Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.1180/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_1180/2014

Urteil vom 22. April 2015

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichterin Jametti,
Gerichtsschreiber Moses.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Johannes Glenck,
Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8090 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Betrug, Strafzumessung,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I.
Strafkammer, vom 25. September 2014.

Sachverhalt:

A. 
X.________ stellte am 7. September 2001 beim damaligen Amt für Jugend- und
Sozialhilfe (heute: Soziale Dienste) der Stadt Zürich einen Antrag auf
finanzielle Unterstützung und bezog bis zum 25. November 2011 Sozialhilfe.
Sowohl im ursprünglichen Unterstützungsantrag als auch in den elf nachfolgenden
Einkommens- und Vermögensdeklarationen gab er an, über keinerlei Einkommen und
Vermögen zu verfügen. Tatsächlich ging er einer geschäftlichen Tätigkeit nach.
Zudem erhielt er Ende 2001 Fr. 130'000.-- aus dem Verkauf eines Kiosks und am
7. Januar 2004 eine Haftpflichtentschädigung in der Höhe von Fr. 150'000.--.
Die Existenz von vier Bankkonten verschwieg er.

B. 
Das Bezirksgericht Zürich erklärte X.________ am 4. Februar 2014 des
gewerbsmässigen Betruges schuldig. Es bestrafte ihn mit einer teilbedingten
Freiheitsstrafe von 30 Monaten. Für Handlungen, die vor dem 28. November 2001
erfolgt sein sollen, stellte es das Verfahren infolge Verjährung ein.
Das Obergericht des Kantons Zürich bestätigte den erstinstanzlichen
Schuldspruch für den Zeitraum vom 24. Oktober 2002 bis zum 27. Juli 2011. Für
die Periode vom 28. November 2001 bis zum 23. Oktober 2002 sowie ab dem 28.
Juli 2011 sprach es X.________ vom Vorwurf des gewerbsmässigen Betruges frei.
Es bestrafte ihn mit einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 30 Monaten.

C. 
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das Urteil des
Obergerichts des Kantons Zürich sei aufzuheben und die Sache sei an die
Vorinstanz zurückzuweisen. Er ersucht um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Vorinstanz erwägt, dem Beschwerdeführer seien insgesamt Fr. 302'610.60
ausbezahlt worden. Die nicht von der Verjährung erfasste Zeitspanne beginne am
28. November 2001 zu laufen. Ab diesem Zeitpunkt wäre der Beschwerdeführer
verpflichtet gewesen, den Sozialen Diensten alle Veränderungen in den
Einkommen- und Vermögensverhältnissen zu melden. Das blosse Unterlassen einer
entsprechenden Meldung erfülle aber den Tatbestand des Betruges nicht. Erst am
24. Oktober 2002 habe der Beschwerdeführer erneut eine wahrheitswidrige
Einkommens- und Vermögensdeklaration ausgefüllt, was als Betrug zu
qualifizieren sei. Nur die ab diesem Datum von der Sozialhilfe ausbezahlten
Beträgen würden einen betrugsrelevanten Schaden darstellen. Zudem hätten die
Sozialen Dienste am 28. Juli 2011 Kenntnis von einem internen
Ermittlungsbericht erhalten, welches schwerwiegende Anhaltspunkte für das
Vorliegen eines Betruges enthalten würde. Ab diesem Datum sei eine arglistige
Täuschung nicht mehr möglich gewesen. Bei der Bestimmung der Deliktssumme seien
die Zahlungen vor dem 24. Oktober 2002 (Fr. 39'321.15) und nach dem 28. Juli
2011 (Fr. 4'963.40) nicht zu berücksichtigen. Im Ergebnis belaufe sich diese
auf Fr. 258'326.05.

1.2. Der Beschwerdeführer bringt vor, die zu seinen Gunsten von den Sozialen
Diensten getätigten Überweisungen seien in der Tabelle im Anhang 1 zur
Anklageschrift aufgeführt. Diese weise in den Spalten 1 und 2 den
Verwendungszeitraum und in der Spalte 3 das Valutadatum auf. Wie das
erstinstanzliche Gericht, orientiere sich die Vorinstanz fälschlicherweise an
der ersten Spalte der erwähnten Tabelle. Relevant sei aber das in der dritten
Spalte angegebene Valutadatum, woraus sich eine geringere Deliktssumme ergebe.
Die Schadenssumme sei für die Strafzumessung von Bedeutung. Indem die
Vorinstanz auf diesen Einwand nicht eingehe, verletze sie seinen Anspruch auf
rechtliches Gehör.

1.3. Die Zahlungen an den Beschwerdeführer sind im Anhang 1 zur Anklage nicht
nach dem Valutadatum, sondern nach dem Verwendungsdatum geordnet. In der
letzten Spalte der Tabelle ist der jeweilige Saldo eingetragen. Für die Periode
nach dem 28. Juli 2011 zieht die Vorinstanz vom Deliktsbetrag die Summe der
effektiv nach diesem Datum erfolgten Zahlungen ab. Zur Bestimmung des bis zum
24. Oktober 2002 ausbezahlten Betrages stützt sie sich hingegen auf den Saldo
des letzten Eintrags - in der Anordnung der Tabelle - vor diesem Datum. Dem
Beschwerdeführer ist insoweit beizupflichten, als die Vorinstanz die Auflistung
der einzelnen Sozialhilfeleistungen nicht nach dem effektiven Zahlungsdatum
geordnet hat. Um die Deliktssumme genau zu bestimmen, müssten einzelne
Leistungen, die in der Tabelle aufgrund des Verwendungsdatums vor dem 24.
Oktober 2002 eingeordnet sind, aber dessen effektive Zahlung danach erfolgte,
addiert werden. Umgekehrt müssten Leistungen, die vor diesem Datum für eine
spätere Verwendung erbracht worden sind, abgezogen werden. Der Beschwerdeführer
nimmt diese Berechnung nicht vor und legt nicht dar, inwiefern die von der
Vorinstanz festgestellte Deliktssumme im Ergebnis zu seinen Ungunsten falsch
und für die Strafzumessung von Bedeutung sein soll. Es ist nicht Aufgabe des
Bundesgerichts, dies nachzuforschen. Die Begründung der Beschwerde genügt den
Anforderungen von Art. 42 Abs. 2 BGG nicht. Darauf ist nicht einzutreten.

2.

2.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, sein Verhalten sei nicht arglistig
gewesen. Er habe einzig Formulare falsch ausgefüllt, ohne weitere
Täuschungshandlungen vorzunehmen. Zudem habe er sein Geschäft für jeden gut
ersichtlich an einer Hauptstrasse und in unmittelbarer Nähe zum Sozialamt
betrieben. Er habe nicht mit der für die Arglist notwendigen Raffinesse oder
Durchtriebenheit gehandelt. Die Vorinstanz habe sich damit nicht
auseinandergesetzt und einzig die Frage der Opfermitverantwortung geprüft. Auf
diese Weise verletze sie seinen Anspruch auf rechtliches Gehör.

2.2. Die Vorinstanz erwägt, dass die Sozialen Dienste keine Kenntnis vom Kiosk
bzw. von dessen Verkauf hatten. Hinsichtlich der Haftpflichtentschädigung
hätten die Rechtsvertreter des Beschwerdeführers Antworten gegeben, aus denen
zu schliessen war, dass diese nicht eingegangen war. Den Sozialen Diensten sei
kein leichtfertiges Handeln anzulasten. Der Beschwerdeführer habe darauf
vertrauen können, dass eine Überprüfung seiner Angaben unterbleiben würde. Das
Verhalten des Beschwerdeführers sei arglistig und eine Opfermitverantwortung
sei zu verneinen.

2.3. Des Betruges im Sinne von Art. 146 Abs. 1 StGB macht sich strafbar, wer in
der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, jemanden durch
Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt und so den
Irrenden zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich selbst oder einen
andern am Vermögen schädigt.
Der Tatbestand des Betruges erfordert eine arglistige Täuschung. Der Täter muss
mit einer gewissen Raffinesse oder Durchtriebenheit täuschen. Einfache Lügen,
plumpe Tricks oder leicht überprüfbare falsche Angaben genügen nicht. Arglist
scheidet weiter aus, wenn das Täuschungsopfer den Irrtum bei Inanspruchnahme
der ihm zur Verfügung stehenden Selbstschutzmöglichkeiten hätte vermeiden bzw.
sich mit einem Mindestmass an Aufmerksamkeit selbst hätte schützen können,
wobei im Einzelfall der jeweiligen Lage und Schutzbedürftigkeit des Betroffenen
bzw. seiner Fachkenntnis und Geschäftserfahrung Rechnung zu tragen ist. In
diesem Sinne wird Arglist von der Rechtsprechung bejaht, wenn der Täter ein
ganzes Lügengebäude errichtet oder sich besonderer Machenschaften oder Kniffe
(manoeuvres frauduleuses; mise en scène) bedient. Einfache falsche Angaben sind
arglistig, wenn ihre Überprüfung nicht oder nur mit besonderer Mühe möglich
oder nicht zumutbar ist, wenn der Täter den Getäuschten von der möglichen
Überprüfung abhält oder nach den Umständen voraussieht, dass dieser die
Überprüfung der Angaben auf Grund eines besonderen Vertrauensverhältnisses
unterlassen werde. Auch bei einem Lügengebäude oder bei betrügerischen
Machenschaften ist das Täuschungsopfer zu einem Mindestmass an Aufmerksamkeit
verpflichtet und scheidet Arglist aus, wenn es die grundlegendsten
Vorsichtsmassnahmen nicht beachtet hat (BGE 135 IV 76 E. 5.2; 128 IV 18 E. 3a;
126 IV 165 E. 2a; 125 IV 124 E. 3a; 122 IV 246 E. 3a).
Nach der im Bereich der Sozialhilfe ergangenen Rechtsprechung handelt eine
Behörde leichtfertig, wenn sie die eingereichten Belege nicht prüft oder es
unterlässt, die um Sozialhilfe ersuchende Person aufzufordern, die für die
Abklärung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse relevanten Unterlagen wie
beispielsweise die letzte Steuererklärung und Steuerveranlagung oder
Kontoauszüge einzureichen. Hingegen kann ihr eine solche Unterlassung nicht zum
Vorwurf gemacht werden, wenn diese Unterlagen keine oder voraussichtlich keine
Hinweise auf nicht deklarierte Einkommens- und Vermögenswerte enthalten
(Urteile 6B_576/2010 vom 25. Januar 2011 E. 4.1.2, in: SJ 2011 I S. 288; 6B_546
/2014 vom 11. November 2014E. 1.1; je mit Hinweisen).

2.4.

2.4.1. Es trifft zu, dass der Beschwerdeführer sich gegenüber den Sozialen
Diensten der Stadt Zürich keiner besonderen Machenschaften bediente.
Dementsprechend musste sich die Vorinstanz nicht mit dieser Frage befassen. Die
Erklärungen des Beschwerdeführers sind als einfache Lügen zu qualifizieren. Die
Vorinstanz hält fest, der Beschwerdeführer habe darauf vertrauen können, dass
seine Angaben nicht überprüft werden und bejaht daher Arglist (Urteil, S. 21).
Inwiefern dies falsch sein soll, legt der Beschwerdeführer nicht dar. Die
Beschwerde enthält diesbezüglich keine den Anforderungen von Art. 42 Abs. 2 BGG
genügende Begründung. Darauf ist nicht einzutreten. Dass die Vorinstanz einzig
unter dem Aspekt der Opfermitverantwortung prüfe, ob Arglist vorliegt, trifft
nicht zu. Die Rüge, der Anspruch auf rechtliches Gehör sei verletzt worden, ist
daher unbegründet.

2.4.2. Arglist scheidet auch deshalb nicht aus, weil sich das Geschäftslokal
des Beschwerdeführers in der Nähe des Sozialamtes befand. Insbesondere in einem
städtischen Umfeld ist nicht ohne Weiteres davon auszugehen, dass der Inhaber
eines Verkaufsladens - selbst an einer Hauptstrasse - bekannt sei. Wie bereits
das erstinstanzliche Gericht zutreffend festhielt, lässt sich ein
undeklariertes Einkommen aus dem selbstständigen Betrieb eines den Behörden
nicht bekannten Geschäfts kaum überprüfen (vgl. erstinstanzliches Urteil, S.
73).

3. 
Der Beschwerdeführer kritisiert die Strafzumessung. Er rügt, die Vorinstanz
gehe von einem kürzeren Deliktszeitraum und einer geringeren Deliktssumme als
die erste Instanz aus. Dies vermindere sein Verschulden offensichtlich. Die
Vorinstanz habe dies bei der Strafzumessung ausser Acht gelassen.
Die Rüge ist unbegründet. Die Berufungsinstanz fällt ein neues Urteil (Art. 408
StPO) und hat die Strafe nach ihrem eigenen Ermessen festzusetzen. Unter dem
Vorbehalt der "reformatio in peius" muss sie sich nicht daran orientieren, wie
die erste Instanz die einzelnen Strafzumessungsfaktoren gewichtet (Urteil
6B_1036/2013 vom 1. Mai 2014 E. 3.4.1 mit Hinweisen).

4. 
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Die
Kosten sind dem unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1
BGG). Dieser belegt die von ihm geltend gemachte Mittellosigkeit nicht, weshalb
sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung abzuweisen ist
(vgl. Urteil 5A_57/2010 vom 2. Juli 2010 E. 7 mit Hinweisen, nicht publ. in:
BGE 136 III 140).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 22. April 2015

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Der Gerichtsschreiber: Moses

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