Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.1242/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_1242/2014

Urteil vom 15. Oktober 2015

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichter Rüedi,
Gerichtsschreiberin Andres.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Manuela B. Vock,
Beschwerdeführer,

gegen

1. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8090 Zürich,
2. G.________,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Nichtanhandnahme und Einstellung (üble Nachrede), wahrheitsgetreue
Berichterstattung (Art. 28 Abs. 4 StGB); Unschuldsvermutung,

Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III.
Strafkammer, vom 18. November 2014.

Sachverhalt:

A.

A.a. Am 9. Juni 2011 erhob die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl Anklage gegen den
Universitätsprofessor X.________ wegen mehrfacher Nötigung, eventuell Drohung,
und mehrfacher sexueller Belästigung. Sie warf ihm vor, er habe ab Sommer 2008
in den Räumen des Akademischen Sportverbands Zürich (ASVZ) die Nähe der
Kindergärtnerin A.Y.________ gesucht. Dies sei gegen deren Willen geschehen und
habe sie in ihrer Handlungsfähigkeit derart eingeschränkt sowie verunsichert,
dass sie den Fitnessclub und ihren Wohnort gewechselt habe. Nach ihrer
Erklärung, sie habe einen Freund, habe er sie beschimpft und als "schweinische
Lesbe" betitelt. Ende November/Anfang Dezember 2009 habe er sie beim Verlassen
der Räumlichkeiten des ASVZ an den Oberarmen festgehalten und ihr gesagt, sie
solle ihm den Namen ihres Freundes nennen, sonst werde sie schon sehen, was
passiere. Am 5. Januar 2010 habe er ihrem Freund per SMS geschrieben, er danke,
dass er sich A.Y.________ einige Male habe ausleihen dürfen. Sex mit
Rothaarigen sei doch der beste. Jetzt wisse der Freund zumindest, woran er sei.
Ob er für die Brustoperation von A.Y.________ bezahlt habe. Falls ja, bedanke
er sich nochmals bestens, und wünsche dem Freund ein gutes neues Jahr. Am 25.
Januar 2010 habe X.________ eine E-Mail an die Schulleitung der Primarschule
H.________, an das Schulsekretariat H.________, an die Elternmitwirkung
H.________ sowie an A.Y.________ und fünf weitere Adressaten gesandt.
A.Y.________ sei damals bei der Gemeinde H.________ als Kindergärtnerin
angestellt gewesen. In dieser E-Mail habe er sich als Familie I.________
ausgegeben, die nach einem geeigneten Kindergarten für ihre Tochter suche und
bei Internetrecherchen festgestellt habe, dass A.Y.________ eine
Brustvergrösserung habe vornehmen lassen, was nicht den Werten und Normen
dieser Familie entspreche. Ab Ende November 2009 bis zu seiner Verhaftung am
25. Januar 2010 sei X.________ ungefähr zwei Mal wöchentlich im Training an
A.Y.________ vorbeigegangen und habe mit der Hand über ihre Brust gestreift.

 Am 22. November 2011 fand die öffentliche erstinstanzliche Hauptverhandlung am
Bezirksgericht Zürich statt.

A.b. Am 23. November 2011 berichtete der Journalist G.________ in der Zeitung
J.________ unter dem Titel "Der deutsche Professor & die "schweinische Lesbe' -
Eine Stalking-Geschichte auf niedrigstem Niveau" über die Anklage und die
Gerichtsverhandlung. Illustriert war der Artikel mit Fotos, auf denen
X.________ sein Gesicht mit einem Schal verhüllt. Auf der Titelseite wurde mit
grossen fetten Lettern "Sex-Stalking - Es begann im Fitness-Raum der Uni Zürich
- Deutscher Professor macht Kindergärtnerin das Leben zur Hölle - Es geht um
falsche Brüste und perverse SMS - Der unglaubliche Fall" auf den Artikel
hingewiesen. Am selben Tag erschien der Artikel von G.________ auch in der
Internetausgabe des J.________.

A.c. Am 19. Dezember 2011 verurteilte das Bezirksgericht Zürich X.________
aufgrund des Vorfalls von Ende November/Anfang Dezember 2009 wegen versuchter
Nötigung und sprach ihn von den übrigen Vorwürfen frei. Bezüglich der SMS vom
5. Januar 2010 und der E-MaiI vom 25. Januar 2010 hatten A.Y.________ und
X.________ eine Vereinbarung getroffen. Das Obergericht des Kantons Zürich
bestätigte am 11. September 2012 den erstinstanzlichen Schuldspruch und sprach
X.________ überdies der mehrfachen sexuellen Belästigung durch Berühren der
Brust schuldig. Von der Anklage der mehrfachen Nötigung sprach es ihn frei. Die
dagegen gerichtete Beschwerde in Strafsachen wies das Bundesgericht am 13. Juni
2013 ab, soweit es darauf eintrat (Verfahren 6B_666/2012). In der Folge stellte
X.________ ein Revisionsgesuch gegen das Urteil vom 11. September 2012, welches
das Obergericht am 31. März 2015 abwies. Die dagegen erhobene Beschwerde in
Strafsachen wies das Bundesgericht am 2. September 2015 ab, soweit es darauf
eintrat (Verfahren 6B_527/2015).

B.

 Am 23. Februar 2012 erhob X.________ bei der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat
Strafantrag wegen übler Nachrede gegen G.________ und den verantwortlichen
Bildredaktor. Am 10. Juli 2013 stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren
gegen G.________ ein und nahm kein Verfahren gegen Unbekannt an die Hand. Eine
dagegen gerichtete Beschwerde von X.________ wies das Obergericht des Kantons
Zürich am 18. November 2014 ab.

C.

 X.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, der obergerichtliche
Beschluss vom 18. November 2014 sei aufzuheben und die Staatsanwaltschaft
anzuhalten, ihre Untersuchung zu vervollständigen und mit einer Anklage beim
Bezirksgericht Zürich abzuschliessen.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Privatklägerschaft ist zur Beschwerde in Strafsachen nur berechtigt,
wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche
auswirken kann (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG). In erster Linie geht es um
Ansprüche auf Schadenersatz und Genugtuung gemäss Art. 41 ff. OR, die
üblicherweise vor den Zivilgerichten geltend gemacht werden. Richtet sich die
Beschwerde gegen die Nichtanhandnahme oder Einstellung eines Verfahrens, hat
die Privatklägerschaft nicht notwendigerweise bereits vor den kantonalen
Behörden eine Zivilforderung erhoben. Selbst wenn dies geschehen ist (vgl. Art.
119 Abs. 2 lit. b StPO), werden in der Einstellungsverfügung keine Zivilklagen
behandelt (Art. 320 Abs. 3 StPO). In jedem Fall muss die Privatklägerschaft im
Verfahren vor Bundesgericht darlegen, aus welchen Gründen sich der angefochtene
Entscheid inwiefern auf welche Zivilforderungen auswirken kann. Das
Bundesgericht stellt an die Begründung des Beschwerderechts strenge
Anforderungen. Genügt die Beschwerde diesen Begründungsanforderungen nicht,
kann darauf nur eingetreten werden, wenn aufgrund der Natur der untersuchten
Straftat ohne Weiteres ersichtlich ist, um welche Zivilforderungen es geht (BGE
141 IV 1 E. 1.1 S. 4 f. mit Hinweisen). Diese Regeln gelten auch für
Ehrverletzungsdelikte (Urteile 6B_118/2015 vom 16. Juli 2015 E. 2.2 und 6B_94/
2013 vom 3. Oktober 2013 E. 1.1).

1.2. Der Beschwerdeführer macht geltend, eine Verurteilung wegen übler Nachrede
ermögliche es ihm, den Gewinn zu verlangen, der auf die ehrverletzenden
Äusserungen zurückzuführen sei. Die Berichterstattung habe ihn weltweit als
überführten Straftäter gebrandmarkt, was das Mass einer Aufregung oder
alltäglichen Sorge übersteige und einen Anspruch auf Genugtuung in der Höhe von
mindestens Fr. 5'000.-- rechtfertige. Aufgrund der Internetpublikation hätten
verschiedene Personen die Vorwürfe für erwiesen gehalten und die Äusserungen
weiterverbreitet, was nur möglich gewesen sei, weil der J.________ sich
geweigert habe, die Internetpublikation zu entfernen. In diesem Zusammenhang
seien Anwaltskosten von EUR 963.90 aufgewendet worden.

1.3. Der Beschwerdeführer legt hinreichend dar, aus welchen Gründen sich der
angefochtene Entscheid auf allfällige Zivilansprüche auf Gewinnherausgabe,
Genugtuung oder Schadenersatz auswirken kann. Auf die Beschwerde ist
einzutreten.

2.

2.1. Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz wende Art. 28 Abs. 4 StGB falsch
an, verletze den Grundsatz "in dubio pro duriore" und missachte Art. 309 sowie
319 StPO.

2.2. Die Vorinstanz gelangt zum Schluss, die Berichterstattung des
Beschwerdegegners sei straflos gemäss Art. 28 Abs. 4 StGB, weshalb sich die
Einstellung und die Nichtanhandnahme gestützt auf Art. 319 Abs. 1 lit. c und
Art. 310 Abs. 1 StPO als richtig erweise.
Sie erwägt, die Berichterstattung vom 23. November 2011 über die
Gerichtsverhandlung vom 22. November 2011 sei wahrheitsgetreu gewesen. Sie
würdigt die Anklageschrift, das Protokoll der Gerichtsverhandlung sowie die
Urteile des Bezirksgerichts Zürich vom 19. Dezember 2011 und des Obergerichts
des Kantons Zürich vom 11. September 2012. Sie stellt fest, der Inhalt des
Artikels stimme im Wesentlichen mit dem überein, was sich aus der
Gerichtsverhandlung ergeben habe. Auch wenn die SMS und die E-MaiI
strafrechtlich insoweit ohne Belang waren, als sie zu keiner Verurteilung
führten, seien sie doch in der Anklageschrift als Element des Nötigungsvorwurfs
enthalten gewesen und dem Beschwerdeführer in der gerichtlichen Befragung
vorgehalten sowie von ihm zugegeben worden. Deshalb widerspreche auch deren
Erwähnung und Hervorhebung nicht dem Gebot der wahrheitsgetreuen
Berichterstattung. Im Artikel werde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe
A.Y.________ gemäss Anklage gestalkt, indem er neben ihr trainiert habe,
weshalb sie den Fitnessclub habe wechseln müssen. Auch dies sei in der
Anklageschrift enthalten gewesen, wenn darin auch der Ausdruck Stalking nicht
verwendet worden sei.

2.3. Die Staatsanwaltschaft eröffnet eine Untersuchung, wenn sich aus den
Informationen und Berichten der Polizei, aus der Strafanzeige oder aus ihren
eigenen Feststellungen ein hinreichender Tatverdacht ergibt (Art. 309 Abs. 1
lit. a StPO). Sie verzichtet auf die Eröffnung, wenn sie sofort eine
Nichtanhandnahmeverfügung oder einen Strafbefehl erlässt (Art. 309 Abs. 4
StPO). Sie verfügt die Nichtanhandnahme, sobald aufgrund der Strafanzeige oder
des Polizeirapports feststeht, dass die fraglichen Straftatbestände oder die
Prozessvoraussetzungen eindeutig nicht erfüllt sind (Art. 310 Abs. 1 lit. a
StPO). Obschon das Gesetz dies nicht ausdrücklich erwähnt, kann eine
Nichtanhandnahme auch verfügt werden, wenn offenkundig ein Rechtfertigungsgrund
besteht (Urteil 1B_158/2012 vom 15. Oktober 2012 E. 2.6). Wird eine
Untersuchung eröffnet, so richtet sich deren Durchführung nach den Bestimmungen
von Art. 311 ff. StPO. Erachtet die Staatsanwaltschaft die Untersuchung als
vollständig, so erlässt sie einen Strafbefehl oder kündigt den Parteien
schriftlich den bevorstehenden Abschluss an und teilt ihnen mit, ob sie Anklage
erheben oder das Verfahren einstellen will (vgl. Art. 318 Abs. 1 StPO).
Eine Einstellung des Verfahrens erfolgt insbesondere, wenn kein Tatverdacht
erhärtet ist, der eine Anklage rechtfertigt (Art. 319 Abs. 1 lit. a StPO), kein
Straftatbestand erfüllt ist (Art. 319 Abs. 1 lit. b StPO) oder
Rechtfertigungsgründe einen Straftatbestand unanwendbar machen (Art. 319 Abs. 1
lit. c StPO). Der Entscheid über die Einstellung eines Verfahrens hat sich nach
dem Grundsatz "in dubio pro duriore" zu richten. Dieser ergibt sich aus dem
Legalitätsprinzip. Er bedeutet, dass eine Einstellung durch die
Staatsanwaltschaft grundsätzlich nur bei klarer Straflosigkeit oder
offensichtlich fehlenden Prozessvoraussetzungen angeordnet werden darf.
Hingegen ist, sofern die Erledigung mit einem Strafbefehl nicht in Frage kommt,
Anklage zu erheben, wenn eine Verurteilung wahrscheinlicher erscheint als ein
Freispruch. Ist ein Freispruch gleich wahrscheinlich wie eine Verurteilung,
drängt sich in der Regel, insbesondere bei schweren Delikten, eine
Anklageerhebung auf (BGE 138 IV 86 E. 4.1 S. 90 f., 186 E. 4.1 S. 190; je mit
Hinweisen). Bei zweifelhafter Beweis- oder Rechtslage hat nicht die
Staatsanwaltschaft über die Stichhaltigkeit des strafrechtlichen Vorwurfs zu
entscheiden, sondern das zur materiellen Beurteilung zuständige Gericht. Der
Grundsatz, dass im Zweifel nicht eingestellt werden darf, ist auch bei der
Überprüfung von Einstellungsverfügungen zu beachten (BGE 138 IV 86 E. 4.1.1 S.
91 mit Hinweis). Bei der Beurteilung dieser Frage verfügen die
Staatsanwaltschaft und die Vorinstanz über einen gewissen Spielraum, den das
Bundesgericht mit Zurückhaltung überprüft (BGE 138 IV 186 E. 4.1 S. 190).

2.4. Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer
Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder
verdächtigt, wer eine solche Beschuldigung oder Verdächtigung weiterverbreitet,
wird, auf Antrag, mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen bestraft (Art. 173
Ziff. 1 StGB).

2.5. Die wahrheitsgetreue Berichterstattung über öffentliche Verhandlungen und
amtliche Mitteilungen einer Behörde ist straflos (Art. 28 Abs. 4 StGB). Diese
Bestimmung entspricht aArt. 27 Abs. 4 StGB (AS 1998 852; Botschaft vom 21.
September 1998 zur Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches und des
Militärstrafgesetzes sowie zu einem Bundesgesetz über das Jugendstrafrecht, BBl
1999 2014 Ziff. 212.71, 2305 Fn. 3; vgl. dazu Urteil 6S.401/2006 vom 12.
Dezember 2006), der vom 1. April 1998 bis 31. Dezember 2006 in Kraft stand und
seinerseits im Wesentlichen dem zuvor geltenden aArt. 27 Ziff. 5 StGB (AS 54
763) entsprach (Botschaft vom 17. Juni 1996 über die Änderung des
Schweizerischen Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes, BBl 1996 IV 549
f. Ziff. 211.1, 552 f. Ziff. 211.23; vgl. dazu BGE 120 IV 44; 119 IV 273; 118
IV 153; 106 IV 161, 171; 73 IV 27).
Nach dem historischen Gesetzgeber sollte die Bestimmung einen besonderen
Rechtfertigungsgrund (vgl. dazu BGE 120 IV 44 E. 10 S. 59) für die
Medienberichterstattung enthalten. Ursprünglich wurden nur öffentliche
Verhandlungen erfasst. Mit der Revision des Medienstrafrechts 1998 wurde der
Rechtfertigungsgrund auf öffentliche Mitteilungen einer Behörde ausgedehnt. Als
Beispiel wurde angeführt, dass nicht bestraft werden könne, wer in den Medien
eine Ehrverletzung weiterverbreite, die ein Parlamentarier in der öffentlichen
Verhandlung des Parlaments begehe (BBl 1996 IV 552 Ziff. 211.23). Zwar dachte
der Gesetzgeber in erster Linie an Parlamente, doch gilt die Bestimmung auch
für Gerichtsverhandlungen (BGE 119 IV 273 E. 3 S. 275; FRANZ ZELLER, in: Basler
Kommentar, Strafrecht, Bd. I, 3. Aufl. 2013, N. 114 zu Art. 28 StGB).

2.6.

2.6.1. Eine Berichterstattung ist wahrheitsgetreu, wenn sie die in der
Gerichtsverhandlung gefallenen Äusserungen wörtlich oder sinngemäss wiedergibt.
Unerheblich ist, ob diese Äusserungen selber wahr oder unwahr sind. Zu der
öffentlichen Verhandlung gehören auch schriftliche Unterlagen, sofern sie
öffentlich zugänglich sind. Tendenziöse Berichterstattung, die kein der
Wirklichkeit entsprechendes Bild der Verhandlung wiedergibt, ist rechtswidrig.
Allerdings ist zu beachten, dass die Berichterstattung über die öffentlichen
Verhandlungen einer Behörde häufig verkürzt ist (BGE 119 IV 273 E. 5 S. 276 mit
Hinweisen; vgl. auch BGE 126 III 305 E. 4b S. 306 ff. mit Hinweisen).
Wie die Vorinstanz zutreffend erwägt, ist der Artikel nicht schon deshalb
wahrheitswidrig, weil er das Gewicht auf andere Umstände legt als die Anklage,
nämlich auf die SMS vom 5. Januar 2010 und die E-Mail vom 25. Januar 2010.
Nichts ändern daran die reisserische Aufmachung im Stil der Boulevardzeitung
sowie die Überschriften und Fotos. Auch eine Gesamtbetrachtung der
Berichterstattung mit Überschriften und Fotos führt zu keinem anderen Schluss,
zumal in der Lehre die Ansicht vertreten wird, das Mass der für eine
wahrheitsgetreue Berichterstattung verlangten Sorgfalt und die Ausführlichkeit
der journalistischen Darstellung hingen auch von den Besonderheiten des
jeweiligen Mediums und der Erwartungshaltung des Publikums ab ( ZELLER, a.a.O.,
N. 125 zu Art. 28 StGB). Die Vorinstanz verletzt kein Bundesrecht, wenn sie
erwägt, die Berichterstattung erscheine nicht als unzulässig herabsetzend.

2.6.2. Die Presse hat bei Berichterstattungen über hängige Strafverfahren der
in Art. 6 Ziff. 2 EMRK verankerten Unschuldsvermutung Rechnung zu tragen.
Daraus folgt insbesondere, dass bei der Schilderung einer nicht rechtskräftig
beurteilten Straftat nur eine Formulierung zulässig sein kann, die hinreichend
deutlich macht, dass es sich einstweilen nur um einen Verdacht handelt und die
Entscheidung des zuständigen Strafgerichts noch offen ist (BGE 116 IV 31 E. 5a
S. 39 ff.; vgl. auch BGE 126 III 305 E. 4b/aa S. 307; aus dem vom
Beschwerdeführer erwähnten BGE 122 IV 311 lässt sich nichts zu seinen Gunsten
ableiten).
Die Vorinstanz erwägt zutreffend, mit der Ausdrucksweise "Laut
Staatsanwaltschaft" und "Gemäss Anklage" sowie dem Vermerk, das Urteil werde
später folgen, sei in der Berichterstattung zum Ausdruck gebracht worden, dass
es sich lediglich um eine Behauptung der Anklage und nicht um eine feststehende
Tatsache handelt und erst das Gericht zu entscheiden habe.
Im Artikel wird explizit darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer heftig
in Abrede gestellt habe, A.Y.________ eine "schweinische Lesbe" genannt zu
haben, und dass das Urteil später folge. Auch insofern ist keine Verletzung der
Unschuldsvermutung auszumachen. Dass die Internetpublikation weltweit und
namentlich in Deutschland abgerufen werden konnte, ändert nichts am Gesagten.
Ob mit Stalking ein strafbares Verhalten bezeichnet wird oder nicht, kann
offenbleiben. Denn in der Berichterstattung wird nicht behauptet, der
Beschwerdeführer habe sicheiner Straftat schuldig gemacht, sondern es werden
die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft wiedergegeben. Bei diesem Ergebnis
erübrigen sich Ausführungen zum Wahrheitsbeweis gemäss Art. 173 Ziff. 2 StGB.

2.6.3. Aus dem Prinzip der Unschuldsvermutung folgt, dass eine identifizierende
Gerichtsberichterstattung jedenfalls so lange unzulässig ist, als dem
jeweiligen legitimen Informationsbedürfnis auch mit einer Berichterstattung
ohne Namensnennung Rechnung getragen werden kann (BGE 116 IV 31 E. 5a/bb S. 40
f. mit Hinweis).
Anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung vom 22. November 2011 bat der
Vorsitzende die anwesenden Gerichtsberichterstatter, auf die Nennung der
Personalien des Beschwerdeführers und von A.Y.________ zu verzichten. Die
Vorinstanz erwägt, selbst wenn davon ausgegangen würde, dass der
Beschwerdegegner die Aufforderung des Vorsitzenden missachtete, sei die
Berichterstattung aufgrund von Art. 28 Abs. 4 StGB nicht strafbar.
Es kann offenbleiben, ob diese Argumentation zutrifft (vgl. dazu Michel Dupuis
und andere, in: Petit Commentaire, Code pénal, 2012, N. 25 zu Art. 28 StGB;
Zeller, a.a.O., N. 114 i.f. und N. 127 f. zu Art. 28 StGB; Franz Riklin,
Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil I, 3. Aufl. 2007, § 20 Rz. 29 S.
296; Derselbe, Der straf- und zivilrechtliche Ehrenschutz im Vergleich, ZStrR
100/1983 S. 29 ff., S. 54 f.). Denn der Beschwerdegegner kam der Aufforderung
des Gerichtsvorsitzenden nach, indem er A.Y.________ in den fraglichen Artikeln
mit falschem Vornamen erwähnte und den Beschwerdeführer als 38-jährigen
Deutschen beschrieb, der mit 34 Jahren zum Wirtschaftsprofessor der Universität
Zürich aufgestiegen sei. Dabei nannte er Letzteren lediglich mit richtigem
Vornamen und erstem Buchstaben seines Nachnamens. Überdies wurden
ausschliesslich Fotos publiziert, auf denen der Beschwerdeführer sein Gesicht
mit einem Schal verhüllt. Was das Landgericht und das Oberlandesgericht Köln in
ihren Urteilen vom 4. April und 11. September 2012 in anderem Zusammenhang
feststellen, ist für das vorliegende Verfahren nicht massgebend.

3.

 Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe sein rechtliches Gehör
verletzt, indem sie den Rechtfertigungsgrund gemäss Art. 28 Abs. 4 StGB
berücksichtigt habe, der zuvor von niemandem thematisiert worden sei.
Eine allfällige Gehörsverletzung kann im Verfahren vor Bundesgericht geheilt
werden, wenn ausschliesslich Rechtsfragen streitig sind, die das Bundesgericht
mit freier Kognition beurteilen kann, und dem Beschwerdeführer durch die
Heilung kein Nachteil erwächst (vgl. BGE 133 I 100 E. 4.9 S. 105; 129 I 129 E.
2.2.3 S. 135; 126 I 68 E. 2 S. 72 mit Hinweis; siehe auch Urteil 2C_855/2014
vom 11. September 2015 E. 5.3).

 Dies ist vorliegend der Fall. Die Einwendungen des Beschwerdeführers gegen den
Rechtfertigungsgrund von Art. 28 Abs. 4 StGB beschlagen Rechtsfragen, die das
Bundesgericht mit voller Kognition prüft (vgl. Art. 95 lit. a und Art. 106 Abs.
1 BGG). Eine allfällige Verletzung des rechtlichen Gehörs kann mit dem
vorliegenden Entscheid als geheilt gelten. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern
dem Beschwerdeführer eine Heilung zum Nachteil gereichen könnte. Es kann daher
offenbleiben, ob die Vorinstanz den Anspruch auf rechtliches Gehör des
Beschwerdeführers verletzte.

4.

 Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Dem
Beschwerdeführer sind die Gerichtskosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, III.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 15. Oktober 2015

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Die Gerichtsschreiberin: Andres

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