Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.715/2014
Zurück zum Index Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2014
Retour à l'indice Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2014


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_715/2014

Urteil vom 27. Januar 2015

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichter Oberholzer, Rüedi,
Gerichtsschreiberin Arquint Hill.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Kaiser,
Beschwerdeführer,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Schützengasse 1, 9001 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Verweigerung der bedingten Entlassung,

Beschwerde gegen den Entscheid der Anklagekammer des Kantons St. Gallen vom 14.
Mai 2014.

Sachverhalt:

A.

 Das Bezirksgericht Hinwil verurteilte X.________ am 12. Mai 2005 u.a. wegen
mehrfachen Diebstahls und mehrfacher sexueller Handlungen mit Kindern zu einer
unbedingten Gefängnisstrafe von 18 Monaten. X.________ verbüsste diese Strafe
zusammen mit diversen anderen Freiheitsstrafen im Umfang von insgesamt 46
Monaten und 16 Tagen in der Strafanstalt Saxerriet seit dem 2. Juli 2004. Am
16. August 2007 entliess ihn das Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich per
12. September 2007 bedingt aus dem Strafvollzug bei einer der Reststrafe
entsprechenden Probezeit von 645 Tagen.
Am Tag der bedingten Entlassung wurde X.________ wegen Verdachts auf sexuelle
Handlungen mit einem Kind vorübergehend in Untersuchungshaft genommen. Das
Kreisgericht Obertoggenburg-Neutoggenburg verurteilte ihn am 11. September 2008
wegen mehrfacher sexueller Handlungen mit einem Kind und mehrfacher Schändung
zu einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren, teilweise als Zusatzstrafe zum
Urteil des Bezirksgerichts Hinwil vom 12. Mai 2005. Das Kantonsgericht St.
Gallen wies die dagegen gerichtete Berufung am 8. Juni 2010 ab. Die kantonalen
Gerichte hielten für erstellt, dass X.________ seine Tochter während des
Strafvollzugs anlässlich von Hafturlauben zwischen dem 12. September 2004 und
dem 2. November 2006 mehrfach sexuell missbrauchte. Das Bundesgericht wies die
von X.________ dagegen erhobene Beschwerde am 14. April 2011 ab (Verfahren
6B_793/2010).
Am 25. Mai 2011 verurteilte das Bezirksgericht Hinwil X.________ u.a. wegen
mehrfachen Diebstahls, begangen von April bis August 2010, zu einer
Freiheitsstrafe von 9 Monaten, teilweise als Zusatzstrafe zum Urteil des
Kantonsgerichts St. Gallen vom 8. Juni 2010. Am 4. Juli 2011 trat das Amt für
Justizvollzug des Kantons Zürich die Kompetenz zum Vollzug der Freiheitsstrafe
gemäss Urteil des Bezirksgerichts Hinwil vom 25. Mai 2011 an das Amt für
Justizvollzug des Kantons St. Gallen ab.
X.________ verbüsst die Freiheitsstrafen gemäss den Urteilen des Kantonsgericht
St. Gallen vom 8. Juni 2010 und des Bezirksgerichts Hinwil vom 25. Mai 2011. Er
trat die Strafe am 15. Juni 2011 an. Seit dem 8. Juli 2013 befindet er sich in
der Strafanstalt Gmünden. Zwei Drittel der Strafen waren am 10. Februar 2014
erstanden. Das effektive Strafende fällt auf den 10. Juli 2015.

B.

 Das Sicherheits- und Justizdepartement des Kantons St. Gallen (SJD) wies das
Gesuch von X.________ um bedingte Entlassung am 7. Februar 2014 ab. Die
Anklagekammer des Kantons St. Gallen wies die dagegen gerichtete Beschwerde am
14. Mai 2014 ab, soweit sie darauf eintrat.

C.

 X.________ wendete sich mit einer übermässig weitschweifigen Beschwerdeschrift
an das Bundesgericht. Mit Verfügung des Instruktionsrichters vom 8. Oktober
2014 wurde er zu deren Verbesserung aufgefordert (act. 13). Am 3. November 2014
reichte er fristgerecht eine verbesserte Beschwerdeeingabe ein. Er beantragt im
Hauptstandpunkt, der Entscheid der Anklagekammer sei aufzuheben und er sei
bedingt aus dem Strafvollzug zu entlassen. Er ersucht überdies um
unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.

Erwägungen:

1.

 Die Beurteilung der Angelegenheit stützt sich ausschliesslich auf die
verbesserte Beschwerdeeingabe. Dass der Beschwerdeführer auf einen wesentlichen
Teil seiner Rügen hätte verzichten müssen, ist weder ersichtlich noch dargetan
(vgl. act. 15).

2.

 Streitgegenstand bildet die Verweigerung der bedingten Entlassung. aus dem
Strafvollzug. Der Beschwerdeführer erhebt eine Vielzahl von Rügen der
Verletzung von Verfassungs- und Gesetzesrecht unter Einschluss von kantonalem
Recht. Soweit im Folgenden auf seine Ausführungen nicht eingegangen wird, sind
sie für die Entscheidfindung rechtlich nicht relevant oder genügen sie den
Begründungsanforderungen von Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG nicht (vgl.
BGE 137 IV 1 E. 4.2.3; 136 II 489 E. 2.8).

3.

 Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 80 Abs. 2 BGG. Die
Vorinstanz habe nicht als Beschwerdeinstanz entschieden, sondern als
"erstinstanzliches Gericht". Die Rüge ist offensichtlich unbegründet. Die
Vorinstanz hat als oberes kantonales Gericht und als Rechtsmittelinstanz im
Beschwerdeverfahren über eine erstinstanzliche Verfügung des SJD betreffend
bedingte Entlassung nach Art. 86 StGB entschieden (Art. 393 ff. StPO i.V.m.
Art. 55 Abs. 3 des kantonalen Einführungsgesetzes zur Schweizerischen Straf-
und Jugendstrafprozessordnung vom 3. August 2010 [EG StPO; GS 962.1]).

4.

4.1. Der Beschwerdeführer beklagt sich über eine Verletzung des rechtlichen
Gehörs. Zum einen sei er nicht formgültig angehört worden. Zum andern habe die
Vorinstanz keine mündliche Verhandlung durchgeführt, seine Beweisanträge nicht
abgenommen und sich mit seinen Einwänden zumindest teilweise nicht befasst.

4.2. Das Gesetz schreibt keine Förmlichkeiten in Bezug auf die mündliche
Anhörung bei der bedingten Entlassung vor. Art. 86 Abs. 2 StGB statuiert nur,
dass die zuständige Behörde den Gefangenen anzuhören hat. Der Beschwerdeführer
wurde im Beisein seines Rechtsvertreters persönlich angehört. Die Anhörung
wurde schriftlich festgehalten (Vollzugsakten, act. 176). Die rechtlichen
Vorgaben nach Art. 86 Abs. 2 StGB wurden damit eingehalten. Eine
Gehörsverletzung liegt nicht vor. Richtig ist zwar, dass der Beschwerdeführer
nicht von jener Person angehört wurde, welche die Verfügung erliess. Ob ein
solches Vorgehen mit dem Zweck der Anhörung und dem Anspruch auf rechtliches
Gehör und ein faires Verfahren vereinbar ist, erscheint zwar fraglich (vgl. BGE
101 Ib 30 E. 2a), kann vorliegend aber offenbleiben. Denn der Beschwerdeführer
stimmte diesem Vorgehen ausdrücklich zu, nachdem er im Beisein seines
Rechtsvertreters darüber aufgeklärt worden war (vgl. Entscheid, S. 9;
Vollzugsakten, act. 176).

4.3. Die Vorinstanz führte keine mündliche Verhandlung durch. Soweit
ersichtlich, stellte der Beschwerdeführer ihr auch keinen diesbezüglichen
Antrag. Sie war zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht
verpflichtet (Art. 55 EG StPO i.V.m. Art. 397 Abs. 1 StPO), dies umso weniger,
als der Beschwerdeführer im Rahmen von Art. 86 Abs. 2 StGB im Beisein seines
Rechtsvertreters von der zuständigen Behörde persönlich angehört wurde und
seinen Standpunkt ausreichend darlegen konnte. Er beruft sich vergeblich auf
die grundrechtlichen Minimalansprüche der EMRK (siehe Urteil 6B_796/2009 vom
25. Januar 2010 E. 3.5).

