Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.828/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_828/2014

Urteil vom 21. April 2015

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichterinnen Jacquemoud-Rossari, Jametti,
Gerichtsschreiber Moses.

Verfahrensbeteiligte
1. A.X.________,
2. B.X.________,
3. C.X.________,
4. D.X.________,
alle vier vertreten durch
Rechtsanwalt Thomas H. Rohrer,
Beschwerdeführer,

gegen

1. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich,
2. F.________,
3. G.________,
4. H.________,
5. I.________,
6. J.________,
7. K.________,
8. L.________,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Einstellung (fahrlässige Tötung),

Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III.
Strafkammer, vom 25. Juni 2014.

Sachverhalt:

A.

 E.X.________ verstarb am 25. Juni 2007 in der Klinik M.________. Am 28. Mai
2009 erstatteten die Hinterbliebenen A.X.________, B.X.________ und
C.X.________ sowie D.X.________ Strafanzeige gegen sämtliche an der Behandlung
von E.X.________ beteiligten Medizinalpersonen.

B.

 Die Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich stellte das Verfahren ein erstes
Mal am 19. Mai 2011 ein. Das Obergericht des Kantons Zürich hob diese Verfügung
am 2. Dezember 2011 auf und wies die Sache an die Staatsanwaltschaft zurück.
Diese stellte das Verfahren am 17. Juli 2013 erneut ein. Die dagegen gerichtete
Beschwerde von A.X.________, B.X.________ und C.X.________ sowie D.X.________
wies das Obergericht am 25. Juni 2014 ab.

C.

 A.X.________, B.X.________ und C.X.________ sowie D.X.________ führen
Beschwerde in Strafsachen. Sie beantragen, der Beschluss des Obergerichts sei
aufzuheben und die Staatsanwaltschaft sei anzuweisen, weitere
Untersuchungshandlungen vorzunehmen.

D.

 Die Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich verzichtet auf eine
Vernehmlassung. Die übrigen Beschwerdegegner sowie das Obergericht reichten
keine Vernehmlassung ein.

Erwägungen:

1.

 Der Privatkläger ist zur Beschwerde gegen eine Einstellungsverfügung nur
legitimiert, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung seiner
Zivilansprüche auswirken kann (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG). In erster
Linie geht es um Ansprüche auf Schadenersatz und Genugtuung gemäss Art. 41 ff.
OR, die üblicherweise vor den Zivilgerichten geltend gemacht werden müssen.
Gemäss Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG hat der Beschwerdeführer darzulegen, dass die
gesetzlichen Legitimationsvoraussetzungen erfüllt sind. Richtet sich die
Beschwerde gegen die Einstellung oder Nichtanhandnahme eines Verfahrens, hat
der Privatkläger nicht notwendigerweise bereits vor den kantonalen Behörden
eine Zivilforderung geltend gemacht. Selbst wenn er bereits adhäsionsweise
privatrechtliche Ansprüche geltend gemacht hat (vgl. Art. 119 Abs. 1 lit. b
StPO), werden in der Einstellungsverfügung keine Zivilklagen behandelt (Art.
320 Abs. 3 StPO). In jedem Fall muss der Privatkläger im Verfahren vor
Bundesgericht darlegen, aus welchen Gründen sich der angefochtene Entscheid
inwiefern auf welche Zivilforderungen auswirken kann. Das Bundesgericht stellt
an die Begründung der Legitimation strenge Anforderungen. Genügt die Beschwerde
diesen Begründungsanforderungen nicht, kann darauf nur eingetreten werden, wenn
aufgrund der Natur der untersuchten Straftat ohne Weiteres ersichtlich ist, um
welche Zivilforderungen es geht (zur Publikation bestimmtes Urteil 6B_261/2014
vom 4. Dezember 2014 E. 1.1 mit Hinweisen).

 Die Beschwerdeführer sind als Kinder der Verstorbenen nahe Angehörige im Sinne
von Art. 1 Abs. 2 OHG. Dass sich der angefochtene Entscheid auf ihre
Zivilforderungen auswirkt, liegt auf der Hand (Urteil 6B_807/2013 vom 28. April
2014 E. 2 mit Hinweisen), zumal ihr Verhältnis zum Spital privatrechtlicher
Natur ist. Auf die Beschwerde ist einzutreten.

2.

2.1. Die Staatsanwaltschaft verfügt die Einstellung des Verfahrens unter
anderem, wenn kein Tatverdacht erhärtet ist, der eine Anklage rechtfertigt
(Art. 319 Abs. 1 lit. a StPO). Der Entscheid über die Einstellung eines
Verfahrens hat sich nach dem Grundsatz "in dubio pro duriore" zu richten.
Dieser ergibt sich aus dem Legalitätsprinzip. Er bedeutet, dass eine
Einstellung durch die Staatsanwaltschaft grundsätzlich nur bei klarer
Straflosigkeit bzw. offensichtlich fehlenden Prozessvoraussetzungen angeordnet
werden darf. Hingegen ist (sofern die Erledigung mit einem Strafbefehl nicht in
Frage kommt) Anklage zu erheben, wenn eine Verurteilung wahrscheinlicher
erscheint als ein Freispruch. Falls sich die Wahrscheinlichkeiten eines
Freispruchs oder einer Verurteilung in etwa die Waage halten, drängt sich in
der Regel, insbesondere bei schweren Delikten, eine Anklageerhebung auf (BGE
138 IV 186 E. 4.1, 138 IV 86 E. 4.1.1 f.; je mit Hinweisen). Bei zweifelhafter
Beweis- bzw. Rechtslage hat nicht die Staatsanwaltschaft über die
Stichhaltigkeit des strafrechtlichen Vorwurfs zu entscheiden, sondern das zur
materiellen Beurteilung zuständige Gericht. Der Grundsatz, dass im Zweifelsfall
nicht eingestellt werden darf, ist auch bei der Überprüfung von
Einstellungsverfügungen zu beachten (BGE 138 IV 86 E. 4.1.1 mit Hinweis). Bei
der Beurteilung dieser Frage verfügen die Staatsanwaltschaft und die Vorinstanz
über einen gewissen Spielraum, den das Bundesgericht mit Zurückhaltung
überprüft (BGE 138 IV 186 E. 4.1 mit Hinweisen).

2.2. E.X.________ litt an Hypocortisolismus und starb nach einer
Lungenoperation an einer gramnegativen Sepsis. Die Beschwerdeführer bringen im
Wesentlichen vor, der Eingriff habe ohne die notwendige perioperative
Antibiotikaprophylaxe stattgefunden, was zur Sepsis und schliesslich zum Tod
geführt habe. Das von der Staats-anwaltschaft eingeholte Gutachten vermeide
gänzlich auf die Frage der perioperativen Antibiotikaprophylaxe einzugehen und
setze sich stattdessen mit der postoperativen Antibiotikaprophylaxe
auseinander. Die Vorinstanz erwägt diesbezüglich, die Staatsanwaltschaft habe
dem Gutachter die Frage nach der perioperativen Antibiotikaprophylaxe klar
gestellt und dieser habe sie ebenso klar und in Kenntnis der Krankengeschichte
beantwortet.

2.3. Der Gutachter führt aus, dass eine prophylaktische Antibiotikabehandlung
die Sepsis nicht mit einem hohen Grad der Wahrscheinlichkeit hätte verhindern
können. Bei Hypocortisolismus werde keine generelle Antibiotikaprophylaxe
empfohlen, zumal nicht voraussehbar sei, welche Art von Infekt auftreten könne.
Bei Verdacht auf eine Infektion werde zuerst eine Diagnostik vorgenommen, um
den Keim zu identifizieren, und dann ein Antibiotikum eingesetzt, auf welches
der Keim sensibel sei. Eine prophylaktische Antibiotikabehandlung hätte unter
Umständen je nach Keim nicht gewirkt und die Diagnostik "verwischt", sodass
allenfalls die Art des Keimes nicht hätte festgestellt werden können. Es werde
aber empfohlen, eine erhöhte Vigilanz bezüglich möglicher Infekte zu haben.
Analog dazu werde auch bei Patienten, bei denen wegen einer Erkrankung eine
Immunsuppression eingesetzt hat (zum Beispiel nach einer Organtransplantation),
keine prophylaktische Antibiotikatherapie empfohlen. Lediglich bei einer
Infektion würden gezielt Antibiotika eingesetzt. Auch bei Operationen bei
Patienten mit Hypocortisolismus werde, ausser der generell bei Eingriffen
vorgenommenen perioperativen Antibiotika-Abschirmung, postoperativ keine
zusätzliche Antibiotikaprophylaxe empfohlen (kantonale Akten, act. 10/5).

