Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.549/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_549/2014

Urteil vom 23. März 2015

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichter Oberholzer, Rüedi,
Bundesrichterin Jametti,
Gerichtsschreiberin Arquint Hill.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Fürsprecher Bruno Studer,
Beschwerdeführer,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Bern, Jugendanwaltschaft Region Bern-Mittelland,
Hodlerstrasse 7, 3011 Bern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Rechtliches Gehör (Versetzung in eine andere Einrichtung),

Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern,
Strafabteilung, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 29. April 2014.

Sachverhalt:

A. 
Mit Strafbefehl der Jugendanwaltschaft Bern-Mittelland vom 31. Januar 2011
wurde X.________ unter anderem wegen versuchten Raubs, Drohung und
Hausfriedensbruchs mit einer teilbedingten persönlichen Leistung von 12
Halbtagen bestraft. Gleichzeitig wurde für ihn eine persönliche Betreuung
angeordnet.
Das Jugendgericht des Kantons Bern ersetzte am 27. November 2013 in Abänderung
des Strafbefehls vom 31. Januar 2011 die persönliche Betreuung für X.________
durch die Schutzmassnahme der Unterbringung in einer offenen
Erziehungseinrichtung und ordnete zusätzlich eine ambulante Behandlung an. Das
Jugendgericht stellte bei seinem Entscheid auf das Gutachten der kantonalen
Beobachtungsstation BEO-Bolligen vom 21./27. Mai 2013 ab. Der Entscheid erwuchs
in Rechtskraft. Im Zeitpunkt des Entscheids des Jugendgerichts befand sich
X.________ im Rahmen einer vorsorglich angeordneten Schutzmassnahme vom 10.
Dezember 2012 bereits seit rund einem Jahr bei einer Gastfamilie der Stiftung
A.________.
Mit Nachentscheid der Jugendanwaltschaft Bern-Mittelland vom 7. März 2014 wurde
X.________ in den Arxhof, Massnahmenzentrum für junge Erwachsene, versetzt.
Die dagegen eingereichte Beschwerde von X.________ wegen Verletzung des
rechtlichen Gehörs wies das Obergericht des Kantons Bern mit Beschluss vom 29.
April 2014 ab.

B. 
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, der Beschluss des
Obergerichts vom 29. April 2014 sei aufzuheben, und er sei aus dem
Massnahmenzentrum Arxhof zu entlassen. Eventualiter sei der Beschluss des
Obergerichts aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Beurteilung an die
Vorinstanz zurückzuweisen. Er ersucht um unentgeltliche Rechtspflege.

C. 
Das Obergericht verzichtet auf eine Vernehmlassung. Die Staatsanwaltschaft des
Kantons Bern hat sich nicht vernehmen lassen.

Erwägungen:

1. 
Der Entscheid über die Versetzung in das Massnahmenzentrum Arxhof betrifft eine
Strafsache gemäss Art. 78 Abs. 2 lit. b BGG. Die Beschwerde in Strafsachen ist
zulässig. Der Beschwerdeführer hat vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen
und ist durch den vorinstanzlichen Entscheid in seinen rechtlich geschützten
Interessen betroffen (Art. 81 Abs. 1 BGG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.

2.

2.1. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches
Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV, Art. 6 EMRK). Am 6. Januar 2014 habe eine informelle
Besprechung namentlich unter Mitwirkung der Gutachterin und seines Therapeuten
zur Überprüfung des installierten Behandlungssettings stattgefunden. Deren
Einschätzungen seien für den Versetzungsentscheid wesentlich gewesen. Er habe
an dieser Besprechung nicht teilnehmen und der Gutachterin keine Fragen stellen
können. Die mündlichen Ausführungen der Gutachterin seien nicht protokolliert
worden. Eine schriftliche Ergänzung des Gutachtens vom 21./27. Mai 2013 liege
ebenfalls nicht vor. Die mutmasslichen Ergebnisse der Besprechung vom 6. Januar
2014 fänden sich lediglich zusammengefasst im Bericht der Vollzugsbehörde vom
3. März 2014. Den Akten lasse sich damit nicht zuverlässig entnehmen, ob - und
wenn ja weshalb - die Gutachterin tatsächlich zur Ansicht gelangt sei, der
Massnahmenvollzug lasse sich nicht mehr bei einer Gastfamilie durchführen. Mit
der Versetzung in den Arxhof werde ohne nachvollziehbare Begründung vom
Gutachten vom 21./ 27. Mai 2013 abgewichen, welches eine Familienplatzierung
empfohlen und von einer stationären Unterbringung mit anderen Jugendlichen
abgeraten habe.

2.2. Die Vorinstanz verneint eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches
Gehör. Bei der Besprechung vom 6. Januar 2014 habe es sich um einen
interdisziplinären Austausch der involvierten Stellen im Zusammenhang mit der
Überprüfung des installierten Betreuungssettings bei einer Gastfamilie
gehandelt. Weil das Verfahren in diesem Zeitpunkt noch nicht eingeleitet
gewesen sei, habe der Beschwerdeführer daran nicht teilnehmen können. In den
Akten finde sich ein Bericht vom 3. März 2014, der Bezug auf die Besprechung
vom 6. Januar 2014 nehme. Dieser Bericht enthalte nicht nur die allgemeine
Feststellung, dass der Massnahmenvollzug nicht mehr in einer Gastfamilie
durchgeführt werden könne, sondern es werde auch ausgeführt warum. Der Bericht
sei dem amtlichen Anwalt des Beschwerdeführers am 4. März 2014 zugestellt
worden. Dieser habe sich folglich auch ohne detailliertes Gesprächsprotokoll
ein Bild über die Gründe der Versetzung in den Arxhof machen können. Dass die
Einschätzungen der Fachpersonen indirekt Eingang in die amtlichen Akten
gefunden hätten, stelle keine Gehörsverletzung dar. Der Beschwerdeführer habe
sich dazu äussern und anlässlich seiner Einvernahme vom 5. März 2014 Fragen und
Anträge stellen können. Die Anforderungen des Anspruchs auf rechtliches Gehör
seien damit erfüllt (Beschluss, S. 2 ff.).

3. 
Das rechtliche Gehör gemäss Art. 29 Abs. 2 BV garantiert den betroffenen
Personen ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht im Verfahren. Sie haben
insbesondere Anspruch auf Äusserung zur Sache vor Fällung des Entscheids, auf
Abnahme ihrer erheblichen, rechtzeitig und formrichtig angebotenen Beweise und
auf Mitwirkung an der Erhebung von Beweisen oder zumindest auf Stellungnahme
zum Beweisergebnis (BGE 140 I 99 E. 3.4; 137 II 266 E. 3.2; 135 II 286 E. 5.1;
je mit Hinweisen).
Im Zusammenhang mit Sachverständigengutachten beinhaltet das rechtliche Gehör
insbesondere das Recht, Kenntnis vom Inhalt des Gutachtens zu nehmen, sich dazu
zu äussern und dem Experten ergänzende Fragen zu stellen (vgl. hierzu
insbesondere BGE 119 V 208 E. 3b; 117 V 282 E. 4; zum Ganzen siehe ANDREAS
DONATSCH, in Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], 2. Aufl.
2014, Art. 188 N. 1 ff.; MARIANNE HEER, in: Basler Kommentar, Schweizerische
Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, Art. 188 N. 1 ff.; THOMAS COTTIER, Der
Anspruch auf rechtliches Gehör, in recht 1984 Nr. 1 S. 1 ff. sowie Nr. 4 S. 122
ff., KÖLZ/HÄNER/BERTSCHI, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des
Bundes, 3. Aufl. 2013, S. 171 ff. Rz. 487 ff.; ROLF TINNER, Das rechtliche
Gehör, in ZSR 1964; Band II, S. 305 ff., S. 351 f.).
Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist formeller Natur. Seine Verletzung führt
ungeachtet der materiellen Begründetheit des Rechtsmittels zur Gutheissung der
Beschwerde und zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids (BGE 137 I 195 E. 2.2
mit Hinweis).