4.4. Die Vorinstanz beachtete die massgebenden Gesichtspunkte bei der
antizipierten Beweiswürdigung (vgl. BGE 134 I 140 E. 5.3). Aus ihren Erwägungen
zur materiellen Beurteilung ergibt sich implizit, dass und weshalb sie die
vorgetragenen Beweismittel als nicht entscheiderheblich erachtete. Der
Beschwerdeführer vermag keine willkürliche antizipierte Beweiswürdigung
aufzuzeigen. Die Nichtabnahme von Beweisanträgen führt für sich allein nicht zu
einer Gehörsverletzung. Was mit den Beweisabnahmen in sachrelevanter Hinsicht
hätte gewonnen werden können, bleibt gestützt auf die Beschwerdevorbringen
unerfindlich. Nicht ersichtlich ist namentlich, weshalb ein neues Gutachten
hätte eingeholt werden müssen. Entgegen den Andeutungen in der Beschwerde
schreibt das Bundesrecht eine Sachverständigenbegutachtung im Rahmen von Art.
86 StGB nicht vor. Wie die Vorinstanz im Übrigen willkürfrei feststellt, wird
das bei den Akten liegende umfassende psychiatrische Gutachten vom 4. Dezember
2007 durch den Therapiebericht vom 19. November 2013 in den wesentlichen
Punkten nicht in Frage gestellt (Entscheid, S. 16). Die dagegen gerichtete,
teilweise über den Streitgegenstand hinausgehende Kritik des Beschwerdeführers
ist appellatorisch. Die Vorinstanz durfte das Gutachten ohne Rechtsverletzung
in die Gesamtwürdigung zur Beurteilung der Bewährungsprognose mit einbeziehen.

4.5. Die Vorinstanz befasst sich mit den für den Entscheid wesentlichen
Gesichtspunkten. Ihre Erwägungen sind hinreichend klar und vollständig, um eine
sachgerechte Anfechtung des Entscheids zu ermöglichen. Dass die Vorinstanz von
ihrer Kognition willkürlich keinen bzw. nur unzureichenden Gebrauch machte, ist
nicht ersichtlich. Der Beschwerdeführer verkennt, dass sich die Behörden nicht
mit allen Parteistandpunkten auseinandersetzen und nicht jedes Vorbringen
ausdrücklich widerlegen müssen (BGE 137 II 266 E. 3.2; 135 III 670 E. 3.3.1;
134 I 83 E. 4.1). Eine Verfassungsverletzung liegt nicht vor.

5.

 Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz sei auf das
Ausstandsbegehren gegen drei Mitarbeitende des Amts für Justizvollzug (AJV) zu
Unrecht nicht eingetreten.
Die Rüge ist unbegründet. Für die Beurteilung von Ausstandsbegehren gegen
Mitarbeitende des AJV ist das SJD zuständig (Art. 7bis Abs. 1 lit. e des
kantonalen Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege vom 16. Mai 1965 [VRP; GS
951.1]). Dieses hat das bei ihm anhängig gemachte Ausstandsbegehren am 3.
Februar 2014 abgewiesen. Der Entscheid erwuchs unangefochten in Rechtskraft
(Vollzugsakten, act. 171). Unklar bleibt, was der Beschwerdeführer mit seinem
Vorbringen bezweckt, er habe unter Druck auf eine Anfechtung dieses Entscheids
verzichtet. Abgesehen davon, dass hierfür keinerlei Anhaltspunkte bestehen,
lässt sich aus diesem Umstand eine Zuständigkeit der Vorinstanz zur Beurteilung
des Ausstandsbegehrens nicht ableiten (vgl. Entscheid, S. 5 f.).

6.

