Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.1137/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_1137/2014

Urteil vom 19. Mai 2015

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichter Oberholzer,
Gerichtsschreiber Briw.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Kopp,
Beschwerdeführerin,

gegen

Jugendanwaltschaft des Kantons Aargau,
Frey-Herosé-Strasse 12, Wielandhaus, 5001 Aarau,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Nichtanhandnahme (Verleumdung),

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau,
Jugendbeschwerdekammer, vom 20. Oktober 2014.

Sachverhalt:

A.

 Im Jahre 2013 wurde von X.________ und A.Y.________, dem Vater von
B.Y.________ (geb. 1997), am Bezirksgericht Kulm ein Sorgerechtsprozess
geführt. Das in diesem Zusammenhang gegen C.________ angestrengte
Strafverfahren wegen "mutwilliger Gefährdungsmeldung" wurde von der
Staatsanwaltschaft Zofingen-Kulm am 8. April 2014 eingestellt.

B.

 X.________ erstattete mit Schreiben vom 7. Juli 2014 Strafanzeige gegen ihren
Sohn B.Y.________. Dieser habe wider besseres Wissen C.________ mit
Falschinformationen eingedeckt und damit eine unberechtigte Gefährdungsmeldung
ausgelöst. Das habe den Sorgerechtsprozess zwischen ihr und A.Y.________
unnötig erschwert.

 Die Jugendanwaltschaft verfügte am 24. September 2014 die Nichtanhandnahme der
Strafsache.

 X.________ erhob Beschwerde und beantragte, die Strafuntersuchung gegen
B.Y.________ wegen Verleumdung und/oder übler Nachrede zu eröffnen.

 Die Jugendbeschwerdekammer des Obergerichts des Kantons Aargau wies die
Beschwerde am 20. Oktober 2014 ab. Es stehe fest, dass B.Y.________ C.________
nicht mit den in der Anzeige erwähnten Informationen bedient habe. Das bedürfe
keiner weiteren Untersuchungshandlungen. Das Verfahren sei gemäss Art. 310 Abs.
1 lit. a StPO zu erledigen.

C.

 X.________ erhebt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, das Urteil der
Jugendbeschwerdekammer des Obergerichts aufzuheben und die kantonalen Behörden
zu verpflichten, das Verfahren an die Hand zu nehmen.

 Das Obergericht und die Jugendanwaltschaft des Kanons Aargau verzichteten auf
Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.

 Zur Beschwerde in Strafsachen ist nach Art. 81 Abs. 1 BGG berechtigt, wer vor
der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen oder keine Möglichkeit zur Teilnahme
erhalten (lit. a) und ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder
Änderung des angefochtenen Entscheids hat (lit. b). Nach Art. 81 Abs. 1 lit. b
Ziff. 5 BGG wird der Privatklägerschaft ein rechtlich geschütztes Interesse
zuerkannt, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer
Zivilansprüche auswirken kann. Dies setzt grundsätzlich voraus, dass die
Privatklägerin bereits adhäsionsweise Zivilforderungen geltend gemacht hat. Bei
Nichtanhandnahme oder Einstellung der Strafuntersuchung wird auf dieses
Erfordernis verzichtet. In diesen Fällen muss im Verfahren vor Bundesgericht
aber dargelegt werden, aus welchen Gründen sich der angefochtene Entscheid
inwiefern auf welche Zivilforderungen auswirken kann, sofern dies (etwa
aufgrund der Natur der untersuchten Straftat) nicht ohne Weiteres aus den Akten
ersichtlich ist (BGE 137 IV 246 E. 1.3.1, 219 E. 2.4). Das Bundesgericht stellt
an die Begründung strenge Anforderungen (BGE 141 IV 1 E. 1.1; Urteil 6B_1114/
2014 vom 6. Januar 2015). Diese Anforderungen gelten ebenfalls bei Straftaten
gegen die Ehre (Urteil 6B_94/2013 vom 3. Oktober 2013 E. 1.1).

 Die Beschwerdeführerin äussert sich nicht zur Legitimation und legt nicht dar,
aus welchen Gründen sich das angefochtene Urteil inwiefern auf welche
Zivilforderungen auswirken kann. Dies ist aufgrund der Natur der untersuchten
Straftat auch nicht ersichtlich. Auf die Beschwerde ist unter diesem
Gesichtspunkt nicht einzutreten.

2.

 Unbekümmert um die fehlende Legitimation in der Sache selbst kann die
angeblich von einer Straftat betroffene Person die Verletzung von ihr
zustehenden Verfahrensrechten geltend machen, deren Missachtung eine formelle
Rechtsverweigerung darstellt bzw. darauf hinausläuft. Das zur
Beschwerdelegitimation gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG erforderliche rechtlich
geschützte Interesse ergibt sich in diesem Fall aus der Berechtigung, am
Verfahren teilzunehmen. Zulässig sind dabei nur Rügen formeller Natur, die von
der Prüfung der Sache getrennt werden können. Nicht zu hören sind Rügen, die im
Ergebnis auf eine materielle Überprüfung des angefochtenen Entscheids abzielen
(BGE 141 IV 1 E. 1.1; 138 IV 248 E. 2; 136 IV 41 E. 1.4).

 Die Beschwerdeführerin rügt die Verletzung ihres rechtlichen Gehörs. Das
Recht, angehört zu werden, ist formeller Natur. Seine Verletzung führt
ungeachtet der materiellen Begründetheit des Rechtsmittels zur Gutheissung der
Beschwerde und zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids (BGE 137 I 195 E.
2.2). Diese Gehörsverletzung begründet die Beschwerdeführerin damit, sie habe
als damals nicht anwaltlich vertretene "juristische Laiin" (alleinerziehende
Mutter von zwei Kleinkindern, keine Berufslehre) nicht gewusst, dass sie ein
Akteneinsichts- und Teilnahmerecht hatte. Sie sei über keinen Einvernahmetermin
von C.________ und der Auskunftsperson B.Y.________ orientiert worden. Eine
Aktenauflage habe nicht stattgefunden.

 Die Beschwerdeführerin beruft sich an sich zutreffend auf Art. 107 Abs. 2
StPO. Nach dieser Vorschrift haben die Strafbehörden rechtsunkundige Parteien
auf ihre Rechte aufmerksam zu machen. Das gilt insbesondere für das
Akteneinsichtsrecht gemäss Art. 107 Abs. 1 lit. a StPO. Die Ansprüche aus Art.
107 StPO sind formeller Natur (vgl. Urteil 1B_163/2013 vom 4. November 2013 E.
4.8 - 4.10).

 Diese Beschwerdevorbringen betreffen indessen das von der Staatsanwaltschaft
Zofingen-Kulm am 8. April 2014 eingestellte Verfahren (oben Bst. A). Diese
Einstellungsverfügung ist nicht Gegenstand des mit dem angefochtenen Urteil der
Jugendbeschwerdekammer des Obergerichts vom 20. Oktober 2014 kantonal
letztinstanzlich abgeschlossenen Verfahrens. Nur dieses ist
Beschwerdegegenstand (Art. 80 BGG). Dieses Verfahren betreffend macht die
Beschwerdeführerin keine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend. Die Rüge,
die Vorinstanz setze sich mit den erwähnten Vorbringen nicht auseinander, ist
unbehelflich, weil sich diese auf das frühere Verfahren (oben Bst. A) beziehen.
Auf die Vorbringen ist insgesamt nicht einzutreten.

3.

 Zur Beschwerde in Strafsachen ist überdies berechtigt, wer den Strafantrag
stellt, soweit es um das Strafantragsrecht als solches geht (Art. 81 Abs. 1
lit. b Ziff. 6 BGG; vgl. BGE 138 IV 248 E. 2).

3.1. Die Beschwerdeführerin wendet ein, anders als die Jugendanwaltschaft des
Kantons Aargau stelle sich die Vorinstanz neu auf den Standpunkt, dass die
dreimonatige Strafantragsfrist gemäss Art. 31 StGB bei Einreichung der
Strafanzeige am 7. Juli 2014 abgelaufen gewesen sei.

3.2. Die Vorinstanz begründet ihr Urteil mit einer Haupt- und einer
Eventualbegründung. Enthält ein Entscheid mehrere Begründungen, die je für sich
den Ausgang der Sache besiegeln, müssen für die Gutheissung einer Beschwerde
alle Begründungen das Recht verletzen. In der Beschwerde ist darzulegen, dass
jede von ihnen Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG), andernfalls kann auf die
Beschwerde nicht eingetreten werden (BGE 139 II 233 E. 3.2; 133 IV 119 E. 6.3).

3.2.1. Die Vorinstanz verweist in der Hauptbegründung auf die Erwägungen der
Jugendanwaltschaft, wonach feststehe, dass B.Y.________ C.________ nicht mit
den in der Anzeige erwähnten Informationen bedient habe. Es gebe absolut keine
Anzeichen dafür, dass B.Y.________ die Beschwerdeführerin verleumdet habe. Das
bedürfe keiner weiteren Untersuchungshandlungen. Das Verfahren sei gemäss Art.
310 Abs. 1 lit. a StPO mit Nichtanhandnahmeverfügung zu erledigen. Die
Vorinstanz weist die Beschwerde aufgrund dieser aus ihrer Sicht zutreffenden
Ausführungen ab (Urteil E. 2.1).

 Zur Anfechtung dieser Hauptbegründung, mit der sich die Beschwerdeführerin
nicht auseinandersetzt, ist sie aus den dargelegten Gründen in der Sache nicht
legitimiert (oben E. 1), so dass darauf ohnehin nicht einzutreten ist.

3.2.2. Weil die Hauptbegründung bestehen bleibt (oben E. 3.2.1), ist auf die
Anfechtung der vorinstanzlichen Eventualbegründung nicht mehr einzutreten (vgl.
Urteile 6B_683/2014 vom 5. August 2014 E. 1 und 6B_218/2014 vom 3. März 2014 E.
1).

4.

 Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten. Der Beschwerdeführerin sind die
Kosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Jugendbeschwerdekammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 19. Mai 2015

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Der Gerichtsschreiber: Briw

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