 Nach den Empfehlungen der Klinik M.________ (kantonale Akten act. 11/2,
Beilage 11) wird die perioperative Antibiotika-Prophylaxe kurzzeitig bei
bestimmten Eingriffen durchgeführt, um postoperative Infektionskomplikationen
zu reduzieren. Sie ersetzt nicht die anderen perioperativen Hygienemassnahmen
und ist als Teil eines Gesamtkonzepts der Infektionsprävention und der
Spitalhygiene zu sehen. Daraus ergibt sich, dass die perioperative
Antibiotikaprophylaxe, wie die anderen Hygienemassnahmen, bei bestimmten
Eingriffen unabhängig von einem bereits bestehenden Infekt erfolgen muss. Indem
der Gutachter ausführt, dass Antibiotika erst bei Verdacht auf einen Infekt
eingesetzt werden, begründet er seine Aussage, dass eine (nicht näher
bezeichnete) prophylaktische Antibiotikabehandlung die Sepsis nicht hätte
verhindern können, nicht unter dem Blickwinkel der perioperativen
Antibiotikaprophylaxe, welche - wie die anderen Hygienemassnahmen - unabhängig
von dem Verdacht auf einen Infekt erfolgt, sondern unter demjenigen der
postoperativen Antibiotikaprophylaxe. Der Gutachter bringt dies zusätzlich zum
Ausdruck, indem er erklärt, dass auch bei Patienten mit Hypocortisolismus eine
perioperative Antibiotikaprophylaxe generell erfolge, aber eine zusätzliche
postoperative Antibiotikaprophylaxe nicht empfohlen sei. Die Erwägung der
Vorinstanz, der Gutachter beantworte die Frage der perioperativen
Antibiotikaprophylaxe klar, trifft nicht zu.

3.

 E.X.________ verstarb am 25. Juni 2007. Gemäss Art. 97 Abs. 1 lit. c StGB in
der bis zum 31. Dezember 2013 geltenden Fassung trat für den Tatbestand der
fahrlässigen Tötung die Verjährung nach sieben Jahren ein. Ab dem 1. Januar
2014 statuiert Art. 97 Abs. 1 lit. c StGB eine zehnjährige Verjährungsfrist.
Nach Art. 389 Abs. 1 StGB kommt das neue Recht nur zur Anwendung, wenn es für
den Täter das mildere ist; anderenfalls ist das zum Tatzeitpunkt geltende Recht
massgebend (Art. 2 Abs. 1 StGB). Die für den Tatbestand der fahrlässigen Tötung
zum Todeszeitpunkt geltende Verjährungsfrist von sieben Jahren ist aus der
Sicht der angezeigten Personen die mildere und ist bereits abgelaufen. Dafür,
dass der Tatbestand der vorsätzlichen Tötung (Art. 111 StGB) erfüllt sei,
bestehen keine Anhaltspunkte. Die Beschwerdeführer legen auch nicht dar,
inwiefern dies der Fall sein soll. Von einer Rückweisung zur Fortführung der
Strafuntersuchung ist daher abzusehen. Es erübrigt sich, auf die weiteren
diesbezüglichen Vorbringen der Beschwerdeführer einzugehen.

4.

 Die Beschwerde ist abzuweisen. Auf die Erhebung von Kosten ist aufgrund der
besonderen Umstände des Falles zu verzichten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Kanton
Zürich hat keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 3 BGG).
Ebenso wenig sind die übrigen Beschwerdegegner zu entschädigen, zumal ihnen im
bundesgerichtlichen Verfahren keine Umtriebe entstanden sind.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Es werden keine Kosten erhoben.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, III.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 21. April 2015

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Der Gerichtsschreiber: Moses

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