 Der Beschwerdeführer stellt sich auf den Standpunkt, der für das SJD
unterzeichnende Leiter des AJV sei entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht
kompetent, die Verfügung betreffend Verweigerung der bedingten Entlassung zu
erlassen.

 Die Vorinstanz bejaht die Entscheidkompetenz des Leiters des AJV. Sie stützt
sich auf Art. 50 und Art. 59 EG StPO sowie auf die kantonale
Ermächtigungsverordnung vom 4. Januar 2011 (Stand 1. Juli 2013; GS 141.41) und
deren Anhang gemäss Art. 27 des kantonalen Staatsverwaltungsgesetzes vom 16.
Juni 1994 (Stand 1 Juni 2012, GS 140.1). Materielles Strafrecht (Art. 64 und
Art. 75a StGB) wendet sie als kantonales Ersatzrecht an (vgl. Entscheid, S. 6).
Die Anwendung von kantonalem Recht prüft das Bundesgericht nur unter dem
Gesichtspunkt der Willkür. Aus der Beschwerde ergibt sich nicht, dass und
inwiefern die Vorinstanz kantonales Recht willkürlich angewendet haben könnte.
Solches ist auch nicht ersichtlich. Die vorinstanzlichen Ausführungen zur
Entscheidkompetenz des Leiters des AJV sind mit den Bestimmungen des kantonalen
Rechts vereinbar.

7.

 Der Beschwerdeführer macht geltend, die Abweisung der bedingten Entlassung
verstosse sinngemäss gegen die Bestimmung über die Wiedergutmachung gemäss Art.
54 StGB. Er sei aufgrund der Verurteilung und des Kontaktverbots zu seiner
Tochter so schwer betroffen, dass eine Verweigerung der bedingten Entlassung
unangemessen wäre. Überdies habe er Zahlungen geleistet. In sinngemässer
Anwendung von Art. 53 StGB sei er deshalb bedingt zu entlassen.
Bei den Art. 53 ff. StGB handelt es sich um Strafbefreiungsgründe, welche vom
Sachrichter im Rahmen der strafrechtlichen Beurteilung eines Tatvorwurfs
gegebenenfalls zu berücksichtigen sind. Wie die Vorinstanz zutreffend ausführt,
besteht für eine (sinngemässe) Anwendung dieser Gesetzesbestimmungen im Rahmen
der Beurteilung der bedingten Entlassung nach Art. 86 StGB kein Raum
(Entscheid, S. 11).

8.

8.1. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 86 StGB. Er macht im
Wesentlichen geltend, die Vorinstanz habe keine rechtsgenügende Beurteilung der
Bewährungsaussicht vorgenommen. Sie lasse diverse positive Faktoren ausser Acht
(Therapieverlauf, zu erwartende Lebensverhältnisse, sich markant
verschlechternder Gesundheitszustand, lange Straflosigkeit). Im Übrigen habe er
keinen Kontakt zu seiner Tochter. Diese sei fremdplatziert, und es bestehe ein
strafbewehrtes Kontaktverbot. Eine allfällige Gefahr könnte sich daher nicht
realisieren. Die Verweigerung der bedingten Entlassung sei unverhältnismässig
und verfassungswidrig.

8.2. Die Prognose über das künftige Wohlverhalten nach Art. 86 Abs. 1 StGB ist
in einer Gesamtwürdigung zu erstellen, welche neben dem Vorleben, der
Persönlichkeit und dem Verhalten des Täters während des Strafvollzugs vor allem
dessen neuere Einstellung zu seinen Taten, seine allfällige Besserung und die
nach der Entlassung zu erwartenden Lebensverhältnisse berücksichtigt. Dabei
steht der zuständigen Behörde ein Ermessensspielraum zu. Das Bundesgericht
greift in die Beurteilung der Bewährungsaussicht nur ein, wenn die zuständige
Behörde ihr Ermessen überschritten, unterschritten oder missbraucht hat (BGE
133 IV 201 E. 2.3 mit Hinweisen).

8.3. Die vorliegende Beurteilung der Bewährungsaussicht ist nicht zu
beanstanden. Die Vorinstanz nimmt eine Gesamtwürdigung der relevanten Faktoren
zur Beurteilung der Prognose über das künftige Wohlverhalten vor und verweist
im Übrigen auf die Erwägungen des SJD, dessen Entscheid sie stützt. Zu Gunsten
des Beschwerdeführers berücksichtigt sie das grundsätzlich stabile persönliche
Umfeld, das weitestgehend korrekte Verhalten im Strafvollzug und während den
Urlauben sowie die prinzipiell möglich erscheinende Integration in die
Arbeitswelt nach einer Entlassung (Entscheid, S. 12 und 15 f.).

8.4. Auf der andern Seite weist die Vorinstanz auf die zahlreichen Vorstrafen
des Beschwerdeführers hin, u.a. Vermögensdelikte und mehrfache sexuelle
Handlungen mit Kindern. Sein Vorleben zeigt auf, dass er sich durch
Verurteilungen nicht davon abhalten liess, weitere Straftaten zu begehen. Weder
der Vollzug von Strafen noch laufende Probezeiten zeigten positive Wirkung. Der
Tragweite dieser zahlreichen und auch erheblichen Vorstrafen vermag der
Beschwerdeführer nichts Substanzielles entgegenzuhalten. Familiäre Bindungen,
namentlich auch zu seiner Ehefrau, vermochten ihn nicht von weiterer Delinquenz
einschliesslich der Übergriffe auf seine Tochter abzuhalten. Nach Entlassung
aus der Untersuchungshaft am 5. Oktober 2007 delinquierte der Beschwerdeführer
erneut, teilweise während laufendem Strafverfahren, nach nur rund 2½ Jahren
(Verurteilung am 25. Mai 2011 wegen mehrfachen Diebstahls, begangen von April
bis August 2010). Seine Straflosigkeit ist im Übrigen Folge des seit dem 15.
Juni 2011 bestehenden Freiheitsentzugs (Entscheid, S. 12 mit Verweis auf die
Erwägungen des SJD, S. 3).

8.5. Die Vorinstanz berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer die Straftaten
zum Nachteil seiner Tochter nach wie vor bestreitet und es ablehnt, sich damit
auseinanderzusetzen. Es besteht insofern weder eine Deliktseinsicht noch ein
Problembewusstsein. Die fehlende Tataufarbeitung ist prognoserelevant (Urteil
6B_375/2011 vom 19. Juli 2011 E. 3.3). Ohne Tataufarbeitung und Einsicht ist
eine Verhaltensänderung grundsätzlich nicht zu erwarten (vgl. Urteil 6B_912/
2010 vom 26. November 2010 E. 3). Die Vorinstanz stellt insofern willkürfrei
fest, dass sich der Beschwerdeführer diesbezüglich der deliktorientierten
Therapie entzieht (Entscheid, S. 16). Sie durfte deshalb in Anlehnung an das
psychiatrische Gutachten von einer weiterhin relevanten Rückfallgefahr für
pädosexuelle Delikte insbesondere zum Nachteil seiner Tochter ausgehen. Dass
diese Straftaten teilweise schwerwiegend waren (namentlich die oralen
Praktiken, die der Beschwerdeführer an ihr vornahm und von ihr vornehmen liess)
und die psychische Integrität des Opfers stark beeinträchtigten, ergibt sich
aus dem Urteil des Kantonsgericht St. Gallen vom 8. Juni 2010. Der Umstand,
dass die Tochter fremdplatziert ist und ein Kontaktverbot zu ihr besteht, ist
nicht geeignet, die Rückfallgefahr hinreichend zu bannen (Entscheid, S. 15, S.
17).

8.6. Auch der angeschlagene Gesundheitszustand des 61 Jahre alten
Beschwerdeführers vermag weder für sich alleine noch insgesamt eine bedingte
Entlassung aus dem Strafvollzug zu rechtfertigen. Dass die Vorinstanz den
Umfang und die Tragweite der gesundheitlichen Beeinträchtigung verkannt haben
soll, ist gestützt auf die ärztlichen Unterlagen nicht ersichtlich. Von Willkür
kann keine Rede sein. Die Vorinstanz durfte ohne Rechtsverletzung davon
ausgehen, dass insgesamt keine gesundheitliche Schädigung vorliegt, die als
ausserordentlich im Sinne von Art. 86 Abs. 4 StGB gelten kann. Ebenso wenig
musste sie annehmen, dass der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers derart
schlecht ist, dass deswegen erneute Delinquenz ausgeschlossen ist bzw. die
Gefahr weiterer (Sexual-) Delikte unwahrscheinlich erscheint (Entscheid, S. 10
f.).

