Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.661/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_661/2014

Urteil vom 13. Januar 2015

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichter Oberholzer, Rüedi,
Gerichtsschreiber Moses.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Stephan Weber,
Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
Frey-Herosé-Strasse 20, Wielandhaus, 5001 Aarau,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Versuchte vorsätzliche Tötung,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht,
1. Kammer, vom 8. Mai 2014.

Sachverhalt:

A.

 Am Abend des 20. Mai 2011 sassen X.________ und Y.________ auf einer Bank an
der Rheinpromenade in A.________. Als B.________ in Begleitung seiner Freundin
C.________ und D.________ vorbeigingen, sagte X.________ Ähnliches wie "schöne
Frauen". B.________ fühlte sich dadurch provoziert und bezeichnete die Mutter
von X.________ als "Hure" oder "Schlampe". X.________ wird vorgeworfen, er habe
die grosse Klinge seines Schweizer Taschenmessers aufgeklappt und diese mit
voller Wucht in den Hinterkopf von B.________ gerammt. Die dabei aufgewendete
Gewalt sei so gross gewesen, dass die Klinge des Taschenmessers abbrach.

B.

 Das Bezirksgericht Rheinfelden sprach X.________ am 27. Februar 2013 vom
Vorwurf der versuchten vorsätzlichen Tötung frei. Es sprach ihn des
Raufhandels, der einfachen Körperverletzung, des unberechtigten Verwendens
eines Fahrrades und der Widerhandlung gegen das Ausländergesetz schuldig. Das
Obergericht des Kantons Aargau erklärte ihn am 8. Mai 2014 zweitinstanzlich der
versuchten vorsätzlichen Tötung, des Raufhandels und der Widerhandlung gegen
das Ausländergesetz schuldig. Es bestrafte ihn mit einer Freiheitsstrafe von 6
¾ Jahren und einer bedingten Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu Fr. 10.--. Vom
Vorwurf des unberechtigten Verwendens eines Fahrrades sprach es ihn frei.

C.

 X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das Urteil des
Obergerichts sei aufzuheben und er sei von den Vorwürfen der versuchten
vorsätzlichen Tötung und des unberechtigten Verwendens eines Fahrrades
freizusprechen. Er ersucht um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.

D.

 Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau beantragt, die Beschwerde sei
abzuweisen. Das Obergericht verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.

 Die Vorinstanz sprach den Beschwerdeführer vom Vorwurf des unberechtigten
Verwendens eines Fahrrades frei. Soweit der Beschwerdeführer beantragt, er sei
von diesem Anklagevorwurf freizusprechen, ist auf seine Beschwerde nicht
einzutreten. Er hat in diesem Zusammenhang kein rechtlich geschütztes Interesse
an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheides (Art. 81 Abs. 1
lit. b BGG).

2.

2.1. Die Vorinstanz stellt in tatsächlicher Hinsicht fest, dass der
Beschwerdeführer nach der verbalen Auseinandersetzung aufgestanden und auf
B.________ zugelaufen sei. Letzterer sei gegen den Beschwerdeführer gelaufen
und habe ihn mit einem Messer an der linken Hand verletzt. Als Reaktion darauf
habe der Beschwerdeführer, ebenfalls mit einem Messer, B.________ in den
Hinterkopf gestochen (Urteil, S. 29 f. und 33). Auch die weiteren, im Verlauf
der Auseinandersetzung von B.________ erlittenen Schnitt- und Stichverletzungen
seien auf den Beschwerdeführer zurückzuführen. Die Vorinstanz erwägt
insbesondere, dass die Verletzung am Kopf vom B.________ mit dem Einbringen
einer Taschenmesserklinge plausibel erklärbar sei und der Beschwerdeführer
selbst mehrmals bestätigt habe, das Taschenmesser sei vor dem Ereignis vom 20.
Mai 2011 unbeschädigt gewesen. B.________ habe die Verletzung am Kopf eindeutig
dem Beschwerdeführer zuordnen können. Die Tatsache, dass die abgebrochene
Klinge nicht mehr gefunden worden sei, ändere am Ergebnis der Beweiswürdigung
nichts (Urteil, S. 30). Dass im Klingenholraum des Taschenmessers auch
DNA-Spuren von Y.________ gefunden worden seien, sei damit zu erklären, dass
Letzterer das Messer einige Tage zuvor in den Händen gehalten habe (Urteil, S.
31).

2.2. Die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz kann vor Bundesgericht nur
gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des
Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1
BGG). Offensichtlich unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie
willkürlich ist (BGE 137 III 226 E. 4.2 mit Hinweisen). Willkür liegt vor, wenn
der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist oder mit der
tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht. Dass eine andere Lösung
oder Würdigung ebenfalls vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt für
die Annahme von Willkür nicht (BGE 138 I 305 E. 4.3 mit Hinweisen). Dem
Grundsatz in dubio pro reo kommt in seiner Funktion als Beweiswürdigungsregel
im Verfahren vor dem Bundesgericht keine über das Willkürverbot von Art. 9 BV
hinausgehende Bedeutung zu (BGE 127 I 38 E. 2a mit Hinweisen). Eine
entsprechende Rüge muss klar vorgebracht und substanziiert begründet werden
(Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 137 IV 1 E. 4.2.3; 136 I 65 E.
1.3.1; je mit Hinweisen). Auf eine rein appellatorische Kritik am angefochtenen
Urteil tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 137 IV 1 E. 4.2.3; 136 II 489 E.
2.8; je mit Hinweisen).

2.3. Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe den Sachverhalt willkürlich
festgestellt und dabei den Anspruch auf rechtliches Gehör sowie den Grundsatz
der Rechtsgleichheit verletzt. Er bestreitet, auf B.________ mit dem Messer
eingestochen zu haben. Es sei bloss möglich, aber nicht bewiesen, dass die
Verletzung am Kopf von B.________ mit einem Taschenmesser verursacht worden
sei. Vielmehr bestehe ein dringender Verdacht, dass Y.________ diese mit einem
abgebrochenen Ast verursacht habe. Hinsichtlich des rechtsmedizinischen
Gutachtens bringt der Beschwerdeführer vor, es sei nicht möglich gewesen, den
Wundwinkel zu beurteilen und sichere Schlüsse über das verwendete Instrument zu
ziehen, zumal weder die abgebrochene Klinge des Taschenmessers noch ein
Vergleichsobjekt anlässlich der Untersuchung vorhanden gewesen sei. Zudem könne
nicht ohne Willkür ausgeschlossen werden, dass die DNA-Spuren von Y.________
nicht anlässlich der Auseinandersetzung auf das Messer gekommen seien.
Willkürlich sei ebenfalls die Schlussfolgerung der Vorinstanz, er habe auch die
weiteren, von B.________ erlittenen Verletzungen verursacht.

2.4. Der Beschwerdeführer legt seine Sicht der Dinge dar, ohne aufzuzeigen,
dass und inwiefern die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz im Ergebnis
nicht vertretbar und willkürlich sein soll. Seine Vorbringen erschöpfen sich in
unzulässiger, appellatorischer Kritik. Hinsichtlich der Rügen, die Vorinstanz
habe den Anspruch auf rechtliches Gehöhr und die Rechtsgleichheit verletzt,
enthält die Beschwerde keine Begründung (Art. 42 Abs. 2 und 106 Abs. 2 BGG).
Darauf ist nicht einzutreten.

3.

3.1. Die Vorinstanz erwägt, der Beschwerdeführer habe - als er das Messer in
den Hinterkopf von B.________ rammte - keine Möglichkeit gehabt, zielgenau
zuzustechen, um allenfalls lebensgefährliche Verletzungen zu vermeiden.
Insbesondere habe er nicht gewusst, wie B.________ seinen Kopf bewegen würde.
Es sei nur dem Zufall zu verdanken, dass der Beschwerdeführer B.________ an
einer Stelle des Hinterkopfes traf, an welcher, nach dem rechtsmedizinischen
Gutachten, die Klinge des Messers nicht geeignet war, lebensgefährliche
Verletzungen herbeizuführen. Bei seinem Vorgehen habe der Beschwerdeführer
damit rechnen müssen, B.________ derart in den Hinterkopf oder in den Nacken-
oder Halsbereich zu treffen, dass der Stich tödlich hätte enden können. Den Tod
von B.________ habe er zumindest in Kauf genommen und sich so der versuchten,
eventualvorsätzlichen Tötung schuldig gemacht.

3.2. Der Beschwerdeführer rügt, der Tatbestand der versuchten, vorsätzlichen
Tötung sei weder in objektiver noch in subjektiver Hinsicht erfüllt. Die Gefahr
tödlicher Verletzungen sei - entgegen der Vorinstanz - als gering zu
qualifizieren. Für die Annahme einer versuchten, vorsätzlichen Tötung hätten
konkrete Handlungen vorliegen müssen, welche geeignet gewesen wären, den Tod
unmittelbar herbeizuführen. Das Taschenmesser sei für die Zufügung derartiger
Verletzungen ungeeignet, zumal die Klinge nur 8.5 cm lang und einseitig
geschliffen sei. Der Hinterkopf sei durch Schädelknochen derart gut geschützt,
dass eine tödliche Hirnverletzung mit dem Taschenmesser ausgeschlossen sei.
Diese Schlussfolgerung ergebe sich auch aus dem rechtsmedizinischen Gutachten,
welches festhalte, dass keine Lebensgefahr bestand. Zumal er ein Messer
verwendet habe, welches nicht oder nur in sehr unwahrscheinlichen Fällen
geeignet sei, tödliche Verletzungen herbeizuführen, habe er den möglichen Tod
von B.________ nicht in Kauf genommen.

3.3. Hinsichtlich des Ablaufs der Auseinandersetzung stellt die Vorinstanz auf
die Aussagen von Y.________ ab (Urteil, S. 33). Dieser erklärte, der
Beschwerdeführer habe B.________ im Nacken-/Schulterbereich gepackt, ihn
heruntergezogen und das Taschenmesser in dessen Hinterkopf gerammt (Urteil, S.
29). Nachdem der Beschwerdeführer B.________ herunterzog, musste er damit
rechnen, dass Letzterer sich bewegen würde. Es handelte sich um eine dynamische
Situation, in welcher es nicht möglich war, genau zuzustechen (vgl. auch Urteil
6B_194/2013 vom 3. September 2013 E. 4.3). Nicht zu beanstanden ist daher, wenn
die Vorinstanz davon ausgeht, dass der Beschwerdeführer in einer ungefährlichen
Stelle einstach und tödliche Verletzungen nur aus Zufall ausblieben.
Unbegründet ist die Rüge, mit einem Taschenmesser sei es nicht möglich,
tödliche Verletzungen zu verursachen. Das Bundesgericht bejahte dies
verschiedentlich (Urteile 6B_619/2013 vom 2. September 2013 E. 1.2; 6B_236/2012
vom 19. Dezember 2012 E. 4).

4.

 Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe seinen Anspruch auf rechtliches
Gehör verletzt. Diese habe sich nicht zu den objektiven Tatbestandsmerkmalen
der versuchten eventualvorsätzlichen Tötung geäussert und insbesondere keine
Abgrenzung zur einfachen Körperverletzung vorgenommen. Die Rüge ist
unbegründet. Die Vorinstanz gibt die Tatbestandsvoraussetzungen der
vorsätzlichen Tötung (Art. 111 StGB), des Versuchs (Art. 22 Abs. 1 StGB) und
der eventualvorsätzlichen Tatbegehung (Art. 12 Abs. 2 StGB) wieder und erachtet
diese als erfüllt (Urteil, S. 34 f.). Es ist nicht ersichtlich, inwiefern die
Vorinstanz zusätzlich eine Abgrenzung zur einfachen Körperverletzung hätte
vornehmen müssen.

5.

5.1. Hinsichtlich eines Rechtfertigungsgrundes verweist die Vorinstanz auf das
erstinstanzliche Urteil, in welchem das Bezirksgericht Rheinfelden erwägt, es
sei nicht feststellbar, ob zuerst B.________ oder der Beschwerdeführer auf den
jeweils anderen losgegangen ist. Der Beschwerdeführer habe aber anlässlich der
Einvernahme vom 29. Juli 2011 zugegeben, dass er sein Messer bereits in der
Hand und geöffnet hatte, nachdem B.________ seine Mutter beleidigt habe. Er sei
somit wesentlich an der Eskalation der Situation mitschuldig. Wer sich derart
verhalte, könne sich nicht im Nachhinein auf eine Notwehrsituation berufen, da
er den Angriff des Gegenübers provoziert habe (erstinstanzliches Urteil, S.
32). Die Vorinstanz fügt hinzu, dass der Beschwerdeführer auch anlässlich der
Einvernahme vom 26. August 2011 bestätigte, das Messer von B.________ erst
gesehen zu haben, als er zu diesem hingegangen sei (Urteil, S. 37). Der
Beschwerdeführer rügt, er dürfe sich auf Notwehr berufen (Beschwerde, S. 12).
Die Oberstaatsanwaltschaft bestreitet dies in ihrer Vernehmlassung und macht
geltend, der Angriff sei vom Beschwerdeführer ausgegangen (Vernehmlassung, S.
3)

5.2. Wird jemand ohne Recht angegriffen oder unmittelbar mit einem Angriff
bedroht, so ist der Angegriffene und jeder andere berechtigt, den Angriff in
einer den Umständen angemessenen Weise abzuwehren (Art. 15 StGB). Überschreitet
der Abwehrende die Grenzen der Notwehr, so mildert das Gericht die Strafe (Art.
16 Abs. 1 StGB). Überschreitet er die Grenzen der Notwehr in entschuldbarer
Aufregung oder Bestürzung über den Angriff, so handelt er nicht schuldhaft
(Art. 16 Abs. 2 StGB).
Notwehr ist nur gegen einen rechtswidrigen Angriff zulässig. Dies hat zur
Folge, dass die Abwehr einer in Notwehr begangenen Handlung unzulässig ist;
anders verhält es sich sich nur dann, wenn die Notwehrhandlung das zulässige
Mass überschreitet und deshalb rechtswidrig bleibt ( DONATSCH/TAG, Strafrecht
I, Verbrechenslehre, 9. Aufl. 2013, S. 227; MONNIER, in: Commentaire romand,
Code pénal I, 2009, N. 8 zu Art. 15 StGB; HURTADO POZO, Droit pénal, Partie
générale, 2008, S. 233 f.).
Der Angegriffene kann sich nicht auf Notwehr berufen, wenn er die
Notwehrsituation provoziert, mithin den Angriff absichtlich herbeigeführt hat,
um den Angreifer gleichsam unter dem Deckmantel der Notwehr etwa zu töten oder
zu verletzen. Bei dieser sogenannten Absichtsprovokation findet Art. 15 StGB
keine Anwendung. Ist der Angriff nicht dergestalt provoziert, liegt
grundsätzlich eine Notwehrsituation im Sinne von Art. 15 StGB vor. Hat der
Angegriffene die Notwehrlage zwar nicht absichtlich herbeigeführt, aber durch
sein Verhalten doch mitverschuldet beziehungsweise verursacht, so hängt es von
der Bewertung dieses Verhaltens ab, welche Folgen sich daraus für das
Notwehrrecht ergeben. Je nach den Umständen kann das Notwehrrecht des
Angegriffenen uneingeschränkt bestehen bleiben oder aber eingeschränkt sein.
Ist es eingeschränkt, so ist die noch zulässige Abwehr im Vergleich zur sonst
zulässigen begrenzt und kann eine bestimmte Abwehrhandlung, die bei
uneingeschränktem Notwehrrecht noch angemessen wäre, unzulässig und damit als
Notwehrexzess zu qualifizieren sein. Das Notwehrrecht ist eingeschränkt, wenn
der Verteidigungshandlung das eigene Unrecht des Angegriffenen noch unmittelbar
anhaftet. Die Anforderungen an die Vermeidung von Verletzungen des Angreifers
sind umso höher, je schwerer die rechtswidrige und vorwerfbare Herbeiführung
der Notwehrlage wiegt (BGE 104 IV 53 E. 2a; Urteile 6S.268/2005 vom 9. August
2005 E. 3.1; 6B_251/2013 vom 24. Oktober 2013 E. 1.2; je mit Hinweisen).

5.3. Die Vorinstanz geht einerseits davon aus, dass der Beschwerdeführer als
erster mit dem Messer auf B.________ zuging. Andererseits verweist sie auf das
erstinstanzliche Urteil, wonach es sich nicht mehr feststellen lasse, wer als
erster auf den anderen losging. Die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz ist
unklar. Offenbar in der Hypothese, es könne nicht mehr bestimmt werden, wer als
erster auf den anderen losging, erwägt sie, dass der Beschwerdeführer
B.________ mit dem Messer provozierte. Sie nimmt aber selber nicht an, dass er
dabei die Absicht hatte, ihn unter dem Deckmantel der Notwehr zu verletzen oder
zu töten. Nachdem B.________ den Beschwerdeführer mit einem Messer an der
linken Hand verletzte, bestand somit grundsätzlich eine Notwehrsituation, auf
welche der Beschwerdeführer sich berufen kann. Dazu, ob die Abwehr nach den
gesamten Umständen angemessen war, oder ob der Beschwerdeführer die Grenzen der
Notwehr überschritt, äussert sich die Vorinstanz nicht. In der Annahme, dass
der Beschwerdeführer als erster mit dem Messer auf B.________ zuging, wäre
hingegen zu prüfen gewesen, ob - namentlich unter Berücksichtigung der
vorgängigen verbalen Äusserungen - der Schnitt von B.________ in die Hand des
Beschwerdeführers rechtmässig erfolgte. Das angefochtene Urteil ist nicht
ausreichend begründet (Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG). Die Sache ist an die
Vorinstanz zurückzuweisen, damit diese den Sachverhalt eindeutig feststellt und
demnach würdigt, ob die B.________ zugefügte Verletzung durch Notwehr
gerechtfertigt (Art. 15 StGB) bzw. entschuldigt (Art. 16 Abs. 1 StGB) ist. Es
erübrigt sich, auf die weiteren Rügen des Beschwerdeführers einzugehen.

6.

 Die Beschwerde ist teilweise gutzuheissen. Das angefochtene Urteil ist
aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz
zurückzuweisen.
Der Kanton Aargau hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren
im Umfang seines Obsiegens angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 2 BGG). Die
Entschädigung ist praxisgemäss dem Rechtsvertreter auszurichten. Das Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird in diesem Umfang
gegenstandslos. Soweit der Beschwerdeführer unterliegt, ist es zufolge
Aussichtslosigkeit der Beschwerde abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Seiner
finanziellen Lage ist bei der Festsetzung der Gerichtskosten Rechnung zu tragen
(Art. 65 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist. Das
Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 8. Mai 2014 wird aufgehoben und
die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen,
soweit es nicht gegenstandslos geworden ist.

3. 
Dem Beschwerdeführer werden Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- auferlegt.

4. 
Der Kanton Aargau hat dem Vertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt Stephan
Weber, für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr.
1'500.-- zu bezahlen.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Strafgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 13. Januar 2015

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Der Gerichtsschreiber: Moses

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