4.

4.1. Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs ist begründet.

4.2. Zuständig für die Wahl der im Einzelfall geeigneten Einrichtung für den
Vollzug der Schutzmassnahme der (offenen) Unterbringung ist die
Vollzugsbehörde, vorliegend die Jugendanwaltschaft des Kantons Bern (Art. 17
Abs. 1 JStG i.V.m. Art. 42 JStPO; Art. 87 des Einführungsgesetzes des Kantons
Bern zur Zivilprozessordnung, zur Strafprozessordnung und zur
Jugendstrafprozessordnung vom 11. Juni 2009 [EG ZSJ, 271.1]). Die
jugendstrafrechtliche Schutzmassnahme der Unterbringung kann nach Art. 16 Abs.
3 JStG bei gegebenen Voraussetzungen in einer Einrichtung für junge Erwachsene
im Sinne von Art. 61 StGB vollzogen oder weitergeführt werden. Zur Klärung
dieser Frage ist regelmässig ein Sachverständiger beizuziehen (vgl. NICOLE
HOLDEREGGER, Die Schutzmassnahmen des Jugendstrafrechts unter besonderer
Berücksichtigung der Praxis in den Kantonen Schaffhausen und Zürich, Diss.
2009, S. 381 ff., Rz. 740 ff. und 748 ff.; so schon MARIE BÖHLEN, Kommentar zum
Schweizerischen Jugendstrafrecht, Bern 1975, S. 167).

4.3. Der Beschwerdeführer war seit dem 10. Dezember 2012 bei einer Gastfamilie
der Stiftung A.________ untergebracht, was der Empfehlung der Sachverständigen
gemäss Gutachten vom 21./27. Mai 2013 entspricht. Die Sachverständige führt
darin aus, der Beschwerdeführer bedürfe eines straffen, klaren und
überschaubaren Rahmens, der ihm Abstand vom kriminellen Milieu biete. Die
aktuelle Familienplatzierung sei aus gutachterlicher Sicht sinnvoll und sollte
weitergeführt werden. Für schwierige Krisen sollte eine Time-Out Lösung
vorbesprochen werden. Von einer stationären Unterbringung mit anderen
Jugendlichen, die ähnliche Schwierigkeiten hätten, riet die Gutachterin
aufgrund der Gefahr einer Verfestigung der dissozialen Identität des
Beschwerdeführers hingegen ausdrücklich ab (vgl. Beschluss, S. 5; siehe auch
kantonale Akten, Gutachten vom 21./27. Mai 2013, S. 60, 64, 70).

4.4. Die Platzierung bei der Gastfamilie bewährte sich anfänglich gut, verlief
in der Folge aber nicht zufriedenstellend. Es waren Kurvengänge, Verstösse
gegen Vereinbarungen sowie strafrechtlich relevantes Verhalten zu verzeichnen.
Der Beschwerdeführer wurde vom 14. bis 29. August 2013 vorsorglich in einer
geschlossenen Erziehungseinrichtung untergebracht und musste wiederholt in
Sicherungshaft versetzt werden, letztmals am 11. Dezember 2013. Vor diesem
Hintergrund bestand unbestrittenermassen Anlass, die Familienunterbringung im
Rahmen des installierten Betreuungssettings zu überprüfen (Beschluss, S. 4 f.).

