Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.450/2014
Zurück zum Index Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2014
Retour à l'indice Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2014


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_450/2014

Urteil vom 18. Mai 2015

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichter Oberholzer, Rüedi,
Bundesrichterin Jametti,
Gerichtsschreiber Näf.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Kenad Melunovic,
Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau, Frey-Herosé-Strasse 20, Wielandhaus,
5001 Aarau,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Qualifizierte Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz, Geldwäscherei;
Strafzumessung; Verletzung des rechtlichen Gehörs, der Informations-
und Teilnahmerechte; Verwertungsverbot etc.,

Beschwerde gegen das Urteil (SST.2013.28) des Obergerichts des Kantons Aargau,
Strafgericht,
1. Kammer, vom 20. März 2014.

Sachverhalt:

A. 
X.________ war von Ende 2009 bis September 2010 auf verschiedene Art und Weise
für einen von A.________ geführten, von den Niederlanden aus in der Schweiz
operierenden Drogenhändlerring tätig, welcher mit Heroin handelte. X.________
kam selber nicht mit Drogen in Kontakt, sondern nahm in erster Linie
organisatorische Aufgaben wahr. Er stellte eine Wohnung für den Heroinhandel
und ein Fahrzeug zur Einfuhr von Streckmitteln zur Verfügung. Er warb
Drogenkuriere an, vermittelte Unterkünfte und Personenwagen für Kuriere und war
selber als Chauffeur tätig. Er bewahrte die Einnahmen in Bargeld auf, die
andere Mitglieder des Drogenhändlerrings aus dem Drogenhandel erzielt hatten,
wechselte das Geld von Schweizer Franken in Euro und transportierte respektive
überwies das Geld ins Ausland. Er sammelte im Auftrag von A.________ im Jahr
2010 von den diversen Drogenhändlern Bargeld im Gesamtbetrag von mindestens ca.
Fr. 568'260.-- bis Fr. 587'900.-- ein, um es an Dritte weiterzuleiten.

B. 
Das Bezirksgericht Baden sprach X.________ am 27. September 2012 der mehrfachen
qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art.
19 Ziff. 1 in Verbindung mit Ziff. 2 lit. a-c aBetmG (in der bis zum 30. Juni
2011 geltenden Fassung) sowie der gewerbs- und bandenmässigen Geldwäscherei im
Sinne von Art. 305bis Ziff. 1 in Verbindung mit Ziff. 2 lit. b und c StGB
schuldig. Es bestrafte ihn mit einer Freiheitsstrafe von neun Jahren.

X.________ erklärte Berufung mit den Anträgen, er sei vom Vorwurf der
Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz freizusprechen. Er sei wegen
gewerbs- und bandenmässiger Geldwäscherei zu einer teilbedingten
Freiheitsstrafe von drei Jahren zu verurteilen. An der Berufungsverhandlung
stellte er die Anträge, er sei der Gehilfenschaft zu mehrfacher qualifizierter
Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz sowie der gewerbs- und
bandenmässigen Geldwäscherei schuldig zu sprechen und mit einer Freiheitsstrafe
von vier Jahren zu bestrafen.

Das Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, sprach X.________
mit Urteil (SST.2013.28) vom 20. März 2014 in Abweisung der Berufung der
qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art.
19 Ziff. 1 in Verbindung mit Ziff. 2 lit. a-c aBetmG (in der bis zum 30. Juni
2011 geltenden Fassung) sowie der gewerbs- und bandenmässigen Geldwäscherei im
Sinne von Art. 305bis Ziff. 1 in Verbindung mit Ziff. 2 lit. b und c StGB
schuldig und bestrafte ihn mit einer Freiheitsstrafe von neun Jahren.

C. 
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das Urteil des
Obergerichts vom 20. März 2014 sei aufzuheben und er sei freizusprechen.
Eventualiter sei er zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren zu verurteilen.
Subeventualiter sei die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz
zurückzuweisen. Subsubeventualiter sei die Sache an die Vorinstanz
zurückzuweisen mit der Anweisung, das Verfahren an die Staatsanwaltschaft zur
Wiederholung des Strafverfahrens gegen ihn zurückzuweisen. Zudem ersucht er um
unentgeltliche Rechtspflege. X.________ stellt ausserdem den prozessualen
Antrag, seine Beschwerde und die Beschwerde der Beschuldigten Y.________ gegen
das diese betreffende Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau (SST.2013.22)
vom 20. März 2014 seien gemeinsam zu beurteilen, und die beiden
Beschwerdeverfahren seien zu vereinigen.

D. 
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau hat auf eine Vernehmlassung
verzichtet und beantragt unter Hinweis auf die vorinstanzlichen Erwägungen die
Abweisung der Beschwerde.

Das Obergericht des Kantons Aargau hat in seiner Vernehmlassung zur Frage der
Verletzung der Teilnahmerechte Stellung genommen. Der Beschwerdeführer hat sich
zu dieser Vernehmlassung geäussert. Seine Stellungnahme ist dem Obergericht zur
Kenntnis zugestellt worden.

Erwägungen:

1.
Der Beschwerdeführer stellt den Antrag, sein Beschwerdeverfahren sei mit dem
Beschwerdeverfahren in Sachen der Beschuldigten Y.________ zu vereinigen.

1.1. Die Verfahren gegen den Beschwerdeführer, die Beschuldigte Y.________ und
gegen eine weitere Person wurden von der Staatsanwaltschaft Baden am 5. August
2011 vereinigt. Das erstinstanzliche Verfahren und das Berufungsverfahren
wurden gegen den Beschwerdeführer und die Beschuldigte Y.________ gemeinsam
durchgeführt. In den beiden Beschwerden in Strafsachen gegen das Urteil
SST.2013.28 vom 20. März 2014 in Sachen des Beschwerdeführers und gegen das
Urteil SST.2013.22 vom 20. März 2014 in Sachen der Beschuldigten Y.________
werden im Wesentlichen dieselben Rügen erhoben, im Besonderen die Rüge der
Verletzung der Teilnahmerechte der Beschuldigten bei Beweiserhebungen,
namentlich bei Einvernahmen von anderen Beschuldigten.

