Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.443/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_443/2014

Urteil vom 19. Januar 2015

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichter Oberholzer, Rüedi,
Gerichtsschreiber Traub.

Verfahrensbeteiligte
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Schwyz, Postfach 1201, 6431 Schwyz,
Beschwerdeführerin,

gegen

X.________,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Strafzumessung (Raufhandel usw.),

Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Schwyz, Strafkammer, vom 3.
Dezember 2013.

Sachverhalt:

A. 

A.a. Das Bezirksgericht Kreuzlingen verurteilte X.________ am 31. März 2008
wegen einfacher Körperverletzung, Tätlichkeiten, Raufhandels, Sachbeschädigung,
falscher Anschuldigung sowie SVG-Delikten zu einer bedingten Freiheitsstrafe
von 13 Monaten bei einer Probezeit von vier Jahren sowie zu einer Busse von Fr.
1'500.-. Mit Strafbefehl vom 22. Januar 2011 sprach ihn die Staatsanwaltschaft
Bischofszell der Vernachlässigung von Unterhaltspflichten und des Fahrens ohne
Führerausweis schuldig und auferlegte ihm eine bedingte Geldstrafe von 100
Tagessätzen zu Fr. 100.- (bei einer Probezeit von fünf Jahren) sowie eine Busse
von Fr. 1'000.-. Hinsichtlich der am 31. März 2008 ausgefällten Freiheitsstrafe
verlängerte die Staatsanwaltschaft Bischofszell die Probezeit um zwei Jahre.

A.b. Mit Urteil vom 14. Februar 2013 sprach das Strafgericht Schwyz X.________
des Raufhandels und des Ungehorsams gegen amtliche Verfügungen schuldig. Es
belegte ihn mit einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu Fr. 60.- und mit einer
Busse von Fr. 100.-. Vom Widerruf der vom Bezirksgericht Kreuzlingen bedingt
ausgefällten Freiheitsstrafe sah das Strafgericht ab; es sprach stattdessen
eine Verwarnung aus. Ebenso verzichtete es auf einen Widerruf der von der
Staatsanwaltschaft Bischofszell am 22. Januar 2011 ausgefällten Geldstrafe; es
verlängerte diese Probezeit um zwei Jahre.

 Das Kantonsgericht Schwyz hiess die gegen das Urteil des Strafgerichts
erhobene Berufung der Staatsanwaltschaft Höfe Einsiedeln teilweise gut und wies
die Anschlussberufung des X.________ ab. Es verurteilte ihn zu einer
unbedingten Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu Fr. 80.- und zu einer Busse von
Fr. 100.- (Urteil vom 3. Dezember 2013).

B. 

 Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Schwyz führt Beschwerde in Strafsachen
mit dem Antrag, das Kantonsgericht sei anzuweisen, die mit Urteil des
Bezirksgerichts Kreuzlingen vom 31. März 2008 ausgefällte bedingte
Freiheitsstrafe zu widerrufen. Der Beschuldigte sei unter Einbezug der zu
widerrufenden Strafe mit einer unbedingten Freiheitsstrafe von 19 Monaten als
"Gesamtstrafe", eventuell mit einer unbedingten Freiheitsstrafe von 6 Monaten,
sowie mit einer Busse von Fr. 100.- zu bestrafen. Die Kosten des
Berufungsverfahrens seien vollumfänglich dem Beschuldigten aufzuerlegen.

Erwägungen:

1. 

1.1. Die Anklage hatte dem Beschwerdegegner vorgeworfen, am späten Abend des
11. November 2011 seine Wohnung durch das Küchenfenster verlassen zu haben und
mit einem Staubsaugerrohr auf zwei Personen zugegangen zu sein, die ihn zuvor
im Rahmen einer verbalen Auseinandersetzung durch das offenstehende
Küchenfenster provoziert hätten. Er habe den einen Kontrahenten zur Seite
geschubst. Darauf sei es zu einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen ihm und
zwei Kollegen einerseits und den beiden Widersachern anderseits gekommen.
Mehrere Beteiligte hätten sich Verletzungen zugezogen. Das Kantonsgericht ging
mit dem erstinstanzlichen Strafgericht von diesem Sachverhalt aus und
bestätigte die Verurteilung wegen Raufhandels (Art. 133 Abs. 1 StGB). Daneben
bestätigte es einen Schuldspruch wegen Ungehorsams gegen amtliche Verfügungen
(Art. 292 StGB); der Beschwerdegegner war einer Meldeauflage des
Betreibungsamtes Einsiedeln in einem Fall nicht nachgekommen.

1.2. Die beschwerdeführende Oberstaatsanwaltschaft bestreitet die
Rechtmässigkeit der Strafzumessung und des Verzichts auf den Widerruf der im
Jahr 2008 bedingt ausgesprochenen dreizehnmonatigen Freiheitsstrafe. Die
vorinstanzlich verhängte unbedingte Geldstrafe sei durch eine Freiheitsstrafe
von sechs Monaten zu ersetzen. Der Beschwerdegegner sei somit insgesamt zu
einer unbedingten Freiheitsstrafe von 19 Monaten zu verurteilen.

2. 

 Zuerst ist anhand der Einwände der Beschwerdeführerin zu prüfen, ob die
vorinstanzliche Strafzumessung rechtsfehlerhaft ist (Art. 42 Abs. 2 und Art. 95
BGG).

2.1. 

2.1.1. Das Gericht misst die Strafe nach dem Verschulden des Täters zu (Art. 47
Abs. 1 erster Satz StGB). Gemäss Art. 47 Abs. 2 StGB wird das Verschulden -
tatbezogen - nach der Schwere der Verletzung oder Gefährdung des betroffenen
Rechtsguts, nach der Verwerflichkeit des Handelns, den Beweggründen und Zielen
des Täters sowie danach bestimmt, wie weit der Täter nach den inneren und
äusseren Umständen in der Lage war, die Gefährdung oder Verletzung zu
vermeiden. Das Verschulden ist des Weiteren anhand des Tatkontextes zu
beurteilen. So mildert das Gericht die Strafe etwa dann, wenn der Täter durch
das Verhalten der verletzten Person ernsthaft in Versuchung geführt worden ist
(Art. 48 lit. b StGB; BGE 136 IV 55 E. 5.6 S. 60). Täterseitig sind
schliesslich das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse sowie die Wirkung
der Strafe auf das Leben des Täters zu berücksichtigen (Art. 47 Abs. 1 zweiter
Satz StGB).

2.1.2. Das Bundesgericht greift auf Beschwerde in Strafsachen hin nur in die
Strafzumessung ein, wenn die Vorinstanz den gesetzlichen Strafrahmen über- oder
unterschritten hat, wenn sie von rechtlich nicht massgebenden Kriterien
ausgegangen ist oder wesentliche Gesichtspunkte ausser Acht gelassen
beziehungsweise in Überschreitung oder Missbrauch ihres Ermessens falsch
gewichtet hat (BGE 136 IV 55 E. 5.6 S. 61; 135 IV 130 E. 5.3.1 S. 134 mit
Hinweisen; Urteil 6B_20/2014 vom 14. November 2014 E. 10.2).

2.2. Die Vorinstanz verwarf die von der Anklage verlangte strengere Gewichtung
von Tat- und Täterkomponenten. Zwar habe das Strafgericht ausser Acht gelassen,
dass der Beschwerdegegner während laufender Probezeit erneut straffällig
geworden sei. Die teilweise einschlägigen Vorstrafen habe es indessen
straferhöhend gewertet. Der Raufhandel, welcher zur einschlägigen Vorstrafe
geführt habe, unterscheide sich vom jetzt zu beurteilenden in wesentlichen
Punkten. So habe der Beschwerdegegner nun nicht mehr gezielt den Streit
gesucht. Er habe die verbale Auseinandersetzung zwar in Gang gehalten; als der
Streit in körperliche Übergriffe ausgeartet sei, habe er sich aber
zurückgezogen, während seine beiden Kollegen vor Ort geblieben seien.

 Die Vorinstanz schloss, weder sei die von der ersten Instanz gewählte
Sanktionsart zu beanstanden noch erscheine die Anzahl der Tagessätze
unangemessen tief. Der Beschwerdegegner habe inzwischen eine Stelle als
Werkstattchef in einer Garage angetreten. Abends betreue er seinen Sohn,
während seine Lebensgefährtin einer Arbeit als Raumpflegerin nachgehe. Ein Teil
beider Löhne werde über das Betreibungsamt zur Begleichung von Schulden
verwendet. Mit dem Strafgericht sei indessen auch festzuhalten, dass trotz der
positiven Entwicklung von nachhaltig gefestigten Lebensumständen noch nicht
ausgegangen werden könne. Die ausgefällte Geldstrafe sei daher zu vollziehen.

2.3. Die Beschwerdeführerin hält dafür, das Kantonsgericht habe die für die
Strafzumessung erheblichen Umstände und deren Gewichtung nicht hinreichend
beschrieben.

2.3.1. Im Urteil sollen die Überlegungen, die bei der Zumessung der Strafe
massgebend waren, in den Grundzügen wiedergegeben werden (vgl. Art. 50 StGB).
So wird nachvollziehbar, ob sich das Gericht von zutreffenden oder
unzutreffenden Gesichtspunkten leiten liess und ob es sich bei der Wertung
schuldrelevanter Faktoren im Rahmen seines (weiten) Ermessens hielt. Besonders
hohe Anforderungen an die Begründung der Strafzumessung werden gestellt, wenn
die ausgesprochene Strafe ungewöhnlich hoch oder auffallend milde ist (BGE 134
IV 17 E. 2.1 S. 20).

2.3.2. Die Beschwerdeführerin macht geltend, der angefochtene Entscheid
verletze Art. 82 Abs. 4 StPO. Danach dürfe eine Rechtsmittelinstanz nur
hinsichtlich der tatsächlichen und rechtlichen Würdigung des angeklagten
Sachverhalts auf die Begründung der Vorinstanz verweisen. Die erste Instanz,
auf deren Strafzumessungserwägungen das Kantonsgericht verweise, sei nicht auf
alle wesentlichen tat- und täterbezogenen Komponenten der Strafzumessung
eingegangen. So habe das Strafgericht nicht ausgeführt, wie stark es die
Vorstrafen berücksichtigt habe, und ausser Acht gelassen, dass der
Beschwerdegegner während laufender Probezeit wieder einschlägig straffällig
geworden sei. Die Berufungsinstanz habe letzteren Umstand erkannt, aber nicht
gewürdigt. Die Begründungspflicht sei insbesondere mit Blick auf die Tatsache
verletzt, dass sich die Sanktion im untersten Bereich des Strafrahmens bewege.

2.3.3. Wie schon erwähnt muss es Ziel der Begründung einer Strafzumessung sein,
diesen stark ermessensgeprägten Entscheid transparent, das heisst (im Hinblick
auf die allfällige Erhebung eines Rechtsmittels) überprüfbar darzustellen.
Soweit ein Strafurteil diesbezüglich, wie hier, umfassende und überzeugende
Erwägungen enthält und die mit dem Rechtsmittel vorgebrachten Argumente keine
weitergehenden Ausführungen erfordern, darf die Berufungsinstanz auch
hinsichtlich der Strafzumessung auf die erstinstanzlichen Entscheidmotive
verweisen, um unnötige Wiederholungen zu vermeiden. Daher war es zulässig, dass
die Vorinstanz die erstinstanzlichen Erwägungen zu den ihrigen gemacht hat.
Abgesehen davon enthält der kantonsgerichtliche Entscheid durchaus
eigenständige und vertiefende Überlegungen zu verschiedenen Aspekten der
Strafzumessung und zur Bestimmung der Sanktionsart (siehe dort E. 3b/cc-ee S.
18 ff.). Im Übrigen ist die Strafe nicht derart milde ausgefallen, dass es
notwendig gewesen wäre, die Strafzumessung besonders einlässlich zu begründen
(vgl. Wiprächtiger/Echle, Basler Kommentar, Strafrecht I, 3. Aufl., 2013, N. 15
und 26 ff. zu Art. 50 StGB).

2.4. Die Beschwerdeführerin beantragt, die vorinstanzlich verhängte Geldstrafe
von 30 Tagessätzen sei durch eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten zu
ersetzen.

2.4.1. Nach Ansicht der Oberstaatsanwaltschaft hat das Kantonsgericht
Bundesrecht verletzt, indem es von einem bloss leichten Verschulden ausgegangen
sei. Dies stehe im Widerspruch zum Umstand, dass die Vorinstanz den
Beschwerdegegner als "Rädelsführer" identifiziert habe und dass vier Beteiligte
der Auseinandersetzung verletzt worden seien. Das Kantonsgericht habe zwar
zutreffend erkannt, dass der Beschwerdegegner "Aggressionspotential zeigte" und
es nur deshalb zur tätlichen Auseinandersetzung gekommen sei, weil er sich dazu
habe hinreissen lassen, mit einem Staubsaugerrohr in der Hand aus dem Fenster
zu springen; mit seinem Verhalten habe er seinerseits eine Auseinandersetzung
provoziert und in Gang gehalten.

 Unter dem Aspekt des Vorlebens bzw. der Vorstrafen habe das Kantonsgericht
nicht ausreichend gewürdigt, dass vier Vorstrafen (aus den Jahren 2003, 2004,
2008 und 2011) vorlägen. Insbesondere sei mit der Verurteilung durch das
Bezirksgericht Kreuzlingen vom 31. März 2008 unter anderem wegen einfacher
Körperverletzung und Raufhandels eine einschlägige Vorstrafe gegeben.

2.4.2. Zutreffend und unbestritten ist, dass der Beschwerdegegner die
Auseinandersetzung hätte vermeiden können, wenn er in seiner Wohnung geblieben
wäre. Dieser Umstand führt mit dazu, dass der Tatbestand nach Art. 133 Abs. 1
StGB erfüllt ist; er begründet nicht per se ein erhöhtes Verschulden. Nach
Feststellung der Vorinstanzen hat der Beschwerdegegner die tätliche
Auseinandersetzung nicht von sich aus gesucht, sondern auf verbale
Provokationen reagiert. Seine Beteiligung am Raufhandel war deshalb keineswegs
diejenige eines Rädelsführers. Mithin fällt die unbedingte Geldstrafe trotz der
früheren Verurteilungen wegen einschlägiger Vergehen nicht aus dem Rahmen. Die
vorinstanzliche Strafzumessung erscheint auch unter dem Aspekt der übrigen
Vorstrafen nicht als ermessensmissbräuchlich. Schliesslich ist sie insbesondere
auch mit Blick auf die persönlichen Verhältnisse (vgl. E. 2.2 und 3.3.1)
jedenfalls vertretbar.

3. 

 Der Beschwerdegegner hat das hier interessierende Delikt nach Art. 133 StGB am
11. November 2011 begangen, mithin während der bis Ende März 2014 laufenden
Probezeit hinsichtlich der 2008 vom Bezirksgericht Kreuzlingen bedingt
ausgesprochenen Freiheitsstrafe von 13 Monaten. Vor diesem Hintergrund
bestreitet die Beschwerdeführerin die Rechtmässigkeit des im angefochtenen
Urteil vorgesehenen Verzichts auf einen Widerruf der bedingten Vorstrafe (vgl.
Art. 46 Abs. 2 StGB).

3.1. 

3.1.1. Die Vorinstanz erwog, wohl habe sich der Beschwerdegegner zum
wiederholten Mal wegen Raufhandels zu verantworten. Indessen unterscheide sich
der jüngste Fall nicht nur in der Form der Beteiligung von den früheren; ins
Gewicht falle auch das nunmehr als leicht zu bewertende Verschulden. Sodann
habe der Beschwerdegegner auch vor Kantonsgericht glaubhaft gemacht, dass er
auf dem besten Weg sei, sein Leben nachhaltig in den Griff zu bekommen. Im
Sinne einer allerletzten Chance sei von einem Widerruf der 2008 bedingt
ausgefällten Freiheitsstrafe abzusehen und der Beschwerdegegner stattdessen zu
verwarnen.

3.1.2. Die Oberstaatsanwaltschaft wendet ein, im Strafbefehl vom 22. Januar
2011 sei dem Beschwerdegegner bereits eine zweite Chance gewährt worden, indem
lediglich die auf ursprünglich vier Jahre angesetzte Probezeit um zwei Jahre
verlängert worden sei. Ein mehrfacher Verzicht auf den Widerruf solle nur
ausnahmsweise zulässig sein, so wenn die neuen Taten geringfügig oder ganz
andersartig als die früheren seien. Die Verlängerung der Probezeit habe den
Beschwerdegegner offenkundig nicht beeindruckt. Die Vorinstanz verkenne, dass
die neue Tat an sich, nicht bloss das Verschulden geringfügig sein müsse, damit
ausnahmsweise erneut auf den Widerruf verzichtet werden könne. Hier seien aber
vier Personen verletzt worden. An-gesichts der vier Vorstrafen zwischen 2003
und 2011 sowie der zu beurteilenden Tat vom November 2011 könne schliesslich
nicht schon aufgrund dessen, dass der Beschwerdegegner bis zum vorinstanzlichen
Urteil nicht erneut straffällig geworden sei, geschlossen werden, er werde nun
wohl nicht mehr rückfällig. Gleich wie im Zusammenhang mit dem Aufschub der
Strafe (Art. 42 StGB) wirkten sich einschlägige Vorstrafen äusserst ungünstig
auf die Prognose aus; aber auch Vorstrafen zu andersartigen Delikten seien für
die Prognose nicht belanglos.

3.2. 

3.2.1. Eine Verurteilung mit bedingtem (oder teilbedingtem) Strafvollzug
bedeutet, dass es im Prinzip vom Verhalten des Verurteilten abhängt, ob er dem
Vollzug der Strafe entgeht. Bewährt er sich, so wird die Strafe nicht vollzogen
(Art. 45 StGB). Begeht der Verurteilte während der Probezeit hingegen ein
Verbrechen oder ein Vergehen, so kann der Strafaufschub widerrufen werden (Art.
46 Abs. 1 StGB). Verzichtet das Gericht auf einen Widerruf, kann es den
Verurteilten verwarnen oder die Probezeit um höchstens die Hälfte der im Urteil
festgesetzten Dauer verlängern (Art. 46 Abs. 2 StGB; BGE 134 IV 140 E. 4.1 S.
142).

3.2.2. Massgebend für den Entscheid über den Widerruf ist, ob das neue Delikt,
welches während der Probezeit aus einer früheren Verurteilung begangen wurde,
erwarten lässt, der Verurteilte werde weitere Straftaten verüben. Zu widerrufen
ist die bedingte Strafe (oder der bedingte Teil einer Strafe) nur, wenn
aufgrund der erneuten Straffälligkeit eine eigentliche Schlechtprognose besteht
(BGE 134 IV 140 E. 4.3 S. 143). Die mit der Gewährung des bedingten Vollzugs
abgegebene Prognose über das zukünftige Verhalten des Täters (BGE 134 IV 60 E.
7.2 S. 73) ist somit unter Berücksichtigung der neuen Straftat neu zu
formulieren. Das Nebeneinander von zwei Sanktionen erfordert eine Beurteilung
in Varianten: Möglich ist, dass der Vollzug der neuen Strafe erwarten lässt,
der Verurteilte werde dadurch von weiterer Straffälligkeit abgehalten, weshalb
es nicht notwendig erscheine, den bedingten Vollzug der früheren Strafe zu
widerrufen. Umgekehrt kann der nachträgliche Vollzug der früheren Strafe dazu
führen, dass eine Schlechtprognose für die neue Strafe im Sinne von Art. 42
Abs. 1 StGB verneint und diese folglich bedingt ausgesprochen wird (BGE 134 V
140 E. 4.5 S. 144 mit Hinweisen; Urteil 6B_855/2010 vom 7. April 2011 E. 2.1
und 2.2). Im Übrigen sind die Bewährungsaussichten erneut anhand einer
Gesamtwürdigung der Tatumstände, des Vorlebens, des Leumunds sowie aller
weiteren Tatsachen zu beurteilen, die gültige Schlüsse etwa auf den Charakter
des Täters sowie Entwicklungen in seiner Sozialisation und im Arbeitsverhalten
(bis zum Zeitpunkt des Widerrufsentscheids) zulassen (BGE 134 IV 140 E. 4.4 S.
143). Mit Blick auf die Prognoseabhängigkeit der Entscheidung zu absolut
formuliert ist das Postulat der Beschwerdeführerin, der Widerrufsverzicht setze
voraus, dass die neue Tat an sich geringfügig sein müsse.

3.2.3. Auch bezüglich der Widerrufsfrage verfügt der Sachrichter über einen
Ermessensspielraum, in welchen das Bundesgericht nur eingreift, wenn er das
Ermessen in nicht vertretbarer Weise ausgeübt hat (BGE 134 IV 140 E. 4.2 S.
142; vgl. oben E. 2.1.2).

3.3. 

3.3.1. Mit dem Verzicht auf einen Widerruf der bedingten Freiheitsstrafe von 13
Monaten aus dem Jahr 2008 überschritt die Vorinstanz das ihr zustehende
Ermessen nicht. Der Vollzug jener Freiheitsstrafe stünde offenkundig nicht in
einem angemessenen Verhältnis zur relativen Geringfügigkeit des individuellen
Verschuldens beim zuletzt beurteilten Raufhandel (vgl. oben E. 2.4.2) sowie den
günstigen persönlichen Perspektiven (Festigung der familiären und der
Beschäftigungssituation). Der Umstand, dass am Raufhandel beteiligte Personen
(eher geringfügige) Verletzungen erlitten haben, betrifft eine objektive
Strafbarkeitsbedingung (BGE 137 IV 1 E. 4.2.2 S. 4). Eine solche gehört
naturgemäss nicht zu den Elementen einer Rückfallprognose.

 Bei dieser Ausgangslage hat die Vorinstanz zu Recht erkannt, dass eine
unbedingt ausgefällte Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu Fr. 80.- hinreichend
abschreckend wirkt; diese Sanktion trifft den Beschwerdegegner, angesichts
seiner familiären Verpflichtungen, nicht unerheblich.

3.3.2. Im Übrigen kann entgegen der Rechtsauffassung der Beschwerdeführerin
nicht von einem  wiederholten Verzicht auf Widerruf gesprochen werden, welcher
nach der Doktrin (nur) ausnahmsweise, so bei geringfügigen und ganz anders
gearteten neuen Taten, möglich sein soll (Schneider/Garré, Basler Kommentar,
Strafrecht I, 3. Aufl., 2013, N. 40 zu Art. 46 StGB mit Hinweis). Denn die
Staatsanwaltschaft wäre von vornherein nicht befugt gewesen, die bedingte
Freiheitsstrafe von 13 Monaten zu widerrufen; diese wäre bei der für die
Erledigung mittels Strafbefehls erlaubten Strafhöhe (von höchstens 6 Monaten;
Art. 352 Abs. 1 lit. d StPO) mitzuzählen (vgl. Franz Riklin, Basler Kommentar,
Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl., 2014, N. 10 zu Art. 352 StPO).
Zudem enthielt der Strafbefehl vom 22. Januar 2011 ohnehin keine einschlägigen
Schuldsprüche. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern eine Verurteilung wegen
Vernachlässigung von Unterhaltspflichten und Fahrens ohne Führerausweis eine
grundlegend andere, schlechtere Prognose hinsichtlich der Wirkung der
Freiheitsstrafe vom 31. März 2008 begründen sollte, für welche eine einfache
Körperverletzung, Tätlichkeiten und Raufhandel im Vordergrund gestanden hatten.

4. 

 Nach dem Gesagten verletzt weder die vorinstanzliche Strafzumessung noch der
Verzicht auf einen Widerruf der früheren bedingten Strafe Bundesrecht. Es
bleibt somit beim vorinstanzlichen Erkenntnis.

5. 

 Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art.
66 Abs. 1 und 4 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Schwyz, Strafkammer,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 19. Januar 2015

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Der Gerichtsschreiber: Traub

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