4.5. Am 6. Januar 2014 fand deshalb eine Besprechung beim Sozialdienst der
zuständigen Jugendanwaltschaft statt, namentlich unter Mitwirkung der
Gutachterin und des Therapeuten des Beschwerdeführers (vgl. Beschluss, S. 5).
Die Ergebnisse dieser Sitzung wurden im Bericht des Sozialarbeiters vom 3. März
2014 zusammengefasst. Danach seien sich alle Besprechungsteilnehmer darüber
einig, dass die Schutzmassnahme nicht mehr bei einer Gastfamilie durchführbar
sei. Aufgrund des Alters des Beschwerdeführers, seiner hohen
Behandlungsbedürftigkeit und der Erfahrungen während des bisherigen
Massnahmenvollzugs erscheine den Fachpersonen das Massnahmenzentrum Arxhof als
geeigneter Vollzugsort, um die angeordnete Schutzmassnahme weiterzuführen. Die
hohe Behandlungsintensität im Arxhof und die dort stattfindende konfrontative
Auseinandersetzung mit dem Verhalten des Beschwerdeführers würden von den
erwähnten Personen höher gewichtet als das im Gutachten vom 21./27. Mai 2013
formulierte Anliegen, diesen im Betreuungssetting vom prokriminellen Milieu
fernzuhalten (vgl. Beschluss, S. 5 mit Hinweis auf den Bericht vom 3. März
2014).

4.6. Der Beschwerdeführer war an dieser Sitzung nicht dabei. Die anlässlich der
Besprechung formlos abgegebene Neueinschätzung der Fachpersonen bzw. namentlich
der Gutachterin bildete wesentliche Entscheidgrundlage für dessen Versetzung in
die Massnahmeneinrichtung Arxhof.

4.7. Informelle Besprechungen im Zusammenhang mit der Regelung von
Vollzugsmodalitäten im Jugendstrafverfahren verletzen nicht per se das
rechtliche Gehör. Sie können und müssen unter bestimmten Umständen zulässig
sein. Vorliegend geht es indessen nicht um einen solchen rein informellen
Austausch der mit dem Vollzug betrauten und dafür zuständigen Stellen. Vielmehr
handelt es sich um eine unter einseitiger Mitwirkung der Beschwerdegegnerin
vorgenommene Neubeurteilung der Sachlage durch die Gutachterin. Es springt ins
Auge, dass diese nur rund sieben Monate zuvor im Gutachten vom 21./ 27. Mai
2013 die Weiterführung einer Familienplatzierung empfohlen und von einer
Unterbringung in einer stationären Umgebung mit anderen Jugendlichen abgeraten
hat. Beim Arxhof handelt es sich um eine offene Einrichtung des
Massnahmenvollzugs für junge Erwachsene im Sinne von Art. 61 StGB. Bei der
Versetzung in eine solche Einrichtung geht es folglich nicht um einen blossen
Nebenaspekt des Vollzugs, sondern um eine einschneidende Änderung des
Vollzugsregimes der angeordneten Schutzmassnahme. Die zuständige
Jugendanwaltschaft holte daher auch den Rat der Gutachterin ein. Anlässlich der
Besprechung vom 6. Januar 2014 vollzog diese offensichtlich einen
grundsätzlichen Meinungswechsel. Für eine solche Neubeurteilung der Sachlage
durch die Gutachterin - bei Nichtgewährung der Mitwirkungsrechte des
Beschwerdeführers - besteht unter dem Gesichtspunkt des verfassungsrechtlichen
Anspruchs auf rechtliches Gehör jedoch kein Raum.

4.8. Die Jugendanwaltschaft hätte es nicht bei einer formlosen Besprechung mit
der Gutachterin bewenden lassen dürfen. Sie hätte im Sinne eines korrekten
Vorgehens vielmehr ein schriftliches Ergänzungsgutachten bei der
Sachverständigen einholen und dieses dem Beschwerdeführer zur Stellungnahme
zugehen lassen oder aber die Besprechung vom 6. Januar 2014 als Einvernahme der
Gutachterin durchführen und darüber ein Protokoll aufnehmen müssen. Dabei hätte
es sich aufgedrängt, dem Beschwerdeführer Gelegenheit zu geben, der mündlichen
Einvernahme der Gutachterin beizuwohnen, damit er dieser Ergänzungsfragen hätte
stellen und Einwendungen hätte erheben können. Nur auf diese Weise wäre sein
aus Art. 29 Abs. 2 BV fliessender Anspruch auf rechtliches Gehör wirksam
gewahrt worden (siehe zum Ganzen insbesondere BGE 119 V 208 E. 3b und 5b; 117 V
282 E. 4a und namentlich 4c).

