Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.605/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_605/2014

Urteil vom 22. Dezember 2014

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Denys, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichter Oberholzer,
Gerichtsschreiberin Siegenthaler.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Advokat Alain Joset,
Beschwerdeführer,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, Binningerstrasse 21, 4001 Basel,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Verwertbarkeit von Zufallsfunden, Beschleunigungsgebot (Widerhandlung gegen das
Betäubungsmittelgesetz; Geldwäscherei);

Beschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt
vom 18. Februar 2014.

Sachverhalt:

A.

 Das Strafgericht des Kantons Basel-Stadt sprach X.________ am 27. November
2012 schuldig des Verbrechens gegen das Betäubungsmittelgesetz, der
Geldwäscherei sowie der rechtswidrigen Einreise und des rechtswidrigen
Aufenthalts. Es widerrief seine bedingte Entlassung aus dem Strafvollzug und
verurteilte ihn unter Einbezug der entsprechenden Reststrafe zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren und 6 Monaten und einer Geldstrafe von 90
Tagessätzen zu Fr. 30.--. Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt
bestätigte dieses Urteil am 18. Februar 2014 vollumfänglich.

B.

 X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das Urteil des
Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 18. Februar 2014 sei
aufzuheben, und er sei freizusprechen von den Vorwürfen des Verbrechens gegen
das Betäubungsmittelgesetz sowie der Geldwäscherei. Auf den Widerruf der vom
Tribunal d'application des peines et mesures Genève am 21. April 2010 gewährten
bedingten Entlassung aus dem Strafvollzug sei zu verzichten. Eventualiter sei
der angefochtene Entscheid hinsichtlich der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe
von 5 Jahren und 6 Monaten aufzuheben und diese auf ein schuldangemessenes Mass
zu reduzieren. X.________ ersucht um unentgeltliche Rechtspflege.

Erwägungen:

1.

1.1. Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung von Art. 278 StPO, Art. 19 Abs. 2
BetmG und Art. 305bis Ziff. 2 lit. b und c StGB sowie seines Rechts auf ein
faires Verfahren. Ausserdem sei der angefochtene Entscheid in mehreren Punkten
willkürlich.

 Zur Begründung führt er aus, die Kantonspolizei Zürich habe die
Mobiltelefonnummern eines gewissen "Y.________" überwacht und sei dabei auf die
nigerianische Rufnummer xxx gestossen. Daraufhin habe sie die Genehmigung zur
Überwachung dieser Nummer beantragt, die das Obergericht des Kantons Zürich am
13. Juli 2011 erteilt habe. Nicht richterlich genehmigt worden - wie dies Art.
278 Abs. 2 StPO verlange - sei demgegenüber der Zufallsfund der betreffenden
Nummer im Rahmen der Telefonüberwachung von "Y.________". Infolgedessen basiere
die Überwachung des Telefonanschlusses xxx auf einem nicht gerichtlich
genehmigten Zufallsfund. Gestützt auf Art. 277 StPO unterlägen ihr entstammende
Erkenntnisse deshalb einem absoluten Beweisverwertungsverbot nach Art. 141
StPO. Die Vorinstanz vertrete zu Unrecht die Ansicht, dass es sich bei der
erwähnten Telefonnummer nicht um einen genehmigungspflichtigen Zufallsfund
handle. Indem sie die unrechtmässig erlangten Beweismittel gleichwohl verwerte,
verletze sie Bundesrecht.

1.2. Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden.

1.2.1. Selbst wenn die fragliche Rufnummer als Zufallsfund zu qualifizieren
wäre, erwiesen sich die vom Beschwerdeführer geltend gemachten rechtlichen
Folgen als unzutreffend (vgl. nachfolgend E. 1.2.2). Ob die Vorinstanz das
Vorliegen eines Zufallsfundes zu Recht verneint, kann deshalb offen bleiben.
Auf die entsprechenden Einwände des Beschwerdeführers ist nicht einzugehen.

1.2.2. Art. 278 Abs. 2 StPO sieht vor, dass Erkenntnisse über Straftaten einer
Person, die in der Überwachungsanordnung keiner strafbaren Handlung beschuldigt
wird, verwendet werden können, wenn die Voraussetzungen für eine Überwachung
dieser Person erfüllt sind. Gemäss Art. 278 Abs. 3 StPO ordnet die
Staatsanwaltschaft in solchen Fällen unverzüglich die Überwachung an und leitet
das Genehmigungsverfahren ein.

 Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers geht es nach dem Gesetzeswortlaut
nicht darum, den Zufallsfund selbst bzw. dessen Verwertung, sondern vielmehr
die ihn betreffende Überwachung (nachträglich) zu genehmigen. Die
Staatsanwaltschaft soll sich nach dem Willen des Gesetzgebers so verhalten, wie
wenn sie von Anfang an einen Tatverdacht gehabt hätte, und gestützt auf den
Zufallsfund eine Pro-forma-Überwachung anordnen sowie genehmigen lassen, deren
Ergebnis mit dem Zufallsfund bereits bekannt ist. Unzutreffend ist die
Auffassung des Beschwerdeführers, wonach die Verwendung des Zufallsfundes vorab
separat autorisiert werden müsse und erst anschliessend eine auf ihn gestützte
Überwachung angeordnet werden dürfe. Eine solche doppelte Genehmigung ist nicht
erforderlich. Indem die Staatsanwaltschaft die Überwachung des
Beschwerdeführers ohne Verzug anordnete und genehmigen liess, sobald sie
(gestützt auf die Auswertung der Drittüberwachung) vom Zufallsfund erfuhr, hat
sie die gesetzlichen Vorschriften eingehalten.

1.2.3. Die Informationen aus der Überwachung des Telefonanschlusses xxx
unterliegen keinem Verwertungsverbot. Gemäss Art. 277 Abs. 2 i.V.m. Art. 141
Abs. 1 Satz 2 StPO sind Erkenntnisse absolut unverwertbar, die aus einer nicht
genehmigten Überwachung stammen. Die fragliche Überwachung wurde indes
richterlich genehmigt, was der Beschwerdeführer zu Recht nicht bestreitet (vgl.
vorne E. 1.1). Es liegt demnach kein Anwendungsfall der von ihm angerufenen
Bestimmungen vor (vgl. Urteil 1B_59/2014 vom 28. Juli 2014 E. 4.9; vgl. auch
Marc Jean-Richard-dit-Bressel, in: Basler Kommentar, Schweizerische
Strafprozessordnung, 2011, N. 29 zu Art. 278 StPO).

 Damit erübrigt sich die Prüfung seiner Vorbringen zu den (Fern) Wirkungen des
vermeintlichen Beweisverwertungsverbots.

1.3. Nachdem die Beweiserhebung nicht zu beanstanden ist, verletzt die
vorinstanzliche Beweisverwertung den Anspruch des Beschwerdeführers auf ein
faires Verfahren nicht.

1.4. Dass die Vorinstanz unter diesen Umständen Art. 19 Abs. 2 BetmG und Art.
305bis Ziff. 2 lit. b und c StGB unrichtig angewendet haben soll, macht der
Beschwerdeführer zu Recht nicht geltend. Auf ihre Erwägungen kann verwiesen
werden (Urteil, S. 16 ff.).

1.5. Die eingangs seiner Beschwerde gerügte "Willkür in mehreren Punkten"
begründet der Beschwerdeführer nicht näher. Mangels ausreichender
Substanziierung ist darauf nicht einzutreten (vgl. Art. 106 BGG).

2.

2.1. Eventualiter wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Strafzumessung.
Insbesondere habe die Vorinstanz die Verletzung des Beschleunigungsverbots
nicht genügend berücksichtigt. Das kantonale Rechtsmittelverfahren habe rund 15
Monate gedauert, obschon es sich um einen Haftfall gehandelt habe (der
beantragte vorzeitige Strafantritt sei zwar am 13. Dezember 2012 bewilligt,
allerdings erst rund 16 Monate später umgesetzt worden). Gemäss
bundesgerichtlicher Rechtsprechung stelle in einem Haftfall bereits eine
Zeitspanne von fünf bzw. acht Monaten zwischen Anklage und Hauptverhandlung
eine Verfahrensverzögerung dar. Ähnliches müsse auch im Rechtsmittelverfahren
gelten.

2.2. Das Beschleunigungsgebot (Art. 5 StPO, Art. 29 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff.
1 EMRK) verpflichtet die Behörden, das Strafverfahren voranzutreiben, um den
Beschuldigten nicht unnötig über die gegen ihn erhobenen Vorwürfe im Ungewissen
zu lassen. Es gilt für das ganze Verfahren. Welche Verfahrensdauer angemessen
ist, hängt von den konkreten Umständen ab, die in ihrer Gesamtheit zu würdigen
sind. Dabei ist insbesondere auf die Schwierigkeit und Dringlichkeit der Sache
sowie auf das Verhalten von Behörden und Parteien abzustellen (BGE 135 I 265 E.
4.4; 130 IV 54 E. 3.3.1; je mit Hinweisen). Von den Behörden und Gerichten kann
nicht verlangt werden, dass sie sich ständig einem einzigen Fall widmen. Aus
diesem Grund sowie wegen faktischer und prozessualer Schwierigkeiten sind
Zeiten, in denen das Verfahren stillsteht, unumgänglich. Wirkt keiner dieser
Verfahrensunterbrüche stossend, ist eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Dabei
können Zeiten mit intensiver behördlicher oder gerichtlicher Tätigkeit andere
Zeitspannen kompensieren, in denen aufgrund der Geschäftslast keine
Verfahrenshandlungen erfolgten. Eine Sanktion drängt sich nur auf, wenn eine
von der Strafbehörde zu verantwortende krasse Zeitlücke zu Tage tritt. Dazu
genügt es nicht, dass diese oder jene Handlung ein bisschen rascher hätte
vorgenommen werden können (Urteile 6B_1125/2013 vom 26. Juni 2014 E. 3.4.1;
6B_338/2012 vom 30. November 2012 E. 9.3 mit Hinweisen).

2.3. Eine Verfahrensverzögerung oder unverhältnismässig lange Verfahrensdauer,
die strafmindernd hätte berücksichtigt werden sollen, ist nicht auszumachen.

 Mit der Vorinstanz ist festzuhalten, dass es sich um ein komplexes
Strafverfahren mit ursprünglich drei Beschuldigten handelt, wovon zwei Berufung
einlegten. Die Vorinstanz hat sich umfassend mit der Angelegenheit
auseinandersetzen müssen und sich nicht auf einzelne Fragen beschränken können.
Die Akten sind umfangreich, und es sind gewichtige Vorwürfe, die gegen den
Beschwerdeführer erhoben werden. Im Übrigen hat dieser vorher nie auf eine
raschere Durchführung des Verfahrens gedrängt, sondern im Gegenteil für die
Einreichung seiner Berufungsbegründung zweimal eine Fristerstreckung verlangt.
Damit hat er selbst nicht zum beschleunigten Verfahrensabschluss beigetragen.
Das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer dauerte von der Eröffnung bis zum
zweitinstanzlichen Urteil zwei Jahre und knapp vier Monate. Unter diesen
gesamten Umständen kommt die Vorinstanz zu Recht zum Schluss, dass keine
unzulässige Verfahrensverzögerung vorliegt (vgl. Urteil, S. 29). Der
Beschwerdeführer bringt nichts Neues vor, was an diesem Ergebnis etwas ändern
würde. Eine Verletzung des Beschleunigungsgebotes ist zu verneinen.

3.

 Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei
diesem Verfahrensausgang sind die bundesgerichtlichen Kosten dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Da das Rechtsmittel von
vornherein aussichtslos war, kann dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege
nicht entsprochen werden (Art. 64 Abs. 1 BGG). Bei der Festsetzung der
Gerichtskosten ist seinen finanziellen Verhältnissen Rechnung zu tragen (Art.
65 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationsgericht des Kantons
Basel-Stadt schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 22. Dezember 2014

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Denys

Die Gerichtsschreiberin: Siegenthaler

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