenn sie in die Probezeit fällt. Für Taten, die vor Beginn
oder nach Ablauf der Probezeit verübt wurden, enthält Art. 89 StGB keine
Regelung. Das geltende Recht beschränkt den Widerruf wegen erneuter
Straffälligkeit somit ausschliesslich auf Straftaten, die innerhalb der dem
bedingt Entlassenen auferlegten Bewährungszeit liegen. Ein Widerruf nach Art.
89 Abs. 1 StGB kommt mit andern Worten nicht in Betracht, wenn der bedingt
Entlassene ausserhalb des massgebenden Zeitraums der Probezeit straffällig
wird.

3.3. Der Beschwerdeführer beging die Straftaten, welche Anlass zum Widerruf der
bedingten Entlassung vom 6. August 2007 gaben, nicht während der ihm
auferlegten Probezeit, sondern anlässlich von Hafturlauben während des
Strafvollzugs zwischen dem 12. September 2004 und dem 2. November 2006. Es geht
hier folglich nicht um ein zu sanktionierendes Bewährungsversagen während des
massgebenden Zeitraums der Probezeit und damit offensichtlich nicht um einen
Widerruf der bedingten Entlassung im Sinne von Art. 89 Abs. 1 StGB. Die
Vorinstanz stellt sich unter diesen Umständen grundsätzlich zu Recht auf den
Standpunkt, dass die für den Widerruf der bedingten Entlassung massgebenden
Bestimmungen im StGB nicht zur Anwendung kommen (Urteil, S. 20 f.).

3.4.

3.4.1. Der Sache nach geht es vorliegend um die Frage der Zulässigkeit des
Widerrufs einer als ursprünglich fehlerhaft erkannten Verfügung. Nach dem
Dafürhalten der Vorinstanz wäre der Beschwerdeführer nicht bedingt entlassen
worden, wenn man im Verfügungszeitpunkt um seine Straftaten gewusst hätte, die
er während des Strafvollzugs verübte. Damit lägen revisionsähnliche Gründe vor,
die es auch ohne ausdrückliche Gesetzesregelung erlaubten, auf die zu Unrecht
gewährte bedingte Entlassung zurückzukommen. Dass bis zum Widerruf der
bedingten Entlassung vom 11. September 2013 mehr als sechs Jahre vergangen
seien, stehe einer Rücknahme der Verfügung nicht entgegen (Urteil, S. 22 ff.).

3.4.2. Verfügungen werden nach unbenutztem Ablauf der Rechtsmittelfrist oder
nach Abschluss des Rechtsmittelverfahrens formell rechtskräftig und damit
grundsätzlich unabänderlich. Nach Lehre und Rechtsprechung des Bundesgericht
kann auf eine als materiell fehlerhaft erkannte Verfügung dennoch insbesondere
wegen unrichtiger Sachverhaltsfeststellung, fehlerhafter Rechtsanwendung oder
nachträglicher Änderung der Sach- oder Rechtslage zurückgekommen werden, sofern
wichtige öffentliche Interessen berührt sind. Fehlen positivrechtliche
Bestimmungen über die Möglichkeit einer Änderung einer Verfügung, so ist
darüber anhand einer Interessenabwägung zu befinden, bei welcher das Interesse
an der richtigen Anwendung des objektiven Rechts dem Interesse am
Vertrauensschutz gegenüberzustellen ist (vgl. BGE 127 I 69 E. 2.2 ff.; 127 II
306 E. 7a; 120 Ib 42 E. 2b-c; siehe ANNETTE GUCKELBERGER, Der Widerruf von
Verfügungen im schweizerischen Verwaltungsrecht, ZBl 6/2007 S. 293 ff.; KÖLZ/
HÄNER, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 3. Aufl.
2013, Rz. 712; HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Aufl.
2010, Rz. 994 ff. und Rz. 997 ff.; TSCHANNEN/ZIMMERLI/MÜLLER, Allgemeines
Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 2009, S. 287).

3.4.3. Die Vorinstanz stützt ihre Entscheidung auf diese Grundsätze. Beim
Widerruf einer Verfügung über die bedingte Entlassung handelt es sich indessen
nicht um eine reine Administrativmassnahme. Es geht um die Strafvollstreckung,
wobei über die für den Betroffenen folgenschwere Frage entschieden wird, ob ihm
die Freiheit erneut entzogen wird und er die Strafe doch noch verbüssen muss.
Es geht damit um schwerwiegende Eingriffe in das Grundrecht der persönlichen
Freiheit. Ob vor diesem Hintergrund ein Widerruf der bedingten Entlassung auf
der Grundlage von allgemeinen verwaltungsrechtlichen Prinzipien überhaupt
zulässig ist bzw. insofern nicht vielmehr eine ausdrückliche Gesetzesgrundlage
mit expliziter Verfahrensregelung notwendig wäre, ist fraglich, kann hier
allerdings offen bleiben, weil sich der zu beurteilende Verfügungswiderruf aus
dem nachfolgenden Grund als unzulässig erweist.

3.4.4. Der Widerruf einer Verfügung, gestützt auf welche ein Verurteilter
bedingt entlassen wird, hat weitreichende Konsequenzen. Er führt wie der
Widerruf einer bedingten Entlassung nach Art. 89 Abs. 1 StGB im Ergebnis zu
einer Rückversetzung in den Strafvollzug. Der Betroffene ist mit einem erneuten
Freiheitsentzug konfrontiert. Im Hinblick auf die Bedeutung des Entscheids für
den Betroffenen ist ein Widerruf daher nicht unbeschränkt zuzulassen, es sind
ihm vielmehr feste zeitliche Grenzen zu setzen. Das legen
Rechtssicherheitserwägungen und Vertrauensschutzgesichtspunkte, aber auch
Überlegungen zum Legalitäts- und Verhältnismässigkeitsprinzip nahe. Der
Betroffene soll nicht über Gebühr mit der Ungewissheit eines Widerrufs belastet
bleiben. Es ist darüber sobald wie möglich innerhalb eines bestimmten Zeitraums
zu entscheiden. Angesichts derselben einschneidenden Konsequenzen, die ein
Verfügungswiderruf und ein Widerruf der bedingten Entlassung nach Art. 89 Abs.
1 StGB zur Folge haben, rechtfertigt es sich deshalb, die Fristenregelung, wie
sie das StGB für den Widerruf bzw. die Rückversetzung in den Strafvollzug
vorsieht, analog anzuwenden.

3.4.5. Das StGB in der Fassung von 1937 hat die Rückversetzung in den
Strafvollzug zeitlich unbeschränkt zugelassen. Aufgrund der daraus sich
ergebenden offenkundigen Härten für die Betroffenen hat die Teilrevision von
1971 die Möglichkeit des Widerrufs auf eine Maximalfrist von 5 Jahren seit
Ablauf der Probezeit beschränkt. Die jetzige Revision des StGB hat diese Zeit
auf drei Jahre verkürzt (Art. 89 Abs. 4 StGB; vgl. Günter Stratenwerth,
Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil II, Strafen und Massnahmen, 2.
Aufl. 2006, § 4 Rz. 92; Cornelia Koller, in Basler Kommentar, Strafrecht I, 3.
Aufl. 2013, Art. 89 Rz. 8; vgl. auch Art. 46 Abs. 2 StGB, welcher für den
Widerruf des bedingten Strafvollzugs die gleiche Fristenregelung kennt).

3.4.6. Der Widerruf einer Verfügung, mit welcher einem Verurteilten die
bedingte Entlassung gewährt wird, hat sich somit an der zeitlichen Grenze von
Art. 89 Abs. 4 StGB zu orientieren (vgl. zur Anwendbarkeit der Bestimmungen des
neuen Rechts über das Vollzugsregime für Täter, die nach bisherigem Recht
verurteilt wurden: BGE 133 IV 201 E. 2.1; Urteil 6B_303/2007 vom 6. Dezember
2007; Art. 388 Abs. 3 StGB und Ziff. 1 Abs. 3 der Schlussbestimmungen der
Änderungen vom 13. Dezember 2002). Danach kommt ein Widerruf bzw. eine
Rückversetzung in den Strafvollzug drei Jahre nach Ablauf der Probezeit nicht
mehr in Frage. In diesem Zeitraum muss ein entsprechender Entscheid vorliegen,
andernfalls ein Widerruf unzulässig wird (vgl. BGE 113 IV 49 E. 5b). Es handelt
sich dabei um einen Zeitraum, welcher ausreichend Gelegenheit zur Korrektur
einer als ursprünglich fehlerhaft eingestuften Verfügung gibt. Diese zeitliche
Grenze wurde vorliegend nicht eingehalten. Die dem Beschwerdeführer mit der
Entlassungsverfügung vom 16. August 2007 auferlegte Probezeit von 645 Tagen
endete am 18. Juni 2009. Gestützt auf die analog anwendbare Fristenregelung von
Art. 89 Abs. 4 StGB war ein Widerruf folglich bis am 18. Juni 2012 möglich und
zulässig. Der Beschwerdegegner kam erst am 11. September 2013 auf seine
Verfügung betreffend bedingte Entlassung zurück. Weshalb er mit dem Widerruf
derart lange zuwartete, ist nicht ersichtlich. Das Strafverfahren, welches
wegen der während des Strafvollzugs begangenen Straftaten des Beschwerdeführers
durchgeführt wurde, war in diesem Zeitpunkt bereits rechtskräftig abgeschlossen
(vgl. Urteil 6B_793/2010 vom 14. April 2011). Dass der Beschwerdegegner davon
keine Kenntnis gehabt hat, stellt die Vorinstanz nicht fest. Sie geht im
Gegenteil davon aus, dieser habe nach Eintritt der Rechtskraft der Verurteilung
ungerechtfertigerweise zwei Jahre bis zum Widerruf verstreichen lassen, und
wirft ihm insofern eine Rechtsverzögerung vor (vgl. Urteil, S. 26). Die
Entscheidung über den Widerruf wurde damit ungebührlich lange hinausgezögert
und erfolgte (zudem) nicht innerhalb des massgebenden Zeitraums von drei Jahren
seit Ablauf der Probezeit. Der Widerruf der bedingten Entlassung erweist sich
daher als bundesrechtswidrig.

4. 
Die Beschwerde ist gutzuheissen und das Urteil aufzuheben. Bei diesem
Verfahrensausgang erübrigt es sich, auf die weiteren Rügen einzugehen. Es sind
keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Kanton Zürich hat dem
Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung
auszurichten (Art. 68 Abs. 2 BGG). Damit wird sein Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege gegenstandslos. Praxisgemäss ist die Entschädigung dem
Rechtsvertreter des Beschwerdeführers zuzusprechen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts des
Kantons Zürich vom 28. Juli 2014 wird aufgehoben und die Sache zu neuer
Beurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen.

2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3. 
Der Kanton Zürich hat dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt
Daniel Kaiser, für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung
von Fr. 3'000.-- auszurichten.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich,
3. Abteilung, Einzelrichterin, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 6. Februar 2015
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Die Gerichtsschreiberin: Arquint Hill

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