4.9. Dass dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers der Bericht vom 3. März
2014 zugestellt und er zur geplanten Umplatzierung in den Arxhof nachträglich
persönlich angehört wurde, genügt den Anforderungen an die Gewährleistung des
rechtlichen Gehörs entgegen der Auffassung der Vorinstanz unter den gegebenen
Umständen nicht. Denn aus dem Bericht vom 3. März 2014 geht nicht in
ausreichender Weise hervor, was der Gutachterin in welcher Form unterbreitet
wurde, wie allfällige Fragestellungen an sie lauteten und was bzw. wie sie im
Einzelnen antwortete. Dem Beschwerdeführer fehlte damit - trotz Zustellung des
Berichts und Anhörung zur Versetzung - die Möglichkeit zur Überprüfung der
anlässlich der Besprechung gemachten Sachverhaltsangaben, der der Gutachterin
gestellten Fragen und ihrer Antworten. Ebenso wenig konnte er Fragen an die
Gutachterin richten und allenfalls unrichtige oder unvollständige
Sachverhaltsangaben korrigieren oder ergänzen. Die Zustellung des Berichts und
die nachträgliche Äusserungsmöglichkeit des Beschwerdeführers vermögen den
festgestellten Verfahrensmangel nicht aufzuwiegen.

4.10. Der Anspruch auf rechtliches Gehör erweist sich im Übrigen auch in
zeitlicher Hinsicht als verletzt. Der Bericht vom 3. März 2014 wurde dem
Beschwerdeführer bzw. seinem Rechtsvertreter am 4. März 2014 per Telefax
zugestellt. Am 5. März 2014 fand die persönliche Anhörung statt. Am 7. März
2014 wurde seine Versetzung verfügt. Auch wenn im Jugendstrafrecht -
berechtigterweise - schnell vorgegangen werden soll und dem
Beschleunigungsgebot eine besondere Bedeutung zukommt (vgl. HOLDEREGGER,
a.a.O., S. 25 Rz. 46), lassen die vorliegenden ausserordentlich engen
zeitlichen Gegebenheiten eine ausreichende Wahrnehmung des rechtlichen Gehörs
von vornherein nicht mehr zu.

4.11. Die Vorinstanz hat die gerügte Verletzung des Anspruchs auf rechtliches
Gehör nach dem Gesagten zu Unrecht verneint. Ihr Beschluss ist aufzuheben, ohne
dass es darauf ankäme, ob Aussicht darauf besteht, dass nach Durchführung eines
in formeller Hinsicht korrekten Verfahrens nach Art. 29 Abs. 2 BV in der Sache
anders entschieden würde.

5. 
Die Beschwerde ist wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs gutzuheissen. Der
angefochtene Beschluss ist aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an
die Vorinstanz zurückzuweisen.
Auf die Rüge der Verletzung der Verhältnismässigkeit ist bei dieser Sachlage
nicht einzugehen.
Es sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG). Der Kanton Bern hat
dem Beschwerdeführer eine angemessene Parteientschädigung auszurichten (Art. 68
Abs. 2 BGG). Die Entschädigung ist praxisgemäss seinem Rechtsvertreter
zuzusprechen. Damit wird das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen, der Beschluss des Obergerichts des Kantons
Bern vom 29. April 2014 aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung an die
Vorinstanz zurückgewiesen.

2. 
Es werden keine Kosten erhoben.

3. 
Der Kanton Bern hat dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers, Fürsprecher
Bruno Studer, eine Entschädigung von Fr. 3'000.-- auszurichten.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern,
Strafabteilung, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 23. März 2015

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Die Gerichtsschreiberin: Arquint Hill

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