1.2. Gleichwohl rechtfertigt es sich nicht, die beiden Verfahren zu vereinigen.
Die Beschuldigte Y.________ rügte bereits im kantonalen Verfahren, auch im
Berufungsverfahren, die Missachtung ihrer Teilnahmerechte gemäss Art. 147 Abs.
1 StPO. Demgegenüber trug der Beschwerdeführer im kantonalen Verfahren, damals
noch durch einen anderen Anwalt vertreten, keine diesbezüglichen Beanstandungen
vor. Er erhebt die Rüge der Verletzung der Teilnahmerechte erstmals im
Beschwerdeverfahren vor dem Bundesgericht, in welchem er nunmehr durch
denselben Anwalt vertreten ist wie die Beschuldigte Y.________.

Die Vorinstanz geht im Urteil in Sachen des Beschwerdeführers auf die Frage der
Verletzung von Teilnahmerechten überhaupt nicht ein. Sie unterlässt dies
offenbar deshalb, weil der Beschwerdeführer im Berufungsverfahren nicht
ausdrücklich eine Verletzung von Teilnahmerechten rügte. Hingegen befasst sich
die Vorinstanz im Urteil in Sachen der Beschuldigten Y.________ mit der von
dieser im kantonalen Verfahren, auch im Berufungsverfahren, erhobenen Rüge der
Verletzung von Teilnahmerechten. Die Vorinstanz prüft allerdings nicht, ob die
Rüge begründet ist, ob mithin tatsächlich Teilnahmerechte der Beschuldigten
Y.________ verletzt wurden. Sie prüft dies nicht mit der Begründung, dass die
Beschuldigte Y.________ den Entscheid der Beschwerdekammer des Obergerichts des
Kantons Aargau vom 24. Oktober 2011, worin in Bestätigung einer Verfügung der
Staatsanwaltschaft Baden vom 19. September 2011 eine Verletzung von
Teilnahmerechten der Beschuldigten Y.________ verneint worden war, nicht beim
Bundesgericht anfocht, was nach der Meinung der Vorinstanz möglich gewesen
wäre.

Damit stellen sich in den beiden Verfahren in Sachen des Beschwerdeführers
einerseits und in Sachen der Beschuldigten Y.________ andererseits teilweise
unterschiedliche prozessuale Fragen, weshalb eine Vereinigung der beiden
Verfahren nicht sachgerecht ist.

Der Antrag auf Vereinigung der beiden Beschwerdeverfahren ist daher abzuweisen.

2.

2.1.

2.1.1. Die Staatsanwaltschaft Baden vertrat während des gesamten
Strafverfahrens die Auffassung, dass den Beschuldigten über das Recht auf
Konfrontation mit Mitbeschuldigten hinaus keine Informations- und
Partizipationsrechte zustehen, also kein Recht auf Teilnahme an den
Einvernahmen von Mitbeschuldigten beziehungsweise weiteren Beschuldigten. Der
Verteidiger der Beschuldigten Y.________ stellte mit Schreiben vom 26. August
2011, also nach Vereinigung der Verfahren gegen den Beschwerdeführer und die
Beschuldigten Y.________ und Y.A.________ am 5. August 2011, unter Hinweis auf
Art. 147 Abs. 1 StPO das Gesuch, dass er über alle weiteren Beweiserhebungen
informiert und ihm das Recht auf Anwesenheit und Teilnahme daran eingeräumt
werde. Die Staatsanwaltschaft Baden antwortete mit Schreiben vom 8. September
2011, dass den Beschuldigten oder ihren Verteidigern von einer einmaligen
Konfrontationseinvernahme abgesehen bis zum Vorliegen eines
Bundesgerichtsentscheids über den Anwendungsbereich von Art. 147 Abs. 1 StPO
keine Teilnahmerechte an Einvernahmen von mitbeschuldigten Personen gewährt
werden. Mit Schreiben vom 16. September 2011 ersuchte der Verteidiger der
Beschuldigten Y.________ um Erlass einer anfechtbaren Verfügung. Am 19.
September 2011 wies die Staatsanwaltschaft Baden den Antrag der Beschuldigten
Y.________ auf Teilnahme an Befragungen von Mitbeschuldigten ab. Zur Begründung
stellte sich die Staatsanwaltschaft grundsätzlich auf den Standpunkt, es reiche
aus, dass einer beschuldigten Person im Verlauf des Verfahrens mindestens
einmal die Gelegenheit gegeben werde, den sie belastenden Personen Fragen zu
stellen oder stellen zu lassen. Diesem Gebot werde im vorliegenden Verfahren im
Rahmen vorgesehener Konfrontationseinvernahmen Rechnung getragen. Die
Staatsanwaltschaft vertrat in der genannten Verfügung vom 19. September 2011
die Ansicht, dass die beschuldigte Person gestützt auf Art. 147 Abs. 1 StPO ein
Recht auf Konfrontation mit den mitbeschuldigten Personen besitzt, deren
Aussagen sie belasten. Hingegen lasse sich aus Art. 147 Abs. 1 StPO kein Recht
auf Anwesenheit bei vorherigen Einvernahmen von mitbeschuldigten Personen
ableiten. Ein solches Anwesenheitsrecht würde im Widerspruch zu Art. 146 Abs. 1
StPO stehen, wonach die einzuvernehmenden Personen getrennt einvernommen
werden.

