Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.1168/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_1168/2014

Urteil vom 13. Februar 2015

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichterinnen Jacquemoud-Rossari, Jametti,
Gerichtsschreiberin Schär.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Advokat Simon Berger,
Beschwerdeführer,

gegen

1. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau, Frey-Herosé-Strasse 20,
Wielandhaus, 5001 Aarau,
2. A.________,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Einstellungsverfügung (falsches Gutachten); Beschwerdelegitimation,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau,
Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 28. Oktober 2014.

Sachverhalt:

A. 
X.________ wurde am 9. April 1999 im Kantonsspital Aarau ein Restcavernom im
Hirn operativ entfernt. Die Folgen des Eingriffs waren Gegenstand eines
Schadenersatzprozesses gegen den Kanton Aargau. Im Rahmen dieses Prozesses
wurde bei Dr. med. A.________ ein Gutachten zwecks Klärung der Umstände des
chirurgischen Eingriffs und dessen mögliche Auswirkungen auf X.________
eingeholt. Das Bezirksgericht Aarau wies die Klage am 9. Juni 2010 ab, wobei es
sich weitgehend auf das Gutachten von Dr. med. A.________ stützte. In der Folge
erstattete X.________ Strafanzeige gegen Dr. med. A.________ wegen falschen
Gutachtens.

B. 
Am 11. Januar 2011 verfügte die Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau die
Nichtanhandnahme des Strafverfahrens gegen Dr. med. A.________. Die
Beschwerdekammer in Strafsachen des Obergerichts des Kantons Aargau hob die
Nichtanhandnahmeverfügung am 9. März 2011 auf Beschwerde von X.________ hin
auf.

In der Folge eröffnete die Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau ein Strafverfahren
gegen Dr. med. A.________. Sie verfügte die Abtretung des Verfahrens an die
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau.

Am 6. März 2014 stellte die Oberstaatsanwaltschaft das Strafverfahren ein.

C. 
Die Beschwerdekammer in Strafsachen des Obergerichts des Kantons Aargau wies
die Beschwerde von X.________ gegen die Verfahrenseinstellung am 28. Oktober
2014 ab.

D. 
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, der Entscheid der
Vorinstanz sowie die Einstellungsverfügung seien aufzuheben und das Verfahren
sei an die Oberstaatsanwaltschaft zurückzuweisen, mit der Auflage, Anklage zu
erheben. Eventualiter sei die Untersuchung zu ergänzen.

Erwägungen:

1. 
Der Privatkläger ist zur Beschwerde gegen eine Einstellungsverfügung nur
legitimiert, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung seiner
Zivilansprüche auswirken kann (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG). In erster
Linie geht es um Ansprüche auf Schadenersatz und Genugtuung gemäss Art. 41 ff.
OR, die üblicherweise vor den Zivilgerichten geltend gemacht werden müssen.

Gemäss Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG hat der Beschwerdeführer darzulegen, dass die
gesetzlichen Legitimationsvoraussetzungen erfüllt sind. Richtet sich die
Beschwerde gegen die Einstellung oder Nichtanhandnahme eines Verfahrens, hat
der Privatkläger nicht notwendigerweise bereits vor den kantonalen Behörden
eine Zivilforderung geltend gemacht. Selbst wenn er bereits adhäsionsweise
privatrechtliche Ansprüche geltend gemacht hat (vgl. Art. 119 Abs. 1 lit. b
StPO), werden in der Einstellungsverfügung keine Zivilklagen behandelt (Art.
320 Abs. 3 StPO). In jedem Fall muss der Privatkläger im Verfahren vor
Bundesgericht darlegen, aus welchen Gründen sich der angefochtene Entscheid
inwiefern auf welche Zivilforderungen auswirken kann. Das Bundesgericht stellt
an die Begründung der Legitimation strenge Anforderungen. Genügt die Beschwerde
diesen Begründungsanforderungen nicht, kann darauf nur eingetreten werden, wenn
aufgrund der Natur der untersuchten Straftat ohne Weiteres ersichtlich ist, um
welche Zivilforderungen es geht (zur Publikation bestimmtes Urteil 6B_261/2014
vom 4. Dezember 2014 E. 1.1. mit Hinweisen).

Nach ständiger Rechtsprechung können öffentlich-rechtliche Ansprüche, auch
solche aus Staatshaftungsrecht, nicht adhäsionsweise im Strafprozess geltend
gemacht werden und zählen nicht zu den Zivilansprüchen im Sinne von Art. 81
Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG (BGE 131 I 455 E. 1.2.4 S. 461; 128 IV 188 E. 2.2 S.
191; Urteil 6B_980/2013 vom 28. Januar 2014 E. 2; je mit Hinweisen).

1.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, infolge des falschen Gutachtens den
Schadenersatzprozess gegen den Kanton Aargau verloren zu haben. Demzufolge
wirke sich die Einstellung des Strafverfahrens auf seine zivilrechtlichen
Ansprüche aus.

1.2. Der Beschwerde ist nicht zu entnehmen, gegen wen der Beschwerdeführer
welche Ansprüche geltend zu machen beabsichtigt. Sollte er seine
Beschwerdelegitimation damit begründen wollen, das Strafverfahren habe einen
Einfluss auf seine bereits vor dem Zivilgericht eingeklagte Forderung gegen den
Kanton Aargau, kann auf die Beschwerde von vornherein nicht eingetreten werden.
Wie sich aus dem Urteil des Bezirksgerichts Aarau vom 9. Juni 2010 ergibt,
handelte es sich dabei um einen Anspruch aus Staatshaftung und nicht um eine
Zivilforderung. Zudem ist der Kanton Aargau nicht Verfahrensbeteiligter des
Strafverfahrens.

Der Beschwerdeführer müsste darlegen, inwiefern sich der Ausgang des
Strafprozesses auf eine Forderung, die ihm gegen den Beschuldigten und damit
gegen den Beschwerdegegner 2 zusteht, auswirken kann (BGE 138 IV 186 E. 1.4.1
S. 189 mit Hinweisen; ANNETTE DOLGE, in: Basler Kommentar, Schweizerische
Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 51 und N. 58 zu Art. 122 StPO). Dazu
finden sich in der Beschwerde jedoch keine konkreten Ausführungen. Das
Bezirksgericht Aarau erteilte dem Beschwerdegegner 2 am 11. Februar 2010 einen
Gutachterauftrag. Jener erstattete sein Gutachten am 15. März 2010. Als
gerichtlicher Sachverständiger stand er in einem öffentlich-rechtlichen
Verhältnis zum Staat (BGE 134 I 159 E. 3 S. 163 mit Hinweisen; MOREILLON/
PAREIN-REYMOND, CPP, Code de procédure pénale, 2013, N. 5 zu Art. 184 StPO;
MARIANNE HEER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2.
Aufl. 2014, N. 6 zu Art. 184 StPO). Gemäss § 75 Abs. 1 der Verfassung des
Kantons Aargau vom 25. Juni 1980 (SAR 110.000) haften der Kanton und die
Gemeinden für den Schaden, den ihre Behörden, Beamten und übrigen
Mitarbeitenden in Ausübung der amtlichen Tätigkeit Dritten widerrechtlich
verursachen. Die Geschädigten haben insoweit gegenüber den Mitarbeitenden, die
den Schaden verursacht haben, keinen Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung
(§ 10 Abs. 1 des Haftungsgesetzes des Kantons Aargau vom 24. März 2009; SAR
150.200). Dass die allenfalls adhäsionsweise gegen den Beschwerdegegner 2
geltend zu machenden Forderungen ihren Grund im Zivilrecht haben, ist
angesichts des erhobenen strafrechtlichen Vorwurfs gegen den als
Gerichtsgutachter amtenden Beschwerdegegner 2 nicht offensichtlich. Ob der
Beschwerdeführer seine Legitimation genügend begründete bzw. er zur Erhebung
der Beschwerde überhaupt legitimiert ist, ist mithin fraglich, kann aber
offenbleiben, da auf die Beschwerde aus anderen Gründen nicht einzutreten ist.

Die zu Art. 81 Abs.1 lit. b Ziff. 5 BGG ergangene Rechtsprechung verlangt, dass
sich der angefochtene Entscheid auf die Beurteilung der im Strafverfahren
adhäsionsweise geltend gemachten bzw. noch geltend zu machenden
Zivilforderungen auswirkt. Dies ist nicht der Fall, wenn sich die
Privatklägerschaft lediglich als Straf- (Art. 119 Abs. 2 lit. a StPO) und nicht
auch als Zivilkläger (Art. 119 Abs. 2 lit. b StPO) konstituiert hat. Die
Erklärung ist gegenüber den Strafverfolgungsbehörden spätestens bis zum
Abschluss des Vorverfahrens abzugeben (Art. 118 Abs. 3 StPO; Urteil 6B_481/2014
vom 13. August 2014 E. 4 f.). Aus dem vorinstanzlichen Entscheid sowie den
Akten geht hervor, dass sich der Beschwerdeführer lediglich als Strafkläger
konstituiert hat (angefochtenes Urteil E. 1 mit Verweis auf act. 149). Da es
der Beschwerdeführer versäumt hat, sich vor Abschluss der Voruntersuchung im
Zivilpunkt zu konstituieren, kann er allfällige zivilrechtliche Ansprüche gegen
den Beschwerdegegner 2 im Strafverfahren nicht mehr adhäsionsweise geltend
machen. Der angefochtene Entscheid kann sich somit nicht auf seine
Zivilforderungen auswirken, weshalb der Beschwerdeführer nicht zur Beschwerde
legitimiert ist.

2. 
Auch als nicht Legitimierter ist der Beschwerdeführer grundsätzlich befugt,
Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung geltend zu machen. Unzulässig sind
allerdings Rügen, deren Beurteilung von der Prüfung in der Sache nicht getrennt
werden kann und die im Ergebnis auf eine materielle Prüfung des angefochtenen
Entscheids hinauslaufen (zur Publikation bestimmtes Urteil 6B_261/2014 vom 4.
Dezember 2014 E. 1.1 mit Hinweisen).

2.1. Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Beweiswürdigung wendet und in
diesem Zusammenhang die Einholung eines Obergutachtens beantragt, kann nach dem
Gesagten auf die Beschwerde nicht eingetreten werden.

2.2. Weiter rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung des
Untersuchungsgrundsatzes. Zur Begründung führt er aus, die Vorinstanz habe
seine Akten zur Krankengeschichte nicht beigezogen. Dies wäre erforderlich
gewesen, um die Schlussfolgerungen des Gutachtens zu überprüfen. Die Vorinstanz
gehe zudem ohne weitere Sachverhaltsermittlungen davon aus, das Gutachten des
Beschwerdegegners 2 sei korrekt. Die medizinisch relevanten Fragen hätten
jedoch durch ein Obergutachten überprüft werden müssen. Was der
Beschwerdeführer einwendet, zielt im Ergebnis auf eine materielle Überprüfung
des Entscheides ab. Dazu ist er mangels Legitimation in der Sache nicht
berechtigt.

3. 
Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten. Bei diesem Ausgang sind die
Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Dem
Beschwerdegegner 2 ist keine Entschädigung zuzusprechen, da ihm im
bundesgerichtlichen Verfahren keine Umtriebe entstanden sind.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 13. Februar 2015

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Die Gerichtsschreiberin: Schär

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