Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.1136/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_1136/2014

Urteil vom 17. März 2015

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichter Rüedi, Bundesrichterin Jametti,
Gerichtsschreiber Moses.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Matthias Gut,
Beschwerdeführer,

gegen

1. Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Thurgau, Zürcherstrasse 323, 8510
Frauenfeld,
2. Y.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Mario Weber,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Einfache Körperverletzung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 27.
August 2014.

Sachverhalt:

A. 
X.________ und Y.________ waren Stockwerkeigentümer der Liegenschaft A.________
in B.________. Zwischen ihnen kam es am 19. Mai 2010 zu einer
Auseinandersetzung.

B. 
Das Obergericht des Kantons Thurgau erklärte X.________ am 27. August 2014
zweitinstanzlich der einfachen Körperverletzung schuldig. Es bestrafte ihn mit
einer bedingten Geldstrafe von zehn Tagessätzen zu Fr. 50.-- und einer Busse
von Fr. 200.--. Im Zivilpunkt verpflichtete es X.________, an Y.________ Fr.
150.50 zu bezahlen.

C. 
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, er sei vom Vorwurf
der einfachen Körperverletzung freizusprechen. Die Zivilklage sei abzuweisen.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Staatsanwaltschaft gewährte dem Beschwerdeführer - anders als dem
Beschwerdegegner 2 - keine Einsicht in die Akten vor der Tatrekonstruktion. Die
Vorinstanz hält fest, dass dies eine Verletzung von Art. 3 Abs. 2 lit. c StPO
(Gleichbehandlungsgebot) darstellt. Der Beschwerdeführer habe vor Durchführung
des Augenscheins nicht weiter auf Einsicht der Akten beharrt. Obwohl nur einer
der beiden Tatbeteiligten diese sichten konnte, hätten sich deren Aussagen in
den wesentlichen Punkten nicht geändert. Die dem Beschwerdeführer verweigerte
Kenntnisnahme der Akten habe den Verfahrensausgang jedenfalls nicht
beeinflusst. Eine allfällige Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör sei
als geheilt anzusehen, nachdem der Beschwerdeführer im weiteren Verlauf des
Strafverfahrens Einsicht in die Akten erhielt.

1.2. Der Beschwerdeführer rügt im Wesentlichen, die nur dem Beschwerdegegner 2
einseitig gewährte Einsicht in die Akten vor der Tatrekonstruktion habe zu
einer ungleichen Ausgangslage zu seinen Ungunsten geführt. Er habe davon
ausgehen dürfen, dass auch dem Beschwerdegegner 2 die Kenntnisnahme der Akten
vor der Nachstellung verweigert worden sei. Das Argument, wonach sich die
Aussagen der beiden Beteiligten in den wesentlichen Punkten nicht geändert
hätten, überzeuge nicht. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der
Verfahrensausgang durch diesen Verfahrensmangel nicht beeinflusst worden sei.
Durch die gewonnenen Informationen habe der Beschwerdegegner 2 Szenarien
schildern können, welche er an der ersten polizeilichen Einvernahme nicht
vorgebracht habe. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs könne nicht als geheilt
angesehen werden.

1.3. Das erstinstanzliche Gericht hielt fest, dass die Nachstellung keinen
Aufschluss über das Tatgeschehen gebracht habe (erstinstanzliches Urteil, S.
11). Die Vorinstanz stützt ihre Beweiswürdigung nicht auf die erwähnte
Nachstellung (Urteil, S. 11 ff.). Selbst wenn der Beschwerdegegner 2 die
Möglichkeit hatte, seine Schilderung den aus den Akten gewonnenen Informationen
anzupassen, hatte dies keinen Einfluss auf den Ausgang des Verfahrens. Die Rüge
ist unbegründet.

2.

2.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe am 5. Juni 2010 einen Strafantrag
gegen den Beschwerdegegner 2 wegen Körperverletzung und Tätlichkeiten gestellt.
Die Staatsanwaltschaft habe diesbezüglich nichts unternommen und das
Strafverfahren einseitig gegen ihn weitergeführt. Das Gleichbehandlungsgebot
sei auch in dieser Hinsicht verletzt worden. Die Vorinstanz verneine dies zu
Unrecht.

2.2. Nach Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG ist zur Beschwerde in Strafsachen
berechtigt, wer an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheides
ein rechtlich geschütztes Interesse hat. Der Beschwerdeführer muss ein
aktuelles praktisches Interesse an der Behandlung der Beschwerde haben. Mit
diesem Erfordernis soll sichergestellt werden, dass das Gericht konkrete und
nicht bloss theoretische Fragen entscheidet. Es dient damit der Prozessökonomie
(BGE 136 I 274 E. 1.3 mit Hinweisen). Es ist nicht erkennbar, inwiefern eine
allfällige Verletzung des Gleichbehandlungsgebots im Vorverfahren sich auf das
angefochtene Urteil ausgewirkt haben soll. Der Beschwerdeführer legt es auch
nicht dar. Eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Staatsanwaltschaft das
Gleichbehandlungsgebot verletzte, wäre rein theoretischer Natur. Darauf ist
nicht einzutreten.

3.

3.1. Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz verletze den Grundsatz in dubio
pro reo und würdige den Sachverhalt willkürlich. Die Aussagen des
Beschwerdegegners 2 seien, entgegen der Auffassung der Vorinstanz, nicht
stimmig. Dessen Verletzungen könnten auch eine andere Ursache haben. Der
Angriff sei nicht von ihm, sondern vom Beschwerdegegner 2 ausgegangen. Die
Vorinstanz verneine daher zu Unrecht eine Notwehrsituation.

3.2. Die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz kann vor Bundesgericht nur
gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des
Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1
BGG). Offensichtlich unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie
willkürlich ist (BGE 137 III 226 E. 4.2 mit Hinweisen). Willkür liegt vor, wenn
der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist oder mit der
tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht. Dass eine andere Lösung
oder Würdigung ebenfalls vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt für
die Annahme von Willkür nicht (BGE 138 I 305 E. 4.3 mit Hinweisen). Dem
Grundsatz in dubio pro reo kommt in seiner Funktion als Beweiswürdigungsregel
im Verfahren vor dem Bundesgericht keine über das Willkürverbot von Art. 9 BV
hinausgehende Bedeutung zu (BGE 127 I 38 E. 2a mit Hinweisen). Eine
entsprechende Rüge muss klar vorgebracht und substanziiert begründet werden
(Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 137 IV 1 E. 4.2.3; 136 I 65 E.
1.3.1; je mit Hinweisen). Auf eine rein appellatorische Kritik am angefochtenen
Urteil tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 137 IV 1 E. 4.2.3; 136 II 489 E.
2.8; je mit Hinweisen).
Der Beschwerdeführer legt einzig seine Sicht der Dinge dar, ohne aufzuzeigen,
dass und inwiefern die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz im Ergebnis
nicht vertretbar und willkürlich sein soll. Seine Vorbringen erschöpfen sich in
appellatorischer Kritik, worauf nicht einzutreten ist. Nach den verbindlichen
Feststellungen der Vorinstanz (Art. 105 Abs. 1 BGG) ging der Angriff nicht vom
Beschwerdegegner 2 aus, weshalb die Rüge des Beschwerdeführers, er habe in
Notwehr gehandelt, unbegründet ist.

4. 
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Die
Kosten sind dem unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1
BGG). Dem Beschwerdegegner 2 ist keine Entschädigung zuzusprechen, da ihm im
bundesgerichtlichen Verfahren keine Umtriebe entstanden sind.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 17. März 2015

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Der Gerichtsschreiber: Moses

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