2.1.2. Die Beschuldigte Y.________ erhob gegen die Verfügung der
Staatsanwaltschaft Baden Beschwerde. Die Beschwerdekammer in Strafsachen des
Obergerichts des Kantons Aargau wies mit Entscheid (SBK.2011.249) vom 24.
Oktober 2011 die Beschwerde ab, soweit sie darauf eintrat. Sie erwog, die
Frage, ob Einvernahmen, an welchen die beschuldigte Person oder ihr Verteidiger
nicht hätten teilnehmen können, verwertbar seien, sei vom Sachgericht im
ordentlichen Strafverfahren zu entscheiden. Die Beschwerdekammer verwies zudem
auf ihren Grundsatzentscheid (SBK. 2011.91) vom 19. Mai 2011 (teilweise
wiedergegeben in FP 2011 S. 208 ff.), wonach Art. 146 Abs. 1 StPO für sämtliche
Verfahrensabschnitte den Grundsatz der getrennten Einvernahmen von mehreren
Personen statuiere, wodurch die Unbefangenheit der einzuvernehmenden Person
gewährleistet und ein kollusives Aussageverhalten erschwert werden sollen. Die
Beschwerdekammer erkannte, die Verfügung der Staatsanwaltschaft, wonach
zunächst getrennte Einvernahmen und hernach Konfrontationseinvernahmen
durchzuführen seien, sei daher nicht zu beanstanden.

Die Beschuldigte Y.________ focht diesen Entscheid der Beschwerdekammer nicht
an. Sie erhob mithin keine Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht.

2.2.

2.2.1. Die Beschuldigte Y.________ machte an der erstinstanzlichen
Hauptverhandlung vor dem Bezirksgericht Baden vom 20. September 2012 geltend,
dass die sie belastenden Aussagen der Mitbeschuldigten zufolge Verletzung ihrer
Teilnahmerechte unverwertbar seien und sie daher vollumfänglich freizusprechen
sei. Die Staatsanwaltschaft vertrat an der erstinstanzlichen Hauptverhandlung
die gegenteilige Auffassung und verwies zur Begründung auf den unangefochten
gebliebenen Entscheid der Beschwerdekammer des Obergerichts des Kantons Aargau
vom 24. Oktober 2011.

Das Bezirksgericht Baden erwog in der schriftlichen Begründung seines Urteils
vom 27. September 2012 in Sachen der Beschuldigten Y.________, in Anbetracht
des in der Zwischenzeit in einer anderen Strafsache ergangenen
Bundesgerichtsentscheids 1B_264/ 2012 vom 10. Oktober 2012 (BGE 139 IV 25)
stehe fest, dass die Staatsanwaltschaft Baden der Beschuldigten Y.________ zu
Unrecht die Teilnahme an den einzelnen Einvernahmen der Mitbeschuldigten
verweigert hat. Die Verletzung von Art. 147 Abs. 1 StPO mache das vorliegende
Beweisergebnis jedoch nicht generell unverwertbar. Gemäss Art. 147 Abs. 4 StPO
seien Beweise, die in Missachtung von Art. 147 Abs. 1 StPO erhoben wurden,
bloss gegenüber der nicht anwesenden Partei unverwertbar. Die Beschuldigte
Y.________ habe auch nach Abweisung ihres Gesuchs um Teilnahme an den
Einvernahmen sämtlicher Mitbeschuldigter durch Verfügung der Staatsanwaltschaft
vom 19. September 2011 weiter ausgesagt und sich selber belastet. So habe sie
in ihrer Schlusseinvernahme vom 3. November 2011 die eigenen während des
Verfahrens gemachten Aussagen grösstenteils bestätigt. Das Beweisergebnis
basiere zum grössten Teil auf diesen Aussagen der Beschuldigten Y.________. In
der Hauptverhandlung vom 20. September 2012 habe diese die
Sachverhaltsdarstellung der Staatsanwaltschaft im Grossen und Ganzen nochmals
bestätigt. In Bezug auf die Aussagen, durch welche sich die Beschuldigte
Y.________ selbst belaste, sei Art. 147 Abs. 4 StPO logischerweise nicht
anwendbar. Das Gericht stütze sich fast ausschliesslich auf diese Aussagen. Wo
es doch auf Aussagen des Beschwerdeführers und des Beschuldigten Y.A.________
abstelle, habe die Beschuldigte Y.________ anlässlich der jeweiligen
Konfrontationseinvernahmen sowie an der Hauptverhandlung die Möglichkeit
gehabt, zum Sachverhalt Stellung zu nehmen. Die Verletzung von Art. 147 Abs. 1
StPO bleibe deshalb hier unbeachtlich.

2.2.2. Rund zwei Wochen nach Ausfällung des erstinstanzlichen Urteils fällte
das Bundesgericht in einer anderen Angelegenheit einen Grundsatzentscheid zur
Frage des Rechts zur Teilnahme an Beweiserhebungen gemäss Art. 147 Abs. 1 StPO
(Urteil 1B_264/2012 vom 10. Oktober 2012, BGE 139 IV 25). Es erwog, dass die
beschuldigte Person gestützt auf Art. 147 Abs. 1 StPO grundsätzlich ein Recht
auf Teilnahme an den Einvernahmen von mitbeschuldigten Personen hat und dass
dieses Recht nicht durch Art. 146 StPO betreffend getrennte Einvernahmen und
Gegenüberstellung eingeschränkt wird. Einschränkungen des Teilnahmerechts
können sich aber aus verschiedenen Bestimmungen der StPO ergeben, wobei das
Bundesgericht insoweit unter anderem zwischen den Teilnahmerechten von noch
nicht einvernommenen beschuldigten Personen einerseits und von bereits
einvernommenen beschuldigten Personen andererseits differenziert (siehe im
Besonderen BGE 139 IV 25 E. 4 und E. 5).

2.2.3. Am 20. März 2014 fand die gemeinsame Berufungsverhandlung betreffend den
Beschwerdeführer und die Beschuldigten Y.________ und Y.A.________ statt. Die
Beschuldigte Y.________ machte auch im Berufungsverfahren geltend, die
Staatsanwaltschaft habe es ihr verunmöglicht, ihr Recht auf Teilnahme an den
Einvernahmen der mitbeschuldigten Personen sowie von Zeugen und
Auskunftspersonen im Sinne von Art. 147 Abs. 1 StPO wahrzunehmen, indem es in
der Untersuchung unterlassen worden sei, sie auf die jeweiligen
Einvernahmetermine aufmerksam zu machen. Ausserdem sei ihr das
Akteneinsichtsrecht in Bezug auf sämtliche Mitbeteiligte verweigert worden.
Daher seien alle Einvernahmen unverwertbar und sei sie freizusprechen.

3.

3.1. Die Vorinstanz erwog in ihrem Urteil (SST.2013.22) vom 20. März 2014 in
Sachen der Beschuldigten Y.________, indem diese den Entscheid der
Beschwerdekammer des Obergerichts vom 24. Oktober 2011 nicht angefochten habe,
habe sie auf ihre Teilnahmerechte verzichtet. Dies ergehe auch daraus, dass sie
sich trotz der Abweisung ihres Gesuchs um Teilnahme an den Einvernahmen der
Mitbeschuldigten nicht etwa geweigert habe, weitere Aussagen zu machen, sondern
weitere, sich selbst belastende Aussagen machte. Daher verbiete sich im
Berufungsverfahren eine erneute Prüfung der Frage nach dem Umfang der
Teilnahmerechte der beschuldigten Person gestützt auf Art. 147 Abs. 1 StPO.
Daran vermöge auch nichts zu ändern, dass in der Zwischenzeit das Bundesgericht
in einem anderen Fall mit Urteil 1B_264/2012 vom 10. Oktober 2012 (BGE 139 IV
25) in Bezug auf den Umfang der Teilnahmerechte der beschuldigten Person gemäss
Art. 147 Abs. 1 StPO ganz anders entschieden habe als die Beschwerdekammer des
Obergerichts im Entscheid vom 24. Oktober 2011 in Sachen der Beschuldigten
Y.________.

3.2. Dieser Auffassung der Vorinstanz kann nicht gefolgt werden. Aus dem
Umstand, dass die Beschuldigte Y.________ den Beschwerdeentscheid des
Obergerichts nicht anfocht, kann nicht auf einen Verzicht auf die Gewährung von
Teilnahmerechten gemäss Art. 147 Abs. 1 StPO geschlossen werden. Die
Beschuldigte Y.________ konnte auf der Grundlage der damaligen
bundesgerichtlichen Rechtsprechung und in Anbetracht der Erwägungen im
Entscheid der Beschwerdekammer des Obergerichts von einer Beschwerde in
Strafsachen an das Bundesgericht gegen den Entscheid der Beschwerdekammer des
Obergerichts in guten Treuen in der Überlegung absehen, dass die Fragen, ob
ihre Rechte auf Teilnahme an Einvernahmen von Mitbeschuldigten verletzt worden
seien und welche Konsequenzen sich aus einer allfälligen Verletzung der
Teilnahmerechte bezüglich der Verwertbarkeit von belastenden Aussagen ergeben,
allein im Hauptverfahren vor dem Sachgericht zur Entscheidung gestellt werden
konnten und dass das Bundesgericht auf eine Beschwerde gegen den
Zwischenentscheid der Beschwerdekammer des Obergerichts mangels eines nicht
wieder gutzumachenden Nachteils (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) nicht eingetreten
wäre (siehe Urteile 1B_61/2012 vom 9. Februar 2012 E. 2 und 1B_441/2011 vom 20.
September 2011 E. 2; vgl. auch Urteile 1B_320/2011 vom 29. September 2011 und
1B_291/2011 vom 15. Juli 2011, dazu ANDRÉ VOGELSANG, Art. 147 StPO: Wirksamer
Gegenpol zur Allmacht der Staatsanwaltschaft oder bloss toter Buchstabe?
Anwaltsrevue 2012 S. 230 ff., 232 f.). Mit diesem Argument begründete der
Verteidiger der Beschuldigten Y.________ in seinem 2. Vortrag an der
Berufungsverhandlung, weshalb von einer Beschwerde in Strafsachen gegen den
Entscheid der Beschwerdekammer des Obergerichts abgesehen worden war. Darauf
geht die Vorinstanz nicht ein.

3.3. Auch wenn aber davon ausgegangen wird, dass ein Zwischenentscheid zu
Fragen der Gewährung und Verweigerung von Teilnahmerechten einen nicht wieder
gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG bewirken kann
und daher, soweit letztinstanzlich, mit Beschwerde in Strafsachen an das
Bundesgericht anfechtbar ist (siehe nun BGE 139 IV 25 E. 1; Urteil 1B_404/2012
vom 4. Dezember 2012 E. 2; ANDREAS NOLL, Das Recht des Beschuldigten zur
Teilnahme an Einvernahmen, 2013, S. 91 ff., S. 106 f.), kann die Verletzung von
Teilnahmerechten stattdessen auch mit der Beschwerde in Strafsachen gegen das
Endurteil gerügt werden, falls die Voraussetzungen gemäss Art. 93 Abs. 3 BGG
erfüllt sind. Ist die Beschwerde nach Art. 93 Abs. 1 und Abs. 2 BGG nicht
zulässig oder wurde von ihr kein Gebrauch gemacht, so sind die betreffenden
Vor- und Zwischenentscheide durch Beschwerde gegen den Endentscheid anfechtbar,
soweit sie sich auf dessen Inhalt auswirken.

4.

4.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, zentrales Thema und damit Gegenstand
der ihn gemeinsam mit der Mitbeschuldigten Y.________ betreffenden
Berufungsverhandlung seien die gesetzwidrige Verfahrensführung durch
systematische Ausschaltung der Parteiöffentlichkeit und die dadurch geschaffene
Situation eines "Gefangenendilemmas" gewesen. Er wirft der Vorinstanz vor,
diese habe sich nicht mit den entsprechenden Rügen befasst. Sie verletze damit
die richterliche Fürsorgepflicht und die Offizialmaxime, die Begründungspflicht
und das rechtliche Gehör. Sie missachte ausserdem das in Art. 3 Abs. 2 lit. c
StPO verankerte Gleichbehandlungsgebot. Sie setze sich in ihrem Urteil in
Sachen des Beschwerdeführers mit der beanstandeten Verletzung des Anspruchs auf
ein gesetzmässiges und faires Verfahren (Art. 2 Abs. 2 und Art. 3 StPO),
insbesondere durch Verweigerung der Informations- und Partizipationsrechte
(Art. 101 Abs. 1, Art. 107 Abs. 1 und Art. 147 Abs. 1 StPO), nicht auseinander.
Dazu wäre sie aber aufgrund der Offizialmaxime und des Grundsatzes "iura novit
curia" sowie der richterlichen Fürsorgepflicht verpflichtet gewesen. Die
Vorinstanz äussere sich nicht einmal dazu, weshalb sie sich nicht damit
befasse. Dadurch verletze sie seinen Anspruch auf rechtliches Gehör. Der
Beschwerdeführer macht geltend, seine Teilnahmerechte im Sinne von Art. 147
Abs. 1 StPO seien systematisch missachtet worden. Die Beweise seien deshalb
gemäss Art. 147 Abs. 4 StPO nicht verwertbar. Daher sei er vollumfänglich
freizusprechen.

Der Beschwerdeführer stellt nicht in Abrede, dass er im kantonalen Verfahren
nicht ausdrücklich die Rüge erhob, seine Teilnahmerechte gemäss Art. 147 Abs. 1
StPO seien verletzt worden. Er bringt vor, dass aber der amtliche Verteidiger
der Beschuldigten Y.________ diesbezügliche Rügen vorgetragen habe. Im
Interesse einer vernünftigen Verfahrensordnung sei die Vorinstanz zu Beginn der
Berufungsverhandlung vom 20. März 2014 auf die Koordination der Vorträge
hingewiesen worden. Es wäre unsinnig gewesen und hätte zu unnötigen und
weitschweifigen Wiederholungen geführt, wenn jeder Verteidiger für seinen
Mandanten je einzeln ausführlich zur Verletzung der Teilnahmerechte vorgetragen
hätte, von welcher alle Beschuldigten gleichermassen betroffen gewesen seien.
Von der Ausschaltung der Parteiöffentlichkeit durch die Staatsanwaltschaft sei
gerade er im besonderen Masse betroffen, stütze sich doch nahezu das gesamte
Anklagefundament gegen ihn auf Aussagen von Drittpersonen, insbesondere der
Beschuldigten Y.________, zu deren Einvernahmen er nicht zugelassen worden sei,
weshalb deren Aussagen nicht gegen ihn verwertet werden dürften. Die Vorinstanz
verfalle in überspitzten Formalismus und verletze das Gleichbehandlungsgebot
sowie die richterliche Fürsorgepflicht, wenn sie die Rügen des gesetzwidrigen
Ausschlusses der Parteiöffentlichkeit nur im Rahmen des Urteils in Sachen der
Beschuldigten Y.________ höre, deren Verteidiger dazu an der
Berufungsverhandlung vorgetragen habe.

4.2. Aus dem Protokoll der Berufungsverhandlung in Papierform ergibt sich
nicht, dass die Verteidiger der insgesamt drei im Berufungsverfahren
beschuldigten Personen darauf hingewiesen hätten, ihre Parteivorträge zwecks
Vermeidung von Wiederholungen und Weitschweifigkeiten koordinieren zu wollen.
Aus dem Protokoll geht hervor, dass einem Antrag des Verteidigers der
Beschuldigten Y.________ stattgegeben wurde, wonach zunächst der (damalige)
Verteidiger des Beschwerdeführers, danach die Verteidigerin des Beschuldigten
Y.A.________ und zuletzt der Verteidiger der Beschuldigten Y.________ plädieren
würden. Aus dem Protokoll ergibt sich im Weiteren, dass die Verteidigerin des
Beschuldigten Y.A.________ auf die Ausführungen des Verteidigers der
Mitbeschuldigten Y.________ zu den Teilnahmerechten verwies. Dass auch der
(damalige) Verteidiger des Beschwerdeführers auf die Ausführungen seiner
Kollegen zu den Teilnahmerechten verwiesen hätte, geht aus dem Protokoll nicht
hervor.

4.3. Das Gericht hätte indessen unter den gegebenen Umständen im Rahmen seiner
richterlichen Fürsorgepflicht beziehungsweise in der Überlegung, dass ein
Versehen des (damaligen) Verteidigers des Beschwerdeführers vorliegen könnte,
diesen anfragen müssen, ob er wie die Verteidiger der beiden andern
Beschuldigten der Auffassung sei, dass die Teilnahmerechte der Beschuldigten im
Sinne von Art. 147 Abs. 1 StPO verletzt worden seien. Es ist davon auszugehen,
dass der (damalige) Verteidiger des Beschwerdeführers diese Frage in Anbetracht
des inzwischen ergangenen Bundesgerichtsurteils vom 10. Oktober 2012 (BGE 139
IV 25) bejaht hätte und dass die Vorinstanz in diesem Falle die Rüge der
Verletzung der Teilnahmerechte im Urteil in Sachen des Beschwerdeführers in
gleicher Weise behandelt hätte wie im Urteil in Sachen der Beschuldigten
Y.________.

Daher ist auch im vorliegenden Beschwerdeverfahren zu prüfen, ob die Erwägungen
zur Frage der Verletzung der Teilnahmerechte im Urteil der Vorinstanz in Sachen
der Beschuldigten Y.________ Recht verletzen und inwieweit die beschuldigte
Person gestützt auf Art. 147 Abs. 1 StPO an Einvernahmen von mitbeschuldigten
Personen teilnehmen kann.

5.

5.1. Die Strafprozessordnung regelt in Art. 142 bis 146 die Einvernahmen. Art.
146 StPO handelt von der Einvernahme mehrerer Personen und von den
Gegenüberstellungen. Nach Art. 146 Abs. 1 StPO werden die einzuvernehmenden
Personen getrennt einvernommen. Gemäss Art. 146 Abs. 2 Satz 1 StPO können die
Strafbehörden Personen, einschliesslich solcher, die ein
Aussageverweigerungsrecht haben, einander gegenüberstellen.

Art. 147 f. StPO regeln die Teilnahmerechte bei Beweiserhebungen. Gemäss Art.
147 Abs. 1 Satz 1 StPO haben die Parteien das Recht, bei Beweiserhebungen durch
die Staatsanwaltschaft und die Gerichte anwesend zu sein und einvernommenen
Personen Fragen zu stellen. Art. 147 Abs. 1 StPO statuiert damit den Grundsatz
der Parteiöffentlichkeit der Beweiserhebungen.

5.2.

5.2.1. Das Teilnahme- und Fragerecht gemäss Art. 147 Abs. 1 StPO hat nichts zu
tun mit der Gegenüberstellung im Sinne von Art. 146 Abs. 2 StPO als Ausnahme
vom Grundsatz der getrennten Einvernahmen gemäss Art. 146 Abs. 1 StPO. Wer im
Sinne von Art. 147 Abs. 1 StPO an der Einvernahme einer anderen Person
teilnimmt, wird dadurch weder gemäss Art. 146 Abs. 1 StPO einvernommen noch im
Sinne von Art. 146 Abs. 2 StPO der einvernommenen Person gegenübergestellt (
ANDREAS NOLL, a.a.O., S. 25 f., 99; FELIX BOMMER, Zur Einschränkung des
Teilnahmerechts des Beschuldigten an der Einvernahme Mitbeschuldigter, recht
2012 S. 143 ff., 145 f.; ANDREAS DONATSCH, Erste Erfahrungen mit dem
Beweisrecht, FP 2012 S. 235 f.). In Art. 147 Abs. 1 StPO ist allgemein von
"Parteien", "Beweiserhebungen" und "einvernommenen Personen" die Rede. Die
beschuldigte Person ist Partei in demjenigen Verfahren, in welchem sie
beschuldigt wird, und sie kann daher gestützt auf Art. 147 Abs. 1 StPO an den
Beweiserhebungen, die in diesem Verfahren durchgeführt werden, teilnehmen, wozu
auch die Einvernahmen von im gleichen Verfahren mitbeschuldigten Personen
gehören. Die beschuldigte Person hat somit gestützt auf Art. 147 Abs. 1 Satz 1
StPO das Recht, bei Einvernahmen von im gleichen Verfahren mitbeschuldigten
Personen durch die Staatsanwaltschaft und die Gerichte anwesend zu sein und den
einvernommenen mitbeschuldigten Personen Fragen zu stellen. Dieses Recht wird
durch Art. 146 Abs. 1 und Abs. 2 StPO betreffend getrennte Einvernahmen und
Gegenüberstellung in keiner Weise berührt.

In diesem Sinne hat das Bundesgericht in seinem Grundsatzentscheid 1B_264/2012
vom 10. Oktober 2012 (BGE 139 IV 25) entschieden. Danach gilt der Anspruch der
beschuldigten Person auf Teilnahme an Beweiserhebungen grundsätzlich auch für
die Einvernahmen von mitbeschuldigten Personen, was sich sowohl aus der
Systematik der StPO und dem Wortlaut der massgebenden Bestimmungen als auch aus
den Gesetzesmaterialien ergibt (zitierter BGE E. 4, E. 5.1 und E. 5.2). Der
Gesetzgeber will die Partei- und Teilnahmerechte der beschuldigten Person bei
Beweiserhebungen stärken, weil die Stellung der Staatsanwaltschaft im
Vorverfahren ausgebaut und die nochmalige Abnahme von (im Vorverfahren
ordnungsgemäss erhobenen) Beweisen im Hauptverfahren eingeschränkt worden ist
(zitierter BGE E. 5.3). Das Bundesgericht hat diese Rechtsprechung im Urteil
1B_404/2012 vom 4. Dezember 2012 (E. 2.1) bestätigt.

5.2.2. Auch die Lehre vertritt wohl überwiegend die Auffassung, dass die
beschuldigte Person gestützt auf Art. 147 Abs. 1 StPO das Recht hat, an den
Einvernahmen der mitbeschuldigten Personen teilzunehmen und diesen Personen
Fragen zu stellen, und dass dieses Recht durch Art. 146 Abs. 1 und Abs. 2 StPO
betreffend getrennte Einvernahmen und Gegenüberstellungen nicht berührt wird
(siehe die Literaturhinweise in BGE 139 IV 25 E. 5.1). Auch die neueste Lehre
teilt wohl überwiegend diese Auffassung (vgl. DORRIT SCHLEIMINGER METTLER, in:
Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, Art. 147
StPO N 7c; WOLFGANG WOHLERS, Das Anwesenheits- und Fragerecht der
Verfahrensparteien bei Einvernahmen im Vorverfahren, FP 2013 S. 160 ff., 163
f.; THOMAS SPRENGER, Teilnahmerechte der Parteien im Strafverfahren - Wird die
Ausnahme zum Grundsatz? FP 2013 S. 167 ff., 170, 172; ANDREAS NOLL, a.a.O., S.
25 ff., 35 ff.;  anderer Auffassung FABIEN GASSER, Trois ans de pratique du
nouveau CPP, FZR 2014 S. 1 ff., 5 f.;  zweifelnd NIKLAUS SCHMID, Handbuch des
schweizerischen Strafprozessrechts, 2. Aufl. 2013, N 823 Fn. 107).

5.3. Der Grundsatz der Parteiöffentlichkeit bei Einvernahmen von
mitbeschuldigten Personen kann allerdings unter Umständen zu Effizienzverlusten
und zu gewissen prozessualen Ungleichbehandlungen von Mitbeschuldigten führen.
Die Strafprozessordnung enthält indessen mehrere Bestimmungen, durch deren
Anwendung das Problem entschärft werden kann (siehe im Einzelnen BGE 139 IV 25
E. 5.4). Das Bundesgericht hat ausserdem in einem  "obiter dictum" die Frage
aufgeworfen, aber nicht abschliessend beantwortet, ob in Anbetracht des
Kontextes zwischen dem Teilnahmerecht bei Beweiserhebungen (Art. 147 Abs. 1
StPO) und dem Akteneinsichtsrecht (Art. 101 Abs. 1 StPO) quasi in analoger
Anwendung von Art. 101 Abs. 1 StPO und in teleologischer Reduktion von Art. 147
Abs. 1 StPO eine beschuldigte Person an der Einvernahme einer mitbeschuldigten
Person nur teilnehmen kann, wenn sie selber in einer Einvernahme bereits mit
dem Sachverhalt konfrontiert wurde, welcher der mitbeschuldigten Person in der
Einvernahme vorgehalten wird (BGE 139 IV 25 E. 5.5.4;  ablehnend ERNST REBER,
Das Teilnahmerecht des Beschuldigten an Einvernahmen Mitbeschuldigter,
Anwaltsrevue 2012, S. 293 ff, 299; ANDREAS NOLL, a.a.O., S. 46 ff., 100).
Ausnahmen von der durch Art. 147 Abs. 1 StPO gewährleisteten
Parteiöffentlichkeit von Beweiserhebungen können sich sodann aus verschiedenen
Bestimmungen ergeben, im Besonderen aus Art. 108 Abs. 1 lit. a StPO bei
begründetem Verdacht des Rechtsmissbrauchs durch eine Partei, aus Art. 146 Abs.
4 lit. a StPO im Falle einer Interessenkollision sowie aus Art. 149 Abs. 1 in
Verbindung mit Abs. 2 lit. b StPO zum Schutz der einzuvernehmenden Person
(siehe zum Ganzen im Einzelnen BGE 139 IV 25 E. 5.5.6 - E. 5.5.10).

5.4. Das Recht auf Teilnahme an Beweiserhebungen gemäss Art. 147 Abs. 1 StPO
gilt allerdings nur in demjenigen Verfahren, in welchem die Person, die das
Teilnahmerecht beansprucht, Partei ist. Die beschuldigte Person kann mithin an
Einvernahmen von anderen beschuldigten Personen gestützt auf Art. 147 Abs. 1
StPO nur teilnehmen, wenn diese anderen Personen im gleichen Verfahren wie sie
selbst beschuldigt werden. Der Anspruch der beschuldigten Person auf Teilnahme
an Beweiserhebungen gemäss Art. 147 Abs. 1 StPO gilt hingegen nicht in getrennt
geführten Verfahren gegen andere beschuldigte Personen. Dies hat das
Bundesgericht in BGE 140 IV 172 klargestellt und in den Urteilen 6B_1021/2013
vom 29. September 2014 E. 3.2 und 6B_518/2014 vom 4. Dezember 2014 E. 2
bestätigt. In getrennt geführten Verfahren kommt den beschuldigten Personen im
jeweils anderen Verfahren keine Parteistellung zu. Die Einschränkung der
Teilnahmerechte von beschuldigten Personen in getrennten Verfahren im Vergleich
zu mitbeschuldigten Personen im gleichen Verfahren ist vom Gesetzgeber implizit
vorgesehen und hinzunehmen (BGE 140 IV 172 E. 1.2.3). Die beschuldigte Person
hat gegenüber in anderen Verfahren beschuldigten Personen nur, aber immerhin
das Recht, mindestens einmal Fragen zu stellen. Die Aussagen von in anderen
Verfahren beschuldigten Personen können mithin nur dann zulasten einer
beschuldigten Person verwertet werden, wenn diese wenigstens einmal angemessene
und hinreichende Gelegenheit hatte, die sie belastenden Aussagen in Zweifel zu
ziehen und Fragen an die Beschuldigten in den getrennten Verfahren zu stellen,
wobei diese Personen gemäss Art. 178 lit. f StPO als Auskunftspersonen
einzuvernehmen sind (BGE 140 IV 172 E. 1.3 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung
zum früheren Recht).

6.
Die Vorinstanz hätte mithin im Berufungsverfahren prüfen müssen, ob und
inwiefern Teilnahmerechte des Beschwerdeführers gemäss Art. 147 Abs. 1 StPO
verletzt wurden. Diese Prüfung hätte ergeben, dass der Beschwerdeführer
gestützt auf Art. 147 Abs. 1 Satz 1 StPO das Recht hatte, an den Einvernahmen
der im gleichen Verfahren mitbeschuldigten Personen teilzunehmen, es sei denn,
dass eine Teilnahme aus den aus dem Gesetz resultierenden Gründen (vgl. E. 5
hievor; siehe dazu BGE 139 IV 25 E. 5.4 und E. 5.5) ausser Betracht fiel.
Soweit Teilnahmerechte des Beschwerdeführers verletzt wurden, sind Aussagen,
die ihn belasten, nicht verwertbar.

Die Sache ist daher in Gutheissung der Beschwerde in diesem Punkt an die
Vorinstanz zurückzuweisen. Diese wird prüfen, welche zu Lasten des
Beschwerdeführers berücksichtigten Aussagen zufolge Verletzung der
Teilnahmerechte nicht verwertet werden dürfen und welche Konsequenzen sich
daraus ergeben.

7.

7.1. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Rechts auf Einsicht in die
Akten betreffend die Verfahren der weiteren Beschuldigten. Die Vorinstanz
erwägt, aus den Akten gehe nicht hervor, dass ein solches Gesuch eingereicht
wurde. Der Beschwerdeführer anerkennt, dass in der Tat kein Gesuch gestellt
wurde. Zur Begründung führt er aus, davon sei abgesehen worden, weil es als
aussichtslos erschienen sei. Die Staatsanwaltschaft habe während des gesamten
Verfahrens unerschütterlich den Standpunkt vertreten, dass den einzelnen
Beschuldigten über ein einmaliges Konfrontationsrecht mit den anderen
Beschuldigten hinaus keine Teilnahmerechte bei Befragungen zustünden. Die
Staatsanwaltschaft habe diesen Standpunkt in ihrer Verfügung vom 19. September
2011 in Sachen der Beschuldigten Y.________ formalisiert.

7.2. Die Staatsanwaltschaft Baden vertrat in der Tat stets die Auffassung, dass
die beschuldigte Person im Verlauf des Verfahrens lediglich mindestens einmal
die Gelegenheit erhalten muss, den sie belastenden Personen Fragen zu stellen
beziehungsweise stellen zu lassen, und dass diesem Anspruch im Rahmen von
vorgesehenen Konfrontationseinvernahmen Rechnung zu tragen sei. Dies gelte in
gleicher Weise sowohl in Bezug auf Mitbeschuldigte im gleichen Verfahren als
auch betreffend Beschuldigte in getrennten Verfahren. Aus Art. 147 Abs. 1 StPO
ergebe sich kein Recht der beschuldigten Person auf Teilnahme an den
Einvernahmen von mitbeschuldigten Personen und auf Informationen betreffend die
Einvernahmetermine.

7.3. Zwischen dem Akteneinsichtsrecht (Art. 101 Abs. 1 StPO) und dem
Teilnahmerecht an Beweiserhebungen (Art. 147 Abs. 1 StPO) bestehen nach der
Rechtsprechung gewisse sachliche Zusammenhänge (siehe BGE 139 IV 25 E. 5.5.2).
Es bestehen indessen auch gewichtige Unterschiede. Das Akteneinsichtsrecht
ermöglicht eine Information über die Beweiserhebung; das Teilnahmerecht
ermöglicht hingegen eine Mitwirkung an der Beweiserhebung (siehe dazu Andreas
Noll, a.a.O., S. 52 f.). Aus der Sicht der Staatsanwaltschaft dürfte das
Teilnahmerecht der beschuldigten Person an Beweiserhebungen eher als das
Akteneinsichtsrecht geeignet sein, die Ermittlung der Wahrheit durch
Kollusionen zu erschweren und die Effizienz des Verfahrens zu beeinträchtigen.
Aus der Handhabung des Teilnahmerechts durch die Staatsanwaltschaft lassen sich
daher keine zwingenden Schlüsse auf die Handhabung des Akteneinsichtsrechts
durch diese Behörde ziehen. Dass die Staatsanwaltschaft Baden in Bezug auf das
Teilnahmerecht eine restriktive Auffassung vertrat, drängte nicht den Schluss
auf, dass ein Gesuch um Einsicht in die Akten betreffend die anderen
Beschuldigten von vornherein aussichtslos wäre und daher davon abzusehen sei.

Die Beschwerde ist in diesem Punkt abzuweisen.

8. 
Der Beschwerdeführer ersucht um unentgeltliche Rechtspflege. Das Gesuch ist
gegenstandslos geworden, soweit die Beschwerde gutgeheissen wird. Es ist im
Übrigen gutzuheissen, da die Beschwerde in den übrigen Punkten nicht von
vornherein aussichtslos war und die finanzielle Bedürftigkeit des
Beschwerdeführers ausgewiesen ist.

Somit sind keine Kosten zu erheben. Der Kanton Aargau hat dem Vertreter des
Beschwerdeführers, Rechtsanwalt Kenad Melunovic, eine Entschädigung von Fr.
2'500.-- zu zahlen. Zudem ist dem Vertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt
Kenad Melunovic, eine Entschädigung von Fr. 500.-- aus der Bundesgerichtskasse
auszurichten.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Der Antrag auf Vereinigung des Verfahrens 6B_450/2014 mit dem Verfahren 6B_459/
2014 wird abgewiesen.

2. 
Die Beschwerde wird, soweit die Frage des Teilnahmerechts betreffend,
gutgeheissen, das Urteil (SST.2013.28) des Obergerichts des Kantons Aargau,
Strafgericht, 1. Kammer, vom 20. März 2014 aufgehoben und die Sache zur neuen
Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.

Die Beschwerde wird im Übrigen, soweit die Frage des Akteneinsichtsrechts
betreffend, abgewiesen.

3. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird, soweit es nicht gegenstandslos
geworden ist, gutgeheissen.

4. 
Es werden keine Kosten erhoben.

5. 
Der Kanton Aargau hat dem Vertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt Kenad
Melunovic, für das bundesgerichtliche Verfahren eine Entschädigung von Fr.
2'500.-- zu zahlen.

6. 
Dem Vertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt Kenad Melunovic, wird eine
Entschädigung von Fr. 500.-- aus der Bundesgerichtskasse ausgerichtet.

7. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Strafgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 18. Mai 2015

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Der Gerichtsschreiber: Näf

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben