Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.1230/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_1230/2014

Urteil vom 20. April 2015

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichter Rüedi,
Gerichtsschreiberin Andres.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Rolf Liniger,
Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Solothurn, Franziskanerhof, Barfüssergasse
28, Postfach 157, 4502 Solothurn,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Versuchte vorsätzliche Tötung; Willkür; Verwahrung (Art. 64 Abs. 1 lit. b
StGB),

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn,
Strafkammer, vom 15./16. Oktober 2014.

Sachverhalt:

A. 
Das Obergericht des Kantons Solothurn sprach X.________ am 15./16. Oktober 2014
zweitinstanzlich wegen versuchter vorsätzlicher Tötung, einfacher
Körperverletzung mit einem gefährlichen Gegenstand sowie Gewalt und Drohung
gegen Behörden und Beamte schuldig. Es verurteilte ihn unter Berücksichtigung
diverser rechtskräftiger erstinstanzlicher Schuldsprüche zu einer
Freiheitsstrafe von 13 Jahren, teilweise als Zusatzstrafe zum Urteil der
Jugendanwaltschaft des Kantons Solothurn vom 28. Oktober 2008. Zudem ordnete es
eine Verwahrung im Sinne von Art. 64 Abs. 1 lit. b StGB an.

 Hinsichtlich des Schuldspruchs wegen versuchter vorsätzlicher Tötung erachtet
die Vorinstanz folgenden Sachverhalt als erwiesen:

 X.________ stürzte sich am 13. Februar 2010 anlässlich einer tätlichen
Auseinandersetzung mit mehreren Beteiligten auf A.________, der vor ihm auf dem
Boden lag und von einem weiteren Beteiligten festgehalten wurde. Er stach ihm
mit einem Kreuzschraubenzieher bewusst einmal in den Bauch und zweimal in das
linke Ohr, wobei zumindest ein Stich in den Kopf mit voller Wucht erfolgte.
A.________ befand sich vorübergehend in Lebensgefahr und erlitt eine bleibende
Hirnschädigung.

B. 
X.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das Urteil des Obergerichts
sei teilweise aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz
zurückzuweisen. Eventualiter sei er vom Vorwurf der versuchten vorsätzlichen
Tötung freizusprechen und wegen schwerer Körperverletzung schuldig zu erklären.
Die Sache sei zur Festlegung des Strafmasses und zur Kostenliquidation an die
Vorinstanz zurückzuweisen. Er ersucht um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung.

C. 
Das Obergericht lässt sich vernehmen, während die Oberstaatsanwaltschaft auf
eine Stellungnahme verzichtet. X.________ hält in seiner Replik an seiner
Auffassung fest.

Erwägungen:

1.

1.1. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen den Schuldspruch wegen versuchter
vorsätzlicher Tötung. Die Vorinstanz verletze Art. 111 bzw. 122 i.V.m. 12 StGB,
den Grundsatz "in dubio pro reo", Art. 343 Abs. 1 StPO, Art. 9 und 32 BV sowie
Art. 6 EMRK und stelle den Sachverhalt willkürlich fest. Er habe das Opfer
nicht bewusst am Kopf getroffen.

1.2. Die Vorinstanz erwägt, der Beschwerdeführer habe ab der zweiten
polizeilichen Einvernahme eingestanden, das Opfer mit dem Schraubenzieher
einmal in den Bauch gestochen zu haben, Stiche in den Kopf jedoch bestritten.
Erst an der Schlusseinvernahme bei der Staatsanwaltschaft habe er zugegeben,
das Opfer zweimal am linken Ohr und einmal am Bauch gestochen zu haben. Er habe
es nur verletzen und nicht umbringen wollen. Weiter habe er angegeben, das
Opfer sei bereits am Boden gelegen und habe sich mit den Füssen gewehrt. An der
erstinstanzlichen Hauptverhandlung habe er neu geltend gemacht, nicht gesehen
zu haben, wohin er steche. Er habe nicht gewusst, dass er dem Opfer den
Schraubenzieher in den Kopf gestossen habe. Es sei dunkel gewesen und er habe
seine Brille nicht getragen. Vor Obergericht habe er ausgeführt, das Opfer sei
bei den Stichen noch gestanden und habe sich wohl nach dem ersten Stich in den
Bauch nach vorne gekrümmt, weshalb die beiden weiteren Stiche in den Kopf
erfolgt seien. Die Vorinstanz würdigt die letzten Angaben des Beschwerdeführers
als Schutzbehauptung, die sowohl seinen eigenen Aussagen während der
Untersuchung als auch den Angaben der Mitbeteiligten widerspreche. Aufgrund der
Verletzungen des Opfers sei davon auszugehen, der Beschwerdeführer habe mit
grosser Wucht mit dem Kreuzschraubenzieher zugestochen. Dies deute ebenfalls
darauf hin, dass das Opfer bereits am Boden gelegen sei. Ein Durchstich durch
die Schädeldecke bei einem stehenden Opfer sei kaum denkbar. Dieses wäre durch
die Wucht des Stosses umgefallen, bevor die knöcherne Schädeldecke hätte
durchstossen werden können. Auch den Einwand, es sei dunkel gewesen und der
Beschwerdeführer habe seine Brille nicht getragen, weshalb er nicht bewusst
gegen den Kopf des Opfers gestossen habe, bewertet die Vorinstanz als
unglaubhaft. Er habe bei der Staatsanwaltschaft die Stiche gegen den Kopf
gestanden, jedoch nie behauptet, diesen nicht gesehen zu haben. Ferner habe er
in mehreren Einvernahmen beschrieben, dass er bei der Auseinandersetzung auch
ohne Brille genug gesehen habe. Auch seien seine Angaben an der
erstinstanzlichen Hauptverhandlung widersprüchlich (Urteil S. 12 ff.).

1.3. Die Sachverhaltsfeststellung durch die Vorinstanz kann nur gerügt werden,
wenn sie offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich im Sinne von Art. 9 BV ist
(BGE 139 II 404 E. 10.1 S. 445 mit Hinweisen; zum Begriff der Willkür BGE 139
III 334 E. 3.2.5 S. 339; 138 I 49 E. 7.1 S. 51; je mit Hinweisen), oder wenn
sie auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1 BGG). Eine entsprechende Rüge muss klar vorgebracht und
substanziiert begründet werden. Auf eine rein appellatorische Kritik am
angefochtenen Urteil tritt das Bundesgericht nicht ein (vgl. Art. 106 Abs. 2
BGG; BGE 140 III 264 E. 2.3 S. 266 mit Hinweisen). Dem Grundsatz "in dubio pro
reo" kommt in der vom Beschwerdeführer angerufenen Funktion als
Beweiswürdigungsregel im Verfahren vor Bundesgericht keine über das
Willkürverbot von Art. 9 BV hinausgehende selbstständige Bedeutung zu (BGE 138
V 74 E. 7 S. 82 mit Hinweisen).

1.4. Soweit der Beschwerdeführer der vorinstanzlichen Beweiswürdigung lediglich
seine Sicht der Dinge gegenüberstellt, ohne sich damit detailliert
auseinanderzusetzen, erschöpfen sich seine Ausführungen in appellatorischer
Kritik. Darauf ist nicht einzutreten. So argumentiert er beispielsweise, seine
Aussagen und jene der Mitbeteiligten hinsichtlich der Position des Opfers seien
äusserst unpräzise, ohne seine Behauptung mit Aktenzitaten zu belegen. Ferner
wendet er ein, die Stichverletzungen im Kopf liessen sich nicht mit den von der
Vorinstanz erstellten Positionen von Opfer und Beschwerdeführer erklären.
Aufgrund der grossen Wucht des Stosses sei es naheliegender, dass er aus dem
Stand auf Bauchhöhe zugestossen habe. Hinsichtlich der Sichtverhältnisse lasse
die Vorinstanz plausible Aussagen des Beschwerdeführers ausser Acht und
berücksichtige nicht, dass er intellektuell nicht in der Lage sei, seine
Schilderung des Tathergangs von den nachträglich gewonnenen Erkenntnissen zu
trennen.

 Der Beschwerdeführer versucht anhand verschiedener Beispiele, erhebliche
Zweifel am Beweisergebnis der Vorinstanz aufzuzeigen. Er argumentiert, es sei
unerklärlich, wie er stehend dem auf dem Boden liegenden Opfer, das von anderen
fixiert und traktiert wurde, die von unten nach oben verlaufenden
Kopfverletzungen zugefügt haben soll. Ferner sei es physikalisch
ausgeschlossen, dass ihn das Opfer vom Boden aus mit einem Fusstritt umwerfen
konnte. Schliesslich weist der Beschwerdeführer auf Aussagen hin, welche seine
Version stützten. Soweit seine Vorbringen überhaupt den qualifizierten
Begründungsanforderungen genügen, sind sie nicht geeignet darzulegen, inwiefern
die vorinstanzliche Beweiswürdigung offensichtlich unhaltbar ist. Es ist nicht
willkürlich, wenn die Vorinstanz die Aussagen des Beschwerdeführers vor erster
sowie zweiter Instanz als Schutzbehauptung bezeichnet und hinsichtlich der
Position des Opfers auf die Angaben des Beschwerdeführers während der
Untersuchung abstellt.

 Ebenso wenig vermag der Beschwerdeführer Willkür in den vorinstanzlichen
Erwägungen bezüglich der Sichtverhältnisse beziehungsweise der Frage, ob er
sah, dass er auf den Kopf des Opfers einstach, aufzuzeigen. Es ist nicht zu
beanstanden, wenn die Vorinstanz in einer Klammerbemerkung darauf hinweist,
dass der psychiatrische Sachverständige beim Beschwerdeführer bei grober
Prüfung eine Kurzsichtigkeit im Bereich von vier Dioptrien feststellte. Sie
stützt ihr Beweisergebnis nicht auf diese Einschätzung, sondern gelangt
hauptsächlich in Würdigung der teilweise widersprüchlichen Aussagen des
Beschwerdeführers zu der Überzeugung, er habe gesehen, wohin er stach. Ihre
Beweiserhebung ist nicht willkürlich, zumal der Beschwerdeführer im Alltag auch
ohne Brille - gemäss eigenen Angaben trägt er sie nur selten - gut zurecht zu
kommen scheint (vgl. Akten Richteramt, act. 347 Z. 118 ff.). Auch lässt die
Vorinstanz nicht Aussagen des Beschwerdeführers ausser Acht (Beschwerde S. 11
f. Ziff. 12). Aus ihrer Beweiswürdigung geht hervor, dass der Beschwerdeführer
an der erstinstanzlichen Hauptverhandlung angab, nicht gesehen zu haben, wohin
er gestochen habe. Schliesslich ist davon auszugehen, dass man auch bei
schlechten Sichtverhältnissen und starker Kurzsichtigkeit bemerkt, ob man einem
am Boden liegenden Menschen in den Bauch oder den Kopf sticht.

1.5. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die rechtliche Würdigung seines
Verhaltens. Er habe den Tod als mögliche Folge seines Handelns nicht erkennen
können, da er nicht bewusst gegen den Kopf des Opfers gestochen habe. Damit
weicht er vom willkürfrei festgestellten Sachverhalt der Vorinstanz ab (vgl.
Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG), weshalb auf seine Rüge nicht weiter einzugehen ist.
Der Schuldspruch wegen versuchter vorsätzlicher Tötung ist bundesrechtskonform.

2.

2.1. Der Beschwerdeführer kritisiert die Anordnung der Verwahrung. Das
psychiatrische Gutachten vom 27. Juli 2010 berücksichtige die Entwicklung
nicht, die er in der Untersuchungshaft und im vorzeitigen Strafvollzug
durchgemacht habe. Es sei nicht aktuell und widersprüchlich, weshalb es keine
genügende Grundlage für die Anordnung einer Verwahrung darstelle. Der
Sachverständige gehe davon aus, der Beschwerdeführer sei nicht therapierbar,
weil er nicht gruppenfähig sei. Damit setze er das Ziel der Therapie - unter
anderem die Gruppenfähigkeit zu fördern - für deren Anordnung voraus. Der
Gutachter ziehe eine Therapie in der Anstalt "im Schachen" nur wegen den dort
momentan fehlenden Kleingruppen nicht in Betracht. Ferner gestehe er zu, dass
ein deliktsorientiertes Arbeiten mit dem Beschwerdeführer möglich sei. Indem
die Vorinstanz auf diese Widersprüche nicht eingehe, verletze sie ihre
Begründungspflicht.

2.2. Die Vorinstanz stützt sich bei ihrem Entscheid auf das psychiatrische
Gutachten vom 27. Juli 2010, die Stellungnahme des psychiatrischen Experten vom
19. Dezember 2011 und dessen mündlichen Ausführungen anlässlich der erst- sowie
vorinstanzlichen Verhandlung vom 22. April 2013 respektive 15. Oktober 2014.
Sie erachtet das Gutachten als aktuell, vollständig und schlüssig. Es seien
keine widersprechenden Einschätzungen von Fachpersonen erkennbar, die geeignet
wären, das Gutachten infrage zu stellen. Der Experte habe sich mit den
Auffassungen der Therapeuten auseinandergesetzt und plausibel erläutert,
weshalb er am Gutachten festhalten müsse (Urteil S. 11). Die Voraussetzungen
für die Anordnung einer Verwahrung seien erfüllt. Der Beschwerdeführer habe
eine Anlasstat nach Art. 64 Abs. 1 StGB begangen, er weise eine langandauernde,
anhaltende psychische Störung von erheblicher Schwere auf, die mit der
begangenen Tat in direktem Zusammenhang stehe und es bestehe ein sehr hohes
Risiko für erhebliche schwere Gewaltstraftaten. Ferner gebe es momentan keine
adäquate therapeutische Massnahme mehr, die in absehbarer Zeit, in der Regel
innert fünf Jahren, das Rückfallrisiko erkennbar reduzieren würde, weshalb der
Beschwerdeführer als unbehandelbar eingestuft werden müsse. Schliesslich deute
sein bisheriges Verhalten im vorzeitigen Strafvollzug, in dem er sich seit
seinem 20. Lebensjahr befinde, nicht darauf hin, dass das Rückfallrisiko mit
dem Vollzug der Freiheitsstrafe und zunehmendem Alter gesenkt werden könnte. Im
Hinblick auf die sehr hohe Gefahr von schwerst möglichen Straftaten sei die
Anordnung der Verwahrung auch verhältnismässig (Urteil S. 55 f.).

2.3.

2.3.1. Das Gericht ordnet die Verwahrung an, wenn der Täter eine in Art. 64
Abs. 1 StGB ausdrücklich genannte Katalogtat oder eine im Sinne der
Generalklausel mit Freiheitsstrafe von fünf oder mehr Jahren bedrohte Tat
begangen hat, durch die er die physische, psychische oder sexuelle Integrität
einer andern Person schwer beeinträchtigt hat oder beeinträchtigen wollte, und
wenn aufgrund einer anhaltenden oder langdauernden psychischen Störung von
erheblicher Schwere, mit der die Tat in Zusammenhang stand, ernsthaft zu
erwarten ist, dass der Täter weitere Taten dieser Art begeht und die Anordnung
einer stationären therapeutischen Massnahme nach Art. 59 StGB keinen Erfolg
verspricht (Art. 64 Abs. 1 lit. b StGB).
Für die Verwahrung eines gefährlichen psychisch gestörten Täters wird dessen
Untherapierbarkeit vorausgesetzt. Der Behandlungsprognose kommt elementare
Bedeutung zu. So können Täter, bei denen längerfristig Heilungschancen
bestehen, von denen aber kurz- oder mittelfristig im Vollzug oder ausserhalb
der Anstalt eine erhebliche Gefahr ausgeht, nicht verwahrt werden (BGE 134 IV
121 E. 3.4.2 S. 130). Bei derartigen Tätern ist vielmehr nach Art. 59 Abs. 3
StGB zu verfahren und eine in gesichertem Rahmen zu vollziehende stationäre
therapeutische Massnahme anzuordnen (Urteil 6B_81/2011 vom 16. Mai 2011 E.
3.2). Die Verwahrung ist "ultima ratio" (BGE 139 IV 57 E. 1.3.3 S. 61; 134 IV
121 E. 3.4.4 S. 131). Sie darf nicht angeordnet werden, wenn die bestehende
Gefährlichkeit des Täters auf andere Weise behoben werden kann (BGE 134 IV 121
E. 3.4.4 S. 131, 315 E. 3.3 S. 320 mit Hinweisen). Sie ist unzulässig, wenn
eine Massnahme nach Art. 59 StGB Erfolg verspricht. Diese Voraussetzung ist
erfüllt, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit über die Dauer von fünf
Jahren eine deutliche Verringerung der Gefahr weiterer Straftaten im Sinne von
Art. 64 Abs. 1 StGB besteht. Die bloss vage Möglichkeit einer Verringerung der
Gefahr und die Erwartung einer lediglich minimalen Verringerung reichen nicht
aus (BGE 134 IV 315 E. 3.4.1 f. S. 321 ff.; Urteil 6B_497/2013 vom 13. März
2014 E. 2.3).

2.3.2. Das Gericht stellt bei seinem Entscheid auf eine sachverständige
Begutachtung ab (Art. 56 Abs. 3 StGB). Ob ein Gutachten noch hinreichend
aktuell ist, richtet sich nicht primär nach dem formellen Kriterium seines
Alters. Massgebend ist vielmehr, ob Gewähr dafür besteht, dass sich die
Ausgangslage seit der Erstellung des Gutachtens nicht gewandelt hat. Soweit ein
früheres Gutachten mit Ablauf der Zeit und zufolge veränderter Verhältnisse an
Aktualität eingebüsst hat, sind neue Abklärungen unabdingbar (BGE 134 IV 246 E.
4.3 S. 254; Urteil 6B_497/2013 vom 13. März 2014 E. 2.4).

 Gutachten unterliegen der freien richterlichen Beweiswürdigung (vgl. Art. 10
Abs. 2 StPO). Das Gericht darf in Fachfragen jedoch nur aus triftigen Gründen
von einer Expertise abweichen und muss Abweichungen begründen. Erscheint dem
Gericht die Schlüssigkeit eines Gutachtens in wesentlichen Punkten zweifelhaft,
hat es nötigenfalls ergänzende Beweise zur Klärung dieser Zweifel zu erheben.
Das Abstellen auf eine nicht schlüssige Expertise beziehungsweise der Verzicht
auf die gebotenen zusätzlichen Beweiserhebungen kann gegen das Verbot
willkürlicher Beweiswürdigung verstossen (Art. 9 BV; BGE 138 III 193 E. 4.3.1
S. 198 f.; 136 II 539 E. 3.2 S. 547 f.; 133 II 384 E. 4.2.3 S. 391; je mit
Hinweisen). Das trifft etwa zu, wenn das Gericht auf das Gutachten abstellt,
obwohl der Sachverständige die an ihn gestellten Fragen nicht beantwortet,
seine Erkenntnisse und Schlussfolgerungen nicht begründet oder diese in sich
widersprüchlich sind oder die Expertise sonst wie an Mängeln krankt, die derart
offensichtlich und auch ohne spezielles Fachwissen erkennbar sind, dass sie das
Gericht nicht hätte übersehen dürfen (Urteil 6B_648/2014 vom 28. Januar 2015 E.
4.2).

2.4. Die Einwände des Beschwerdeführers sind weitgehend begründet.

2.4.1. Zweifelhaft ist bereits, ob die gutachterlichen Einschätzungen genügend
aktuell sind. Der Beschwerdeführer war bei der Begutachtung 19½-jährig, bei der
Ausfällung des vorinstanzlichen Urteils 24-jährig. Wie er zutreffend vorbringt,
verändern sich Menschen im Alter von 18-25 Jahren besonders stark. Auch der
Sachverständige weist darauf hin, das junge Alter des Beschwerdeführers spreche
grundsätzlich für eine bessere Beeinflussbarkeit (Gutachten vom 27. Juli 2010
S. 77, Akten Staatsanwaltschaft, act. 1231 ff. [nachfolgend Gutachten]).
Angesichts des Alters des Beschwerdeführers sind vorliegend erhöhte
Anforderungen an die Aktualität des Gutachtens zu stellen. Zwar wurde der
Experte über den Haftverlauf des Beschwerdeführers informiert und dokumentiert.
Zu den diversen (Therapie-) Berichten hat er sich im Gutachten, in seiner
Stellungnahme und anlässlich der erst- sowie vorinstanzlichen Verhandlung
geäussert (vgl. Gutachten S. 43 f., 81; Akten Staatsanwaltschaft, act. 1380
ff.; Akten Richteramt, act. 356 ff.; Akten Obergericht, Einvernahmeprotokoll
vom 15. Oktober 2014 S. 1ff. [nicht paginiert]). Jedoch hat er seit der
Erstellung seines Gutachtens nie mehr mit dem Beschwerdeführer gesprochen;
weder hat er ihn ergänzend begutachtet noch ihm vor Gericht eine Frage
gestellt. Diesbezüglich weist der Beschwerdeführer zu Recht auf eine Aussage
des Sachverständigen an der erstinstanzlichen Verhandlung hin, wonach es eine
Sache sei, jemanden in einer Gerichtsverhandlung zu erleben, eine andere,
jemanden während einer Begutachtung zu erleben (Akten Richteramt, act. 360 Z.
185 f.). Zwar ergibt sich - mangels Niederschrift der Fragen - aus dem
Protokoll nicht, in welchem Zusammenhang der Experte die Aussage machte. Jedoch
kann gestützt darauf der Wert einer "Nachbegutachtung" ohne Untersuchung
infrage gestellt werden.

 Auch die Angabe des Experten an der vorinstanzlichen Verhandlung, er könne
nicht sagen, ob der Beschwerdeführer hinsichtlich der Gruppenfähigkeit
Fortschritte gemacht habe, da er sich im Sicherheitstrakt befinde (Akten
Obergericht, Einvernahmeprotokoll vom 15. Oktober 2014 S. 3), deutet darauf
hin, dass eine ergänzende Begutachtung angezeigt wäre. Zudem lassen die
Vollzugsberichte des Untersuchungsgefängnisses Solothurn, der JVA Lenzburg und
der Anstalten Thorberg aus dem Jahr 2014 zumindest eine minimale Entwicklung
des Beschwerdeführers vermuten (Akten Obergericht). Schliesslich weist das Amt
für Justizvollzug des Kantons Solothurn in seiner Stellungnahme an die
Vorinstanz vom 17. Juli 2014 zum Gesuch des Beschwerdeführers um Anordnung
einer vollzugsbegleitenden therapeutischen Behandlung darauf hin, dass offene
Fragen hinsichtlich der aktuellen Therapiemotivation und -fähigkeit des
Beschwerdeführers sowie der Erfolgsaussichten einer Therapie beständen, da seit
seiner Begutachtung drei (recte: vier) Jahre vergangen seien. Das Amt empfiehlt
der Verfahrensleitung, diese Fragen durch den Forensisch-Psychiatrischen Dienst
der Universität Bern abklären zu lassen (Akten Obergericht). Zwar ist diese
Empfehlung für das Gericht nicht bindend, lässt jedoch auf die mangelnde
Aktualität des Gutachtens schliessen.

2.4.2. Es kann dahingestellt bleiben, ob das Urteil bereits aus diesem Grund
aufzuheben ist. Jedenfalls hätte die Vorinstanz wegen mehrerer Widersprüche
beziehungsweise massgebender Relativierungen in den gutachterlichen
Ausführungen an deren Schlüssigkeit zweifeln und ein Zweitgutachten einholen
müssen. Indem sie dies nicht tat und auf die vom Beschwerdeführer aufgezeigten
Unklarheiten nicht einging, verfiel sie in Willkür und verletzte seinen
Anspruch auf rechtliches Gehör.

 Der Sachverständige rät grundsätzlich klar von der Anordnung einer
therapeutischen Massnahme ab, da der Beschwerdeführer nicht therapiefähig sei
(Gutachten S. 80 ff.; Akten Richteramt, act. 357 f. Z. 53-58; Akten
Obergericht, Einvernahmeprotokoll vom 15. Oktober 2014 S. 2). Er sehe nicht,
dass mit einer therapeutischen Massnahme wesentliche Störungsaspekte behandelt
und die Legalprognose deutlich verbessert werden könne (Gutachten S. 83). Zudem
gebe es keine geeigneten Therapieeinrichtungen (Gutachten S. 82; Akten
Richteramt, act. 359 Z. 131-135, 139 f.; Akten Obergericht,
Einvernahmeprotokoll vom 15. Oktober 2014 S. 2). Diese Angaben relativiert der
Experte, indem er darauf hinweist, von den existierenden Massnahmezentren käme
einzig das Therapiezentrum "im Schachen" infrage, jedoch sei auch dort die
Behandlung auf einen intensiven Kleingruppenvollzug ausgerichtet und verlange
ein Minimum an Gruppenfähigkeit, das der Beschwerdeführer zurzeit klar nicht
aufbringe (Gutachten S. 82; Akten Obergericht, Einvernahmeprotokoll vom 15.
Oktober 2014 S. 2). Daraus kann zweierlei geschlossen werden: Einerseits, dass
eine therapeutische Massnahme in einer geeigneten Einrichtung, die eine
Einzelbetreuung anbietet oder in Kleinstgruppen arbeitet, denkbar wäre (siehe
auch Gutachten S. 82; Akten Richteramt, act. 359 Z. 131-135, wo der Experte
mehrfach wiederholt, dass es an geeigneten Einrichtungen fehlt). Andererseits,
dass der Beschwerdeführer für eine Behandlung im Therapiezentrum "im Schachen" 
zurzeit nicht genügend gruppenfähig ist, womit seine Therapierbarkeit letztlich
an der mangelnden Gruppenfähigkeit scheitert (vgl. Gutachten S. 80 ff.; Akten
Richteramt, act. 359 Z. 139-142; Akten Obergericht, Einvernahmeprotokoll vom
15. Oktober 2014 S. 2). Damit vermengt der Sachverständige die Voraussetzungen
einer Massnahme mit deren Ziel. So muss der Patient in vielen Fällen zu Beginn
der Therapie erst einmal therapiefähig gemacht werden, worunter neben dem Abbau
gefährlichen Verhaltens die Herstellung einer therapeutischen Beziehung und von
Gruppenfähigkeit fallen (Heer/Habermeyer, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd.
I, 3. Aufl. 2013, N. 102 zu Art. 64 StGB; Müller-Isberner/Ecker, Unterbringung
im Massregelvollzug gemäss § 63 StGB, in: Psychiatrische Begutachtung, Venzlaff
/Foerster [Hrsg.], 5. Aufl. München 2009, S. 438). Aus zahlreichen Aussagen des
Experten ergibt sich, dass beim Beschwerdeführer Fortschritte in der
Gruppenfähigkeit durchaus möglich sind: Wie es sich mit der Gruppenfähigkeit in
einigen Jahren verhalte, sei noch nicht abschätzbar (Akten Richteramt, act. 358
Z. 86 f.); er sehe zurzeit einzig die Möglichkeit des Normalvollzugs, damit auf
diese Weise die Gruppenfähigkeit des Beschwerdeführers verbessert werden könne
(Akten Richteramt, act. 359 Z. 140-142); er nehme an, dass man im Thorberg die
Gruppenfähigkeit angehen werde (Akten Richteramt, act. 359 Z. 111-114); man
müsse überprüfen, ob sich hinsichtlich der Gruppenfähigkeit etwas ändere (Akten
Obergericht, Einvernahmeprotokoll vom 15. Oktober 2014 S. 2). Folglich geht der
Sachverständige davon aus, dass sich die Gruppenfähigkeit des Beschwerdeführers
entwickeln und er damit langfristig therapiefähig werden könnte.

 In den gutachterlichen Ausführungen finden sich weitere Hinweise, wonach eine
Therapierbarkeit des Beschwerdeführers nicht gänzlich ausgeschlossen ist: Die
massgebenden Kriterien würden auf eine  geringe Beeinflussbarkeit hindeuten
(vgl. Gutachten S. 77 ff., 82; Akten Richteramt, act. 357 f. Z. 53-58, 83-85);
die Wahrscheinlichkeit, dass sich in den nächsten fünf Jahren etwas
Entscheidendes in der Therapiefähigkeit oder der ungünstigen Prognose des
Beschwerdeführers verändere, sei  gering (Akten Richteramt, act. 358 Z.
91-101); es sei nicht ganz auszuschliessen, dass ein deliktsorientiertes
Arbeiten mit dem Beschwerdeführer möglich sei (Akten Obergericht,
Einvernahmeprotokoll vom 15. Oktober 2014 S. 3).

 Der Beschwerdeführer wurde vor seiner Inhaftierung von Mai 2009 bis März 2010
von Herrn pract. med. B.________ ambulant betreut. In der Strafanstalt Bostadel
besuchte er während 28 Monaten 81 Therapiesitzungen mit stützendem Charakter.
Sowohl Herr B.________ als auch die behandelnden Therapeutinnen stellen die
Diagnose einer dissozialen Persönlichkeitsstörung infrage und empfehlen eine
Massnahme für junge Erwachsene nach Art. 61 StGB (Schreiben pract. med.
B.________ vom 6. Juli 2010, Akten Staatsanwaltschaft, act. 1356 f.;
Therapiebericht Strafanstalt Bostadel vom 21. November 2011, Akten Richteramt,
act. 158 ff.) beziehungsweise eine Kombination von pädagogischen und
psychotherapeutischen Interventionen, um die Entwicklung der kognitiven
Fähigkeiten und sozialen sowie emotionalen Fertigkeiten zu fördern
(Therapiebericht Strafanstalt Bostadel vom 2. April 2013, Akten Richteramt,
act. 505 f.). Daraus ergibt sich, dass die Therapeuten den Beschwerdeführer -
entgegen dem Sachverständigen - für therapiefähig erachten. Zwar kommt einem
Therapeuten nicht dieselbe Unabhängigkeit und Neutralität wie einem amtlichen
oder gerichtlichen Gutachter zu. Dies führt im Licht der freien Beweiswürdigung
jedoch nicht dazu, dass Therapieberichten die Beweiseignung und Verwertbarkeit
abgesprochen werden kann und darf (Urteil 6B_409/2012 vom 3. Februar 2014 E.
6.6; kritisch Marianne Heer, in: Basler Kommentar, Strafprozessordnung, 2.
Aufl. 2014, N. 39 zu Art. 183 StPO S. 1422, N. 10 zu Art. 184 StPO S. 1429;
vgl. auch BGE 125 V 351 E. 3b/cc S. 353). Jedenfalls sind Therapieberichte -
wie ein Privatgutachten - geeignet, die Erstellung eines (zusätzlichen)
Gutachtens zu rechtfertigen oder darzulegen, dass das gerichtliche oder
amtliche Gutachten mangelhaft (im Sinne von Art. 189 StPO) oder nicht schlüssig
ist (vgl. zu den Privatgutachten: Urteil 6B_20/2014 vom 14. November 2014 E.
7.2 mit Hinweisen). Da Fachleute, die den Beschwerdeführer während knapp einem
beziehungsweise zwei Jahren betreuten, dessen Therapiefähigkeit gänzlich anders
einschätzten als der Sachverständige, hätte die Vorinstanz die Schlüssigkeit
des Gutachtens zumindest eingehend prüfen, wenn nicht gar anzweifeln müssen.

2.5. Gesamthaft betrachtet stützt die Vorinstanz die Anordnung der Verwahrung
auf ein nicht mehr ganz aktuelles und insbesondere hinsichtlich der
Therapiefähigkeit des Beschwerdeführers nicht zweifelsfrei schlüssiges
Gutachten. Bei dieser Sachlage hat die Vorinstanz ein Gutachten eines neuen,
unabhängigen Sachverständigen einzuholen. Sie wird nach Eingang dieses
Gutachtens zu befinden haben, ob eine therapeutische Massnahme nach Art. 59 ff.
StGB oder die Verwahrung gemäss Art. 64 StGB anzuordnen ist.

3. 
Die Beschwerde ist teilweise gutzuheissen, das angefochtene Urteil aufzuheben
und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Im
Übrigen ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.

 Der Kanton Solothurn hat dem Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren im Umfang seines Obsiegens eine angemessene Parteientschädigung
auszurichten (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). Die Entschädigung ist seinem
Rechtsvertreter zuzusprechen. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung wird in diesem Umfang gegenstandslos. Soweit der
Beschwerdeführer unterliegt, ist es gutzuheissen. Die Begehren waren nicht
aussichtslos und seine Bedürftigkeit ist ausgewiesen (Art. 64 Abs. 1 und 2
BGG). Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers ist aus der Bundesgerichtskasse
zu entschädigen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des
Kantons Solothurn vom 15./16. Oktober 2014 aufgehoben und die Sache zur neuen
Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde
abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird gutgeheissen,
soweit es nicht gegenstandslos geworden ist. Für das bundesgerichtliche
Verfahren wird dem Beschwerdeführer Rechtsanwalt Rolf Liniger als
unentgeltlicher Anwalt beigegeben.

3. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

4. 
Der Kanton Solothurn hat den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers für das
bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'500.-- zu entschädigen.

5. 
Dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers wird eine Entschädigung von Fr.
1'500.-- aus der Bundesgerichtskasse ausgerichtet.

6. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Opfer und dem Obergericht des Kantons
Solothurn, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 20. April 2015

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Die Gerichtsschreiberin: Andres

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