Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.729/2014
Zurück zum Index Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2014
Retour à l'indice Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2014


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_729/2014

Urteil vom 24. April 2015

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichter Rüedi,
Gerichtsschreiber M. Widmer.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Stössel,
Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
Frey-Herosé-Strasse 20, Wielandhaus, 5001 Aarau,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Verletzung von Verkehrsregeln; Willkür,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht,
3. Kammer, vom 29. April 2014.

Sachverhalt:

A.

 Das Obergericht des Kantons Aargau verurteilte X.________ zweitinstanzlich
wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln durch Rechtsüberholen auf der
Autobahn zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu Fr. 50.--.

B.

 X.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das obergerichtliche
Urteil sei aufzuheben und er freizusprechen. Eventualiter sei die Sache zur
Neubeurteilung an das Obergericht zurückzuweisen.

Erwägungen:

1.

1.1. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die vorinstanzliche Feststellung
des Sachverhalts und beruft sich auf den Grundsatz "in dubio pro reo".

1.2. Die Vorinstanz stützt sich auf Fotos einer Patrouille der Mobilen
Einsatzpolizei des Kantons Aargau und stellt fest, der Beschwerdeführer sei am
6. April 2012, um 19:51 Uhr, mit seinem Personenwagen auf dem Normalstreifen
der Autobahn A1 in Richtung Bern gefahren, als ein weisser Personenwagen vom
Überholstreifen unmittelbar vor ihn auf den Normalstreifen gefahren sei. Der
Beschwerdeführer habe sein Fahrzeug auf den Verzögerungsstreifen der nahenden
Ausfahrt gelenkt, sei am weissen Personenwagen vorbeigefahren und wieder auf
den Normalstreifen eingebogen. Dieser Vorgang habe 13 Sekunden gedauert.

1.3. Die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz kann vor Bundesgericht nur
gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des
Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1
BGG). Offensichtlich unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie
willkürlich ist (BGE 139 II 404 E. 10.1 mit Hinweisen; vgl. zum Begriff der
Willkür BGE 139 III 334 E. 3.2.5; 138 I 49 E. 7.1; je mit Hinweisen). Eine
entsprechende Rüge muss klar und substanziiert begründet werden (Art. 106 Abs.
2 BGG; BGE 138 I 225 E. 3.2; 137 IV 1 E. 4.2.3; je mit Hinweisen). Dem
Grundsatz "in dubio pro reo" kommt in seiner Funktion als Beweiswürdigungsregel
im Verfahren vor Bundesgericht keine Bedeutung zu, die über das Willkürverbot
von Art. 9 BV hinausgeht (BGE 138 V 74 E. 7 mit Hinweisen).

1.4.

1.4.1. Soweit der Beschwerdeführer lediglich seine Version des Sachverhalts
vorträgt, ohne sich mit der Begründung der Vorinstanz auseinanderzusetzen, ist
auf seine Vorbringen nicht einzutreten.

1.4.2. Die Vorinstanz geht zu Gunsten des Beschwerdeführers davon aus, er sei
vom weissen Personenwagen auf den Verzögerungsstreifen gedrängt worden.
Demgegenüber lasse sich mit den Fotos nicht vereinbaren, dass ihm nur die
Möglichkeit blieb, vor dem weissen Personenwagen wieder einzubiegen. Das
Verkehrsaufkommen sei entgegen seinen Behauptungen nicht rege gewesen. Er hätte
die Geschwindigkeit reduzieren und hinter dem weissen Personenwagen auf die
Normalspur zurückkehren können. Andernfalls hätte er die Autobahn auf dem
Verzögerungsstreifen verlassen müssen. Auf keinen Fall habe er am weissen
Personenwagen rechts vorbeifahren dürfen.
Der Beschwerdeführer bestreitet den von der Vorinstanz festgestellten Ablauf
nicht. Er bemängelt lediglich die vorinstanzliche Feststellung, sein Manöver
sei in einem Zug erfolgt. Die Fotos könnten dazu keine Angaben liefern.
Vielmehr würde das Videoband benötigt, welches wegen eines technischen Fehlers
nicht archiviert worden sei.
Die Rüge ist unbegründet. Die Vorinstanz durfte ohne Willkür feststellen, dass
der Beschwerdeführer das Manöver in einem Zug ausführte. Auf den Fotos ist
ersichtlich, dass er zwischen 19:51:20 Uhr und 19:51:21 Uhr mit rund 102 km/h
auf dem Normalstreifen unterwegs war, als sich der weisse Personenwagen
unmittelbar vor ihn setzte. Um 19:51:26 Uhr hatte er bereits auf 119 km/h
beschleunigt und war im Begriff, den weissen Personenwagen auf dem
Verzögerungsstreifen rechts zu überholen. Das letzte Foto zeigt, wie der
Beschwerdeführer um 19:51:34 Uhr mit einer Geschwindigkeit von 124 km/h
unmittelbar vor dem weissen Personenwagen auf den Normalstreifen zurückkehrt
(vgl. vorinstanzliche Akten, act. 24 ff.). Inwiefern der angeklagte Sachverhalt
ohne die Videoaufnahme nicht erstellt werden könnte, etwa weil die Fotos die
Körpersprache des Beschwerdeführers nicht wiedergeben, ist nicht ersichtlich.

2.

2.1. Der Beschwerdeführer beruft sich auf Art. 29 Abs. 2 und Art. 32 Abs. 2 BV
sowie Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK und macht eine Verletzung seines
Konfrontationsrechts geltend. Er sei aufgrund eines belastenden Polizeirapports
sowie der darin enthaltenen Fotos verurteilt worden. Die Angaben der
Polizeibeamten seien zu seinem Nachteil verwendet worden, obwohl es nie zu
einer Konfrontation gekommen sei.

2.2. Der in Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK garantierte Anspruch des
Angeschuldigten, den Belastungszeugen Fragen zu stellen, ist ein besonderer
Aspekt des Rechts auf ein faires Verfahren nach Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Mit der
Garantie soll ausgeschlossen werden, dass ein Strafurteil auf Aussagen einer
Person abgestützt wird, ohne dass dem Angeschuldigten wenigstens einmal
angemessene und hinreichende Gelegenheit gegeben wurde, die Aussage in Zweifel
zu ziehen und Fragen an diese Person zu stellen. Aussagen von Zeugen und
Auskunftspersonen dürfen in der Regel nur nach erfolgter Konfrontation zum
Nachteil des Angeschuldigten verwertet werden. Dem Konfrontationsrecht kommt
insofern grundsätzlich ein absoluter Charakter zu. Es erfährt in der Praxis
aber eine gewisse Relativierung und gilt uneingeschränkt nur, wenn der
streitigen Aussage alleinige oder ausschlaggebende Bedeutung zukommt, diese
also den einzigen oder einen wesentlichen Beweis darstellt (vgl. BGE 129 I 151
E. 3.1; Urteile 6B_529/2014 vom 10. Dezember 2014 E. 4.2.1, nicht publiziert
in: BGE 140 IV 196; 6B_111/2011 vom 24. Mai 2011 E. 4.1; je mit Hinweisen).

2.3. Die Vorinstanz kommt unter Berufung auf diese Rechtsprechung zum Ergebnis,
dass die Aussagen der Polizeibeamten auch ohne direkte Konfrontation als
ergänzende Beweismittel herangezogen werden dürfen, weil ihnen keine
ausschlaggebende Bedeutung zukomme. Die Fotos sowie die Aussagen des
Beschwerdeführers reichten aus, um den angeklagten Sachverhalt zu erstellen.
Unter diesen Umständen könne von der Befragung der Polizeibeamten abgesehen
werden.

2.4. Den Angaben der Polizeibeamten kommt keine ausschlaggebende Bedeutung im
Sinne der zitierten Rechtsprechung zu. Der angeklagte Sachverhalt ergibt sich
bereits aus den Fotos (vgl. E. 1.4.2). Die Angaben der Polizeibeamten dienten
lediglich dazu, das Beweisergebnis zu stützen, und stellen allenfalls ein
ergänzendes Beweismittel dar.

3.

 Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Der
Beschwerdeführer trägt die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens (Art. 66
Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Strafgericht, 3. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 24. April 2015

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Der Gerichtsschreiber: M. Widmer

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben