Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.1197/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_1197/2014

Urteil vom 30. Juni 2015

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichterin Jametti,
Gerichtsschreiber Moses.

Verfahrensbeteiligte
X.E.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter Sutter,
Beschwerdeführer,

gegen

1. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich,
2. Y.F.________,
       vertreten durch Rechtsanwalt André Bürgi,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Einfache Körperverletzung, Hausfriedensbruch; Willkür,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II.
Strafkammer, vom 21. Oktober 2014.

Sachverhalt:

A. 
Gemäss Anklage hat am 13. September 2009 der jüngere Sohn von A.E.________,
B.E.________, der Tochter von Y.F.________ Gras ins T-Shirt geworfen.
Y.F.________ nahm dies zum Anlass, um den Sohn von A.E.________ zumindest
verbal zurechtzuweisen. In der Folge sollen A.E.________, X.E.________ und
C.E.________ ohne anzuklopfen oder die Türklingel zu betätigen
unberechtigterweise hintereinander die unverschlossene Wohnung der Familie
F.________ betreten haben. Dort soll A.E.________ Y.F.________ gewürgt und
geschlagen haben. Gleichzeitig sei Y.F.________ auch von X.E.________
geschlagen worden. In der Folge sollen A.E.________ und X.E.________
Y.F.________ gegen den offenen rechten Fensterflügel gedrängt haben, wobei
dieser aus den Scharnieren fiel, und versucht haben, ihn durch das
offenstehende Fenster zu stossen. Y.F.________ sei schliesslich mit dem
Oberkörper ausserhalb des Fensters gehangen.

B. 
Das Obergericht des Kantons Zürich erklärte X.E.________ am 21. Oktober 2014
zweitinstanzlich der einfachen Körperverletzung sowie des Hausfriedensbruchs
schuldig. Es bestrafte ihn mit einer bedingten Geldstrafe von 120 Tagessätzen
zu Fr. 50.--.

C. 
X.E.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, er sei von den
Vorwürfen der einfachen Körperverletzung und des Hausfriedensbruchs
freizusprechen. Die Zivilklage von Y.F.________ sei auf den Zivilweg zu
verweisen. Eventualiter sei er wegen Raufhandels mit einer bedingten Geldstrafe
von nicht mehr als 50 Tagessätzen zu bestrafen. X.E.________ ersucht um
unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.

D. 
Das Obergericht und die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich verzichten
auf eine Vernehmlassung. Y.F.________ beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen
und verzichtet auf weitergehende Bemerkungen.

Erwägungen:

1.

1.1. Der Beschwerdeführer rügt eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung. Er
macht unter anderem geltend, die Vorinstanz berücksichtige die Aussagen von
D.E.________ nicht. Diese habe erklärt, gehört zu haben, wie G.F.________ ihn
aufgefordert habe, die beiden in der Wohnung streitenden A.E.________ und
Y.F.________ zu trennen. Ebenso habe sie wahrgenommen, wie er, erst nach einer
Zeit, zu A.E.________ gesagt habe: "Hör auf, es bringt nichts". Daraus werde
deutlich, dass er in der Wohnung von Y.F.________ nichts anderes tat oder
bezweckte, als die beiden Streitenden zu trennen. Er habe in Notwehrhilfe
gehandelt.

1.2. D.E.________ führte aus, sie habe G.F.________ zweimal nacheinander sagen
hören: "X.E.________, nimm sie bitte auseinander". Dann sei sie wieder ins
Wohnzimmer gegangen, um die Kinder zu beruhigen. Später sei sie wieder zur
Wohnungstüre gegangen und habe den Beschwerdeführer zu A.E.________ sagen
hören: "Hör auf, es bringt nichts" (Urteil, S. 38). Die Vorinstanz erwägt, die
Aussagen von D.E.________ seien sehr glaubhaft und es bestehe kein Anlass,
darauf nicht abzustellen (Urteil, S. 41 f.). Damit stellt die Vorinstanz für
das Bundesgericht verbindlich (Art. 105 Abs. 1 BGG) fest, dass G.F.________ und
der Beschwerdeführer das sagten, was D.E.________ angab, gehört zu haben. Sie
gibt aber nicht an, wie diese Aussagen hinsichtlich der Frage, ob der
Beschwerdeführer die Absicht hatte, A.E.________ und Y.F.________ zu trennen,
zu würdigen sind. Daran ändert der blosse Hinweis, der Beschwerdeführer habe
auf Y.F.________ gewaltsam eingewirkt (Urteil, S. 43 f.), nichts. Das
angefochtene Urteil enthält diesbezüglich keine den Anforderungen von Art. 112
Abs. 1 lit. b BGG genügende Begründung.

2.

2.1. Die Vorinstanz erwägt, der Beschwerdeführer habe sich des
Hausfriedensbruchs schuldig gemacht. Ob G.F.________ den Beschwerdeführer
aufgefordert habe, Y.F.________ und A.E.________ auseinander zu nehmen, könne
offenbleiben. Es verstehe sich von selbst, dass ein allfälliger Wille von
G.F.________, den Beschwerdeführer in die Wohnung eintreten zu lassen, sich
darauf bezogen hätte, zu schlichten, nicht jedoch, um gegen ihren Ehemann
Gewalttätigkeiten zu verüben. Der Beschwerdeführer rügt, die
Tatbestandsvoraussetzungen des Hausfriedensbruchs seien nicht erfüllt.

2.2. Des Hausfriedensbruchs macht sich schuldig, wer gegen den Willen des
Berechtigten in ein Haus, in eine Wohnung, in einen abgeschlossenen Raum eines
Hauses oder in einen unmittelbar zu einem Hause gehörenden umfriedeten Platz,
Hof oder Garten oder in einen Werkplatz unrechtmässig eindringt oder, trotz der
Aufforderung eines Berechtigten, sich zu entfernen, darin verweilt (Art. 186
StGB).

 Die Vorinstanz stellt verbindlich fest, dass G.F.________ den Beschwerdeführer
aufforderte, ihren Ehemann Y.F.________ und A.E.________ zu trennen (siehe
oben, E. 1.2). Ohne Belang ist daher, wenn sie diesen Aspekt in einem anderen
Teil des angefochtenen Urteils offen lässt. Ebenso hält sie fest, dass der
Beschwerdeführer mit ca. fünf Sekunden Abstand seinem Bruder A.E.________, der
gerade an seiner Wohnungstüre vorbeigeeilt war, in das obere Stockwerk und in
die Wohnung von Y.F.________ nachgefolgt sei. Dort - d.h. in der Wohnung - habe
er sich konkludent dem Ansinnen und Handeln von A.E.________ angeschlossen
(Urteil, S. 65). Zudem habe der Beschwerdeführer, zum Zeitpunkt, als
A.E.________ und C.E.________ an seiner Wohnungstüre vorbeigingen, von der
Vorgeschichte gar keine Kenntnis haben können. Demnach habe er auch keine
Absicht hegen können, sich Y.F.________ wegen dessen Auseinandersetzung mit
B.E.________ vorzunehmen (Urteil, S. 36). Daraus folgt, dass der
Beschwerdeführer keine Absicht hatte, Gewalttätigkeiten gegen Y.F.________ zu
verüben, als er die Wohnung betrat. G.F.________ gewährte ihm Einlass, weshalb
er nicht gegen den Willen Letzterer in die Wohnung eingedrungen ist. Dass er zu
einem späteren Zeitpunkt aufgefordert worden sei, die Wohnung zu verlassen und
er weiter darin verweilt habe, wird ihm nicht zur Last gelegt. Der
Beschwerdeführer hat sich nicht des Hausfriedensbruchs schuldig gemacht.

 Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an
die Vorinstanz zurückzuweisen. Es erübrigt sich, auf die weiteren Rügen des
Beschwerdeführers einzugehen.

3. 
Für das bundesgerichtliche Verfahren sind die Kosten der unterliegenden Partei,
jedoch nicht dem Kanton, aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG). Der Kanton
Zürich und der Beschwerdegegner 2 haben dem Beschwerdeführer eine angemessene
Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 2 BGG). Diese ist praxisgemäss
dem Rechtsvertreter auszurichten. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung wird gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Obergerichts des Kantons
Zürich vom 21. Oktober 2014 wird aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung
an die Vorinstanz zurückgewiesen.

2. 
Dem Beschwerdegegner 2 werden Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- auferlegt.

3. 
Der Kanton Zürich und der Beschwerdegegner 2 haben dem Vertreter des
Beschwerdeführers, Rechtsanwalt Peter Sutter, für das bundesgerichtliche
Verfahren eine Parteientschädigung von je Fr. 1'500.-- zu bezahlen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 30. Juni 2015

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Der Gerichtsschreiber: Moses

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