8.7. Die Vorinstanz äussert sich zwar nicht ausdrücklich zur Frage, ob das
Rückfallrisiko bei einer bedingten Entlassung höher sei als bei Vollverbüssung
der Strafe (sog. Differenzialprognose). Im Rahmen ihrer Gesamtwürdigung durfte
sie jedoch bereits aufgrund einer nach wie vor bestehenden Rückfallgefahr für
auch schwerere (Sexual-) Delikte willkürfrei und ohne Verletzung von
Bundesrecht auf eine noch ungünstige Prognose schliessen. Dieser Rückfallgefahr
kann nach der nicht zu beanstandenden vorinstanzlichen Ansicht auch mit andern
Massnahmen nicht genügend begegnet werden (Entscheid, S. 16 f.). Die
Verweigerung der bedingten Entlassung ist daher auch unter Berücksichtigung des
Verhältnismässigkeitsprinzips nicht zu beanstanden. Unter diesen Umständen ist
nicht ersichtlich und legt der Beschwerdeführer auch nicht hinreichend dar,
dass und inwiefern der angefochtene Entscheid gegen das Verbot der doppelten
Bestrafung, das Willkür- und das Rechtsmissbrauchsverbot sowie das Recht auf
Familie verstossen könnte.

9.

 Der Beschwerdeführer rügt die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege.
Die Rüge ist unbehelflich. Auch in diesem Zusammenhang ist eine Verletzung von
Bundesrecht weder ersichtlich noch hinreichend dargetan. Die Annahme der
Vorinstanz, das eingelegte kantonale Rechtsmittel sei von vornherein
aussichtslos, hält vor der Bundesverfassung und Art. 6 Ziff. 3 lit. c EMRK
stand. Ebenso wenig ist die Regelung der Kostenauflage zu beanstanden. Die
Vorinstanz begründet eingehend, dass und weshalb sie die Verfahrenskosten dem
Beschwerdeführer zu einem Drittel und dem Rechtsvertreter zu zwei Dritteln
auferlegt (Entscheid, S. 18 ff.). Gestützt auf die Beschwerdevorbringen ist
nicht ersichtlich, inwiefern die vorinstanzliche Begründung gegen Bundesrecht
verstossen könnte. Weder der Beschwerdeführer noch der Rechtsvertreter, welcher
sich diesbezüglich in eigenem Namen beschwert, setzen sich ausreichend mit den
tragenden Erwägungen der Vorinstanz auseinander (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106
Abs. 2 BGG). Im Übrigen übersehen sie, dass sich eine Kostenauflage nach
Verursacherprinzip nicht nur über die StPO, sondern auch über das kantonale
Verwaltungsrechtspflegegesetz begründen liesse (vgl. Art. 95 Abs. 2 VRP).

10.

 Die vorinstanzliche Beurteilung der Bewährungsaussicht ist insgesamt nicht zu
beanstanden. Der Beschwerdeführer vermag keine Bundesrechtsverletzung zu
belegen, auch nicht in Bezug auf die erfolgte Kostenauflage im vorinstanzlichen
Verfahren. Die Beschwerde erweist sich als unbegründet, soweit darauf überhaupt
eingetreten werden kann. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung ist wegen Aussichtslosigkeit der Rechtsbegehren abzuweisen (Art.
64 Abs. 1 BGG). Der finanziellen Lage des Beschwerdeführers ist mit einer
herabgesetzten Gerichtsgebühr Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 und Art. 66
Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'600.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und der Anklagekammer des Kantons St. Gallen
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 27. Januar 2015

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Die Gerichtsschreiberin: Arquint Hill

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben