Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.751/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_751/2014

Urteil vom 24. März 2015

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Bundesrichter Rüedi,
Gerichtsschreiber M. Widmer.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Advokat Dr. Stefan Suter,
Beschwerdeführer,

gegen

Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft, Hauptabteilung OK/WK, Rheinstrasse 12,
4410 Liestal,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Grundsatz der Verfahrenseinheit, Recht auf ein faires Verfahren (qualifizierte
Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz),

Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung
Strafrecht, vom 29. April 2014.

Sachverhalt:

A. 
Das Strafgericht des Kantons Basel-Landschaft verurteilte X.________ am 29.
April 2013 wegen qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz,
Betrugs sowie mehrfacher Geldwäscherei zu einer Freiheitsstrafe von 10 Jahren.
Dagegen erhob X.________ Berufung. Am 29. April 2014 bestätigte das
Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Strafrecht, die Schuldsprüche wegen
qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz und mehrfacher
Geldwäscherei. Vom Vorwurf des Betrugs sprach es ihn frei. Es belegte ihn mit
einer Freiheitsstrafe von 9 ½ Jahren.

B. 
X.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das kantonsgerichtliche
Urteil sei aufzuheben und er sei zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 2
Jahren zu verurteilen sowie im Übrigen freizusprechen. Eventualiter sei er mit
einer Freiheitsstrafe von 5 ½ Jahren zu bestrafen. Subeventualiter sei die
Sache zur Neubeurteilung an das Kantonsgericht zurückzuweisen. Es seien keine
Kosten zu erheben und ihm eine angemessene Parteientschädigung zuzusprechen. Er
ersucht um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.

Erwägungen:

1.

1.1. Der Beschwerdeführer macht eine Verletzung seiner Verfahrensrechte
geltend, indem er nicht zusammen mit den Mittätern Y.________ und Z.________
verfolgt und beurteilt worden sei. Die Vorinstanz missachte den Grundsatz der
Verfahrenseinheit, obwohl kein sachlicher Grund für eine getrennte Führung der
Verfahren vorliege. Z.________ sei dadurch ermöglicht worden, ihn in dem
zeitlich früheren Verfahren erheblich zu belasten, ohne dass er sich dazu habe
äussern können. Für sein Geständnis habe Z.________ eine Strafreduktion von 4
Jahren erhalten und sei somit im Vergleich zu ihm wesentlich bessergestellt
worden.

1.2. Die Vorinstanz erwägt, die Untersuchung gegen die Mittäter sei im August
2010 eröffnet und diese seien im Januar 2011 verhaftet worden. Die Untersuchung
gegen den Beschwerdeführer sei hingegen erst im März 2011 eröffnet worden und
aus dem Verfahren gegen die Mittäter hervorgegangen. Seine Verhaftung sei im
Oktober 2011 erfolgt, als die Untersuchung gegen die Mittäter bereits stark
fortgeschritten gewesen und kurz vor dem Abschluss gestanden sei. Diese hätten
sich durchwegs in Haft bzw. im vorzeitigen Strafvollzug befunden, weswegen mit
Blick auf das Beschleunigungsgebot zeitliche Dringlichkeit vorgelegen habe. Im
Verfahren gegen den Beschwerdeführer seien überdies diverse weitere
Mitbeschuldigte hinzugekommen, die nichts mit dem Verfahren gegen die Mittäter
zu tun gehabt hätten. Demnach sei es sachlich gerechtfertigt gewesen, die
Verfahren nicht zu vereinigen. Die Beteiligten seien miteinander konfrontiert
worden. Sie hätten zu dem ihnen vorgeworfenen Verhalten und ihren Rollen
Stellung nehmen können. Das Recht auf ein faires Verfahren sei nicht verletzt
worden.

1.3. Art. 29 StPO regelt den Grundsatz der Verfahrenseinheit. Demnach werden
Straften gemeinsam verfolgt und beurteilt, wenn u.a. Mittäterschaft oder
Teilnahme vorliegt (Abs. 1 lit. b). Der Grundsatz der Verfahrenseinheit
bezweckt die Verhinderung sich widersprechender Urteile und dient der
Prozessökonomie (BGE 138 IV 29 E. 3.2 S. 31 mit Hinweis). Eine
Verfahrenstrennung ist gemäss Art. 30 StPO nur bei Vorliegen sachlicher Gründe
zulässig und muss die Ausnahme bleiben. Die sachlichen Gründe müssen objektiv
sein. Die Verfahrenstrennung soll dabei vor allem der Verfahrensbeschleunigung
dienen bzw. eine unnötige Verzögerung vermeiden helfen (BGE 138 IV 214 E. 3.2
S. 219 mit Hinweis).

1.4. Das Beschleunigungsgebot (Art. 5 StPO, Art. 29 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff.
1 EMRK) verpflichtet die Behörden, das Strafverfahren voranzutreiben, um die
beschuldigte Person nicht unnötig über die gegen sie erhobenen Vorwürfe im
Ungewissen zu lassen (vgl. BGE 133 IV 158 E. 8 S. 170; 130 IV 54 E. 3.3.1 S. 54
f. mit Hinweisen). Befindet sich eine beschuldigte Person in Haft, so wird ihr
Verfahren vordringlich geführt (Art. 5 Abs. 2 StPO). Die drohende Verletzung
des Beschleunigungsgebots kann einen sachlichen Grund gemäss Art. 30 StPO
darstellen, auf eine Verfahrensvereinigung zu verzichten (Urteile 1B_200/2013
vom 17. Juni 2013 E. 1.5.3; 1B_684/2011 vom 21. Dezember 2011 E. 3.2; vgl. auch
Urs Bartetzko in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2.
Aufl. 2014, N. 4a zu Art. 30 StPO).

1.5. Der Grundsatz der Verfahrenseinheit und der Anspruch auf ein faires
Verfahren wurden nicht verletzt. Die Vorinstanz weist zu Recht darauf hin, dass
Y.________ nicht geständig war und sich bereits seit acht Monaten in
Untersuchungshaft befand, als die Untersuchung gegen den Beschwerdeführer
eröffnet wurde. Y.________ wurde gemeinsam mit Z.________ in einem
vorgelagerten Verfahren beurteilt. Auch er wurde von Z.________ erheblich
belastet. Wenn die Strafbehörden unter diesen Umständen mit Blick auf das
Beschleunigungsgebot darauf verzichtet haben, dieses Verfahren mit dem
nachträglich daraus hervorgegangenen Verfahren gegen den Beschwerdeführer zu
vereinigen, ist dies nicht bundesrechtswidrig. Da das Beschleunigungsgebot von
Amtes wegen zu beachten ist, spielt es auch keine Rolle, ob dessen (drohende)
Verletzung gerügt worden ist oder nicht. Der Verzicht auf die Vereinigung der
Verfahren war sachlich gerechtfertigt.

1.6. Inwiefern der Beschwerdeführer durch die getrennte Verfahrensführung
benachteiligt worden sein sollte, ist nicht ersichtlich. Er wurde mit
Z.________ konfrontiert und konnte sich zu den ihn belastenden Aussagen
äussern. Entgegen seinem Vorbringen geht aus dem Urteil gegen Z.________ auch
nicht hervor, dass dessen Strafe nur gemindert worden ist, weil er den
Beschwerdeführer belastet hat. Vielmehr hat sich Z.________ mit seinen Aussagen
auch selbst schwer belastet. Wenn das Gericht ausführt, dass ohne dessen
Geständnis den Beschuldigten ein substanzieller Teil des angeklagten
Sachverhalts nicht hätte nachgewiesen werden können, sind damit wohl eher die
in diesem ersten Verfahren gemeinsam beurteilten Z.________ und Y.________ als
der Beschwerdeführer gemeint.
Der Beschwerdeführer bestreitet die ihm gemäss Ziff. 3 der Anklageschrift
vorgeworfenen Taten. Er ist auch nicht verpflichtet, sich selbst zu belasten
(vgl. Art. 113 Abs. 1 StPO). Allerdings kann er diesfalls aus der Z.________
gewährten Strafminderung nicht ableiten, er habe kein faires Verhalten
erhalten. Wäre der Beschwerdeführer umfassend geständig gewesen, hätte dies
ebenfalls erheblich strafmindernd berücksichtigt werden können. Ob er im
gerichtlichen Verfahren gegen Y.________ und Z.________ zwingend persönlich
anzuhören gewesen wäre, kann offenbleiben. Inwiefern es in dem Verfahren gegen
seine Mittäter angesichts der auch mit Blick auf die weiteren Beweismittel als
glaubhaft eingestuften Aussagen von Z.________ auf den unmittelbaren Eindruck
seiner Aussagen angekommen wäre, legt der Beschwerdeführer nicht dar und ist
auch nicht ersichtlich (vgl. Art. 343 Abs. 3 StPO; BGE 140 IV 196 E. 4.4.2 S.
199 f. mit Hinweisen). Dass die Gerichte die Beweise, insbesondere die Aussagen
der verschiedenen Personen, in seinem oder dem Verfahren gegen seine Mittäter
willkürlich gewürdigt hätten, rügt er nicht. Der Beschwerdeführer legt nicht
substanziiert dar, weshalb ihm durch die (behauptete) unterlassene persönliche
Anhörung im Verfahren gegen seine Mittäter ein Nachteil erwachsen sein soll.
Ein solcher ist auch nicht erkennbar.

1.7. Die Rüge erweist sich als unbegründet. Damit kann offenbleiben, ob sie in
der vorliegenden Konstellation bereits im Rahmen des Vorverfahrens hätte
erhoben werden müssen.

2. 
Der Beschwerdeführer begründet sein eventualiter gestelltes Rechtsbegehren, die
Strafe sei um 4 Jahre zu mindern, einzig mit den vergeblich gerügten
Verletzungen des Grundsatzes der Verfahrenseinheit bzw. des Anspruchs auf ein
faires Verfahren. Darauf ist nicht einzutreten.
Gleiches gilt für die weiteren Anträge (Rückweisung der Sache an die Vorinstanz
zur Neubeurteilung, Kostenregelung und Entschädigung), welche der
Beschwerdeführer nicht begründet (vgl. Art. 42 Abs. 1 BGG).

3. 
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Das
Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist wegen
Aussichtslosigkeit abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdeführer hat
die bundesgerichtlichen Kosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Seine
angespannte finanzielle Situation ist bei der Bemessung der Gerichtskosten
angemessen zu berücksichtigen (Art. 65 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft,
Abteilung Strafrecht, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 24. März 2015

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Der Gerichtsschreiber: M. Widmer

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