Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.227/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_227/2014

Urteil vom 11. Februar 2015

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichterin Jaquemoud-Rossari,
Bundesrichter Rüedi,
Bundesrichterinnen Jametti,
nebenamtliche Bundesrichterin Griesser,
Gerichtsschreiberin Arquint Hill.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Gregor Münch,
Beschwerdeführer,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Schützengasse 1, 9001 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Nachträgliche Anordnung der Verwahrung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, Strafkammer, vom
13. November 2013.

Sachverhalt:

A.

 Das Kantonsgericht St. Gallen verurteilte X.________ am 21. April 1998
zweitinstanzlich wegen mehrfacher sexueller Handlungen mit Kindern und
mehrfacher Pornographie zu einer Gefängnisstrafe von zweieinhalb Jahren. Am 24.
Februar 2000 wurde er auf den 15. März 2000 bedingt entlassen.
Das (damalige) Bezirksgericht Oberrheintal verurteilte X.________ am 15. Mai
2001 erneut wegen mehrfacher sexueller Handlungen mit Kindern, mehrfacher
sexueller Belästigung sowie mehrfacher Pornographie zu zwei Jahren Gefängnis.
Gleichzeitig ordnete es eine ambulante Massnahme an.
Das Justiz- und Polizeidepartement des Kantons St. Gallen (heute Justiz- und
Sicherheitsdepartement [SJD]) widerrief am 2. Oktober 2001 die bedingte
Entlassung vom 24. Februar 2000 und ordnete den Vollzug des noch nicht
verbüssten Strafrests an. Am 20. August 2002 wies es ein Gesuch von X.________
um bedingte Entlassung ab, stellte den Vollzug der ambulanten Massnahme ein und
beantragte dem (damaligen) Bezirksgericht Oberrheintal, X.________ zu
verwahren. Dieses ordnete am 27. Mai 2003 die Verwahrung gestützt auf aArt. 43
Ziff. 1 Abs. 2 StGB an. Die dagegen erhobenen Rechtsmittel wurden abgewiesen
(vgl. Urteil des Bundesgerichts 6P.110/2005; 6S.325/2005 vom 20. Dezember
2005).
Als Folge der Revision des allgemeinen Teils des Strafgesetzbuchs ordnete das
Kreisgericht Rheintal am 26. Juni 2007 anstelle der altrechtlichen Verwahrung
eine (neurechtliche) stationäre therapeutische Massnahme nach Art. 59 StGB an.

B.

 Das SJD lehnte am 13. Februar 2012 die bedingte Entlassung aus der stationären
therapeutischen Massnahme ab, hob die Massnahme auf und beantragte dem
Kreisgericht Rheintal, X.________ zu verwahren.
Gegen den Aufhebungsentscheid des SJD legte X.________ bei der Anklagekammer
des Kantons St. Gallen Beschwerde ein. Diese sistierte das Beschwerdeverfahren
am 18. April 2012 bis zum Vorliegen eines rechtskräftigen Entscheids über die
beim Kreisgericht Rheintal beantragte Verwahrung.
Mit Entscheid vom 30. Mai 2012 hob das Kreisgericht Rheintal die stationäre
therapeutische Massnahme auf und ordnete die nachträgliche Verwahrung von
X.________ gestützt auf Art. 62c Abs. 4 i.V.m. Art 64 StGB an.
Das Kantonsgericht St. Gallen bestätigte am 13. November 2013 die nachträgliche
Anordnung der Verwahrung, hob den kreisgerichtlichen Entscheid aber insofern
auf, als damit die stationäre therapeutische Massnahme aufgehoben worden war.

C.

 Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, es seien das Urteil des
Kantonsgerichts St. Gallen vom 13. November 2013 aufzuheben und die Sache zur
neuen Entscheidung an das Kreisgericht Rheintal zurückzuweisen mit der
verbindlichen Anweisung, das Verfahren bis zur rechtskräftigen Erledigung des
Beschwerdeverfahrens bei der Anklagekammer zu sistieren. Eventuell sei in
Abänderung des Urteils des Kantonsgerichts St. Gallen die angeordnete
Verwahrung aufzuheben und stattdessen die stationäre therapeutische Massnahme
fortzuführen.

D.

 Die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen beantragt am 13. Oktober 2014,
die Beschwerde sei abzuweisen. Das Kantonsgericht St. Gallen schliesst am 23.
Oktober 2014 auf Abweisung der Beschwerde. X.________ repliziert am 20.
November 2014.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Vorinstanz erwägt, die kantonale Vollzugsbehörde sei für die
Beurteilung der Frage der Aussichtslosigkeit und damit für die Aufhebung der
stationären therapeutischen Massnahme zuständig. Entsprechend hätte das
Kreisgericht Rheintal die fragliche Massnahme nicht aufheben dürfen, sondern
hätte das vom Beschwerdeführer bei der Anklagekammer eingeleitete
Beschwerdeverfahren abwarten müssen (Entscheid, S. 6). Da die fünfjährige Dauer
der am 26. Juni 2007 angeordneten stationären Massnahme in der Zwischenzeit
jedoch abgelaufen sei, müsse über deren Aufhebung nicht mehr entschieden
werden. Das Beschwerdeverfahren bei der Anklagekammer sei ebenso wie der
Hauptantrag des Beschwerdeführers gegenstandslos geworden. Das Sachgericht
entscheide über die Verlängerung einer stationären Massnahme. Es sei auch
zuständig, die (nachträgliche) Verwahrung anzuordnen. Konkret lägen ihr - der
Vorinstanz - entsprechende Anträge des Beschwerdeführers und der
Vollzugsbehörde vor. Sie habe deshalb die Möglichkeit, entweder die stationäre
Massnahme im Sinne von Art. 59 Abs. 4 StGB zu verlängern oder aber den
Beschwerdeführer gemäss Art. 62c Abs. 4 i.V.m. Art. 64 Abs. 1 StGB nachträglich
zu verwahren (Entscheid, S. 7).

1.2. Der Beschwerdeführer rügt einen Verstoss gegen das Recht auf ein faires
Verfahren (Art. 29 Abs. 1 BV, Art. 6 EMRK), eine Missachtung des Anspruchs auf
effektiven Rechtsschutz sowie eine Verletzung von Art. 62c Abs. 1 bzw. Art. 62d
Abs. 1 StGB. Damit eine Person nachträglich verwahrt werden könne, müsse
vorgängig über die Aufhebung der angeordneten stationären Massnahme befunden
werden. Das ergebe sich aus der gesetzlichen Regelung. Die zuständige
Vollzugsbehörde habe über die Massnahmeaufhebung zu entscheiden, das
Sachgericht über die zu treffende Rechtsfolge. Die Vorinstanz habe den
Entscheid der Anklagekammer über die Aufhebung der stationären Massnahme nicht
abgewartet und diesem Verfahren in Überschreitung ihrer Kompetenzen gar
Gegenstandslosigkeit beschieden. Dadurch habe sie ihn einer Instanz beraubt und
das Gebot des effektiven Rechtsschutzes missachtet. Gerade im Zusammenhang mit
der Frage, ob ein Täter nachträglich zu verwahren sei, käme den Geboten der
Justizgewährleistung und des "fair trial" grosse Bedeutung zu.

2.

2.1. Massnahmen gemäss Art. 59 StGB sind im Gegensatz zu Strafen zeitlich nicht
absolut limitiert. Ihre Dauer hängt vom Behandlungsbedürfnis des Betroffenen
und der Erfolgsaussicht der Massnahme ab (Art. 56 Abs. 1 lit. b StGB),
letztlich also von den Auswirkungen der Massnahme auf die Gefahr weiterer
Straftaten (vgl. BGE 136 IV 156 E. 2.3). Entsprechend sind Massnahmen nach Art.
59 StGB während des Vollzugs regelmässig auf ihre weitere Erforderlichkeit hin
zu überprüfen (Art. 62d Abs. 1 StGB). Der mit der stationären Behandlung
verbundene Freiheitsentzug beträgt in der Regel höchstens fünf Jahre. Bei
weiterhin gegebenen Voraussetzungen kann das zuständige Gericht die stationäre
Behandlung, sofern eine bedingte Entlassung nicht in Frage kommt, auf Antrag
der Vollzugsbehörde um jeweils maximal fünf Jahre verlängern (Art. 59 Abs. 4
StGB).

2.2. Sind die Voraussetzungen für eine stationäre Massnahme nicht mehr gegeben,
ist sie aufzuheben (Art. 56 Abs. 6 StGB). Das gilt bei Zweckerreichung (vgl.
Art. 62 und Art. 62b StGB zur bedingten und endgültigen Entlassung) ebenso wie
bei Zwecklosigkeit (vgl. nachstehend E. 2.3). Die Aufhebung erfolgt durch
besonderen Rechtsakt ( MARIANNE HEER, Basler Kommentar, Strafrecht I, 3. Aufl.
2013, Rz. 9 zu Art. 62; SCHWARZENEGGER ET AL., Strafrecht II, Strafen und
Massnahmen, 8. Aufl. 2007, § 9 N. 1, S. 228).

2.3. Aufzuheben ist die Anordnung einer stationären therapeutischen Behandlung
namentlich, wenn ihre Durch- oder Fortführung als aussichtslos erscheint (Art.
62c Abs. 1 lit. a StGB). Die Behandlung muss sich definitiv als undurchführbar
erweisen. Davon ist nur auszugehen, wenn die Massnahme nach der Lage der Dinge
keinen Erfolg mehr verspricht ( HEER, a.a.O., Rz. 17 und 18 zu Art. 62c;
TRECHSEL/PAUEN, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 2. Aufl.
2012, Rz. 3 zu Art. 62c; Urteil 6B_473/2014 vom 20. November 2014 E. 1.5.2 mit
Hinweis).

2.4. Den Entscheid über die Aufhebung einer Massnahme wegen Aussichtslosigkeit
nach Art. 62c Abs. 1 lit. a StGB trifft die Vollzugsbehörde (Art. 62d Abs. 1
StGB). Das Sachurteil, mit welchem die Massnahme angeordnet wurde, bleibt davon
unberührt. Mit der Aufhebung wird einzig festgestellt, dass die angeordnete
Massnahme ihren Zweck nicht erreicht, sie aussichtslos ist und ihr Vollzug
deshalb eingestellt wird. Es handelt sich um eine typische
Vollzugsentscheidung, die nach Ausschöpfung des kantonalen Instanzenzugs beim
Bundesgericht mit der Beschwerde in Strafsachen angefochten werden kann (Art.
78 Abs. 2 lit. b BGG; Urteil 6B_685/2014 vom 25. September 2014 E. 2.1; für das
alte Recht BGE 122 IV 8 E. 1; 121 IV 303 E. 3; 119 IV 190 E. 1).

2.5. Nach rechtskräftiger Aufhebung der stationären therapeutischen Massnahme
hat das in der Sache zuständige Gericht auf Antrag der Vollzugsbehörde über die
Rechtsfolgen zu befinden. Es besteht damit Raum für eine Umwandlung der
ursprünglich angeordneten Massnahme, also für Korrekturen hinsichtlich der
Behandlung und Sicherungsintensität. Dem Gericht obliegt es mithin darüber zu
entscheiden, ob die Reststrafe zu vollziehen (Art. 62c Abs. 2 StGB), eine
andere Massnahme (Art. 62c Abs. 3 StGB; siehe auch Art. 62c Abs. 6 StGB) oder
gegebenenfalls gar die Verwahrung (Art. 62c Abs. 4 StGB) anzuordnen ist (vgl.
BGE 134 IV 246 E. 3.4 für die ambulante Massnahme; Urteil 6B_685/2014 vom 25.
September 2014 E. 2.1 mit Hinweis; HEER, a.a.O., Rz. 27 ff. und Rz. 38 ff. zu
Art. 62c; GÜNTER STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil II,
Strafen und Massnahmen, 2. Aufl. 2006, § 9 Rz. 54 ff.). Das Gericht ist dabei
nicht an den Antrag bzw. die Empfehlung der Vollzugsbehörde gebunden. Gegen das
sachgerichtliche Urteil steht nach Ausschöpfung des kantonalen Instanzenzugs
die Beschwerde in Strafsachen offen (Art. 78 Abs. 2 lit. b BGG).

2.6. Zusammengefasst kann die stationäre therapeutische Massnahme bei gegebenen
Voraussetzungen nach Art. 59 Abs. 4 StGB verlängert werden. Liegen ihre
Voraussetzungen nicht mehr vor, ist sie zu beenden. Die Kompetenzen sind nach
dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers diesbezüglich zweigeteilt ( HEER,
a.a.O., Rz. 9 zu Art. 62). Erweist sich die Massnahme als zweck- und
aussichtslos, hebt sie die Vollzugsbehörde nach Art. 62c Abs. 1 lit. a StGB
auf. In einem zweiten Schritt entscheidet das Sachgericht über die Konsequenzen
der Aufhebung, d.h. unter anderem darüber, ob der Betroffene gegebenenfalls
nachträglich zu verwahren ist (Art. 62c Abs. 4 i.V.m. Art. 64 Abs. 1 StGB). Bis
zum entsprechenden Entscheid kann der Betroffene, sofern die Voraussetzungen
gegeben sind, in analoger Anwendung von Art. 221 und 229 StPO in
Sicherheitshaft genommen werden (BGE 137 IV 333 E. 2).

3.

3.1. Vorliegend fehlt es an einem vollzugsrechtlichen Aufhebungsentscheid der
Massnahme. Die Frage der Aussichtslosigkeit der gerichtlich angeordneten
stationären Behandlung wurde im zu beurteilenden Fall - zu Unrecht - nicht
abschliessend geprüft. Die Vorinstanz ordnete dennoch die nachträgliche
Verwahrung des Beschwerdeführers im Sinne von Art. 62c Abs. 4 i.V.m. Art. 64
Abs. 1 StGB an. Sie begründet dies mit dem zwischenzeitlichen Ablauf der am 26.
Juni 2007 auf die Dauer von 5 Jahren angeordneten stationären Massnahme. Über
deren Aufhebung brauche daher nicht mehr entschieden zu werden. Das bei der
Anklagekammer eingeleitete Beschwerdeverfahren sei gegenstandslos geworden.

3.2. Die Sichtweise der Vorinstanz greift zu kurz. Sie führt zu einer
Verletzung der im Gesetz stipulierten Zuständigkeitsordnung. Die Frage, ob eine
stationäre therapeutische Behandlung aussichtslos ist, keinen Erfolg mehr
verspricht und daher einzustellen ist, fällt mit dem Erreichen der fünfjährigen
Höchstfrist der Massnahme nicht als gegenstandslos dahin. Der Beschwerdeführer
hat an der Beantwortung dieser Frage vielmehr nach wie vor ein rechtlich
geschütztes Interesse. Folgte man der Auffassung der Vorinstanz, hinge es
letztlich vom Zufall ab, ob die im Gesetz vorgesehene Kompetenzregelung
zwischen den von den Vollzugsbehörden und den von den Sachgerichten zu
treffenden Entscheiden eingehalten werden könnte. Denn die sachgerichtlichen
Verfahren sind häufig zeitintensiv und können, namentlich wenn im Zusammenhang
mit der nachträglichen Anordnung einer Verwahrung aktuelle
Sachverständigengutachten einzuholen sind, mehrere Jahre in Anspruch nehmen.
Überdies werden sie regelmässig erst eher gegen Ende der maximal möglichen
Dauer der stationären Massnahme eingeleitet, was insofern gerechtfertigt ist,
als eine möglichst aussagekräftige Beurteilungsgrundlage sichergestellt werden
soll. Mithin dürften diese Verfahren kaum je vor Ablauf der fünfjährigen
Massnahmedauer rechtskräftig erledigt werden. Die vorinstanzliche Sichtweise
hätte zur Folge, dass die vollzugsrechtliche Frage, ob eine stationäre
therapeutische Behandlung aussichtslos ist und daher einzustellen ist,
regelmässig nicht abschliessend beurteilt werden könnte. Der betroffenen Person
ginge folglich - wie hier - eine Rechtsinstanz bzw. ein Rechtsmittelweg
verloren.

3.3. Zwar trifft es durchaus zu, dass das Sachgericht, welches über die
Verlängerung einer stationären therapeutischen Massnahme (Art. 59 Abs. 4 StGB)
entscheidet, grundsätzlich auch für die nachträgliche Anordnung einer
Verwahrung nach Art. 62c Abs. 4 i.V.m. Art. 64 Abs. 1 StGB zuständig ist. Die
Ausführungen der Vorinstanz sind insofern nicht zu beanstanden. Wie der
Beschwerdeführer indessen richtig erkennt, darf dieser Umstand nicht dazu
verleiten, dem Verfahren zur Beurteilung der Aussichtslosigkeit einer Massnahme
vorzugreifen. Würde im Vollzugsverfahren darauf erkannt, dass die stationäre
therapeutische Behandlung (doch) nicht aussichtslos und die Massnahme
demzufolge nicht aufzuheben ist, könnte das zuständige Sachgericht die
Massnahme bei gegebenen Voraussetzungen nach Art. 59 Abs. 4 StGB zwar
verlängern, die Entscheidgrundlage für eine nachträgliche Verwahrung im Sinne
von Art. 62c Abs. 4 i.V.m. Art. 64 Abs. 1 StGB wäre ihm jedoch entzogen. Die
Verlängerung der Massnahme knüpft - im Unterschied zur nachträglichen Anordnung
der Verwahrung im Sinne von Art. 62c Abs. 4 i.V.m. Art. 64 Abs. 1 StGB - nicht
an die Aufhebung der stationären therapeutischen Behandlung an. Beim
Verlängerungsverfahren nach Art. 59 Abs. 4 StGB wird von der fortbestehenden
Massnahmebedürftigkeit des Täters und seiner Behandelbarkeit ausgegangen. Die
ursprüngliche Anordnung der Massnahme bleibt Vollzugsgrundlage. Es geht damit
nicht wie bei der nachträglichen Verwahrungsanordnung um den Ersatz einer
Massnahme durch eine andere. Die fraglichen Verfahren schliessen sich in diesem
Sinne gegenseitig aus. Die nachträgliche Anordnung einer Verwahrung setzt
unabdingbar voraus, dass die ursprünglich angeordnete stationäre Massnahme
vorgängig rechtskräftig aufgehoben wurde.

3.4. Nicht ersichtlich ist im Übrigen, dass sich der Beschwerdeführer im
Verfahren widersprüchlich verhalten haben soll. Der diesbezügliche Einwand der
Vorinstanz ist nicht nachvollziehbar (vgl. Vernehmlassung Vorinstanz, act. 11).
Wohl hat der Beschwerdeführer den Beschluss der Anklagekammer vom 18. April
2012, mit welchem das Beschwerdeverfahren bis zum rechtskräftigen Entscheid
über die Verwahrung sistiert wurde, nicht beim Bundesgericht angefochten. Das
heisst allerdings nicht, dass er diesen Beschluss akzeptierte. Beim fraglichen
Sistierungsbeschluss handelt es sich um einen Zwischenentscheid, der als
solcher (mangels Rüge der formellen Rechtsverweigerung in der Form der
Rechtsverzögerung) nur unter den einschränkenden Voraussetzungen von Art. 93
Abs. 1 lit. a BGG anfechtbar ist (BGE 134 IV 43 E. 2.2), grundsätzlich aber mit
dem Endentscheid beim Bundesgericht angefochten werden kann (Art. 93 Abs. 3
StGB). Das Kreisgericht Rheintal ordnete die Verwahrung des Beschwerdeführers
(erst) am 30. Mai 2012 an. Bereits vor Kreisgericht hatte sich dieser auf den
Standpunkt gestellt, eine nachträgliche Verwahrung setze eine rechtskräftige
Aufhebung der stationären Massnahme voraus. Er verlangte, dass das Verfahren
bis zur rechtskräftigen Erledigung des Beschwerdeverfahrens durch die
Anklagekammer sistiert werde. Daraus folgt ohne weiteres, dass der
Beschwerdeführer bis zum Entscheid des Kreisgerichts vom 30. Mai 2012 keinen
nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG
erlitt, welcher ihn zur selbstständigen Anfechtung des Sistierungsbeschlusses
vom 18. April 2012 legitimiert hätte. Von einem widersprüchlichen Verhalten
seinerseits kann keine Rede sein.

4.

 Der vorinstanzliche Entscheid führt nach dem Gesagten zu einer Verletzung der
gesetzlichen Zuständigkeitsregelung und einer Verkürzung des Rechtsschutzes.
Die Beschwerde ist gutzuheissen. Der angefochtene Entscheid ist aufzuheben und
die Angelegenheit an die Vorinstanz zur neuen Entscheidung zurückzuweisen. Sie
hat dafür zu sorgen, dass im Sinne der gesetzlich vorgesehenen
Zuständigkeitsordnung verfahren wird. Mit andern Worten hat sie den
ausstehenden Entscheid der Anklagekammer des Kantons St. Gallen abzuwarten und
wird sie ihren Entscheid erst fällen können, wenn über die Frage der
Aussichtslosigkeit der stationären therapeutischen Massnahme rechtskräftig
entschieden worden ist.
Auf das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers, die
Verwahrungsvoraussetzungen seien nicht erfüllt, braucht unter diesen Umständen
nicht eingegangen zu werden.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1
und 4 BGG). Der Kanton St. Gallen hat dem Beschwerdeführer eine angemessene
Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). Die Entschädigung
ist praxisgemäss an seinen Rechtsvertreter auszurichten (vgl. Urteil 6B_510/
2013 vom 3. März 2014 E. 5).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Kantonsgerichts St. Gallen vom
13. November 2013 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die
Vorinstanz zurückgewiesen.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird als
gegenstandslos abgeschrieben.

3. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

4. 
Der Kanton St. Gallen hat dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers,
Rechtsanwalt Gregor Münch, eine Parteientschädigung von Fr. 3'000.--
auszurichten.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen, Strafkammer,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 11. Februar 2015

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Die Gerichtsschreiberin: Arquint Hill

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