Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.480/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_480/2014

Urteil vom 23. Februar 2015

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichter Rüedi,
Bundesrichterin Jametti,
Gerichtsschreiber M. Widmer.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Advokat Johannes Vontobel,
Beschwerdeführer,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, Binningerstrasse 21, 4051 Basel,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Grobe Verletzung der Verkehrsregeln; Willkür,

Beschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt,
Ausschuss, vom 14. Februar 2014.

Sachverhalt:

A.

 X.________ fuhr am 23. April 2012 um 07.58 Uhr mit einem Personenwagen in
Basel durch die Viaduktstrasse in Richtung Holbeinstrasse. An der Kreuzung
übersah er ein seit 19,03 Sekunden auf Rot stehendes Lichtsignal, das er mit
einer Geschwindigkeit von 31 km/h überfuhr.

B.

 Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt verurteilte X.________ am 14.
Februar 2014 in Bestätigung des erstinstanzlichen Entscheids wegen grober
Verletzung der Verkehrsregeln zu einer bedingten Geldstrafe von 7 Tagessätzen
zu Fr. 360.-- und einer Busse von Fr. 400.--.

C.

 X.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, die vorinstanzlichen
Urteile seien aufzuheben und er sei wegen "einfacher Übertretung" der
Verkehrsregeln mit einer Busse von Fr. 250.-- zu bestrafen. Es seien ihm keine
Verfahrenskosten für die kantonalen Urteile aufzuerlegen. Eventualiter sei die
Sache zur Neubeurteilung an das Appellationsgericht zurückzuweisen.

Erwägungen:

1.

 Die Beschwerde ist zulässig gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen und
des Bundesstrafgerichts (Art. 80 Abs. 1 BGG). Anfechtungsobjekt bildet der
Entscheid des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 14. Februar
2014. Soweit der Beschwerdeführer die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils
beantragt, kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden.

2.

2.1. Der Beschwerdeführer rügt eine offensichtlich unrichtige Feststellung des
Sachverhalts und eine Verletzung des Grundsatzes "in dubio pro reo".

2.2. Die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung kann nur gerügt werden, wenn
sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des
Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; vgl. auch Art. 105 Abs.
1 und 2 BGG). Offensichtlich unrichtig im Sinne von Art. 97 Abs. 1 BGG ist die
Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (BGE 139 II 404 E. 10.1 S.
445 mit Hinweisen; vgl. zum Begriff der Willkür BGE 139 III 334 E. 3.2.5 S.
339; 138 I 49 E. 7.1 S. 51; je mit Hinweisen).
Als Beweiswürdigungsregel verlangt der Grundsatz "in dubio pro reo", dass sich
das Strafgericht nicht von der Existenz eines für den Angeklagten ungünstigen
Sachverhalts überzeugt erklären darf, wenn bei objektiver Betrachtung
erhebliche und nicht zu unterdrückende Zweifel bestehen, ob sich der
Sachverhalt so verwirklicht hat. Das Bundesgericht prüft diese Frage unter dem
Gesichtspunkt der Willkür (BGE 127 I 38 E. 2a S. 41 mit Hinweisen).
Die Rüge der Verletzung von Grundrechten (einschliesslich der willkürlichen
Anwendung von kantonalem Recht und Willkür bei der Sachverhaltsfeststellung)
muss in der Beschwerde anhand des angefochtenen Entscheids präzise vorgebracht
und substanziiert begründet werden, anderenfalls darauf nicht eingetreten wird
(Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 138 I 225 E. 3.2 S. 228; 137 IV 1 E. 4.2.3 S. 5; 136
I 65 E. 1.3.1 S. 68; je mit Hinweisen).

2.3. Entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers lässt die Vorinstanz nicht
ausser Acht, dass er die Kreuzung äusserst langsam überquert und sich auf den
Verkehr konzentriert haben will. Sie kommt indes zum Schluss, er habe die
Kreuzung nicht langsam, sondern mit einer Geschwindigkeit von 31 km/h
überquert, was ihm ein rechtzeitiges Anhalten vor dem Querverkehr auf der
Holbeinstrasse verunmöglicht hätte. Die Vorinstanz berücksichtigt dabei die
Radarbilder und die Sichtverhältnisse. Sie hält fest, die erstinstanzliche
Beweiswürdigung, wonach nicht ersichtlich sei, ob hinter dem auf den Aufnahmen
sichtbaren, die Kreuzung von links querenden Auto weitere Fahrzeuge folgten,
sei nicht zu beanstanden. Ob weitere Fahrzeuge folgten, sei irrelevant, da der
Sachverhalt an sich erstellt und das querende Auto bloss ein Beispiel für die
potenzielle Gefahr sei. Das erstinstanzliche Gericht, auf dessen Ausführungen
die Vorinstanz ergänzend verweist, berücksichtigte sodann den Umstand, dass das
Befahren der Kreuzung in der Gegenrichtung von der Holbeinstrasse her nur
Fahrradfahrern erlaubt ist.

Inwiefern die Vorinstanz den Sachverhalt offensichtlich unrichtig festgestellt
oder die Unschuldsvermutung verletzt haben soll, legt der Beschwerdeführer
nicht substanziiert dar und ist auch nicht ersichtlich. Seine Rüge erweist sich
als unbegründet, soweit sie den Begründungsanforderungen von Art. 106 Abs. 2
BGG genügt.

3.

3.1. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die rechtliche Qualifikation seines
Verhaltens als grobe Verletzung der Verkehrsregeln. Eine erhöhte abstrakte
Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer habe nicht vorgelegen. Zudem bestreitet
der Beschwerdeführer den subjektiven Tatbestand. Er habe sich nicht
rücksichtslos verhalten. Rücksichtslosigkeit sei aber Voraussetzung für die ihm
vorgeworfene unbewusste grobe Fahrlässigkeit. Die Vorinstanz habe es
unterlassen, die Frage der groben Fahrlässigkeit sorgfältig zu prüfen. Sie
schliesse alleine aufgrund des Umstands, dass er die seit 19,03 Sekunden auf
Rot stehende Ampel überfahren habe, auf grobe Fahrlässigkeit. Er habe das
Lichtsignal nicht 19,03 Sekunden lang nicht wahrgenommen, da er in dieser
Zeitspanne bei einem Tempo von 50 km/h 265 Meter zurückgelegt habe und nicht
verpflichtet gewesen sei, die Ampel soweit im Voraus zu beachten. Indem die
Vorinstanz ausschliesslich auf die Dauer der Rotlichtphase abstelle, prüfe sie
das Verschulden genau betrachtet subjektiv gar nicht. Der Beschwerdeführer
bringt vor, er sei nicht gänzlich unaufmerksam gewesen, sondern habe bloss im
entscheidenden Moment die rote Ampel nicht wahrgenommen. Er habe
fälschlicherweise angenommen, diese würde wie gewohnt orange blinken.

3.2. Die Vorinstanz erwägt, indem der Beschwerdeführer das seit 19,03 Sekunden
auf Rot stehende Lichtsignal überfuhr, habe er eine der elementarsten Pflichten
im Strassenverkehr verletzt. Wie bereits das erstinstanzliche Gericht bejaht
sie eine erhöhte abstrakte Gefährdung der anderen Verkehrsteilnehmer. Sie
berücksichtigt dabei die konkreten Verhältnisse, namentlich das
Verkehrsaufkommen im Zeitpunkt der Widerhandlung kurz vor 8 Uhr morgens an
einem Werktag, die Geschwindigkeit des Beschwerdeführers und die Dauer der
Rotlichtphase. In subjektiver Hinsicht führt sie aus, dass nicht von einem
"Augenblickversagen" gesprochen werden könne, wenn jemand trotz guter
Sichtbarkeit auf der geraden Anfahrtsstrecke offenbar nicht ein Mal auf das
Lichtsignal achte und prüfe, ob dieses auf Rot stehen könnte. Sie bejaht eine
unbewusste grobe Fahrlässigkeit des Beschwerdeführers.

3.3. Nach aArt. 90 Ziff. 2 SVG, welcher der heutigen Fassung von Art. 90 Abs. 2
SVG entspricht, macht sich strafbar, wer durch grobe Verletzung von
Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft
oder in Kauf nimmt. Der objektive Tatbestand ist nach der Rechtsprechung
erfüllt, wenn der Täter eine wichtige Verkehrsvorschrift in objektiv schwerer
Weise missachtet und die Verkehrssicherheit ernstlich gefährdet. Eine
ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer ist bereits bei einer erhöhten
abstrakten Gefährdung gegeben. Diese setzt die naheliegende Möglichkeit einer
konkreten Gefährdung oder Verletzung voraus. Subjektiv erfordert der Tatbestand
ein rücksichtsloses oder sonst schwerwiegend verkehrsregelwidriges Verhalten,
d.h. ein schweres Verschulden, bei fahrlässigem Handeln mindestens grobe
Fahrlässigkeit. Diese ist zu bejahen, wenn der Täter sich der allgemeinen
Gefährlichkeit seiner Fahrweise bewusst ist. Grobe Fahrlässigkeit kommt aber
auch in Betracht, wenn der Täter die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer
pflichtwidrig gar nicht in Betracht zieht. Die Annahme einer groben
Verkehrsregelverletzung setzt in diesem Fall voraus, dass das Nichtbedenken der
Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auf Rücksichtslosigkeit beruht.
Rücksichtslos ist unter anderem ein bedenkenloses Verhalten gegenüber fremden
Rechtsgütern. Dieses kann auch in einem blossen (momentanen) Nichtbedenken der
Gefährdung fremder Interessen bestehen (BGE 131 IV 133 E. 3.2 S. 136 mit
Hinweisen). Je schwerer dabei die Verkehrsregelverletzung objektiv wiegt, desto
eher wird Rücksichtslosigkeit subjektiv zu bejahen sein, sofern keine
besonderen Gegenindizien vorliegen (Urteile 6B_1174/2013 vom 14. Mai 2014 E. 2;
6B_571/2012 vom 8. April 2013 E. 3.4 mit Hinweis).

3.4. Das Missachten des Rotlichts erfüllt in der Regel den qualifizierten
Tatbestand von Art. 90 Abs. 2 SVG; der qualifizierte Tatbestand ist insoweit
nur ausnahmsweise aus subjektiven Gründen zu verneinen (BGE 121 IV 375 E. 1c S.
378 mit Hinweisen). Die Vorinstanz hat willkürfrei festgestellt, der
Beschwerdeführer habe die Kreuzung in Missachtung des Rotlichts befahren ohne
Gewissheit zu haben, dass sie verkehrsfrei sei und ohne Möglichkeit,
rechtzeitig vor allfälligem Querverkehr zu halten (E. 2.3). Dadurch schuf er
eine erhöhte abstrakte Gefahr (vgl. BGE 118 IV 84 E. 2b S. 86). Demgegenüber
läge eine bloss allgemeine, abstrakte Möglichkeit einer Gefährdung vor, wenn
mit Sicherheit keine anderen Verkehrsteilnehmer vom Fehlverhalten hätten
betroffen werden können (vgl. BGE 118 IV 289 E. 3b S. 289). Davon kann hier
nicht die Rede sein. Da der Beschwerdeführer eine wichtige Verkehrsregel (Art.
27 Abs. 1 SVG i.V.m. Art. 68 Abs. 1bis der Signalisationsverordnung vom 5.
September 1979 [SSV; SR 741.21]) in objektiv schwerer Weise verletzte, ist der
objektive Tatbestand von Art. 90 Abs. 2 SVG erfüllt (vgl. Urteil 6B_197/2013
vom 20. Juni 2013 E. 3.2).

3.5. In subjektiver Hinsicht ist mit der Vorinstanz von einem grobfahrlässigen
Verhalten des Beschwerdeführers auszugehen. Entgegen den Ausführungen des
Beschwerdeführers wirft ihm die Vorinstanz nicht vor, das Lichtsignal während
der Anfahrt auf die Kreuzung bzw. der gesamten Dauer der Rotlichtphase von
19,03 Sekunden nicht beachtet zu haben, sondern dass er es überhaupt nie
wahrgenommen hat. Wenn sie ausführt, unter diesen Umständen könne nicht von
einem "Augenblickversagen" gesprochen werden, ist dies nicht zu beanstanden. Im
Gegensatz zum erstinstanzlichen Gericht stellt die Vorinstanz nicht fest, dem
Beschwerdeführer könne keine Rücksichtslosigkeit vorgeworfen werden. Vielmehr
geht aus ihren Ausführungen hervor, dass sie ihm ein bedenkenloses Verhalten
vorwirft, indem er auf die Kreuzung zugefahren ist ohne zu bemerken, dass das
Lichtsignal auf Rot stand. Dies zeugt von einem besonderen Mass an
Unaufmerksamkeit (vgl. Urteil 6B_331/2008 vom 10. Oktober 2008 E. 3.3). Die
durch eine Lichtsignalanlage geregelte Kreuzung und der morgendliche
Berufsverkehr mit mehreren Fahrradfahrern hätten jedoch eine erhöhte
Aufmerksamkeit verlangt. Die Vorinstanz stuft das Verhalten des
Beschwerdeführers nach ausreichend sorgfältiger Prüfung des subjektiven
Tatbestands zu Recht als grobfahrlässig ein. Die Verurteilung wegen grober
Verletzung der Verkehrsregeln verletzt kein Bundesrecht.

4.

 Seinen Antrag, es seien ihm für die kantonalen Urteile keine Verfahrenskosten
aufzuerlegen, begründet der Beschwerdeführer nicht bzw. einzig mit der
beantragten Bestrafung wegen Übertretung der Verkehrsregeln. Darauf ist nicht
einzutreten, da die Verurteilung wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln
nicht zu beanstanden ist.

5.

 Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei
diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art.
66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationsgericht des Kantons
Basel-Stadt, Ausschuss, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 23. Februar 2015

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Der Gerichtsschreiber: M. Widmer

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